Table Of ContentBernhard  W elte 
MEISTER  ECKHART 
Gedanken  zu  seinen  Gedanken 
Mit einem Vorwort  von Alois M. Haas 
Herder  Freiburg·  Basel · Wien
Durchgesehene Neuausgabe 
Alle Rechte vorbehalten  - Printed in Germany 
© Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1992 
Herstellung: Freiburger Graphische Betriebe 1992 
ISBN 3-451-22607-3
Vorwort  zur Neuausgabe 
Von Alois M. Haas 
Bernhard  Welte  (1906  - 1983)  hat  sich aus einem  vita 
len Interesse  heraus  zeitlebens  mit  Meister  Eckhart  (ca. 
1260  - 1327/28)  befaßt.  Das  hat  sich in verschiedenen 
Veröffentlichungen  niedergeschlagen 1 die keinen  Zwei 
, 
fel  darüber  lassen,  daß  Meister  Eckhart  für  Wehe  in 
doppelter  Hinsicht  wichtig  wurde.  Zum  einen sah  er in 
ihm einen Mystiker,  dessen Konzeption  eines mystischen 
Lebenswegs  „auf  einer  spekulativen  und  theoretischen 
Vorzeichnung  entworfen  ist"2 die  er  mit  der  aristote 
, 
lisch-thomistischen  Traditionslinie  identifizierte.  An 
1  Meister  Eckhart  als  Aristoteliker,  in:  Philosophisches  Jahr 
buch 69 (1961)  64-74,  wieder  in: B.  Weite,  Auf der Spur des Ewi 
gen  (Freiburg  i.  Br.  1965)  197-210;  Besprechung  von: 
Sh.  Ueda,  Die Gottesgeburt  in der  Seele und  der Durchbruch  zur 
Gottheit.  Die mystische  Anthropologie  Meister  Eckharts  und  ihre 
Konfrontation  mit  der  Mystik  des  Zen-Buddhismus  (Güters 
loh  1965),  in: Theologische  Revue  63  ( 1967)  86-89;  Der  mysti 
sche Weg des Meister  Eckhart  und  sein spekulativer  Hintergrund, 
in:  Freiheit  und  Gelassenheit.  Meister  Eckhart  heute,  hrsg.  von 
U. Kern  (München  1980)  97-102,  wieder  in: Gespräch  mit  Mei 
ster  Eckhart,  hrsg.  von U. Kern  u.  a.  (Berlin  1982)  30-34.  - Zu 
Weites  wissenschaftlichem  Werk  vgl.  K.  Hemmerle  (Hrsg.),  fra 
gend und lehrend  den Glauben  weit machen.  Zum Werk  Bernhard 
Weites anläßlich  seines 80. Geburtstages  (Freiburg i. Br. 1987). 
2  Weite (1980) wie Anm. 1, 97. 
1
dieser  Auffassung  - so  zutreffend  sie im  einzelnen  sein 
mag - ist mit dem Verweis auf den Neuplatonismus  der 
deutschen  Dominikanerschule,  wie sie sich im Anschluß 
an  das  Denken  Alberts  des  Großen  legitimierte,  mit 
Recht  Kritik  geübt  worden 3 Die  neueste  Eckhartfor 
• 
schung  sieht  die  Filiationen  der  Denk- und  Überliefe 
rungszusammenhänge  heute  komplexer.  Da  Weites 
Zugang  zu  Meister  Eckhart  aber  letztlich  kein  histori 
scher, sondern  ein aktuell-heutiger  ist, behält  seine syste 
matische  und  eminent  denkerische  Eckhart-Deutung 
ihren  heuristischen  Wert.  Der  Untertitel  des  hier  neu 
vorgelegten  Bandes  „ Gedanken  zu  seinen  Gedanken" 
muß  ganz ernst  genommen  werden:  Es handelt  sich um 
_Gedanken eines Denkenden,  der sich auf die Sache Mei 
ster Eckharts  einläßt  und dabei sowohl  dessen wichtigste 
Gedanken  und  Gedankenmotive  wie  auch  die zu deren 
Deutung  erforderliche  Methode  entdeckt  und vorstellt. 
Die drei  Eckharts  eigenem  Denken  korrespondieren 
den,  aber  auch  interpretatorisch  bedeutsamen  Ebenen, 
die  in  diesem  Vorgehen  sichtbar  werden,  geben  den 
sachgemäß  methodologischen  Bezugsrahmen  dieser Deu -
tung  ab.  In  der  Tat  läßt  sich  Meister  Eckharts  Werk 
nicht  angemessen  deuten  ohne  Rekurs  auf  seine meta 
physisch-spekulativen,  mystischen  (d . h. auf den religiö 
sen Vollzug gerichteten)  und  seine - beide vorgenannten 
Dimensionen  umfassenden  - theologischen  Aussageebe 
nen. Diese integrative  Deutungsperspektive  erlaubt  Wei 
te,  daß  Eckhartsche  Denken  in  seinem  konsequenten 
Ausgerichtetsein  auf  das  dunkle  Licht  der  Gottheit,  in 
seiner  Bezogenheit  auf  die  Wahrnehmungsinstanz  im 
Menschen,  den  Seelengrund  oder  das  Seelenfünklein 
3  Zum  Beispiel B. Mojsisch, Meister  Eckhart.  Analogie, Univozität 
und Einheit (Hamburg  1983) 10, 59, 117, 134. 
2
und  schließlich  in  seinem  Ausgriff  auf  die  Welt  des 
gesamten  Kosmos  als auf  einen  Bereich, der  einheitlich 
und  unvordenklich  im  dunklen  Licht  der  Gottheit  sich 
einbefaßt  findet.  Die  Denkkategorien,  die  in  solchem 
Denken  sich  als  einzig  tragfähig  erweisen,  sind  solche 
nicht  der  statischen  Benennung,  sondern  solche  des 
dynamischen  Vollzugs.  Wie  kein  anderer  Eckhartfor 
scher  hat  Weite  auf  der  Einheit  zwischen  Gott  und 
Mensch  als auf einer  Einheit  des Vollzugs,  der  dynami 
schen  Beziehung  bestanden.  Eckharts  elastische  Meta 
phorik  für  den  Seelenfunken  signalisiert  an  sich  schon 
eine  solche  Dynamik  der  lebendigen  Einheit  zwischen 
Mensch  und  Gott;  am  Interpreten  liegt es, sie wahrzu 
nehmen. 
Gleichwohl  - wenn  Weite  den  Bezug  zwischen 
Mensch  und  Gott  als  eine  unvordenklich  einheitliche 
Vollzugseinheit  denkt,  dann  ist und  bleibt der Weg dazu 
ein  Weg  nicht  des  indistinkten  Gefühls,  sondern  des 
strengen  Denkens.  Das bezeugte  Martin  Heidegger  - ein 
Denker,  auf  den  sich  Weite  mit  Vorliebe  bezieht,  mit 
dem  er  auch  eingestandenermaßen  über  Eckhart  aus 
führlich  gesprochen  hat  - mit  Nachdruck,  wenn  er mit 
Blick  auf  Meister  Eckhart  festhielt,  daß  zur  großen 
Mystik  „die äußerste  Schärfe  und Tiefe des Gedankens" 
gehörte 4
• 
Wenn  W elte  Gedanken  zu  den  Gedanken  Meister 
Eckharts  vorlegt,  so geschieht  dies im Vertrauen  auf die 
Tragfähigkeit  des  Denkens  im  Spiel  der  Vollzugsheit 
zwischen  Mensch  und  Gott,  die als eine Äußerungsform 
der  Wahrheit  selbst  erfahrbar  werden  kann  und  darf. 
Gleichzeitig  mit  dieser  Begründung  der  mystischen 
4  Zitiert  bei Weite  (1980) wie Anm.  1, 102  (Der Satz vom  Grund 
[Pfullingen 19 5 7] 71 ).  
3
Erfahrung  Gottes  in  der  Offenheit  des  menschlichen 
Intellekts  gewinnt  Wehes  Eckhartdeutung  eine Öffnung 
der Perspektive  auf die Erfahrung  des Absoluten  in östli 
chen  Religionen  und  Weltanschauungen.  Seine  Bezug 
nahmen  auf den Zen-Buddhismus  erfolgen  zu Recht und 
mit  tiefem  Gespür  für  dessen  Auffassung  einer  gnaden 
haft  plötzlichen  Durchbruchsmöglichkeit  aus  dem 
Bereich des Kontingenten  hinein  ins „fruchtbare  Nichts" 
(englische Mystik)  des alles bedingenden  Absoluten5. 
5  Vgl. auch A. M. Haas, Das Ereignis des Wortes:  Sprachliche Ver 
fahren  bei Meister  Eckhart  und im Zen-Buddhismus,  in: ders., Gott 
leiden  Gottlieben.  Zur  volkssprachlichen  Mystik  im  Mittelalter 
(Frankfurt  a. M. 1989) 201-240,  431--447; B. Weite, Das Licht des 
Nichts.  Von der Möglichkeit  neuer religiöser Erfahrung  (Düsseldorf 
1980) 59 f. 
4
Inhalt 
Vorbemerkung  9 
Einleitung  .  . .  11 
§ 1.  Von  der Sache, über die nachzudenken  sein wird, 
und von der ihr angemessenen Methode  des Denkens  .  11 
1.  Die Ebene der Metaphysik  .  .  .  .  .  .  .  .  11 
2.  Die Ebene des religiösen Vollzugs  12 
3.  Der Zusammenhang  der beiden Ebenen  ....  14 
4.  Die theologische  Ebene und der Zusammenhang  des 
Ganzen  ..............  .  18 
5.  Das Zeugnis  der Wirkungsgeschichte  21 
6.  Die Sache, über die nachzudenken  ist  .  .  .  .  .  .  22 
7.  Gedanken  zu den Gedanken  .  .  .  .  .  ...  24 
8.  Bemerkungen  zur neueren Eckbart-Literatur  28 
Erster Teil 
Der Weg ins dunkle  Licht der Gottheit  31 
§ 2.  Die Abgeschiedenheit  .  .  .  .  .  .  .  31 
1.  Die Struktur  der Abgeschiedenheit  31 
2.  Die Eigenschaft  .  .  .  .  .  33 
3.  Das Seinlassen  .  .  .  .  .  .  .  36 
4.  Husserl  und Heidegger  ...  38 
5.  Der spekulative  Hintergrund  .  .  .  .  39 
§ 3.  Die Abgeschiedenheit  und  Gott als die Wahrheit  .  45 
1. Gott  als die Wahrheit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  46 
2.  Das Seinlassen und die Wahrheit  .  .  .  .  47 
3.  Der Begriff der Wahrheit  .  .  .  .  47 
5
4.  Die ewige Wahrheit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  49 
5.  Die neu platonische  und thomanische  Tradition  dazu  54 
6.  Die Abgeschiedenheit  und die Wahrheit  55 
7.  Die Spekulation  und die Unmittelbarkeit  56 
§ 4.  Gott als die Gutheit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  57 
1.  Stellen im Eckhartsehen  Text  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  58 
2.  Erläuterung  des hier vorliegenden Begriffs der Gutheit  59 
3.  Die absolute  Gutheit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  62 
4.  Der  metaphysische  Begriff der  Gutheit  und  die Un-
mittelbarkeit  der Begegnung  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  65 
5.  Der metaphysische  Begriff der Gutheit  .  .  .  .  .  .  .  67 
§ 5.  Das Sein und das Eine als die Grundlage von Wahr-
heit und Gutheit  und die Trinität  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  68 
§ 6.  Auf dem  Weg zur  Überwindung der Metaphysik  .  72 
1.  Überwindung  von Wahrheit  und Gutheit  als Gedan-
ken  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  73 
2.  Die Sache mit dem Intelligere in den Pariser Quaestio-
nen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  79 
§ 7.  Der Durchbruch:  Gott als das Nichts der Abgeschie-
denheit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  85 
1.  Entscheidende  Texte  des Meisters  Eckhart  .  .  .  .  .  85 
2.  Verschwinden  auch  der Subjektivität  .  .  .  .  .  .  .  .  90 
3.  Traditionszeugen  für  diese Überwindung  der  Meta 
physik:  die christlichen  Neuplatoniker  und  Thomas 
von Aquin  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  94 
4.  Analogien  aus dem Bereich des Zen-Buddhismus  105 
§ 8.  Die Sache mit der Identität  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  110 
1.  Eckhartsche  Texte  zur Identität  .  .  .  .  .  .  .  .  .  110 
2.  Der  Unterschied  zwischen  der  Identität  des  Ge 
schehens und der Identität  des Bestandes in der Tradi-
tion  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  116 
3.  Die Identität  des Geschehens  und die Aufhebung  der 
Subjekt-Objekt-Differenz  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  120 
§ 9.  Abwandlungen  der Identität  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  121 
1.  Allgemeine Grundlage  der Identität .des Geschehens  123 
2.  Das Bild des Spiegels und die zwei Seiten des Spiegels  126 
6
3.  Das Modell der Vaterschaft  und der Sohnschaft  .  .  129 
4.  Sohnschaft  und  Vaterschaft  im  Verhältnis  des  ab-
geschiedenen Menschen zu Gott  130 
5.  Die Sache mit der Dankbarkeit  .  .  .  133 
6.  Die Gerechtigkeit  und der Gerechte  139 
Zweiter  Teil 
Der  Seelengrund  als Voraussetzung  des Weges ins 
dunkle  Licht der Gottheit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  145 
§ 10.  Der Seelengrund und das Ungeschaffene in ihm  145 
1. Die Voraussetzung  des Vollzuges  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  145 
2.  Texte  über den Grund  der Seele  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  146 
3.  Erläuterung  der Struktur  des menschlichen Geistes  .  150 
4.  Die thomasische  Analogie zu dieser Lehre Augustins  163 
5.  Der Zusammenhang  der  Lehre vom Ungeschaffenen 
in der Seele und der Lehre von der Abgeschiedenheit  169 
6.  Die buddhistische  Analogie  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  172 
Dritter Teil 
Die Vision der Welt im dunklen  Licht der Gottheit  175 
§ 11.  Die Dinge der Welt in Gott  .  .  .  .  .  175 
1.  Mensch  und Welt  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  175 
2.  Die Welt als Kreatur in ihrer Nichtigkeit  .  .  .  .  176 
3.  Die Welt als Kreatur  in ihrer Göttlichkeit  182 
4.  Die mögliche Erfahrung  der Göttl~chkeit der Welt  .  184 
5.  Der Zusammenhang  von vita contemplativa  und vita 
activa  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  187 
6.  Die buddhistische  Analogie  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  192 
§ 12.  Das Unvordenkliche  der Welt  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  196 
1. Der Lauf der Welt und die Gestalt der Welt von Gott 
zu Gott  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  196 
2.  Die Stille des Anfangs  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  197 
§ 13.  Der Ursprung der Welt aus dem Unvordenklichen 
und die ursprüngliche  Gestalt der Welt als Einheit  203 
1.  Der Ursprung  als dialektisches  Geben  204 
2.  Die Einheit als Fülle  .  .  .  .  .  .  .  .  209 
3.  Der Mensch als der Ort der Einheit  215 
7
§ 14.  Die Uneinheit der Welt, das Übel und die Sünde  221 
1. Die Uneinheit  in der Einheit als Grund  des Übels und 
des Bösen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  223 
2.  Das Übel und  der Schmerz  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  226 
3.  Das Böse und  die Sünde  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  230 
§ 15.  Das Eilen der Welt ins dunkle  Licht  Gottes  .  23 7 
1.  Die finale Dynamik  als Seinsweise der Welt  23 8 
2.  Deutung  der kosmischen  Dynamik  und  ihrer  Stufen  241 
3.  Das letzte Ende  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  247 
Anhang  .....  249 
§ 16.  Gedanken  zum  Prozeß des Meister Eckhart  .  249 
Literaturverzeichnis  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  263 
8