Table Of ContentWerner Holly· Ulrich Püschel (Hrsg.)
Medienrezeption als Aneignung
Werner Holly· Ulrich Püschel (Hrsg.)
Medienrezeption
als Aneignung
Methoden und Perspektiven
qualitativer Medienforschung
Westdeutscher Verlag
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© 1993 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt
Gedruckt auf säurefreiem Papier
ISBN-13: 978-3-531-12430-8 e-ISBN-13: 978-3-322-87281-4
001: 10.1007/978-3-322-87281-4
Inhalt
Wemer Holly und Vlrich Püschel
Vorwort.................................................................................................................... 7
Michael Charlton
Methoden der Erforschung von
Medienaneignungsprozessen...... .... .... ... .... .... ....... .... ..... ........................................... 11
Ruth Ayaß
Auf der Suche nach dem verlorenen Zuschauer..................................................... 27
Ben Bachmair
Tiefenstrukturen entdecken - Medienanalyse und Massenkommunikation ......... , 43
Hans Borchers
Wie amerikanische Fernsehzuschauerlinnen mit Soap Operas umgehen -
Bericht über eine Audience Study...... ... ... ........... ..... ..... ........................................... 59
Rainer Winter
Die Produktivität der Aneignung - Zur Soziologie medialer Fankulturen. ... ..... ... 67
Bemd Vlmer und Jörg Bergmann
Medienrekonstruktionen als kommunikative Gattungen......................................... 81
Angela Keppler
Fernsehunterhaltung aus Zuschauersicht. ................................................................ 103
Ulrich Püschel
"du mußt gucken nicht so viel reden" - Verbale Aktivitäten bei der
Fernsehrezeption ...................................................................................................... 115
Wemer Holly
Fernsehen in der Gruppe - gruppen bezogene Sprachhandlungen von
Fernsehrezipienten ................................................................................................... 137
Karl Matthias Mingot
Die Struktur der Fernsehkommunikation - der objektive Gehalt des
Gesendeten und seine Rezeption ............................................................................. 151
6 Inhalt
Helga Kotthoff
"Du Trottel, warum hast Du denn sowas nicht im Club gesagt?"
Fernsehdiskussionen, Kontextforschung und Intertextualität.. ............................... 173
Klaus Neumann-Braun und Silvia Schneider
Biographische Dimensionen in der Medienaneignung ........................................... 193
Fletcher DuBois
Mediale Erinerungen - eine autobiographische Skizze .......................................... 211
Zu den Autorinnen und Autoren ............................................................................. 219
Vorwort
Wemer Hally und Ulrich Püschel
Medienrezeption ist vielfach untersucht worden, vor allem mit quantitativen Methoden,
wie in den Sozial- und Kommunikationswissenschaften weithin üblich. Die Beiträge
in diesem Band gehen das Thema anders an. Bei Rezeptionsvorgängen haben wir uns
als Sprachwissenschaftler zunächst eigentlich gar nicht zuständig gefühlt; wohl hatten
wir uns in den 80er Jahren mit verschiedenen medialen Textsorten beschäftigt, uns da
bei aber strikt auf Produktanalysen beschränkt. Erst die Einsicht, daß unsere Interpreta
tionen, so plausibel sie auch erscheinen mochten, nicht unbedingt dem entsprachen,
was der "authentische Rezipient" wahrnahm, hat uns die Idee nahegebracht, Rezeptions
fragen nicht immer nur auszuklammern. Ermutigt haben uns dabei vor allem ethnome
thodologische und andere qualitative Ansätze in der Sozialforschung, daneben aber auch
die angelsächsischen "Cultural Studies", die Textinterpretationen und Rezeptionsverhal
ten miteinander verbinden. Was können Sprachwissenschaftler zu dieser "Mehrebenen
perspektive" über Textanalysen hinaus mit ihren Mitteln beitragen? Während verschie
dentlich schon elizitierte Rezeptionsdaten zur Grundlage solcher Untersuchungen
gemacht worden sind, schien uns die Einbeziehung authentischer Gespräche (mit weni
gen Ausnahmen) zu fehlen. So sind wir darauf gekommen, unsere Erfahrungen mit der
linguistischen Analyse von Gesprächen, die wir bisher an den Gesprächen i n Medien
erprobt hatten, jetzt auch in die Untersuchung von Rezipienten einzubringen.
Denn, um auf das Leitmedium Fernsehen zu kommen: Zuschauer reden beim Fernse
hen und nach dem Fernsehen nicht selten über den "Fernsehtext" . In unterschiedlichen
alltäglichen Kontexten werden die Fernsehereignisse kommentiert, diskutiert, erzählt
und auf vielfache Weise gedeutet und umgedeutet. Was der Fernsehtext anbietet, wird
so nacl). den Bedürfnissen und Mustern der Zuschauer kommunikativ angeeignet. Wie
dieser Prozeß der sprachlich-kommunikativen Aneignung verläuft, wollten wir anhand
von authentischen Gesprächen auf der Folie der Analyse des Fernsehtextes und der
situativen Kontexte beschreiben.
Die Idee war also, qualitativ-empirische Methoden der an gewandten Sprachwis
senschaft auf dem Feld der Massenkommunikation zu entwickeln. Wir sind uns
natürlich darüber im klaren, daß gerade hier interdisziplinäres Arbeiten gefragt ist; so
haben wir zusammen mit dem Soziologen Jörg Bergmann ein Projekt entworfen unter
dem Titel "Über Fernsehen Sprechen. Die kommunikative Aneignung von Fernsehen
in alltäglichen Kontexten".
8 Werner Holly und Ulrich Püschel
Wir wollen in diesem Projekt drei Untersuchungs felder berücksichtigen: Zum einen
interessieren uns die kommunikativen Prozesse der Medienaneignung. Bei ihnen ist zu
unterscheiden zwischen "primären Thematisierungen", die parallel zum medialen Erei
gnis inder Rezeptionssituation ablaufen und etwa Kommentare, Bewertungen, As
soziationen u.ä. enthalten; "sekundären Thematisierungen", die ex post (n ach der
Rezeption) stattfinden. Diese sind im Unterschied zum ersten rekonstruktiv.
Weiterhin lassen sich für die sekundären Thematisierungen im Vorgriff unterschei
den: ko-memorative Rekonstruktionen (alle Beteiligten kennen den thematisierten Text
und memorieren oder re-inszenieren gemeinsam) und nicht ko-memorative, also "infor
mative" Rekonstruktionen (ein Beteiligter oder mehrere rekonstruieren den medialen
Text für andere).
Zum andern richtet sich unsere Aufmerksamkeit auch auf den Femsehtext. D.h. in
unserem Forschungsvorhaben sollen die kommunikativen Prozesse der Medienaneig
nung mit den Fernsehtexten selbst in Verbindung gebracht und auf ihrem Hintergrund
ausgewertet werden. Dabei soll auch danach gefragt werden, ob und wie der Text be
stimmte Aneignungen nahelegt oder nicht. Dies betrifft die Frage der Offenheit des
Textes.
Schließlich sollen die Prozesse der kommunikativen Aneignung auch in ihrer Bezie
hung zu den jeweiligen situativen Kontexten analysiert werden. Dabei soll danach
gefragt werden, ob und wie Aneignungsweisen situationsspezifisch und abhängig von
sozialen Kontexten sind. Es geht uns also um die Dokumentation und integrative Ana
lyse dieser drei Felder, und zwar aus sprachwissenschaftlicher und soziologischer
Perspektive.
Zur geforderten interdisziplinären Perspektive gehört für uns auch, daß wir an
Ansätze qualitativer Rezeptionsforschung aus verschiedenen Wissenschaften anknüpfen;
zu möglichen Anknüpfungspunkten zählen wir die angelsächsischen Arbeiten der "Cul
tural Studies" und ethnographischen Forschung (Hall, Morley, Fiske, Hobson, Lull,
Corner, u.a.), Arbeiten zur Medienrezeption in der Familie (Hunziker u.a., Kellner,
Bonfadelli, B. Hurrelmann, u.a.), die Freiburger Arbeiten aus dem Kreis um Michael
Charlton und Klaus Neumann-Braun, die medienpädagogischen Arbeiten von Ben
Bachmair, Stefan Aufenanger u.a., die ethnomethodologischen Arbeiten aus dem Kon
stanzer Projekt "Reproduktive Gattungen" (Bergmann, Keppler, Ulmer) und schließlich
Arbeiten der sogenannten "Objektiven Hermeneutik" (Oevermann u.a.). Wir haben auf
der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft 1993 in Jena eine
Arbeitsgruppe "Kommunikative Aneignung von Medien" eingerichtet, in der Psycholo
gen, Soziologen, Pädagogen und Literaturwissenschaftler mit Sprachwissenschaftlern
zusammentrafen. Ihre verschiedenen Beiträge sind (mit zwei Ausnahmen) in diesem
Band vereinigt; dazu kamen drei Aufsätze (Keppler, Mingot, DuBois), die uns inhaltlich
gut in den Rahmen zu passen schienen.
Michael Charlton gibt einen Überblick über "Methoden der Erforschung von Medi
enaneignungsprozessen", wie sie in seiner Freiburger Arbeitsgruppe zur Untersuchung
der Medienrezeption von Kindern und Jugendlichen entwickelt wurden. Sie erfassen
sprachliches und nicht-sprachliches Handeln mit Medienmaterial, und zwar gegenüber
Vorwort 9
anderen (sozial), dem Medium (para-sozial) und alleine (verinnerlicht). So entstehen
Protokolle, die nach der strukturalen Hermeneutik Oevermanns analysiert werden.
Ruth Ayaß ist "Auf der Suche nach dem verlorenen Zuschauer"; so überschreibt sie
ihr Resümee einer Mediensoziologie, die ihre Chancen verschenkt hat, indem sie immer
noch weithin den einfachen linearen und kausalen Vorstellungen vom Prozeß der Mas
senkommunikation anhängt. Zwar habe es schon immer rezipientenorientierte Ansätze
gegeben, aber diese seien in der Soziologie kaum ernsthaft aufgenommen worden.
Ben Bachmair will "Tiefenstrukturen entdecken"; er sucht in der alltäglichen Kom
munikation von Kindern und Jugendlichen "Medienspuren" von Filmen und Videoclips
auf, die er dann als Ausgangsmaterial gesondert analysiert. So stößt er bei den
Rezipienten auf kulturelle Bilderwelten, die hochindividualisiert und gleichzeitig doch
ähnlich sind; sie stellen gewissermaßen soziale Figurationen für individuelle Wirk
lichkeiten dar.
Hans Borchers stellt sich in die Tradition von Morleys ethnographischen Inter
viewverfahren und untersucht: "Wie amerikanische Fernsehzuschauerlinnen mit Soap
Operas umgehen". Das Alltagsleben der Fans wird einerseits von den Soaps kontrol
liert, andererseits haben die Fans den Text unter Kontrolle. Das Vergnügen liegt im
Lebensbezug dieser Serien, die auch Stoff für zwischenmenschliche Kontakte bieten.
Dennoch ist ihre 'Gemachtheit' sehr wohl im Bewußtsein der Rezipienten verankert.
Rainer Winter steht in derselben Tradition, wenn er die "Produktivität der Aneig
nung" in medialen Fankulturen, speziell bei Horrorvideofans aufspürt. Bei ihm wird
deutlich, wie wichtig die sozialen Kontexte für die Herstellung von Sinnstrukturen sind,
aber auch wieviel kreativer Spielraum im Umgang mit den Medienprodukten geschaffen
wird, gerade bei den umstrittenen und fast durchweg diffamierten Genres der Horror
und Gewaltfilme.
Bemd Ulmer und Jörg Bergmann fragen zweifelnd: "Medienrekonstruktionen als
kommunikative Gattungen?" Anhand von Material aus dem Konstanzer Langzeit-Kor
pus (mit Aufnahmen von weihnachtlichen Familienzusammenkünften) unterscheiden
sie größere "Medienrekonstruktionen" von bloßen "Medienverweisen". Sie selbst spre
chen auch den ersteren den Status einer eigenständigen Gattung ab, da ähnlich struk
turierte rekonstruktive Formen auch für nichtmediale Ereignisse verwendet werden, Gat
tungen aber als Muster zur Bewältigung spezifischer komunikativer Probleme ver
standen werden müßten.
Angela Keppler zeigt, daß "Fernsehunterhaltung aus Zuschauersicht" nicht - wie
Adornos These lautet -zwangsläufig zu Manipulation und Nivellierung führt, sondern
daß die Gebrochenheit und Mehrdimensionalität der Produkte von den Rezipienten
wahrgenommen und nach eigenen, durchaus individuellen oder familiären Bedürfnissen
aktiv genutzt wird. Der Alltag der Rezipienten ist stärker als die Manipulationsmacht
der Medien.
Ulrich Püschel erörtert anhand von "Verbalen Aktivitäten beim gemeinsamen Fern
sehen", wie diese Sprachhandlungen als 'Gespräche besonderer Art' zu begreifen sind.
Sie sind geprägt durch einen "open state of talk" (Goffman), d.h. die Teilnehmer kön
nen sprechen, dürfen aber auch schweigen, je nachdem ob sie ihre Aufmerksamkeit
mehr dem Fernsehereignis zuwenden oder mehr den Mitzuschauern. Eine Reihe struktu
reller Besonderheiten solcher gesprächsartiger Interaktionen kann damit erklärt werden,
10 Werner Holly und Ulrich Püschel
daß die Äußerungen entweder Züge in einer para-sozialen Interaktion (mit dem Me
dium) oder in der realen Interaktion (zwischen den Zuschauern) oder beides zugleich
sind.
Wemer Holly beschreibt ebenfalls "Fernsehen in der Gruppe". Fernsehende Gruppen
mitglieder unterstützen sich wechselseitig beim Verstehen und Interpretieren der Me
dientexte, um Aufmerksamkeits-und Wissenslücken zu schließen, um mit der Offenheit
der Texte zurechtzukommen und um ihre Kognitionsmuster im Prozeß der Wirklich
keitskonstruktion abzugleichen. Darüber hinaus benutzen sie Fernsehtexte als semanti
sches Material, das hinreichend unverbindlich-verbindlich ist, um gruppeneigene Werte
zu entwickeln, zu stabilisieren und um Identitäten auszubilden.
Karl Matthias Mingot zielt auf beides: "den objektiven Gehalt des Gesendeten und
seine Rezeption". An seinem Fallmaterial (einer "Lindenstraßen"-Folge) zeigt er, wie
Merkmale des Fernsehtextes mit den Handlungen der Rezipienten eng verzahnt sind,
indem zum Beispiel die Zuschauer das Fiktionale der Medienfiguren stellenweise tilgen
und diese so zu regelrechten Nachbarschaftssurrogaten werden.
Helga Kotthoffverbindet "Fernsehdiskussionen, Kontextforschung und Intertextuali
tät". Anders als sonst in der Konversationsanalyse plädiert sie für ein weites und
variables Konzept von 'Kontext'. In ihrer Analyse von Nachverbrennungsgesprächen
in einer Fernsehredaktion zeigt sie, daß solche Gespräche mögliche Rezipientenreaktio
nen antizipieren; sie gehören deshalb mit zum Kontext der Rezeption des Medienereig
nisses, z.B. weil die in ihnen vorgenommenen Typisierungen sich als intertextuelle
Bindeglieder erweisen.
Klaus Neumann-Braun und Silvia Schneider beschäftigen sich mit "Biographischen
Dimensionen in der Medienaneignung". Dabei geht es nicht um die biographische Ge
samtstruktur, sondern nur um die Rekonstruktion der Mediennutzung, die in narrativen
Interviews ermittelt wird. In der Einzelfallstudie, aus der sie berichten, erweist sich das
Buch als Leitmedium; Medien insgesamt dienen bei kommunikativen Problemlagen
und bei mangelnder sozialer Eingebundenheit als "Fenster zur Welt"; Identitätsthemen
lassen sich im Spiegel von Genre-Wahlen ausfindig machen.
Fletcher DuBois erzählt und reflektiert in einer "autobiographischen Skizze" einige
"Mediale Erinnerungen" aus seiner Kindheit in den USA. Die SerienheIdin Annie Oak
ley erscheint als überzeugend starke und tüchtige, aber (für einen Jungen) nicht ganz
unproblematische Identifikationsfigur, was erst viele Jahre später in einer Diskussions
gruppe wieder ins Bewußtsein dringt und die kindlichen Wünsche und die familiale
Situation aufklären hilft.
Wir denken, daß die Vielfalt dieser Beiträge aus verschiedenen Disziplinen anschaulich
machen kann, wie durch qualitative Rezeptionsforschung alte schematische Vorstellun
gen von Manipulation, Passivität und massiven Medienwirkungen relativiert werden.
Die Beiträge zeigen auf jeden Fall, daß - will man ein realistisches Bild bekommen -
der gesamte komplexe Prozeß der medialen Kommunikation nicht beschränkt werden
darf, wie das klassische Produktanalysen tun: solche Analysen untersuchen die Kommu
nikation der Medien oder inden Medien; die Beiträge in diesem Band belegen:
die formenreiche und variable Kommunikation der Rezipienten übe r die Medien
gehört dazu.
Methoden der Erforschung von Medienaneignungsprozessen
Michael Charlton
Einleitung
In meinem Beitrag will ich einige Methoden oder Zugangs weisen vorstellen, die sich
im Laufe unserer Arbeit über Kinder und deren Mediennutzung als hilfreich herausge
stellt haben. Entwickelt haben sich diese Methoden in der Zusammenarbeit zwischen
dem Soziologen Klaus Neumann-Braun und mir sowie weiteren Psychologen. Unser
Ansatz war daher von Anfang an zwar interdisziplinär, aber nicht eigentlich lingui
stisch ausgerichtet. Erst im Laufe der letzten Jahre ist uns - u.a. durch unsere Mitar
beit an dem stark philologisch orientierten Sonderforschungsbereich "Mündlichkeit
und Schriftlichkeit" -deutlidj geworden, wie wichtig sprachwissenschaftliche Arbeits
weisen und Forschungsergebnisse für die Weiterentwicklung einer interpretativen Sozi
alforschung sind.
Aus dieser Entstehungsgeschichte unseres Projekts erklärt es sich, daß ich mit mei
nen nachfolgenden Ausführungen sicherlich hinter dem Standard zurückbleiben werde,
den Linguisten bezüglich der Dokumentation und Analyse von sprachlichen Äußerun
gen gewohnt sind. Unser Zugang zum Phänomen "Medienaneignung" kann seine psy
chologisch-soziologische Herkunft schwerlich verbergen - und sollte dies im Sinne
einer echten Interdisziplinarität wohl auch gar nicht versuchen.
Erscheinungsweisen einer kommunikativen Medienaneignung
Den Begriff "kommunikative Medienaneignung" werde ich im folgenden zur Kenn
zeichnung einer ganzen Reihe von kommunikativen Akten und sozialen Handlungen
verwenden, die auf den ersten Blick gesehen vielleicht nicht allzu viel miteinander
zu tun zu haben scheinen. Zum einen geht es um die Gespräche zwischen Mediennut
zern, wie sie vor, während und nach der Rezeption geführt werden können. Hinweise
auf empfehlenswerte Fernseh-Programme, Vorlesewünsche von Kindern, Verabredun
gen zum Kinobesuch usw. sind Beispiele für eine Medienkommunikation vor der Me
diennutzung. Kommentare beim Fernsehen oder die Bewertung des Programms vom
Vorabend am Arbeitsplatz sind typische Parallel- und Nachgespräche.
Eine ganz andere Art von medienbezogenen Aktivitäten läßt sich nicht so leicht
beobachten. Es ist dies die besondere Form der Kommunikation des Rezipienten mit
dem Medium. Auf Grund von anthropologisch-entwicklungspsychologischen Erwägun-