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Medienkompetenz von Studierenden
an chinesischen Hochschulen
VS RESEARCH
Qiaoping Lü
Medienkompetenz
von Studierenden
an chinesischen
Hochschulen
Mit einem Geleitwort von
Prof. Dr. Klaus Peter Treumann
VS RESEARCH
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
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Dissertation der Universität Bielefeld,Fakultät für Pädagogik,
Datum der Disputation:28.03.2007
1.Auflage 2008
Alle Rechte vorbehalten
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH,Wiesbaden 2008
Lektorat:Christina M.Brian /Dr.Tatjana Rollnik-Manke
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Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-8350-7009-7
Geleitwort
Globale technologische und gesellschaftliche Veränderungen sowohl im westli-
chen als auch in aufstrebenden asiatischen Nationen ziehen grundlegende Kon-
sequenzen für die Gestaltung von Bildungsprozessen nach sich. Um nachfolgen-
de Generationen auf die Anforderungen einer entstehenden Informations- und
Wissensgesellschaft angemessen vorzubereiten, ist bei ihren Angehörigen der
Aufbau und die Habitualisierung von Medienkompetenz eine notwendige Vor-
aussetzung.
Das Bielefelder Medienkompetenz-Modell, das an der hiesigen Universität
entwickelt wurde, hat in Deutschland und in den angrenzenden europäischen
Ländern sowohl in der Medienwissenschaft als auch in der Medienpädagogik
eine erhebliche Beachtung gefunden. Es besitzt eine sozialphilosophische
(Habermas), soziologische (Bourdieu), linguistische (Chomsky) sowie eine
kommunikationswissenschaftliche und medienpädagogische (Baacke) Fundie-
rung. Das Bielefelder Medienkompetenz-Modell mit seinen vier Dimensionen
der Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung, die sich
wiederum jeweils in zwei beziehungsweise drei Teildimensionen untergliedern,
bildet den primären theoretischen Bezugsrahmen für die Dissertation von Frau
Lü, die als Dozentin an der University of International Business and Economics
in Beijing tätig ist.
Die Autorin formuliert vier zentrale Fragestellungen, die ihre empirisch ange-
legte Forschungsarbeit angeleitet haben: (1.) Die Fruchtbarkeit des wissen-
schaftlichen Konzepts der Medienkompetenz für den chinesischen Kulturraum
nachzuweisen und die Möglichkeiten seiner brauchbaren Operationalisierung zu
belegen; (2.) die Medienkompetenz chinesischer Studierender zu rekonstruieren;
(3.) eine Typologie unterschiedlicher medialer Nutzungsprofile der Studieren-
den zu identifizieren sowie (4.) darauf aufbauend Vorschläge und Empfehlun-
gen zur Förderung ihrer Medienkompetenz an chinesischen Hochschulen zu ent-
wickeln.
Die Antworten werden in einem Wechselspiel von theoretischer Reflexion
und empirischer Analyse entwickelt. Dazu wird in der Arbeit das methodolo-
gische Leitbild der Triangulation zu Grunde gelegt, und zwar auf dreifache
Weise: Erstens werden im Sinne der Theorietriangulation und der interdiszipli-
nären Triangulation verschiedene für den Gegenstandsbereich und die Frage-
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stellungen relevante theoretische Ansätze herangezogen, namentlich das
Bielefelder Medienkompetenz-Modell, der Uses-and-Gratification-Approach
und die Wissensklufthypothese – beide aus der Medienforschung, das Habitus-
konzept und der Kapitalsortenansatz aus der Soziologie sowie der sozialökologi-
sche Ansatz aus der Sozialpsychologie. Zweitens wendet die Autorin bei der
Datenerhebung und -analyse verschiedene qualitative und quantitative Verfah-
ren an, die sie gemäß der Methodentriangulation miteinander verknüpft.
Drittens werden im Sinne der Datentriangulation sowohl quantitative Daten
aus einer standardisierten Umfrage unter den Studierenden unterschiedlicher
Studienfächer an den beiden Hochschulstandorten Beijing und Xi’an sowie
Transkriptionen von einem Jahr später erhobenen qualitativen problemzentrier-
ten Interviews mit ausgewählten prototypischen Studierenden herangezogen.
Die detaillierte Beschreibung der Entwicklung der qualitativen und quantita-
tiven Erhebungsinstrumente sowie der Auswertungs- und Modellkonstruktions-
prozesse erlauben eine hohe Nachvollziehbarkeit und methodische Transparenz
des Vorgehens. Der Autorin gelingt es für die Dimensionen des Bielefelder Me-
dienkompetenz-Modells eine inhaltlich prägnante und empirisch gesättigte Bin-
nenstruktur von insgesamt 28 medienwissenschaftlich gehaltvollen Hauptkom-
ponenten (vulgo: Faktoren) zu rekonstruieren, die das Mediennutzungsverhalten
der Studierenden differenziert abbilden. In einem weiteren Auswertungsschritt
identifiziert Frau Lü auf der Grundlage der erhaltenen Hauptkomponenten mit
Hilfe der Clusteranalyse eine empirisch fundierte Typologie des Medienhan-
delns chinesischer Studierender. Sie besteht aus insgesamt sechs unterschiedli-
chen Clustertypen, nämlich den „Anfängern“, „Musterstudenten“, „Informati-
kern“, „Kritikern“, „Netzwürmern“ und „Allroundern“, deren Angehörige sich
im Hinblick auf ihren jeweilig erreichten Leistungs- und Entwicklungszustand –
bezogen auf die Medienkompetenz – ähneln. Die ein Jahr später erhobenen qua-
litativen Interviews mit prototypischen Fällen aus den sechs Clustern zeigen
zum einen im Bereich der Neuen Medien „Computer“ und „Internet“, dass ne-
ben den institutionalisierten formalen Lernangeboten an den Hochschulen
Chinas es vor allem die informellen Lernprozesse bei und zwischen den Studie-
renden in den Wohnheimen, Internet-Cafés etc. sind, die zur Aneignung und
Herausbildung von Medienkompetenz führen. Diese neuen selbstsozialisatori-
schen Lernformen sind allerdings bislang von den Bildungsinstitutionen Chinas
weder wahrgenommen noch systematisch genutzt und gefördert worden.
Die Verfasserin belegt in überzeugender Weise, wie in Prozessen des forma-
len und informellen Lernens aus den Wechselwirkungen zwischen personalen
Motivkonstellationen und förderlichen sozialen Kontexten bei Studierenden
deutliche Medienkompetenz–Zuwächse entstehen, die sich bei ihnen in Verän-
derungen der Clusterzugehörigkeit niederschlagen. So entwickeln sich etwa
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zwei zuvor als prototypisch identifizierte Fälle aus dem Cluster der „Anfän-
ger“ während eines Studienjahres zu Angehörigen des Clustertyps der „Mus-
terstudenten“, ein prototypischer Anfänger konnte aufgrund seines ganz er-
heblichen Medienkompetenzzuwachses in den Neuen Medien sogar als „All-
rounder“ identifiziert werden. Es gab allerdings auch zwei prototypische „An-
fänger“ unter den Studierenden, die während des einjährigen Zeitraums keinen
substantiellen Fortschritt bei der Aneignung der Neuen Medien zeigten und des-
halb in ihrem Cluster verblieben. Insgesamt gesehen belegen diese Befunde die
Validität der von Frau Lü rekonstruierten Typologie für die Identifizierung von
Medienkompetenz und deren Veränderung über die Zeit bei chinesischen Stu-
dierenden. Die von ihr entwickelte Clustertypologie bildet damit auch herausge-
hobene transitorische Zustände des Aneignungsprozesses von Medienkompe-
tenz im Jugendalter ab.
Die Untersuchung liefert des Weiteren eindeutige empirische Belege für die
interkulturelle Gültigkeit der ursprünglich in Nordamerika und Europa entwi-
ckelten Wissensklufthypothese, denn auch in China bestehen solche kommuni-
kationsbezogenen Ungleichheiten, was den Informationszugang, die -aufnahme,
den Wissensstand und die Wissensanwendung im Hinblick auf die Neuen Me-
dien angeht. Im Hochschulbereich bestehen Wissensklüfte zuungunsten der Stu-
dentinnen, der Studierenden aus vergleichsweise schwachen wirtschaftlichen
Regionen (z.B. Xi’an), der Studierenden geisteswissenschaftlicher Fächer sowie
zuungunsten der Studienanfänger und -anfängerinnen.
Aufgrund ihrer empirischen Ergebnisse entwickelt die Verfasserin wichtige
Empfehlungen zur medienpädagogischen Förderung von Medienkompetenz bei
chinesischen Studierenden, die im Wesentlichen auf die Verringerung der von
ihr nachgewiesenen Wissensklüfte, die Förderung selbstsozialisatorischer Akti-
vitäten bei Studierenden sowie auf eine Verbesserung in der universitären Lehre,
was die Vermittlung von Medienkompetenz angeht, abzielen. In diesem Zusam-
menhang empfiehlt sie zu Recht die Entwicklung zielgruppenorientierter Ver-
mittlungs- und Handlungsstrategien zur Förderung von Medienkompetenz, die
jeweils auf die Angehörigen der unterschiedlichen Clustertypen spezifisch zu-
geschnitten sind.
Die Buchpublikation von Frau Lü besitzt aus meiner Sicht für die Diagnose,
Entwicklung und Verbesserung der Medienkompetenz der Studierenden in
China eine große theoretische und praktische Bedeutung. Sie erschließt darüber
hinaus der medienwissenschaftlichen und -pädagogischen Fachwelt sowie der
interessierten Öffentlichkeit in Deutschland den bislang weitgehend unbekann-
ten kulturellen Raum der Vermittlung und Aneignung von (Neuen) Medien an
chinesischen Universitäten. Darüber hinaus erbringt die Dissertation wichtige
Belege sowohl für die universelle wissenschaftliche Fruchtbarkeit des Kon-
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zeptes der Medienkompetenz als auch für eine methodologische Strategie der
triangulativen Verknüpfung qualitativer und quantitativer sozialwissenschaft-
licher Forschung.
Professor Dr. Klaus Peter Treumann
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Vorwort
Bei der Durchführung und Erstellung meiner Dissertation erhielt ich viel hilf-
reiche Unterstützung.
Mein besonderer Dank geht an Herrn Prof. Dr. Klaus Peter Treumann. Er hat
mit fachlichen Hinweisen und Ratschlägen die Durchführung des inter-
kulturellen Dissertationsprojekts sowohl in Deutschland als auch in China
geleitet. In allen wesentlichen Forschungsschritten hat er mir mit Rat und Tat
zur Seite gestanden.
Frau Prof. Dr. Dagmar Hänsel danke ich für ihre Hilfe als zweite Gutachterin.
Vielen Dozenten der Arbeitsgruppe 9 der Fakultät für Pädagogik der Universität
Bielefeld schulde ich einen herzlichen Dank. Hiermit danke ich Prof. Dr. Uwe
Sander, Dr. Renate Möller, Mareike Strotmann, Sonja Ganguin, Dr. Eckhard
Burkatzki, Dr. Joachim Brüß, Dr. Ulf Ehlers und Dr. Kai-Uwe Hugger. Mein
Dank gilt auch Karl Hülsewedde und Petra Buchalla.
Bei der China Scholarship Council des Erziehungsministeriums und Herrn Shi
Hongzhi möchte ich mich für die Unterstützung bedanken. Mein Dank gilt
folgenden chinesischen Dozenten: Yongmei Hu, Rong Miao, Jiang Chang,
Hong Luo, Wei Shen und Yong Wang; und den folgenden chinesischen
Studenten: Xin He, Jiqing Hemo, Miaolan Zhao und Yichen Zhou. Den
studentischen Hilfskräften aus der Universität für Außenhandel und
Außenwirtschaft gebührt mein herzlicher Dank. Dieses Forschungsprojekt
unterstützt haben: Baihe Chen, Wenxin He, Meng Shi, Juan Sun, Xiaonan Tian,
Huihua Xiao, Han Yan, Meishi Zheng und Kun Zhu. Auch bei allen befragten
Studierenden möchte ich mich für ihre Zusammenarbeit bedanken.
Meiner Kollegin Dagmar Wagner und meinem Kollegen Dr. Michael Pilenz
danke ich nicht nur für die Hilfe bei sprachlichen Problemen, sondern auch für
stete Ermutigung, im Prozess der Dissertationserstellung fortzufahren.
Meiner Freundin Maria-Charlotte Koch, die mich bei der Wahl des für mich
neuen Fachgebiets der Medienpädagogik und im Forschungsprozess mit Energie
und Vorschlägen begleitet hat, möchte ich hiermit herzlich danken.
Nicht zuletzt schulde ich meinem Mann Wei Li und meiner Tochter Jiahe Li
einen herzlichen Dank. Sie haben mich im Verlauf des ganzen Promotionspro-
jektes mit vollen Kräften unterstützt.
Qiaoping Lü
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ......................................................................................... 15
2. Problemdarstellung ......................................................................... 19
2.1 Historische Hintergründe ..................................................... 19
2.2 Forschungsstand in China .................................................... 21
2.3 Fragenstellungen und Zielsetzungen .................................... 25
2.4 Hypothesen .......................................................................... 27
3. Theoretischer Rahmenbezug ......................................................... 31
3.1 Der Medienbegriff ............................................................... 31
3.2 Medienkompetenz ................................................................ 33
3.2.1 Theoretischer Kontext von Medienkompetenz...... 33
3.2.2 Dimensionen von Medienkompetenz..................... 37
3.3 Der Uses-and-Gratifications-Approach...………………..... 40
3.4 Habituskonzept und Kapitalsortenansatz von Bourdieu....... 41
3.5 Die Wissensklufthypothese................................................... 44
3.6 Der sozialökologische Ansatz............................................... 46
4. Forschungsdesign und Forschungsablauf..................................... 49
4.1 Triangulation als Forschungsstrategie.................................. 49
4.2 Quantitative Befragung ........................................................ 54
4.2.1 Das Erhebungsinstrument der quantitativen
Befragung............................................................... 54
4.2.2 Stichprobenziehung................................................ 56
4.2.3 Auswertung der quantitativen Daten...................... 59
4.2.3.1 Datenbereinigung und –aufbereitung......... 60
4.2.3.2 Outlier-Fragen ........................................... 60
4.2.3.3 Itemanalyse................................................. 61
4.2.3.4 Hauptkomponentenanalysen....................... 61
4.2.3.5 Clusteranalysen .......................................... 63
4.3 Qualitative Befragung........................................................... 64
4.3.1 Ziel der qualitativen Befragung.............................. 64
4.3.2 Der Leitfaden.......................................................... 65
4.3.3 Prinzipien für die Auswahl der Interviewten.......... 66
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