Table Of ContentHANS ZIEGLER
MECHANIK III
LEHR- UND HANDBÜCHER
DERINGEKIEURWISSENSCHAFTEN
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MECHANIK
VON
HANS ZIEGLER
PROFESSOR AN DER EIDGESÖSSISCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE
IN ZÜRICH
BA~DIIl
DYNAMIK DER SYSTEME
Z. AUFLAGE
SPRINGER BASEL AG 1956
1. Auflage 1952
2. Auflage 1956
ISBN 978-3-0348-6853-2 ISBN 978-3-0348-6852-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-6852-5
Nachdruck verboten. Alle Rechte vorbehalten,
insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen und
der Reproduktion auf photostatischem Wege oder durch Mikrofilm
© Springer Basel AG 1952
Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Basel, 1952
Softcover reprint ofthe hardcover 2nd edition 1952
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VORWORT
Der vorliegende Band stellt den Abschluß einer Darstellung der elementaren
Mechanik dar, deren erste Bände (Band I: Statik der starren, flüssigen und ela
stischen Körper, Band II: Dynamik der starren Körper) ich dem Andenken meines
Lehrers und Vorgängers, Prof. Dr. ERNST MEISSNER, gewidmet habe. Gleich
zeitig möchte er dem Studierenden den Übergang zu den verschiedenen Gebie
ten der höheren Mechanik erleichtern. Er gliedert sich in drei Kapitel, von denen
das erste zum Teil noch im propädeutischen Mechanikkurs an der Eidg. Tech
nischen Hochschule behandelt wird, während die beiden anderen im wesent
lichen den Inhalt zweier Vorlesungen für Studierende höherer Semester wieder
geben.
Im ersten Kapitel, das sich mit der Dynamik von Systemen starrer Körper
befaßt, ist vor allem auf die Entwicklung der Lagrangeschen Gleichungen Wert
gelegt worden, die heute auch der Ingenieur beherrschen muß. Das zweite Ka
pitel bildet eine Einführung in die Theorie der Schwingungen mit endlichem
sowie unendlich hohem Freiheitsgrad und leitet damit zum dritten Kapitel über,
in dem die Grundgleichungen des Kontinuums aufgestellt und daraus die wich
tigsten, in der Elastostatik, Elastodynamik und Hydrodynamik gebräuchlichen
Verfahren entwickelt werden. In diesem letzten Kapitel wurde aus didaktischen
Gründen darauf verzichtet, die Kenntnis der Tensorrechnung vorauszusetzen.
Sie wird, soweit sie hier gebraucht wird, fortlaufend mitentwickelt und in ihren
Grundzügen am Schluß in einem Anhang zusammengefaßt.
Wie schon bei den beiden ersten Bänden, so habe ich auch hier auf Literatur
hinweise fast völlig verzichtet. An ihrer Stelle findet der Leser am Schluß des
Buches eine Liste der Werke, aus denen ich bei der Niederschrift aller drei
Bände Anregungen geschöpft habe.
Ich danke den Herren ERICH WEIBEL und ANDREAS TRöscH, dipl. Physiker
ETH., für ihre Mithilfe bei den Korrekturarbeiten und viele kritische Vor
schläge, Herrn WEIBEL überdies für den Entwurf des Anhangs. Herrn ]OSEF
LANGHAMMER bin ich für die Anfertigung der Klischeevorlagen und dem Ver
lag Birkhäuser für die sorgfältige Gestaltung auch dieses letzten Bandes zu
Dank verpflichtet.
HANS ZIEGLER
Rüschlikon, November 1950
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INHALT SVERZEICHNI S
I. Systeme mit endlichem Freiheitsgrad
1. Freiheitsgrad und Lagekoordinaten . . . . . . . . . . . .. 9
2. Das d'Alembertsche Prinzip und das Prinzip der virtuellen Lei-
stungen . . . . . . . . . . . . . 15
3. Schwerpunkt-, Impuls- und Drallsatz 28
4. Der Energiesatz. . . . . . . . . . 38
5. Die Lagrangeschen Gleichungen. . . 45
6. Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad . 54
7. Erzwungene Schwingungen. . . . . 64
8. Entwicklung periodischer Störungen. 73
I I. Schwingungen
9. Schwingungen mit zwei Freiheitsgraden 80
10. Normalkoordinaten . . . . . . . . . 92
11. Erzwungene Schwingungen. . . . . . 101
12. Schwingungen mit endlichem Freiheitsgrad. 105
13. Normalkoordinaten . . . 113
14. Das Rayleighsche Prinzip . . . . 122
15. Stabilitätsprobleme . . . . . . . 132
16. Einfache kontinuierliche Schwinger 138
17. Schwingungen und Wellen. 146
18. Die Eigenschwingungen . . 154
19. Erzwungene Schwingungen. 167
20. Das Rayleighsche Verfahren 178
21. Querschwingungen von Stäben 185
22. Erzwungene Querschwingungen . 196
III. Kontinua
23. Der räumliche Spannungszustand . 205
24. Verschiebungen und Verzerrungen. 217
25. Spannungen und Verzerrungen .. 226
26. Feste elastische Körper . . . . . 238
27. Die elastostatischen Grundgleichungen . 247
28. Die Aufgaben der Festigkeitslehre . 257
29. Ebene Probleme . . . . . 270
30. Schwingungen fester Körper 282
31. Plastizitätsbedingungen . . 294
32. Flüssigkeiten und Gase 299
33. Die hydrodynamischen Grundgleichungen 306
34. Strom- und Wirbelfeider . . . . . . . . 315
8 Inhal tsverzeichnis
35. Einfache hydrodynamische Probleme 322
36. Ebene Potentialströmungen 333
37. Der unendlich lange Tragflügel 346
38. Tragflügel endlicher Länge . 360
39. Zähe Flüssigkeiten 370
Anhang. Tensoren • ... 381
Literaturverzeichnis . 392
Sachverzeichnis 393
9
I
SYSTEME MIT ENDLICHEM FREIHEITSGRAD
1. FREIHEITSGRAD UND LAGEKOORDINATEN
Unter einem mechanischen System versteht man eine beliebige Gruppe von
Massenpunkten. Dabei ist es gleichgültig, ob diese - wie im Inneren eines
starren Körpers - starr miteinander verbunden oder - wie beim Planeten
system bzw. in einer Staubwolke - gegeneinander verschiebbar sind, oder
ob sie endlich - wie bei einer Gruppe starrer Körper, zum Beispiel bei einer
Maschine - teils das eine, teils das andere Verhalten zeigen. Während in Band II
die einfachsten Formen des Systems, nämlich der einzelne Massenpunkt und
der starre Körper, behandelt worden sind, soll in diesemq Banmd die Dy,na mik des
allgemeinsten Systems entwickelt werden, wobei als Sonderfälle auch statische
Fragen zur Sprache kommen werden.
!Z
z m
3
(.J
~~J
y
m,
z,
0 0
x 'Zx y,
x,
'~x
Abb.l Abb.2
Unter den Lagekoordinaten eines Systems versteht man die voneinander un
abhängigen Größen ql' q2' ... , welche die Lage des ganzen Systems relativ zu
einem beliebigen Bezugssystem eindeutig kennzeichnen. Dabei kann es sich um
Längen, Winkel oder andere Größen handeln.
So kann man zum Beispiel ql = X, q2 = y, q3 = z als Lagekoordinaten des im
Raum freien Massenpunktes (Abb.1) einführen. An ihrer Stelle könnte man
auch drei andere, voneinander unabhängige Bestimmungsstücke, beispielsweise
Polar- oder Zylinderkoordinaten, verwenden. Ist der Massenpunkt an eine
Fläche gebunden, dann besteht zwischen x, y und z eine Beziehung der Form
j(x, y, z) = 0,
10 1. Systeme mit endlichem Freiheitsgrad
so daß man mit zwei Lagekoordinaten ql' q2' zum Beispiel krummlinigen Koor
dinaten auf der Führungsfläche, auskommt. Ist er an eine Kurve gebunden, so
besteht neben der letzten eine weitere Beziehung
g(X, y, z) = O.
Man kommt dann mit einer einzigen Lagekoordinate ql> etwa der algebraischen
Bogenlänge auf der Führungskurve, aus.
Drei starr miteinander verbundene, im übrigen aber freie Massenpunkte
(Abb.2) stellen ein im Raume freies Dreieck dar, das, sofern es einem starren
Körper angehört, nach Band II, Abschnitt 14, auch dessen Lage fixiert. Da zwi
schen den neun kartesischen Koordinaten der drei Punkte drei Beziehungen
der Gestalt
bestehen, kommt man mit sechs Lagekoordinaten aus, und zwar verwendet
man zweckmäßig einerseits Xl' Yl' Zl oder die drei Schwerpunktskoordinaten
xs' Ys' zs' andererseits die drei Eulerschen Winkel 'IjJ, &, cp.
Besteht ein System aus nJ3 freien Massenpunkten (wobei n ein ganzes Viel
faches von 3 ist), so besitzt es im Raum n Lagekoordinaten ql' q2' ... , qn' Beste
hen aber m Bindungen in Form der unabhängigen Beziehungen
(k =~ 1, 2, ... , m< n)
zwischen den qi' so dürfen die qi' da sie nicht mehr unabhängig sind, nicht als
Lagekoordinaten bezeichnet werden. Eliminiert man mit Hilfe der sogenannten
Bindungsgleichungen m Koordinaten, zum Beispiel qn-m+l' qn-m+2' ... , qn' so
sind die verbleibenden ql' q2' ... , qn-m unabhängig und damit die Lagekoordi
naten des Systems.
Unter dem Freiheitsgrad eines Systems versteht man - wie schon beim Mas
senpunkt und beim starren Körper - die Anzahl seiner Lagekoordinaten.
Demnach besitzt der Massenpunkt den Freiheitsgrad 3, 2 oder 1, je nachdem
er im Raume frei, an eine Fläche oder Kurve gebunden ist. Ferner hat der im
Raume freie starre Körper 6 Freiheitsgrade, bei der räumlichen Translation, der
ebenen Bewegung und der Kreiselung noch 3, bei der ebenen Translation 2, bei
der linearen Translation und der Rotation einen einzigen. Systeme bzw. Be
wegungen mit einem Freiheitsgrad werden auch hiex wieder als zwangläutig
bezeichnet.
Das in Abbildung 3 wiedergegebene räumliche System, das aus drei starren,
durch ein Zylindergelenk A und ein Kugelgelenk B verbundenen Körpern
besteht, hat 10 Freiheitsgrade. Zwischen den 3 . 6 = 18 Koordinaten der ein
zelnen Körper bestehen nämlich insgesamt 8 Bindungen, von denen 3 davon
herrühren, daß I und III im Kugelgelenk B einen gemeinsamen Punkt be
sitzen, während die übrigen 5 ausdrücken, daß I und II im Zylindergelenk A
einen Punkt und zwei Eulersche Winkel gemeinsam haben. Geht man davon