Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 1155
Herausgegeben
im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers
von Staatssekretär Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt
DK 380.11
Dr. Gundolf Scbiinauer
Energiewirtschaftliches Institut an der Universität Köln
Direktor: Prof Dr. Theodor Wesseis
Marktprozesse in der öffentlichen Energiewirtschaft
und deren volkswirtschaftliche Beurteilung
WESTDEUTSCHER VERLAG· KÖLN UND OPLADEN 1963
ISBN 978-3-663-06373-5 ISBN 978-3-663-07286-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-07286-7
Verlags-Nr. 01 t 155
© 1963 by Westdeutscher Verlag, K61n und Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1. Die wirtschaftspolitische Konzeption und die Wirtschaftsordnung als allge-
meine Ausgangspunkte zur Beurteilung von Marktprozessen ............ 7
2. Die Wettbewerbswirtschaft und ihre Spielregeln als konkrete Ausgangs-
punkte zur Beurteilung des Marktgeschehens ........................ 9
3. Die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Realisierung von Wettbewerbs-
preIsen ........................................................ 14
3.1 Die Wettbewerbspreisbildung bei Einproduktenunternehmen . . . . .. 14
3.2 Die Wettbewerbspreisbildung bei Mehrproduktenunternehmen . . .. 19
Hauptteil ........................................................ 25
1. Die Märkte der Energiewirtschaft .................................. 25
1.1 Die Aufspaltung des Elektrizitäts-und Gasmarktes auf Grund
1.11 der Konzessionsverträge ................................... . 26
1.12 der Demarkationsverträge ................................. . 27
1.2 Die Versorgungs- und Verbundmärkte in der Energiewirtschaft ... . 27
1.3 Die Absatzmärkte der Energieunternehmen ................... . 29
1.31 Die Zeit als marktbestimmendes Einteilungskriteriu111 ........... . 29
1.32 Der Preis als marktbestimmendes Einteilungskriterium ......... . 31
1.33 Der Verwendungsbereich, die Leistungsinanspruchnahme, die Absatz
menge und die Marktstellung der Nachfrager als marktbestimmende
Einteilungskriterien ..................................... . 33
1.331 Die faktischen Märkte eines Elektrizitäts-Versorgungsmarktes ..... . 34
1.332 Die faktischen Märkte eines Gas-Versorgungsmarktes ............ 37
1.333 Die faktischen Märkte eines Elektrizitäts-und Gasverbundmarktes .. 39
2. Die Marktformen auf den Absatzmärkten der öffentlichen Energiewirtschaft 40
5
3. Die volkswirtschaftliche Beurteilung der Preisstellung für Strom und Gas.. 43
3.1 Die Beurteilung von Preisdifferenzierungen .................... 44
3.2 Ist die Energiewirtschaft ein Bereich für die Anwendung von
3.21 Einseitigen Preisüberhöhungen? .............................. 52
3.22 Preisbildungen mit internem Gewinn- und Verlustausgleich? ...... 58
3.23 Einseitigen Preisunterbietungen? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 59
3.24 Preis diskriminierungen? .................................... 60
4. Folgerungen für die Energiewirtschaftspolitik ........................ 63
4.1 Preisüberwachungs- aber keine Preisbildungsfunktionen der Energie-
aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 65
4.11 Ist der Erfolg als Gradmesser für die Beurteilung eines konkreten
Preisverhaltens geeignet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 68
4.12 Die den Erfolg bestimmenden Komponenten als Gradmesser für die
Beurteilung eines konkreten Preisverhaltens .................... 70
4.2 Preisliche Maßnahmen zur Verbesserung der Benutzungsdauer und
zur Erzielung einer auch langfristig optimalen Energieversorgung .. 73
4.3 Soll eine Auflockerung des Gebietsschutzes erfolgen? . . . . . . . . . . . . .. 84
Literaturverzeichnis ................................................ 91
6
Einleitung
Wenn der vorliegenden Untersuchung die Aufgabe gestellt ist, die Marktvorgänge,
die sich im Bereich der öffentlichen Energiewirtschaft abspielen 1, 2, aufzuzeigen und
diese unter gesamtwirtschaftlichem Aspekt zu würdigen, dann mag der Eindru<x
entstehen, daß das methodische Vorgehen durch die Thematik dieser Arbeit vor
gegeben sei: Nach einer Darstellung des Marktgeschehens, das sich zwischen den an
der Energieversorgung beteiligten Kreisen, also zwischen Erzeugern, Weiterverteilern
und Verbrauchern einstellt, sollte man als Abschluß dieser Untersuchung eine kri
tische Stellungnahme zu diesen mitgeteilten Marktprozessen erwarten. Trotzdem
halten wir ein solches Vorgehen nicht für angezeigt. Insbesondere wegen der volks
wirtschaftlichen Fragestellung dieser Arbeit erscheint es uns zweckmäßiger, in einem
vorangestellten Kapitel - unter Außerachtlassung der für die Energieversorgung
typischen Gegebenheiten - darzulegen, welche Art von Marktgeschehen mit der für
unseren geographischen Raum angestrebten und durchgesetzten wirtschaftspolitischen
Konzeption und Wirtschaftsordnung vereinbar bzw. unvereinbar ist. Das hier in
Aussicht genommene Vorgehen erweist sich aus einem doppelten Grund als sinnvoll.
Zunächst macht es auch dem Leser, der einer volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise
bisher fremd gegenüberstand, den Sinn und damit auch den Inhalt der weiter unten
durchgeführten Untersuchung verständlich. Zum anderen wird durch ein solches
Einführungskapitel der Blick von vorneherein auf die volkswirtschaftlich relevanten
Probleme gelenkt, die bei Marktvorgängen auftauchen. Das hat den Vorteil, daß in
dem eigentlichen Untersuchungsteil eine Darstellung und Beurteilung der in der
Energiewirtschaft zu beobachtenden Marktgegebenheiten ohne den Gedankenfluß
störende Abschweifungen erfolgen kann.
1. Die wirtschaftspolitische Konzeption und die Wirtschaftsordnung als all
gemeine Ausgangspunkte zur Beurteilung von Marktprozessen
Wir erwähnten bereits, daß die Vereinbarkeit eines konkreten Marktgeschehens so
wohl von der erstrebten wirtschaftspolitischen Konzeption als auch - in dichtem
Zusammenhang damit - von der angestrebten Wirtschaftsordnung her beurteilt wer-
1 In Anlehnung an § 2 Abs. 2 EWG (Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft - Energie
wirtschaftsgesetz - vom 13.12.1935 - RGBI. I, Seite 1451) wird von öffentlicher Energie
versorgung dann gesprochen, ~wenn Efektrizitäts- und Gasversorgungsunternehmen
juristisch selbständige Rechtssubjekte mit elektrischer Energie oder Gas versorgen.
2 Wenn im Verlauf dieser Untersuchung von Energiewirtschaft die Rede ist, so ist hierunter
stets die öffentliche Energiewirtschaft, genauer die öffentliche Elektrizitäts- und Gas
wirtschaft zu verstehen.
7
den muß. Wir beschäftigen uns hier zunächst kursorisch mit den von der WirtSchafts
politik als erstrebenswert angesehenen Zielsetzungen. Im Anschluß dar an werden
wir dann ausführlicher auf die Bedeutung der Wirtschaftsordnung zu sprechen
kommen.
Die von der Wirtschaftspolitik verfolgten Ziele - diese Ziele liegen »nicht unver
rückbar fest, sondern hängen von den jeweiligen Gesamtumständen ab, unterliegen
der politischen Willensbildung des Volkes und sind insofern wandelbar« 3 - können
mannigfacher Art sein und schließen einander nicht aus 4. Ein anerkanntes Ziel der
Wirtschaftspolitik ist seit jeher die Erreichung des Zustandes der Vollbeschäftigung
gewesen. Die starke Ausbildung der Konjunkturtheorie als Teil der Wirtschafts
theorie, durch die das Eintreten der als schädlich angesehenen Unter- und über
beschäftigungslagen vermieden werden soll, mag als Beweis für diese Behauptung
gelten. Die »richtige« Verteilung bzw. Umverteilung des Sozialproduktes (Volks
einkommen) kann als ein anderes Wirtschaftsziel angesprochen werden. Hierfür
spricht nicht nur der im letzten Jahrhundert aufgekommene Sozialismus; die in
der Gegenwart und in unserem geographischen Raum durchgesetzte Wirtschafts
ordnung der sozialen Marktwirtschaft und in Verbindung damit die in immer
stärkerem Maße zunehmende Kontrolle des den Wettbewerb beschränkenden Ver
haltens sprechen ebenfalls eine beredte Sprache. Das in der Vergangenheit und vor
allem für die Zukunft festzustellende Bestreben, die Erstellung von solchen Gütern
und Dienstleistungen zu maximieren, die vom Verbraucher als dringlich angesehen
werden, also eine Maximierung des Sozialproduktes, scheint uns jedoch heute das
Hauptanliegen der Wirtschaftspolitik zu sein. Das bedeutet nicht, daß die anderen
genannten Zielsetzungen als nicht mehr realisierungswürdig aus der Betrachtung ent
lassen werden. Im Gegenteil, die als primär angesprochene Zielsetzung um greift zu
gleich auch die anderen und ist um ihre Realisierung gleichzeitig mitbemüht. »Große
Gruppen der Wirtschaftspolitiker stimmen heute, im Gegensatz zum 19. Jahrhun
dert, darin über ein, daß die Erzielung einer höheren volkswirtschaftlichen Produk
tivität das Leitmotiv für die gesamte Wirtschaftspolitik sein muß. Auch Richtungen,
die auf eine starke Betonung sozialer Gesichtspunkte drängen, leugnen nicht, daß
ihren Forderungen nur entsprochen werden kann, wenn die Wirtschaft ihre Pro
duktionsmittel ständig besser, d. h. auch mit größerem Ertrag, einzusetzen vermag.
Weitgehend herrscht auch übereinstimmung darüber, daß eine Veränderung der
Verteilung allein eine wesentliche Hebung der Lebenshaltung gerade der Empfänger
kleinerer Einkommen nicht mehr zu erreichen vermag. Wir wissen, daß wir nicht
mehr mit einem zwangsläufigen Zuwachs neuer Produktivitätskräfte rechnen können
und mehr als früher bemüht sein müssen, den bestmöglichen Einsatz der uns zur
Verfügung stehenden Erzeugungsgüter zu erreichen 5.«
Es darf nun nicht übersehen werden, daß die Mittel, die zum Erreichen einer auf die
Verbraucherinteressen abgestellten Sozialproduktmaximierung angewandt werden,
3 WELTER, E., Ziele der Wirtschaftspolitik, in: Wirtschaftsfragen der freien Welt, S. 25.
4 Vgl. PÜTZ, Th., Die wirtschaftspolitische Konzeption, in: Wirtschaftsfragen der freien
Welt, Seite 42 H.
5 WESSELS TH., Die Gestaltungskräfte in der Energieversorgung, in: 6. Tagungsbericht des
Energiewirtschaftlichen Instituts, S. 16 H.
8
überwiegend von der WirtsLhaftsordnung abhängen. Diese Feststellung beinhaltet
zunächst, daß die Durchsetzung der von uns als primär erkannten wirtschafts
politischen Zielsetzung nicht notwendig an eine Wirtschaftsordnung gebunden ist.
Sie läßt sich sowohl in einer Zentralverwaltungswirtschaft als auch in einer Wett
bewerbswirtschaft erreichen. Wenn nun im westeuropäischen Wirtschaftsraum und
damit auch in Westdeutschland überwiegend der Wettbewerbswirtschaft bei der
Realisierung des genannten Hauptzieles der Vorzug gegeben worden ist, dann ist
das darauf zurückzuführen, daß man der festen überzeugung ist, mit dieser Wirt
schaftsordnung das angestrebte Ziel, vor allem im Hinblick auf die Verbraucher
wünsche, am besten erreichen zu können
6.
2. Die Wettbewerbswirtschaft und ihre Spielregeln als konkrete Ausgangs
punkte zur Beurteilung des Marktgeschehens
Der Plan, über die Wettbewerbswirtschaft eine auf die Konsumenteninteressen ab
gestellte Sozialproduktmaximierung durchzusetzen, setzt zu seiner Verwirklichung
voraus, daß in der Gesamtwirtschaft und damit auch in jedem einzelnen Wirtschafts
zweig die Spielregeln einer Wettbewerbsordnung befolgt werden. Da die Kenntnis
dieser Spielregeln für später durchzuführende überlegungen von Wichtigkeit ist,
seien sie kurz angeführt. Ihre Darstellung verfolgt zugleich den Zweck, dem Leser
vor Augen zu führen, wie durch Beachtung dieser Regeln durch jedes Wirtschafts
subjekt tatsächlich ein Maximum an vom Verbraucher gewünschten Gütern und
Dienstleistungen gewährleistet wird.
Im Gegensatz zu einer Zentralverwaltungswirtschaft wird der Wirtschaftsablauf in
einer Wettbewerbswirtschaft nicht zentral gesteuert, sondern in möglichst starkem
Maße der Eigeninitiative der einzelnen Wirtschaftsindividuen selbständig über
lassen. Dieser Verzicht auf eine zentrale Plan fassung - bei dieser erfolgt die schwie
rige, aber notwendige Abstimmung der Produktion auf den Bedarf zentralistisch
institutionell-läßt das Problem auftreten, in welcher Form bei einer Wettbewerbs
wirtschaft diese Abstimmung erreicht wird. Die Arbeiten der klassischen National
ökonomie, insbesondere die von SMITH, RICARDO, SAY, sowie die mit der Wirt
schaftsordnung des klassischen Liberalismus im 19. Jahrhundert gesammelten Er
fahrungen ließen erkennen, daß das Abstimmungsproblem selbständig durch die
Existenz von Gewinn-und Verlustpreisen gelöst werden kann: Jeder Gewinn-(Ver
lust-) preis gibt auf der Unternehmers ei te Anlaß zu einer Produktionsausdehnung
(-reduktion), die von den Konsumenten - wie es in den Preisen angezeigt wird -
nicht nur verursacht, sondern auch akzeptiert wird. Beachtenswert ist, daß dieser
sich automatisch vollziehende Abstimmungsprozeß sowohl bei den Investitions
gütern und Konsumgütern als auch bei den Produktionsmitteln (Kapital, Arbeit etc.)
erfolgt. Der Preis stellt somit »die autonome Ordnungs macht der Märkte dar 7.«
6 Vgl. MüLLER-ARMAcK, Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft.
7 MARBACH, F., Beitrag zur Problematik des kostendeckenden Preises, m: Wirtschafts
fragen der freien Welt, S.224.
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Störungsursachen dieses Abstimmungsvorganges konnten solange nicht eintreten, so
lange die Preise beweglich waren und darüber hinaus nicht von einzelnen Wirt
schaftsindividuen - etwa auf Grund ihrer Marktstellung - oder vom Staat in ihrer
Höhe beeinflußbar waren oder beeinflußt wurden. Diese Gefahr bestand zu Beginn
und in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht. Im Zeitalter des klassischen Liberalis
mus war der Staats einfluß auf den Wirtschaftsablauf äußerst gering (Nachtwächter
staat); das Vorherrschen von vielen selbständigen und isoliert arbeitenden Klein
und Mittelbetrieben vornehmlich im städtischen Bereich und vor allem nach der
Einführung der Gewerbefreiheit, sowie das Fehlen konzentrierter Nachfrage
gruppen - das Vorhandensein einer atomistischen Konkurrenzwirtschaft also -
schlossen von vorne herein jeden Preiseinfluß aus. Die im ausgehenden 19. Jahrhundert
anhebende Industrialisierung und der damit verbundene Zug zur großbetrieblichen
Fertigung, zur Konzentration etc. änderte jedoch das Wirtschaftsbild grundlegend,
und zwar dergestalt, daß über die Beschränkung oder sogar Ausschaltung des Wett
bewerbs eine Preiseinflußnahme ermöglicht wurde. Damit aber bestand die Gefahr
einer fehlerhaften Abstimmung von Produktion und Bedarf. Wie man sich einen
derartig fehlerhaften Abstimmungsprozeß zu denken hat, geht aus den folgenden
überlegungen hervor: Wir sagten bereits, daß in einer Wettbewerbswirtschaft die
Art und das Ausmaß der von der Nachfrage als besonders dringlich oder weniger
dringlich angesehenen Produktionen über die Preishöhe bestimmt werden (Ordnungs
funktion des Preises). Hohe Preise und damit hohe Gewinne bewirken eine Pro
duktionsausdehnung und umgekehrt. Der Einwand nun, daß ein durch Ausschal
tung des Wettbewerbs verlangter Monopolpreis diese Ordnungsfunktion in gleicher
Weise auszuüben in der Lage ist, da ja über Gewinn oder Verlust gleichfalls Art
und Ausmaß der vorzunehmenden Produktionen angezeigt werden kann, übersieht,
daß in einer Wettbewerbs wirtschaft der bei Konkurrenz erzielte Gewinn - im
folgenden kurz als Leistungsgewinn bezeichnet - nicht mit dem Monopolgewinn zu
vergleichen ist. Dies deshalb nicht, weil der Monopolgewinn neben dem Gewinn in
Höhe des Leistungsgewinns noch einen zusätzlichen Gewinn, eine absolute Rente,
enthält. Die Existenz einer absoluten Rente aber hat zur notwendigen Folge, daß
Produktionsrichtungen, in denen ein Monopolgewinn erzielt wird, zwangsläufig
als dringlicher angesehen werden müssen als solche Produktionen, in denen lediglich
ein Leistungsgewinn erwirtschaftet wird. Das hat zur Folge, daß derartige Pro
duktionsrichtungen auf Grund des höheren Gewinnausweises eher mit Produk
tionsmitteln (z. B. Kapital) alimentiert werden. Dadurch werden Produktionswege
bevorzugt, denen diese Bevorzugung von der Nachfrageseite her nicht notwendig
eingeräumt wird.
Noch ein zweites ist zu bedenken. Die Gewinn- und Verlustpreise haben nicht nur
Art und Ausmaß der von der Nachfrage gewünschten Produktionen zu bestimmen.
über die Preise wird darüber hinaus entschieden, wie viele und vor allem welche
Anbieter zur Erstellung der gewünschten Güter herangezogen werden sollen (Selek
tivfunktion des Preises). Diese Aufgabe unterliegt in einer Wettbewerbswirtschaft
den am kostengünstigsten arbeitenden Unternehmen, den sogenannten intramargi
nalen Anbietern. Mit anderen \Vorten, der Wettbewerbspreis sorgt »für das Aus
scheiden der weniger Leistungsfähigen und zwingt die am Markt Verbleibenden
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ständig zur Leistungssteigerung. Kurz, er gewährleistet eine bestmögliche, nach den
Verbraucherbedürfnissen ausgerichtete Verwendung der Produktionselemente Ar
beit, Kapital und Boden 8.« Diese Selektivfunktion des Wettbewerbspreises in Rich
tung auf ein möglichst kostengünstiges Angebot kann bei einem Monopolpreis,
dessen Höhe nur unbedeutend unter Druck steht, nicht mehr wirksam sein. »Durch
die Abschirmung des Preises gegenüber dem Wettbewerbsdruck ... wird dieser
seiner marktordnenden und produktivitätsfördernden Funktion enthoben ... Die
Nachfrage wird somit nicht mehr über den Preis jenen Anbietern zugeführt, welche
die Produktionselemente in erfolgreichster Weise kombinieren und ausnützen. Es
fehlt auch preisseitig der Zwang, in Ausnutzung des technischen Fortschritts und
besserer Organisations methoden laufend die Leistungsfähigkeit zu steigern und da
mit zur Erhöhung der Produktivität beizutragen. Die Automatik des Auskämmungs
und Erneuerungsprozesses, durch den die am wenigsten erfolgreichen Anbieter vom
Markte abgedrängt, neue Anbieter dem Markt zugeführt und die leistungsfähigeren
gefördert werden, ist weitgehend außer Betrieb gesetzt. Die Folge ist gewisser
maßen eine Konservierung der gegebenen Angebots- und Kostenstruktur9.«
Abgesehen davon, daß in einer Wettbewerbs wirtschaft die zuvor genannten Ord
nungs- und Selektivwirkungen durch die Existenz von Monopolpreisen und damit
Monopolgewinnen gestört werden, muß darauf hingewiesen werden, daß eine Wirt
schaftsordnung, die auf den Prinzipien einer Wettbewerbswirtschaft aufbaut, nach
dem Leistungsprinzip ausgerichtet ist, wonach jede Leistung durch eine Gegen
leistung entlohnt wird. Das führt zu der Festtsellung, daß die absolute Rente eines
Monopolisten von diesem ohne jede Gegenleistung, sondern nur auf Grund seines
Markteinflusses erzielt wird. Jeder Monopolpreis steht damit in diametralem Gegen
satz zum Leistungsprinzip und damit zur Wettbewerbswirtschaft schlechthin.
Bisher war nur von Preisüberhähungen die Rede. Daraus könnte der Eindruck ent
stehen, daß Preise, die das Wettbewerbspreisniveau unterschreiten, mit einer Wett
bewerbswirtschaft vereinbar sind. Demgegenüber muß festgestellt werden, daß be
wußte Preisunterbietungen unter volkswirtschaftlichem Aspekt genauso unerwünscht
und gefährlich sind wie Preis überhöhungen. Entschließt man sich nämlich dazu, Preis
unterbietungen vorzunehmen - das Hauptmotiv hierzu dürfte wohl in der Absicht
zu sehen sein, Wettbewerber aus zu konkurrieren -, dann dürfte dies einmal zur
Folge haben, daß alle Produktions richtungen, in denen Leistungsgewinne erzielt
werden, als dringlicher angesehen werden als jene, in denen absichtlich kein Gewinn
erzielt wird. Aber auch bei jenen Unternehmen, die schließlich im Verfolg der Preis
unterbietungspolitik aus dem Marktgeschehen ausscheiden, ergäbe sich bei einer voll
funktionsfähigen Wettbewerbswirtschaft keine Begründung für ihr Ausscheiden. Bei
bewußten Preisunterbietungen, vornehmlich also bei ruinöser Konkurrenz, werden
die Produktionsmittel in den beiden hier angeführten Fällen in volkswirtschaftlich
falsche Richtungen gelenkt.
Diese überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß in einer Wettbewerbswirtschaft
durch Preiserhöhungen und Preisunterschreitungen - durch Preise also, die bei
8 MARBACH, F., a. a. 0., S. 224.
9 MARBACH, F., a. a. 0 .. S 228 f.
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