Table Of ContentHochschultext
Hans Wilhelm Alt
Lineare
Fun ktionalanalysis
Eine anwendungsorientierte Einführung
Mit 19 Abbildungen
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
Hans Wilhelm Alt
Institut tOr Angewandte Mathematik
Universität Bann
Wegeierstraße 6
5300 Bann
Mathematics Subject Classitication (1980): 46-01, 35-01, 28-01
ISBN 978-3-540-15280-4 ISBN 978-3-662-08386-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-08386-4
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Alt, Hans Wilhelm:
Lineare Funktionalanalysis: e. anwendungsorientierte Einf. / Hans Wilhelm Alt. -
Berlin; Heidelberg; NewYork;Tokyo: Springer,1985.
(Hochschultext)
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1985
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Tokyo 1985
2141/3140-543210
Vorwort Oft besucht der Algebrix
im sechsten Stock den Analyx,
und staunend über dessen Tricks
verbringt er Stunden höchsten Glücks.
Ulrich Warn ecke
Das Buch ist entstanden aus einer einsemestrigen Kursusvorlesung, die ich im
WS 80/81 an der Universität Bochum und im WS 83/84 an der Universität Bonn
für Studenten ab 5. Semester gehalten habe. Das Ziel war, einen Grundkanon zu ver
mitteln und dabei in den einzelnen Abschnitten möglichst schnell auf die zentralen
Aussagen zuzusteuern. Dabei habe ich versucht, sowohl die algebraische als auch die
analytische Seite der Funktionalanalysis mit gleichem Gewicht zu behandeln.
Bis auf einige Umstellungen und hinzugefügte Aussagen stimmt der Inhalt dieses
Buches mit dem in der Vorlesung dargestellten Stoff überein.
Voraussetzung für die Lektüre des Buches ist eine Anfängerausbildung in Linearer
Algebra und Analysis. Wegen der unterschiedlichen Vorkenntnisse der Studenten ist
ein Anhang über das Lebesgue-Integral eingefügt. Die Anhänge 4 und 8 beweisen
Aussagen, die in der Vorlesung nur formuliert worden waren. Der Anhang 5 dient
zur Vertiefung des Studiums der Sobolev-Räume. Viele der während der Vorlesung
gestellten Übungen sind mit Lösungen in das Buch aufgenommen worden, andere als
Übungen hinzugenommene Aussagen sind als Ergänzung zum Grundstoff gedacht. Ich
glaube daher, daß sich dieses Buch als Grundlage und ebenso als Begleitlektüre zu
Vorlesungen über lineare Funktionalanalysis eignet, aber auch als Ergänzungsliteratur
zu anderen Vorlesungen.
Besonders zu danken habe ich Eberhard Bänsch und Jürgen Dennert, die durch
unzählige Hinweise und Verbesserungsvorschläge zur endgültigen Version des Buches
beigetragen haben.
Schließlich wäre das Buch nicht entstanden ohne die Arbeit von Angelika Schofer,
die das Manuskript mit dem TEX-System gesetzt hat und der das Buch seine äußere
Gestaltung verdankt.
Bonn, Juli 1985 H. W. Alt
Inhaltsverzeichnis
o Einleitung ........................................................... 1
1 Funktionenräume ................................................... 8
1.1 Metrik - 1.2 Vollständigkeit - 1.3 Norm - 1.4 Skalarprodukt
-- 1.7 Folgenräume - 1.8 Maße - 1.9 Lebesgue-Räume - 1.13
Satz von Fischer-Riesz - 1.14 Stetige Funktionen - 1.17 Klassische
Funktionenräume - 1.19 Vervollständigung - 1.20 Sobolev-Räume
- 1.22 IJm'P-Räume - Übungen
A 1 Lebesgue-Integral .................................................. 29
A 1.4 Elementares Integral - A 1.8 Lebesgue-integrierbare Funktio-
nen - A 1.15 Maßerweiterung - A 1.18 Meßbare Funktionen -
A 1.21 Satz von Egoroff - A 1.23 Lemma von Fatou - A 1.24 Kon
vergenzsatz von Lebesgue -- A 1.25 Vitali-Konvergenzsatz - A 1.26
Allgemeiner Lebesgue-Konvergenzsatz
2 Topologie der Funktionenräume .................................. 50
2.1 Abstand - 2.2 Offene und abgeschlossene Mengen - 2.4 Topolo-
gie - 2.7 Dichte Teilmengen - 2.8 Faltung - 2.9 Dirac-Folge - 2.12
Lokale Approximation von Hm,p Funktionen - 2.13 Partition der
Eins - 2.15 Produktregel und Kettenregel für Sobolev-Funktionen
-- 2.18 Konvexe Mengen - 2.19 Projektionssatz - 2.20 Fast ortho
gonales Element - 2.21 Kompaktheit - 2.24 Satz von Heine-Borel
- ~:25 Satz von Arzela-Ascoli - 2.26 Satz von Frechet-Kolmogorov
- Ubungen
3 Lineare Operatoren ................................................ 84
3.2 Beschränkte Operatoren - 3.4 Definitionen - 3.6 Neumann-
Reihe - 3.7 Analytische Funktionen von Operatoren - 3.10 Distri
butionen - Übungen
4 Lineare Funktionale ............................................... 95
4.1 Satz von Hahn-Banach - 4.6 Riesz'scher Darstellungssatz - 4.7
Anwendung auf Differentialgleichungen - 4.8 Poincare-Ungleichung
- 4.9 Satz von Lax-Milgram - 4.11 Satz von Riesz-Radon - 4.13
Satz von Radon-Nikodym - 4.14 Dualraum von LP - Übungen
VIII Inhaltsverzeichnis
A 4 Aussagen aus der Maßtheorie ................................... 123
A 4.3 Integral stetiger Funktionen - A 4.4 Maßräume - A 4.5
Jordan-Zerlegung - A 4.6 Hahn-Zerlegung - A 4.9 Lemma von
Alexandroff - A 4.11 Satz von Lusin - A 4.12 Produktmaß -
A 4.14 Satz von Fubini
5 Schwache Konvergenz ........................................... 138
5.2 Schwache Konvergenz - 5.6 Reflexivität - 5.11 Trennungssatz
- 5.13 Anwendung auf Minimum-Probleme - 5.14 Variationsun
gleichung - 5.15 Allgemeine Poincare-Ungleichung - Übungen
A 5 Eigenschaften von Sobolev-Funktionen ......................... 150
A 5.1 Rellich-Einbettungssatz für iIm,p -- A 5.3 Lipschitz-Rand -
A 5.4 Rellich-Einbettungssatz für Hm,p - A 5.6 Randintegral -
A 5.7 Schwache Randwerte - A 5.9 Gauß'scher Satz - A 5.12
Fortsetzungssatz - A 5.14 Einbettungssatz auf den Rand - A 5.15
Schwache Folgenkompaktheit in Ll - A 5.16 Satz von Vitali-Hahn-
Saks
6 Prinzip der gleichmäßigen Beschränktheit ..................... 181
6.1 Baire'scher Kategoriensatz - 6.2 Prinzip der gleichmäßigen Be
schränkheit - 6.3 Satz von Banach-Steinhaus - 6.6 Satz von der
offenen Abbildung - 6.7 Satz von der inversen Abbildung - 6.8
Satz vom abgeschlossenen Graphen - Übungen
7 Projektionen .. : ................................................... 188
7.1 Definition und algebraische Eigenschaften - 7.3 Satz vom abge
schlossenen Komplement - 7.8 Beispiele - 7.9 Schauder-Basis -
7.15 Orthonormalbasis -- 7.17 Weierstraß'scher Approximationssatz
-- Übungen
8 Kompakte Operatoren ...........................................- 211
8.3 Ehrling-Lemma - 8.5 Sobolev-Zahl - 8.6 Einbettungssatz
in Hölder-Räumen - 8.7 Einbettungssatz in Sobolev-Räumen -
8.8 Einbettungssatz von Sobolev-Räumen in Hölder-Räume - 8.9
Hilbert-Schmidt-Integraloperatoren - 8.10 Schur-Integraloperatoren
8.11 Singuläre Integraloperatoren - 8.12 Hölder-Korn
Lichtenstein-Ungleichung --8.13 Calderon-Zygmund-Ungleichung-
8.14 Fredholm-Operatoren - Übungen
A 8 Sobolevsätze und Calderon-Zygmund-Ungleichung .......... 236
A 8.2 Satz von Sobolev - A 8.4 Beweis von Satz 8.7 - A 8.7 Satz
von Morrey - A 8.9 Beweis von Satz 8.8.1 und 8.8.3 - A 8.13 Beweis
von 8.13
Inhaltsverzeichnis IX
9 Spektrum kompakter Operatoren .............................. 255
9.1 Spektrum - 9.3 Resolventenfunktion - 9.4 Spektralradius - 9.6
Spektralsatz für kompakte Operatoren - 9.8 Fredholm-Alternative
10 Adjungierte Abbildung .......................................... 262
10.1 Adjungierter Operator - 10.2 Hilbertraum-Adjungierte - 10.3
Algebraische Eigenschaften - 10.4 Annihilator - 10.6 Satz von
Schauder - 10.8 Satz von Fredholm - 10.9 Normale Operatoren
- 10.12 Spektralsatz für kompakte normale Operatoren - 10.14
Eigenwertproblem als Variationsproblem - 10.15 Anwendung des
Spektralsatzes - 10.17 Satz von Friedrichs - Übungen
Literaturverzeichnis .............................................. 286
Symbolverzeichnis ................................................ 287
Sachverzeichnis ................................................... 289
o.
Einleitung
Die Funktionalanalysis behandelt allgemein die Struktur von Funktionenräumen
und die Eigenschaften stetiger Abbildungen zwischen diesen Räumen. Die lineare
Funktionalanalysis, die sich dabei auf lineare Abbildungen beschränkt, entwickelte
sich aus der grundlegenden Beobachtung, daß sich die topologischen Begriffe des eu
klidischen Raumes IRn auch auf Funktionenräume übertragen lassen. Wir wollen dies
an einigen charakteristischen Beispielen darstellen.
Dabei verwenden wir zum Teil erst in späteren Abschnitten definierte Begriffe und
Bezeichnungen, verweisen aber meist auf die entsprechenden Stellen des Buches.
Als erstes betrachten wir die Supremumsnorm stetiger Funktionen f auf einer be
schränkten abgeschlossenen Menge S des IRn
Ilfllco(s) := sup {lf(x)1 ; xE S}
Sie erfüllt dieselben Normaxiome (siehe 1.3) wie die euklidische Norm des IRn
(Ln 1
IIXllRn := X~)"2 .
;=1
Ein Unterschied zwischen bei den Räumen besteht darin, daß es sich bei CO(S) im Ge
gensatz zum IR" um einen unendlich-dimensionalen Raum handelt (falls S unendlich
viele Punkte enthält). Dies ändert ganz wesentlich die Eigenschaften des Raumes. So
sind im IRn alle beschränkten abgeschlossenen Mengen kompakt (siehe 2.24), jedoch
nicht in CO(S) (siehe Satz von Arzela-Ascoli 2.25).
Auch das Skalarprodukt des IR"
n
(x'Y)Rn := LXiY;
;=1
hat ein Analogon für Funktionenräume (siehe 1.9), nämlich
U,g)L2(S) := / f(x)g(x)dx.
s
V
Die zugehörige Norm IlfIlL2(S) := U, f) L'(S) läßt sich zwar durch die Supremums
norm abschätzen, d.h. 'es gibt eine Konstante C < so daß
00 ,
IlfIIL2(S) ~ Cllfllco(s) für alle fE CO(S) ,
2 o. Einleitung
eine Abschätzung in umgekehrter Richtung gilt aber nicht. Betrachte dazu das Inter
vall 8 = [-I,IJ c IR und für 0 < ( < 1 die Funktionen I«x) := max(O, ~ (1 - ':')) ~,
für die 1I/<lIco(8) = (-~, aber 1I/<IIL'(8) = 1 . Dies bedeutet, daß die CO-Norm und
die L2-Norm auf CO(8) nicht zueinander äquivalent sind (siehe 2.5). Daraus folgt
(siehe Ü 6.5), daß der Raum CO(S), wenn wir ihn mit der L2-Norm versehen, kein
vollständiger Raum ist. Dies kann man auch elementar einsehen, indem man die Funk
tionen g«x) := max(O,min(I,;)) betrachtet, die für ( '\. 0 eine Cauchy-Folge bzgl.
der L2-Norm bilden, aber keinen Grenzwert in CO(S) besitzen.
In einer solchen Situation wendet man ein allgemeines Prinzip der Mathematik an,
das Prinzip der Vervollständigung (siehe 1.19). Ähnlich wie man die rellen Zahlen IR
als Vervollständigung der rationalen Zahlen f;J definieren kann, vervollständigen wir
nun den Raum CO(S) bezüglich der L2-Norm. Man erhält so den vollständigen Raum
L2(8) , den Raum der quadratintegrierbaren Lebesgue--meßbaren Funktionen auf 8
(siehe 1.9, 1.15 und Anhang 1). In diesem gelten dann so fundamentale Aussagen wie
das Lemma von Fatou (A 1.23) und der Konvergenzsatz von Lebesgue (A 1.24 und
A 1.26), welche auf der Vollständigkeit dieses Raumes basieren.
Vor einer ganz ähnlichen Situation stehen wir bei einer weiteren Verallgemeinerung
des endlich-dimensionalen auf den unendlich-dimensionalen Fall. Endlich-dimensional
betrachten wir zunächst eine stetige Funktion J : S -+ IR auf einer beschränkten
abgeschlossenen Menge 8 c IR". Wir suchen ein Minimum dieser Funktion auf 8. Aus
der Kompaktheit von S und der Stetigkeit von J läßt sich dessen Existenz folgern: J
besitzt auf Sein absolu.tes Minimum, d.h. es gibt ein Xo E S mit
J(XO) = inf J(x) .
zE8
Der gleiche Schluß ist möglich, falls 8 nur abgeschlossen ist, dafür aber J(x) -+ 00
xE IIxllnn
für S mit -+ 00.
Als unendlich-dimensionales Analogon betrachten wir das Dirichlet-Randwertpro
blem auf einer offenen beschränkten Teilmenge 0 c IR". Gegeben sei eine stetige
Funktion 9 auf dem Rand ao von 0, d.h. 9 E CO(aO). Wir suchen eine stetige
Funktion u : 0 -+ IR, die in 0 zweimal stetig differenzierbar ist, d.h. eine Funktion
u E CO(O) n C2 (0), so daß
" a
L 2
ßU(x):= ax2u(x) = 0 für x E 0,
.=1 •
und
u(x) = g(x) für x E ao .
In den Anwendungen ist u zum Beispiel eine stationäre Temperaturverteilung oder
das Potential eines ladungsfreien elektrischen Feldes. Eine Möglichkeit, eine Lösung
zu finden, ist die Betrachtung des zugehörigen Energiefunktionals
J(u):= !IVu(x)12dx,
n