Table Of ContentLineare Algebra und Analytische Geometrie I
Prof. Dr. Peter Knabner
U¨berarbeitung eines Skripts von Prof. Dr. Wolf Barth
Wintersemester 2006/2007
Institut fu¨r Angewandte Mathematik
Friedrich-Alexander-Universit¨at Erlangen-Nu¨rnberg
Martensstraße 3
91058 Erlangen
e-mail: [email protected]
Version vom 19. Februar 2008
Inhaltsverzeichnis
1 Der Zahlenraum Rn und der Begriff des reellen Vektorraums 3
1.1 Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Vektorrechnung im Rn und der Begriff des R-Vektorraums . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1.3 Lineare Unterr¨aume und das Matrix-Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
1.4 Lineare (Un-) Abh¨angigkeit und Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.5 Das Euklidische Skalarprodukt im Rn und Vektorr¨aume mit Skalarprodukt . . . . . . 58
2 Matrizen und lineare Abbildungen 73
2.1 Bewegungen und allgemeine lineare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
2.2 Lineare Abbildungen und ihre Matrizendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
2.3 Matrizenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
2.4 Permutationen, Permutationsmatrizen und die LR Zerlegung einer Matrix . . . . . . . 126
2.5 Die Determinante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
2.6 Eigenschaften der Determinante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
3 Vom R-Vektorraum zum K-Vektorraum 153
3.1 Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
3.2 K¨orper und Vektorr¨aume u¨ber K¨orpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
3.3 Euklidische und unit¨are Vektorr¨aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
3.4 Quotientenvektorr¨aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
3.5 Der Dualraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
3.6 Das Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
4 Koordinatentransformationen und A¨hnlichkeit von Matrizen 184
4.1 Basiswechsel und Koordinatentransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
4.2 Eigenwerttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
4.3 Der Satz von Cayley-Hamilton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
4.4 Die Jordansche Normalform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
4.5 Die Hauptachsentransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
4.6 Ausblick: Die Singul¨arwertzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
2
1 Der Zahlenraum Rn und der Begriff des reellen Vektorraums
1.1 Lineare Gleichungssysteme
Lineare Gleichungssysteme sind die einzige Art von Gleichungen in der Mathematik, welche wirklich
exakt l¨osbar sind. Wir beginnen mit einem Beispiel, wie es schon aus der Antike u¨berliefert ist.
Beispiel: In einem K¨afig seien Hasen und Hu¨hner. Die Anzahl der K¨opfe sei insgesamt 4, die Anzahl
der Beine sei insgesamt 10. Frage: Wieviele Hasen und wieviele Hu¨hner sind es?
L¨osung: Es sei x die Anzahl der Hasen und y die Anzahl der Hu¨hner. Dann gilt also
x + y = 4
4x + 2y = 10
Dies ist ein System aus zwei linearen Gleichungen in zwei Unbekannten x und y. Wir k¨onnen aus der
ersten Gleichung x= 4 y eliminieren und in die zweite einsetzen:
−
4(4 y)+2y = 10
−
16 2y = 10
−
2y = 6
− −
y = 3
x = 1
Antwort: Es sind drei Hu¨hner und ein Hase.
Beispiel: Gegeben sei ein elektrisches Netzwerk der Form
I I ?I ?
61 2 3
R R R
1 2 3
U
Dabei seien die angelegte Spannung U und die Widerst¨ande R ,R ,R gegeben, die Stromst¨arken
1 2 3
I ,I und I sind gesucht.
1 2 3
L¨osung: Nach den sogenannten Kirchhoffschen Gesetzen der Physik hat man die Gleichungen I =
1
I +I ,sowieR I = R I undR I +R I = U (Dasistdiestattfindendemathematische Modellierung
2 3 2 2 3 3 1 1 2 2
des betrachteten Prozesses, siehe unten fu¨r genauere U¨berlegungen). Wir schreiben sie als ein System
aus drei linearen Gleichungen in den drei Unbekannten I ,I und I :
1 2 3
I I I = 0
1 2 3
− −
R I R I = 0
2 2 3 3
−
R I + R I = U
1 1 2 2
Wir k¨onnen hier etwa I =I +I eliminieren, um folgendes System aus zwei linearen Gleichungen in
1 2 3
den Unbekannten I und I zu erhalten:
2 3
3
R I R I = 0
2 2 3 3
−
(R +R )I + R I = U
1 2 2 1 3
HiereliminierenwirI = R3I (dagem¨aßihrerBedeutungimModellR = 0!)underhaltenschließlich
2 R2 3 2 6
die Gleichung
R
3
(R +R ) I +R I = U
1 2 3 1 3
R
2
(R R +R R +R R )I = R U
1 2 1 3 2 3 3 2
R U
2
I =
3
R R +R R +R R
1 2 1 3 2 3
(siehe oben wegen der Division!) Aus den Eliminationsgleichungen fu¨r I und I erhalten wir
2 1
R U (R +R )U
3 2 3
I = , I = .
2 1
R R +R R +R R R R +R R +R R
1 2 1 3 2 3 1 2 1 3 2 3
Das letzte Beispiel gibt einen ersten Eindruck, warum und wie lineare Gleichungssysteme Fragen aus
Naturwissenschaft und Technik (aber auch O¨konomie,...) modellieren. Schon deswegen ist wichtig sie
mathematisch zu untersuchen. Dabei entstehen folgende
Mathematische Fragen:
A) Existenz einer L¨osung.
Es gibt mindestens eine L¨osung.
Nachweis durch
a) “Konkrete” Angabe:
- geht nur bei konkretem Beispiel, nicht bei allgemeinen Problem.
- woher kommt die konkrete L¨osung?
b) “Abstrakte” Argumentation:
z.B. Widerspruchsbeweis
Annahme: es gibt keine L¨osung ... ... Widerspruch (z.B. 0 = 1).
⇒ ⇒ ⇒
Eine L¨osung wird dadurch nicht bekannt.
c) Angabe/Herleitung eines Algorithmus (“Rechenvorschrift”) zur Bestimmung einer L¨osung.
Wenn diese nur endlich viele Schritte ben¨otigt, dann erh¨alt man durch (exakte) Durchfu¨hrung
des Algorithmus die (exakte) Angabe einer L¨osung.
B) Eindeutigkeit einer L¨osung
Es gibt h¨ochstens eine L¨osung x
⇔
Sind x und y L¨osungen, dann x= y.
Nachweis nur durch “abstrakte” Argumentation!
4
Die Fragen A) und B) sind i.A. unabh¨angig voneinander.
Gilt A) und B), dann sagt man: Es gibt genau eine L¨osung.
Da lineare Gleichungssysteme (i.F. kurz LGS) aus der Anwendung i.A. sehr groß sind (103 bis 108
Unbekannte bzw. Gleichungen) ist Handrechnen (wie oben) nicht mehr m¨oglich und die Frage nach
(effizienten) Algorithmen wird besonders wichtig. Wir wollen diese Frage, die dann in der Vorlesung
Numerische Mathematik I vertieft wird, so weit wie m¨oglich hier mitbehandeln. Im Zentrum steht
aber die Theorie von linearen Strukturen (genauer sp¨ater). Die LGS sind dabei so wichtig, da sie der
Anlass fu¨r die Entwicklung dieser Strukturen sind, mit deren wir mehr u¨ber LGS erfahren.
- Eine solche Situation wird i.F. mit ALGS (Anwendung auf LGS) gekennzeichnet. -
Daru¨ber hinaus werden wir aber auch sehen, dass sich “abstraktere“ Fragestellungen auf solche u¨ber
LGS zuru¨ckfu¨hren lassen.
- Eine solche Situation wird i.F. mit RLGS (Ru¨ckfu¨hrung auf LGS) gekennzeichnet. -
DasersteZielistalsoeinZugangzurGesamtheit allerL¨osungen einesallgemeinenLGS.Diegegebenen
Zahlen (die Koeffizienten) und die Unbekannten sollen dabei reelle Zahlen sein. Die Menge der reellen
Zahlen wird (wie immer) mit R bezeichnet und in der Vorlesung Analysis I genau eingefu¨hrt. Von den
Eigenschaften, die R bezu¨glich (a,b R)
∈
Addition + : a+b,
•
Multiplikation : a b bzw. kurz ab,
• · ·
Ordnung: a b,
• ≤
Abstandsmessung
•
hat, werden im Folgenden nur die bezu¨glich + und (siehe A1 zur Erinnerung) ben¨otigt. Dies erlaubt
·
sp¨ater, die folgenden U¨berlegungen zu verallgemeinern (zu GLS in K¨orpern).
WirdiskutierenjetztdenAllgemeinfall, wobeiwirbesondersdaraufachten mu¨ssen,welcheSpezialf¨alle
und Ausnahmen auftreten k¨onnen:
Spezialfall 1: Eine Gleichung
Eine lineare Gleichung ist eine Gleichung der Art
a x +a x +...+a x = b , (1.1)
1 1 2 2 n n
wo a ,a ,...,a ,b gegebene reelle Zahlen sind, und die reellen Zahlen x ,x ,...,x unbekannt und
1 2 n 1 2 n
gesucht sind. Die geometrische Interpolation als Gerade, Ebene, ... werden wir sp¨ater besprechen.
Wir mu¨ssen verschiedene F¨alle unterscheiden:
A:Nichtalle Koeffizientena ,...,a sind0.Dannseietwaa ,1 m n,dererstevon0verschiedene
1 n m
≤ ≤
Koeffizient. Die Gleichung sieht so aus:
0 x +...+0 x +a x +a x +...+a x = b.
1 m−1 m m m+1 m+1 n n
· · · · ·
Wirk¨onnenalsox ,...,x beliebigw¨ahlen,aufdieGu¨ltigkeitderGleichunghatdieskeinenEinfluss
1 m−1
. Ebenso k¨onnen wir x ,...,x beliebig w¨ahlen. Anschließend setzen wir
m+1 n
x := (b a x ... a x )/a . (1.2)
m m+1 m+1 n n m
− − −
5
Damit haben wir fu¨r jede Wahl der x ,...,x ,x ,...,x die Gleichung gel¨ost. Dies ist auf diese
1 m−1 m+1 n
Weise nur m¨oglich, weil a = 0.
m
6
Wir sagen: Die Menge aller L¨osungen von (1.1) hat n 1 Freiheitsgrade (Diesen Begriff werden wir
−
sp¨ater pr¨azisieren).
B1: Alle Koeffizienten a ,...,a sind 0, aber es ist b = 0. Das Gleichungssystem hat dann die
1 n
6
merkwu¨rdige Form
0 x +...+0 x = b. (1.3)
1 n
· ·
Egal, wie man auch die Unbekannten x ,...,x w¨ahlt, diese Gleichung ist nie zu erfu¨llen.
1 n
Sie ist unl¨osbar.
B2: Alle Koeffizienten a ,...,a sind 0 und auch b = 0. In diesem reichlich uninteressanten Fall ist
1 n
die Gleichung stets erfu¨llt, sie stellt keinerlei Bedingungen an die Unbekannten.
0 x +...+0 x = 0 (1.4)
1 n
· ·
Ein lineares Gleichungssystem ist ein System
a x + a x + ... + a x = b
1,1 1 1,2 2 1,n n 1
a x + a x + ... + a x = b
2,1 1 2,2 2 2,n n 2
. . . .
. . . .
. . . .
a x + a x + ... + a x = b
m,1 1 m,2 2 m,n n m
aus mehreren linearen Gleichungen.
Hierbei sind die Koeffizienten a R, i = 1...,m, j = 1,...,n gegeben und die Unbekannten
i,j
∈
x , j = 1,...,n gesucht.
j
- Hier und im Folgenden wird intensiv von der Indexschreibweise (siehe A3) Gebrauch gemacht.-
Ein solches Gleichungssystem l¨asst sich ku¨rzer schreiben als
a x +a x +...+a x = b µ = 1,...,m,
µ,1 1 µ,2 2 µ,n n µ
∀
(µ te Zeile des Gleichungssystems)
−
oder ku¨rzer
a x +a x +...+a x = b µ =1,...,m
µ1 1 µ2 2 µn n µ
∀
(meistens auch nur: µ = 1,...,m)
und schließlich mit der Notation (siehe auch A4)
n
a = a +...+a fu¨r a R, µ = 1,...,n
ν 1 n µ
∈
ν=1
X
n n
(wobei natu¨rlich a = a = ...)
ν k
ν=1 k=1
in Kurzform P P
n
a x = b µ = 1,2,...,m. (LG)
µ,ν ν µ
· ∀
ν=1
X
6
Definition 1.1 Das System (LG) heißt ein linearesGleichungssystem (kurz: LGS) mit n Unbekann-
ten x und m Gleichungen. Die Elemente a heißen die Koeffizienten, und die Elemente b rechte
k j,k j
Seiten. Das System heißt homogen, wenn b = 0 j = 1,2,...,m gilt; sonst heißt es inhomogen.
j
∀
Die stets existierende L¨osung x1 = x2 = = xn = 0 des homogenen Systems heißt triviale L¨osung.
···
Die Zahlen x ,...,x mit x R,i= 1,...,n (etwa eine L¨osung von (LG)) fassen wir zusammen zu
1 n i
∈
x
1
.
x:= .. = (xν)ν=1,...,n = (xν)ν (1.5)
x
n
und nennen x ein n-tupel (u¨ber R), alle n-tupel zusammen bilden die Menge Rn. x R heißt ν-te
ν
∈
Komponente von x. Es handelt sich dabei also um eine geordnete Menge (n = 2 : Paare, n = 3 :
Tripel,...) von Elementen aus R,...,R (n-mal) (siehe A2), statt in der Form
(x ,...,x ) als Zeile
1 n
in der Form (1.5) (als Spalte) geschrieben.
Wir suchen also alle x= (x ) Rn, die (LG) erfu¨llen. Dazu fu¨hren wir die folgende formale Schreib-
ν ν
∈
weise ein.
Definition 1.2 Die Koeffizientenmatrix des Gleichungssystems ist das rechteckige Zahlenschema
a a ... a
1,1 1,2 1,n
a a ... a
2,1 2,2 2,n
A := . . . . (1.6)
. . .
. . .
a a ... a
m,1 m,2 m,n
Wenn wir hieran die rechten Seiten der Gleichungen anf¨ugen
a a ... a b
1,1 1,2 1,n 1
a a ... a b
2,1 2,2 2,n 2
(A,b) := . . . . , (1.7)
. . . .
. . . .
a a ... a b
m,1 m,2 m,n m
so nennen wir dies erweiterte Koeffizientenmatrix.
a ,...,a heißt die µ-te Zeile von A(µ = 1,...,m) und wird als n-tupel mit a abgek¨urzt.
µ,1 µ,n (µ)
a ,...,a heißt die ν-te Spalte von A(ν = 1,...,n) und wird als m-tupel mit a(ν) abgek¨urzt.
1,ν m,ν
Die µ-te Zeile von A gibt also die Koeffizienten der µ-ten Gleichung an. Die ν-te Spalte gibt u¨ber alle
Gleichungen die Koeffizienten der Unbekannten x an. Analog kann man auch von den Zeilen und
ν
Spalten von (Ab) sprechen. Bei den Spalten kommt also noch als (n+1)te Spalte
|
b
1
.
b:= .. = (bµ)µ (1.8)
b
m
7
(die rechte Seite des Gleichungssystems) hinzu.
Den Fall m = 1,n N (eine Gleichung) haben wir schon in (1.2)-(1.4) behandelt. Fu¨r beliebige m
∈
gibt es einen Spezialfall, wo auch kein Gleichungssystem im eigentlichen Sinn auftritt.
Spezialfall 2: Diagonalsystem
a 0 ... ... ... 0
1,1
0 ... ...
. .
. .
. a .
A = r,r . (1.9)
.. ..
. 0 .
... ...
0 ... ... ... 0
Alsoexistiereneinr 1,...,min(m,n) (sieheA4),sodassa = 0fu¨rµ = 1,...,r,aberalleanderen
µ,µ
∈ { } 6
a verschwinden (d.h. a = 0 fu¨r µ =1,...,m,ν = 1...,n,µ = ν oder µ = ν > min(m,n)).
µ,ν µ,ν
6
Eine Koeffizientenmatrix wie (1.9), bei der h¨ochstens a = 0, wenn µ = ν, heißt Diagonalmatrix.
µν
6
Immer wenn r < m gilt (also immer bei n < m) treten also Nullzeilen in A auf (Zeilen a =
(µ)
(0,...,0)). Nach (1.3),(1.4) ist das System unl¨osbar, falls b = 0 fu¨r eine solche Nullzeile, sonst haben
µ
6
die Nullzeilen keine Aussage.
Die Zeilen µ = 1,...,r legen x fest durch
µ
x = b /a , µ = 1,...,r (1.10)
µ µ µ,µ
die weiteren x ,...,x sind frei w¨ahlbar (falls nicht der unl¨osbare Fall vorliegt), d.h. es gibt n r
r+1 n
−
Freiheitsgrade in der L¨osungsmenge.
DahiergarkeineKopplungenzwischendenUnbekanntenvorliegen,handeltessichumkein“richtiges“
System. Das ist der Fall bei folgendem Spezialfall, bei dem auch die L¨osungsmenge explizit angegeben
werden kann und der Spezialfall 2 verallgemeinert:
Spezialfall 3: Staffelsystem
a ... ... ... a
1,1 1,n
0 ... ...
.
A= .. ar,r ... ar,n . (1.11)
. .
. .
. .
0 ... ... ... 0
Also existiere ein r 1,...min(m,n) , so dass
∈ { }
- a = 0 fu¨r µ = 1,...r,
µ,µ
6
- das untere Dreieck der Matrix verschwindet, d.h. a = 0 fu¨r µ > ν,µ = 1,...,m,ν = 1,...,n,
µ,ν
- ab der (r +1) Zeile (falls es sie gibt), verschwinden die ganzen Zahlen, d.h. a = 0 fu¨r µ =
µ,ν
r+1,...,m, ν = 1,..., n.
8
Eine Koeffizientenmatrix wie (1.11) ist eine spezielle obere Dreiecksmatrix.
Wieder entscheiden die b fu¨r µ = r + 1,...,m daru¨ber, ob das System l¨osbar ist oder nicht. Im
µ
l¨osbaren Fall sind die letzten m r Zeilen aussagelos und die L¨osungskomponenten x ,...,x frei
r+1 n
−
w¨ahlbar. Dann ist die r-te Zeile nach x aufl¨osbar (da a = 0). Mit bekanntem x kann dann x
r r,r r r−1
6
aus der (r 1)ten Zeile bestimmt werden etc. Diesen Prozess nennt man Ru¨ckw¨artssubstitution.
−
n
1
x = b a x , ν = r,r 1,...,1. (1.12)
ν ν ν,µ µ
a − · ∀ −
ν,ν
µ=ν+1
X
Dabei ist
n
... := 0
µ=n+1
X
(oder allgemeiner jede Summe u¨ber einem leeren Indexbereich). Dies tritt fu¨r r = n, d.h. den Fall
ohne Freiheitsgrade, fu¨r ν = r auf.
Bei einigen Unterf¨allen l¨asst sich genaueres u¨ber die L¨osungsmenge sagen:
Spezialfall 3a: m > n,r = n,b = 0 fu¨r µ = n+1,...,m.
µ
In diesem l¨osbaren Fall gibt es keine frei w¨ahlbaren Komponenten, die L¨osung ist also eindeutig.
Spezialfall 3b: m > n und b = 0 fu¨r ein µ n+1,...,m . Das LGS ist nicht l¨osbar.
µ
6 ∈ { }
Was nu¨tzen die besprochenen F¨alle im Allgemeinen? Solange man dabei die L¨osungsmenge nicht
ver¨andert, kann man versuchen, allgemeine LGS auf obige Formen umzuformen. Offensichtlich
zul¨assig als Umformung ist die Vertauschung zweier Zeilen im Gleichungssystem. Dies entspricht der
- Vertauschung zweier Zeilen in der erweiterten Koeffizientenmatrix (A,b).
Es ist etwas umst¨andlich, alle LGS zu beschreiben, die sich so auf (1.11) transformieren lassen. Dies
muss auch nicht wirklich durchgefu¨hrt werden, es reicht, wenn die Nichtnullzeilen in der Reihenfolge,
die entstehen wu¨rde, in (1.12) durchlaufen werden.
EineweitereUmformungistdieUmnummerierungderKomponentenderL¨osungstupel(dieamSchluss
wieder ru¨ckg¨angig gemacht werden muss!). Diese entspricht der
-Vertauschung zweier Spalten der Koeffizientenmatrix A.
Vertauschung von Spalten macht aus (1.11) (und umgekehrt) den
Spezialfall 4: Zeilenstufenform
n0 n1 nr
0...0 # ... ... ...
∗ ∗ ∗ ∗ ∗ ∗
. 0 0...0 # ... ...
z }| { z }| { ∗ ∗z }| ∗{ (1.13)
. . . 0 . # ...
∗ ∗
. . . . . 0 0...0
0...0 0 0...0 0 0...0 0 0...0
# bezeichnet dabei Koeffizienten a = 0, * beliebige Koeffizienten. Dabei k¨onnen die Stufenl¨angen
µ,ν
6
n ,n ,...,n eventuell 0 sein, und r 1,...,min(m,n) , die Anzahl der Stufen kann mit m u¨berein-
0 1 r
∈ { }
stimmen, so dass also keine Nullzeilen am unteren Ende der Matrix auftreten.
9
Also gibt es zu jeder Zeile µ 1,...,m einen Index j(µ) 1,...,n+1 der den “ersten“ nicht
∈ { } ∈ { }
verschwindenden Koeffizienten markiert, falls es einen gibt, und sonst = n+1 ist:
a = 0 fu¨r ν = 1,...,j(µ) 1
µ,ν
−
a = 0 (falls j(µ) 6 n)
µ,j(µ)
6
und
j(1) 6 j(2) 6 ...j(m) .
Bei j(µ) j(µ+1) gilt sogar <“, sofern j(µ+1) n. Ist µ¯ der gr¨oßte Index in 1,...,m , fu¨r den
≤ ” ≤ { }
j(µ¯)6 n, dann ist das die Stufenanzahl r = µ¯ und ab der (r+1)ten Zeile (falls es solche gibt) stehen
nur Nullzeilen.
Die Stufenl¨angen sind
n = j(1) 1
0
−
n = j(i+1) j(i) 1 fu¨r i= 1,...,r .
i
− −
Auchfu¨rdieseForml¨asstsichdieL¨osungsgesamtheitangeben,wasgerade(1.12)fu¨rdieumgeordneten
Komponenten entspricht:
x ,...,x sind frei w¨ahlbar. Zur Verdeutlichung nennen wir diese KomponentenParameter und
n j(r)+1
bezeichnen Parameter mit λ :
ν
x : = λ
n 1
.
.
. fu¨r λ R
ν
∈
.
.
.
x : = λ
j(r)+1 nr
x ist durch (1.12) bestimmt und dann sind (1.14)
j(r)
x : = λ
j(r)−1 nr+1
.
.
. fu¨r λ R
ν
∈
.
.
.
x : = λ
j(r−1)+1 nr+nr−1
frei w¨ahlbar.
x ist durch (1.12) bestimmt etc., so dass man eine Darstellung aller L¨osungen der (LGS) in den
j(r−1)
r
Parametern λ ,...,λ mit n¯ := n bekommt.
1 n¯ i
i=0
Der Spezialfall 3 entspricht also nP= ...n 1 = 0, n = n r = n¯.
0 r r
− −
10