Table Of ContentLETZTE LOCKERUNG
manifest dadu
*
&
*
PAUL STEEGESIANN VERLAG HANNOVER
LEIPZIG WIEN ZÜRICH
/ /
::
(UtarsfaU
ZEIT- UND STREIT-SCHRIFT DES VERLAGES
(pauf^teegemann
AUSDEMINHALTDERERSTENNUMMERN
«Httfto?n)te ßefftecß:
HE.urvo.päWeerbe/rDuenrdChdiaeuvvienrf/lucDhetrenReHvoomlouszezxeurel/leDner/SDlreorhhgaultme
©aeenfßüffte«ßießeimntBberilnnaQBfume:
BriefeundKritikenvonAnonymen/Ärzten/HohenMilitärs
GebildetenLaien/Zeitungsschreibern/Publikum/Freunden
undFeinden/dada/P.E.Küppers,dergeistreicheSpöller
uttb °0Qtiftt ©tagte:
RLeoitchharoBhrnleegeRra/uDmer/gesAcmtheälfiteesrtüciKhutirngoenEro/s/DiPeaulspVaenrilsacihnee/ReDiasse
D3iecSlßlberugäunlebImSpiegeldeutsQc?heerrMenftaalitgät:
(JKaftrmr(ßbfcflmib:DieNachtdesAngeschossenen/©fof:
DerWüstling/jElrp:DieWolkenpumpe/HiifonJicßiiacß
NacktInderLandschaft / Offtp Jtafenberi Die Lesblerln
QRuboffßconharb:Margit/f.PQJ.HOJagner:DerBallon
CRobcrfQBrenbzf:DiePeitsche/Carfijaupfmann:Herr
Rosa/(WlefcßtorQJ«fc6tr/SekundedurchHlrn/(E)uffeiißecß
AusderGeschichtedesdadalsmus
QßtrnßarbJJliaro:DerBox-Matsch/QRuhoffe.©eftue:
EntscheidendeBücher
(SfTatBüber:CRaftmtr«Bbfc^mib/Q}.C-IjaßtcßftQiurf
Ijiffzr/OBiPßefm(Kftmm/QRuboffßtonßarb/f)etnric0
(TOann/Qttenona/IjanB.äcßteßef’ßufß/C.^fernßeimu.a.
(grnflt^cßüffeiSladtparlament
Cßeafer / QSücßer
2DaMsk.ersAtbeoHnBenufectmheheransntcdhelaiuunnftge6InmNAouudmgemurestdrinr1e9k12t00vMokP.mreiVBseerz|leuadggerduNrucmhmaellre
©auf^feegemann / (Derfag / J)annox>er
DigitizedbyGoogle
S £ R £ M
^ IS"
LETZTE LOCKERMG
manifest dada
PAUL STEECEMA5» VERLAG HANNOVER
LEIPZIG WIEN ZÜRICH
/ /
DigitizedbyGoogle
^sx
35? (Letzte
.
Anton van Hoboken
gewidmet
ErstesbisdrittesTausend
Alle Rechte Vorbehalten
Copyright1920byPaulSteegemannVerlagHannover
Gedrucktals62.-64.BandderSammlungDieSilbtrgäule
beiEdler&Krische,Hannover
DigitizedbyGoogle
I
1° UmeinenFeuerballrasteineKotkugel,aufderDamen-
seidenstrümpfe verkauft und Gauguinsgeschätztwerden.
EinfürwahrüberausbetrüblicherAspekt,deraberimmer-
hineinwenigunterschiedlichist:Seidenstrümpfekönnen
begriffenwerden,Gauguins nicht. (Bernheim alspresti-
gieuserBiologezuimaginieren.) DietausendKleingehirn-
RastasembetantesterObservanz,welcheerigiertenBourgeois-
Zeigefingern Feuilletonspalten servieren (o pastoses Ge-
pinkell),umGeldflüssezulockern,habendieserhalbVer-
wahrlosungen angerichtet, die noch heute mancheDame
zukurzkommenlassen.(ManreflektieredreiMinutenüber
diePsychoseschlechtbehandelterOptik;klinischesSymp-
tom, primär: Unterschätzung der Damenseidenstrümpfe;
sekundär: Verdauungsbeschwerden.)
2° Wasdürfte das erste Gehirn, das auf den Globus
geriet,getanhaben? Vermutlich erstaunte es überseine
Anwesenheit und wußte mit sich und dem schmutzigen
VehikelunterseinenFüßennichtsanzufangen. Inzwischen
hat man sich an dasGehirn gewöhnt,indem man esso
\. unwichtignimmt,daßmanesnichteinmalignoriert,aussich
V einen Rasta gemacht (zuunterst: schwärzlicher Pole; zu
kt oberst:etwaSenatspräsident)undausdermitUnrechtso
beliebtenNatureineKulissefüreinwahrhaftigsehrstarkes
Stück. DieserzweifellosnichtsonderlichheroischeAus-
wegauseinemimmernochnichtweidlichgenuggewürdigten
Dilemma ist zwar vollends reizlos geworden,-seit er so
'3' absehbarist(wiealbernisteinePersonenwage!),abereben
deshalbsehrgeeignet, gewisse Prozeduren vorzunehmen.
3°AucheinemLokomotivführerFälltesjährlichwenigstens
einmalein,daßseineBeziehungenzurLokomotivedurch-
ausnichtzwingendsindunddaßervonseinemEhgespons
nichtvielmehrweißalsnachjenerwarmenNachtimBois.
(HätteichLaVillettegenanntoderdieTheresienwiese,so
3
DigitizedbyGoogle
wärenbeideBeziehungengänzlich illusorisch; Fingerzeig
für Habili-tanten: „Über topographische Anatomie, psy-
chischenLuftwechselundVerwandtes.“)ImHotelRonceroy
oderin Picadillykommteshingegen bereitsvor,daßes
verteufeltunklarwird,warummanjetztgeradeaufseine
Handglotztundtrillert,sichkratzenhörtundseinenSpeichel
liebt. Diesem scheinbar so friedlichen Exempel ist die
Möglichkeit,daßdaspenetranteGefühlderLangeweilezu
einem Gedanken überihre Ursache sichemporturnt,am
dicksten. SolcheinlieblicherMomentarrangiertdenDes-
perado(owasfüreinSüßer!),deralsProphet,Künstler,
Anarchist, Staatsmann usw., kurz als Rasta Unfug treibt.
4° Napoleon, ein doch wirklich tüchtiger Junge,be-
haupteteunverantwortlicherWeise, der wahre Berufdes
Menschensei,den Ackerzubestellen. Wieso? Fielein
Pflug vom Himmel? Aber etwas hat der homo doch
mitbekommen,supponiereichmireineliebesunterernährte
Damenstimme. Nun, jedenfalls nicht das Ackern; und
Kräuterund Früchtesind schließlich auchschondamals
dagewesen. (BittehierbeidendeutschenBiogenetennach-
zulesen,warum ich Unrechthabe. Eswird jedochsehr
langweilen. Deshalbhabeichrecht.) Letzthinalso:auch
Napoleon,deransonstensehrerfreulichfrischeHemmungs-
losigkeiten äußerte, war streckenweise Stimmungsathlet.
Schade. Sehrschade.
5°Allesistnämlichrastaquoueresk,meineliebenLeute.
Jeder ist (mehr oder weniger) ein überaus luftiges Ge-
bilde,dieumerci.(Nurnebenbei:10CentimesdemKühnen,
dermirnachweist,daß etwasletztlich nicht willkürlich
als Norm herumspritzt!) Anderswürdeübrigenseinepi-
demisches Krepieren anheben. Diagnose: rabiate Lange-
weile;oder:panische Resignation; oder:transzendentales
Ressentiment usw. (Kann, beliebig fortgesetzt, zum Re-
gister sämtlicher unbegabter Zustände erhoben werden.)
4
DigitizedbyGoogle
DerjeweiligelandläufigeEtatderbewohntenErdoberfläche
istdeshalblediglichdasfolgerichtigeResultateineruner-
träglichgewordenenLangeweile. Langeweile:nuralsharm-
losestesWort. Jedersuchesichdieihmschmackhafteste
Vokabel für seineMinderwertigkeit! (HerzigesSujetfür
einscharfes Pfänderspiel!)
6°Esistallgemeinbekannt,daßeinHundkeineHänge-
matteist;weniger,daßohnediesezarteHypotheseMalern
dieSchmierfaust herunterfiele; und überhauptnicht,daß
Interjektionenamtreffendstensind:Weltanschauungensind
Vokabelmischungen ...Sapristi,hiermußdieProzedur
einwenigerweitertwerden. (KleinesBild:leichteKrane-
otomie!) Nun:alleStilistensindnichteinmalEsel. Denn
StilistnureineVerlegenheitsgestewildesterStruktur. Und
daVerlegenheit(nachkurzerBeschlafung)alsperfekteste
Reue übersichselbersich entschält,istmerkbar,daßdie
StilistenausBesorgnis,fürEselgehaltenzuwerden,um
vieles schlechter als diese sich benehmen. (Esel haben
nämlich zweiweitausüberragendeEigenschaften:siesind
störrischundfaul.) DerUnterschiedzwischenPaulOskar
Höcker,Dostojewskij,ZobeltitzundWedekindblautdaher
lediglich in derKontenance innerhalbder besagten Ver'-
legenheitsgeste. ObeinerinrichtigfunktionierendenTro-
chäenodersonstwiebilderstrotzend(alleBildersindplau-
sibel)odersozusagenexpressionistischmirvorsäuselt,daß
ihmübelwar,und,seiteresschwarzaufweißhat,besser
wurde,oder,daßihmzwarwohlwar(schau,schau!),aber
übel wurde,alserdasnichtmehrbegriff(teremtete!):es
ist immer dieselbe untereselhafte Anstrengung, aus der
sVieerrleengde,nhoegoitttosgiocthtoz)i—ehegneszutawloltleetn.,GirnädßelimchmeasnWosrite!(stDialis-
heißt:ausdemLeben,dasunwahrscheinlichistbisindie
Fingerspitzen,etwasWahrscheinlichesmachen! Überdieses
Chaos von Dreck und Rätsel einen erlösenden Himmel
stülpen!! DenMenschenmistordnend durchduften!!! Ich
5
DigitizedbyGoogle
—
danke... GibteseinidiotischeresBildalseinen(puh!)
genialstilisierendenKopf,derbeidieserBeschäftigungmit
sichselbstkokettiert? (Nurnebenbei:meineGunstdem
Tüchtigen,dermirnachweist,daßdasKokettierenbeiEth-•
boldennichtstattfindet!) O,überdiesoüberheitereVer-
legenheit,diemiteinerVerbeugungvorsichselberendet!
Deshalb(dieser stilisierten Krümmungwegen) werden
Philosophien und Romane erschwitzt, Bilder geschmiert,
Plastikengebosselt,Symphonien hervorgeächzt und Reli-
gionengestartet! WelcheinerschütternderEhrgeiz,zumal
diese eitlen Eseleiendurchwegsgründlich (sc.besonders
gründlich in deutschen Gauen) mißglückt sind!! Alles
Unfug!!!
7°Dieschönste Landschaft,dieichkenne,istdasCafe
BarrattebeidenPariserHallen. AuszweiGründen. Ich
machte daselbst die Bekanntschaft Germaines, die u.a.
zischte: „C’est possiblequejeseraisbonne, sijesavais .
pourquoi.“ Hämischgesteheichesein:icherblaßtevor
Freude. Und dannhatindiesemfreundlichenLokalJean
Kartopai'tes, der sonst nur mit Herren ohne Stehkragen
sicheinließ,denVerkehrmitmirbrüskabgebrochen,weil
ichsounvorsichtigwar,denNamenPicassofallenzulassen.
8°AchdieliebenweißenPorzellanteller! Denn... Nun
denn:ehemalswollte man,wasmannichtaussprechenzu
könnenvorgab,alsogarnichthatte,malerischvermitteln.
(Juchhu!AlsobmanauchnureineVizeköniginfeinsäuber-
lichabkonterfeienkönnte,wenn mannichtwüßte,daßsie
kein Fauteuil ist!) Wohin diese Sudelburschen geraten
würden, wenn sie aufhörten, Ölphotos zu wichsen, war
somit längst vorabzulächeln. (Hinter die Ohren: mehr
Mädchen,bitte,mehrMädchen!) AberdieImpressionen!
Nun:wasisterreicht,wenn mannachheftigemBlinzeln
sichzurechtbauen kann,daßjenerKartoffelvertilgerauch
nur eine Kühe ersah, aber erst so sich vorzublähen
6
DigitizedbyGoogle
e
vermochte,daßessein Kühegewesensei,eineganzbe-
sondereKühe,kurz:dieKuhunderlösend? Teremtete!
Aber die Expressionen! Haho: was ist erreicht, wenn
mangefixtsieht,waseinAdjektivleistet,und,daesauch
diesembishermißglücktist,orientierendzuwirken,also
nochungemaltschonmißglücktwäre? AberdieKubisten,
die Futuristen! Hoppla:dieChampionsdiesergeradezu
suiletrawvüiroldeetnt dmiießg(lpüuchk!)te—n Pliinbseerlartiiottegleliiecßhesnamzwvaornaduesrblhaosheenn,
Stilschaukelherablanden(Trapezritt! Trapezritt! Etwaso:
„Wir werden dieseVerlegenheit schon schaukeln!“),er-
reichten abernichtnur,daßnichteinmaleinChignonins
Schaukeln geriet, sondern vielmehrgeradediewildesten
Esel in geregeltemTrapp arrivierten. (O wurfbesprun-
generSagot! etc.pp.pp.) Unfug! Unfug!! Unfug!!!
9°Dassub8imGrundebereitsfürschlechtErwachsene
geredet: Fibelhaftes,außerordentlich Fibelhaftes. Immer-
hinnochzurVorsichtzunotieren,meine Kleinen:
a)Plastik:sehrunhandlichesSpielzeug,verschärftdurch
metaphysischen Augenaufschlag.
b)Musike: Pantopon- oder Ero-Ersatz. (Längst unter-
fibelhaft!)
c)Lyrik:einKnabebefindetsichinderKlemme. Rezept:
frageihn,vonwelchererträumt,unddukannstihm
sagen, mit welcher ernichtgeschlafen hat. (Selbst-
verständlichbefindetmansichstetsinderKlemme;
in der c-Klemmeaberhatmansichdenndochnicht
mehrzubefinden.)
d)Romanundso: dieHerrenredenwieamSpießoder
neuerdings überhaupt nicht mehr. Noch einwenig
SchweißunddieSacheglückt:Belletristik! (AmSpieß
befindetmansichgaroft. EinSamuel-Fischer-Band
aberisteinzulangwierigesMittel,dieLuftlinieSyrakus-
Butterbrot-Zentralheizungherzustellen.)
7
DigitizedbyGoogle
e)Drama,Tragödie, Komödie: die Klemme spitzt sich
zu, spießt sichund erregtim Publikum diedumpfe
Vermutung, daß ein Cinema wohl doch das•beste
zweite Dessertsei (mangelsPoussagen).
Insumma, meineKleinen: die Kunst war eine Kinder-
krankheit.
10° hat man nie einen Gedanken. Bestenfalls tut der
Gedankeso,alsob.(ImmeraberseinEinherredner!)Jedes
Wort ist eineBlamage, wohlgemerkt. Man bläst immer
nurSätzezirkusähnlichstenSchwungesüberKettenbrücken
(oderauch: Pflanzen,Schlüchte,Betten). GünstigerVor-
schlag: man figuriere sichvordem Einschlafen mithef-
tigsterDeutlichkeitdenpsychischenEndzustandeinesSelbst-
töters,derdurcheineKugelsichendlichSelbstbewußtsein
einlotenwill. Esgelingtjedochnurdann,wennmansichzu-
vorblamiert. Schwerblamiert. Entsetzlichblamiert. Ganz
maßlos blamiert. So grauenhaft blamiert, daßallesmit-
blamiert ist. Daß jeder metaphorisch auf den Hintern
fällt. Und niest.
110Interjektionensindamtreffendsten. (Achdielieben
weißen Porzellanteller!) . . . Man mußdieseAmphibien
undLurche,diesich fürzuguthalten,Eselzusein,zur
Raison bringen. Indem man sie ihnen austreibt. Aus-
peitscht! Man mußdiesesschauderhafteüberlebensgroße
Ansichtskartenblau,daß diese trüben Rastas an den He-
Ho- Hu- Ha- (wiebitte?) Himmel hinaufgelogen haben,
herunterfetzen. Man mußsein Hauptzag,abersicheran
dasdesNachbarn titschenwiean ein faulesEi(gut,gut).
ManmußdasgänzlichUnbeschreibliche,dasdurchausUn-
aussprechbareso unerträglich nah heranbrüllen,daßkein
Hundlängersogescheitdaherlebenmöchte,sondernviel
dümmer. Daß alle den Verstand verlieren und ihren
Kopf wiederbekommen. Man muß ihnen die Prozente,
die Bibelsprüche, die Mädchenbusen, die Pfannkuchen,
8
DigitizedbyGoogle