Table Of ContentÜBERDAS BUCH:
Eineneue SammlungpointensichererGeschichtenüberdieUnbildenunse
resAlltags aus der FederdesbeliebtenösterreichischenSatirikers. Mitda
beisind wiederdiebekannten Personenaus den früheren Satirenbänden:
die Ehefrau,deren Sammelleidenschaftdem Autorzum Verhängnis wird,
der schreckliche Neffe Ladi, derjetzt zum Fernsehenwill,Dr. med. Mer-
zenberger, der dem gemeinsamen Freund zum Urlaub vom Urlaub rät,
FreundWronsky,dernichtweiß,wemerdievom Psychologengeforderten
Streicheleinheitenzukommenlassensoll- derKatzeoderderFrau...Aber
derAutorgibtsichnichtnuralsBerichterstatter,sonderndarüberhinausals
ernst zu nehmender Philosoph, denkt über Redner, Politiker und kleine
Diebenach. Und RudolfAngerertreibtmitseinentreffsicheren Karikatu
renallesaufdieSpitze.
DERAUTOR:
Hugo Wiener,am 16.Februar1904alsSohneinesMusikersinWiengebo
ren.Musikstudium,Kapellmeister,KlavierbegleiterimKabarett,dannVer
fasservon Texten,wasschließlich- bisheute- sein Hauptberufwurde. Li
bretti für Operetten, Filmdrehbücher(seine Satiren waren auch Vorlagen
für die beliebteFernsehserie Ein verrücktesPaar). 1949wurdeergemein
sammitseinerFrauCissyKraner andasWienerKabarettSimplengagiert,
fürdaseralsHausautorgemeinsammitKarlFarkas 16Jahretätigwar.Hu
goWienerlebtheutealsfreierSchriftstellerinBadenbeiWien.
Hugo Wiener
»Lesen Sie wohl!«
Satiren
MitZeichnungenvon
RudolfAngerer
ein Ullstein Buch
einUllsteinBuch VomselbenAutor
Nr. 22072 inderReiheder
imVerlagUllsteinGmbH, UllsteinBücher:
Frankfurt/M- Berlin
DieliebenVerwandten
UngekürzteAusgabe undandereFeinde(20806)
ImmermitderRuhe(20887)
Umschlagentwurf:
HansberndLindemann
Illustration:RudolfAngerer
AlleRechtevorbehalten
Taschenbuchausgabemit
GenehmigungdesAmaltheaVerlags,
Wien- München
© 1986byAmaltheaVerlagGes.m.b.H.,
Wien- München
PrintedinGermany1989
DruckundVerarbeitung:
EbnerUlm
ISBN3 54822072X
März1989
CIP-Titelaufnahme
derDeutschenBibliothek
Wiener,Hugo:
„LesenSiewohl!":Satiren/ HugoWiener.
MitZeichn.von RudolfAngerer.-
UngekürzteAusg.- Frankfurt/M;Berlin:
Ullstein,1989
(Ullstein-Buch;Nr.22072)
ISBN3-548-22072-X
NE:GT
Quartett 135
Ladi nimmtNachhilfestunden 145
Hilfe!Computer! 151
SpielerausLeidenschaft 155
Toplitz hateinenFreund 161
Allesistschondagewesen 171
DerunverstandeneMann 183
DerGlaubeandieMenschheit 187
»Allesaussteigen, bitte!« 197
Wünsche 207
GeldgeberfürdasAllgesucht 213
Ladischreibtan einen Nachbarn 219
Arm undreich 227
Hunde, AutosundjungeMädchen 233
EinoffenesOhr 245
DerFamilienmensch 253
AufderSuchenach ... 259
DieneueTV-Serie 263
LebenSiewohl 277
Lesen Sie wohl!
Ja, liebeLeserinnen und Leser,Siehabenrichtiggelesen.
Es ist kein Druckfehler, essolltenichtheißen »LebenSie
wohl«, sondern »LesenSiewohl«. Lesenistgesund, le
senberuhigt, lesen läßtSie denStreßvergessen, indem
Siesichmöglicherweise befinden,lesenistlehrreich, le
senmachtmüde, wennmanschlafen,und regtan, wenn
manwachbleiben will,lesen hilftbeijederGelegenheit,
beiDepressionen, Komplikationen, Operationen, Tele-
visionen - drum mein Rat: Was immer Sie haben, was
immer Siebewegt, nehmen Sieein Buch zur Hand und
lesenSie, lesenSie, lesenSie! Imnachfolgenden einBei
spiel:
MeineFrauhaßtes,Dingewegzuwerfen, diemanspäter
vielleicht einmal brauchenkann.DazugehörenKnöpfe,
Geschenkpapier, Schachteln in allen Größen, Kerzen
stummel,Briefmarken, diemanbeiGelegenheit jeman
dem schenken könnte, eingeschriebene Briefe, ausge
schriebeneKugelschreiber-vor allem aberKleiderbügel
aus Draht, wie man sie von den Putzereien bekommt,
wenn maneinenAnzugodereinKleid reinigen läßt. In
meinemSchrankhängenmindestenszehnsolcherDraht
bügel.
Neulich halteicheinSakko, das ebenvonderReinigung
gekommen war, in der linken Hand, will es auf einen
richtigen Kleiderbügel hängen, dabei fallen dreiDraht
kleiderbügel heraus, einervonihnenverfängt sich inei
nerStrickjacke, derzweite fälltaufden Boden, derdritte
hinterdenaltenStaubsauger, derschonlangenichtmehr
benützt, aber auch nicht weggeworfen wird, sondern
trotzaller Protestemeinerseits, immerweiterin meinem
Schrank stehenbleibt. Fluchend nehme ichden richtigen
Kleiderbügel, hänge das Sakko drauf, als ein vierter
Drahtkleiderbügel herunter- und direkt in eine offene
Schuhschachtelfällt.SeitJahrenstehtdieSchuhschachtel
inmeinemSchrank,dieSchuhesindlängstindenMüllei
mergewandert,aberdieSchachtel stehtdaund stehtda
undwirdgehegtundgepflegt, alsobessichumeinegol
dene, mit Edelsteinen besetzte Kassette im Jugendstil
handeln würde. Ich bücke mich, um vor allem einmal
denDrahtkleiderbügelhinterdemaltenStaubsaugerher
vorzuholen, falle, stürze mit der Hand direkt auf den
Staubsauger, der Staubsauger, der michschon seitlan
gem nicht leiden kann, läßt seinen Griff nach vorne
schnellen und mit aller Gewalt auf meine Stirne. Wäh
rend ichaufschreie,fälltdasebenvon derReinigung ge
kommene Sakko auf den Boden. Schnell nehme ich den
Drahtkleiderbügel hinterdemStaubsaugerhervor, angle
zurgleichenZeitmitdemrechtenFußdenDrahtkleider
bügel aus derSchuhschachtel, kannihnnichtabstreifen,
werfe mein rechtes Bein in die Luft wie ein plötzlich
wahnsinniggewordenerFußballer,derDrahkleiderbü-
gellöstsichzwarvonmeinemFuß,fälltaberaufdenLu
ster, bleibthängen,ichspringeeinigemale indieHöhe,
umihn herunterzuholen, derDrahtkleiderbügel kommt
herunter, derLusterkommtmit,seitJahrensageich,daß
der Luster anderDeckenichtfestgenugangebrachtist,
aberwasichauchsage, esist,als obichindenWindre
den würde, ich will den Luster in den Schrank stellen,
dabei steige ichaufdaseben aus derReinigung gekom
meneSakko,springeschnell zur Seite, stelledenLuster
auf den Staubsauger, der Staubsauger schnellt wieder
nach vorne und trifft mich einzweitesmal auf die Stirne,
ichversuche dasSakko, dasebenvon derReinigung ge
kommen ist, aufzuheben, dabei fällt mir die Brille von
derNase, ichwillsiemitdemKnieabfangen,zuspät, ich
zertretedieGläser,ichschleuderedenrichtigen Kleider
bügelindenSchrank, dabeifallenzweiweitere, ineinan
der verklemmte Drahtkleiderbügel heraus, ich bücke
mich, um sie aufzuheben, stoßedabeian den Luster, der
Luster andenStaubsauger,derStaubsaugerschnelltwie
der nach vorne und versetzt mir den dritten Schlagauf
dieStirne, ich schleuderealles mitdemlinkenFußin den
Schrank, schmeiße mit dem rechten die Tür zu, gebe
a)dieHoffnungaufund b)dasSakkozurückindieRei
nigung.
Was, liebeLeserinnenund Leser, glaubenSie,habeich
dann getan?Ichhabenichtgeschrien, ichhabenichtge
tobt —ichhabe einBuchgenommen, habemich aufdie
Couchgelegtund habegelesen.Nach einerhalbenStun
dewaralles vergessen. Drum meinRat: LesenSie,lesen
Sie,lesenSie!Je längerSieaufder Couch liegenund le
sen, desto wenigerlaufenSieGefahr, inineineSituation
wiedie eben geschilderte zu kommen. Darum noch ein
mal
Lesen Siewohl!
Ein Sprichwort ist einAusdruck, derkeinen Eindruck
macht. Frühereinmaltrugen dieSprichwörterein Körn
chen Wahrheitinsich,abersiepassennichtmehrinunse
reZeit. Zum Beispiel: Selber essen machtfett. Wer will
heute, im ZeitalterderSchlankheitskuren, nochfettsein*
Niemand. Oder:BeiNachtsindalleKatzengrau.Alsich
nochimzartenKnabenalterwar,hattenwireineschwar
zeKatze. Wie oftbin ich nachtsaufgestanden, um nach
zusehen, obsiegraugeworden war. Keine Spur. Siewar
auch beiNachtschwarzgeblieben.HeutigeSprichwörter
müßtenganzanderslauten. ZumBeispiel:»ScheueRecht
undtuenieetwas.« Oder: »EinefünfprozentigePreissen
kung in der Hand, ist besser als eine zehnprozentige
Lohnerhöhung aufdem Dach.« Oder: »Der Weg zum
ParkplatzistmitStrafmandatengepflastert.« Oder:»Die
kleinenDiebehängtman- dasFinanzamtläßtmanlau
fen.« Oderdiealthergebrachte Weisheit:
Ehrlich braucht's am längsten
MeineFrau undichwarenbeieinemEmpfangimWiener
Parkhotel. Um Mitternacht sah ich nach der Uhr und
sagte: »Ichdenke, esistZeit, daß wir gehen.« Ich hätte
nicht imentferntesten damitgerechnet,daßwirwirklich
gehenwürden, daabermeineFrauebenfallsfand,daßes
Zeitzugehenwäre,gingenwir.InderRezeptionbesorg
te man uns ein Funktaxi, wir fuhren nach Hause, ich
zückte meine Brieftasche, bezahlte, wir gingen nach
oben- plötzlich gabesmireinenRuck. »MeineBriefta
sche«, stammelteich.
»Was istmitihr?«fragtemeineFrau.
»IchhabesieimTaxivergessen.«
»Na,na«,versuchtemeineFraumichzuberuhigen. »Des
halbbrauchstdudochnichtgleichbleichzuwerden. Setz'
dichhinundentspannedich.Waswardenndrinnen?«
»Viertausend Schilling.«
»ViertausendSchilling?« schriesie. »Unddasitzt du da
herum? Rufdoch an!«
»Wen?«
»DasHotel. EswardocheinFunktaxi. Siewerdendirsa
gen,welche Liniesieangerufen haben.«
Dasleuchtetemirein. IchriefdasHotelan. »Entschuldi
genSie«, sagteich.»IchwarmitmeinerFrauheuteabend
beidem Empfang. Sie warensonett und habenmirein
Taxigerufen. WürdenSiemirsagen, welcheLinieSiean
gerufenhaben?«
»Ichhabeüberhauptkeine Linieangerufen. Ichbineben
gekommenundhabemeinen Kollegenabgelöst. Ichwer
de nachsehen, ob er noch da ist.«
»Was sagter?« fragtemeine Frauungeduldig.
»Erhat nichtangerufen, sondernseinKollege. Er sieht
nach, ob er noch da ist.«
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