Table Of ContentLeitfaden der Mechanik
fUr Maschinenbauer
Mit zahlreichen Beispielen fur den
Selbstunterricht
Von
Professor Dr.-Ing. Karl Landien
Oberstudiendirektor der StaatIichen Hilheren Maschinenban-, Schiffsingenieur-
und Seemaschinistenschule in Stettin
Zwei tes Heft
Hydraulik
Mit 82 Textabbildungen
Berlin
Verlag von Julius Springer
1928
ISBN-13: 978-3-642-90022-8 e-ISBN-13: 978-3-642-91879-7
DOl: 10.1007/978-3-642-91879-7
AIle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten.
Copyright 1928 by Jnlius Springer in Berlin.
Vorwort.
Das vorliegende Buch schlieBt sich an meinen "Leitfaden der
Mechanik fur Maschinenbauer. Erstes Heft: Statik und Dynamik" an.
Es fuBt wie dieses auf den Vortragen, die ich im Unterricht an den
Staatlich hoheren Maschineribauschulen Hagen und Breslau hielt. So
umfaBt es in knapper Form das, was an diesen Schulen in der Hydraulik
verlangt wird.
Auch bei diesem Buche habe ich auf die Anwendung der hoheren
Mathematik verzichtet und lediglich im Anhange eine Ableitung mit
diesem Hilfsmittel beigerugt. lch halte daran fest, daB die Mehrzahl
derjenigen, welche in diesem Rahmen Mechanik lemen, nicht so ge
wandt im Benutzen der hoheren Mathematik sind, daB sie diese Ab
leitung mit hoherer Mathematik spielend lesen konnen.
Stettin, im April 1928.
Professor Dr.-Ing. K. Laudien,
Oberstudiendirektor der Staatlich Hoheren Maschinenbauschule,
Schiffsingenieur- und Seemaschinistenschule, Stettin.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Die Teilung in Hydrostatik und Hydrodynamik 1
I. Hydrostatik . . . . . . . . . . . . 3
1. Gl~ic~ge~cht einer allseitig eingeschlossenen idealen, gewichtslosen
Flusslgkmt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
a) Die Druckfortpflanzung in einer Fliissigkeit. . . . . . . . 3
b) Der Druck auf eine gewOlbte Flache. . . . . . . . . . . .. 4
c) Die hydraulische Presse und der hydraulische Akkumulator .. 8
2. Gleichgewicht einer idealen Fliissigkeit unter Beriicksichtigung ihres
Eigengewichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
a) Die Druckverteilung in der Fliissigkeit. Bodendruck .... . 12
b) Das Gesetz von den kommunizierenden R6hren. . . . . . . . 14
c) Das Gleichgewicht von Fliissigkeiten verschiedenen spezifischen
Gewichtes . . . . . . . . . . 15
d) Der Druck auf eine Seitenwand 16
3. Der Auftrieb . . . . . . . . . . 21
a) Die GroBe des AuHriebes . . . 21
b) Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes von festen Korpern
und von Fliissigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
c) Der Angriffspunkt des Auftriebes. Die Stabilitat des Schwimmens 24
d) Das Metazentrum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4. Das relative Gleichgewicht fliissiger K6rper . . . . . . . . . . . 29
a) Die Fliissigkeit unter unveranderter Beschleunigung bei gerad
liniger Bewegung. . . . . . . . . . _ . . . . . . . . . . . 29
b) Die Fliissigkeit unter unveranderter Beschleunigung bei kreisender
Bewegung . . . . . . . . . . . . 30
II. Hydrodynamik . . . . . . . . . . . . . 34
1. Der Begriff der GeschwindigkeitshOhe. . . 35
a) Die Bewegung des Wassers in Kaniilen. 36
b) Die Bewegung des Wassel's in Rohren 37
2. Del' hydraulische Druck . . . . . 37
3. AusfluB aus einem GefaBe . . . . 39
a) AusfluB aus einer Bodenoffnung 39
b) AusfluB aus einer Seitenoffnung 41
c) Der Uberfall . . . . . . . . . 42
4. Der Riickdruck bei Austritt eines Wasserstrahls aus einer seitlichen
Offnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
5. Die Arbeitsleistung eines Wasserstrahls . . . . . . 44
6. Der StoBdruck des Wasserstrahls gegen eine Wand 45
Einleitung.
Die Mechanik der flussigen Korper zerfallt ebenso wie die Mechanik
der festen Korper in die Teile "Statik" und "Dynamik". Die Hydro
statik umfaBt die FaIle, bei denen die Krafte keine Bewegungsanderung
hervorrufen. Die Hydrodynamik umfaBt diejenigen, bei welchen die
Krafte eine Bewegungsanderung des flussigen Korpers erzwingen.
Diese Trennung ist in der Lehre von den flussigen Korpern nicht
so gut durchfuhrbar wie in der Lehre von den festen Korpern. Die
Bewegungsvorgange flftssiger Korper ohne Bewegungsanderung, Be
wegungsvorgange, welche in den Teil "Statik" fallen, hangen praktisch
ganz eng mit den Bewegungsanderungen zusammen. Diese Bewegungs
vorgange, z. B. die gleichformige Bewegung einer Flussigkeit, sind als
die Folge ununterbrochen wirkender Krafte, die auf eine Bewegungs
an de rung hinarbeiten, vielfach sogar nur unter gen!;\.uer Verfolgung
der Beschleunigungsvorgange, zu erklaren. Lediglich der Umstand, daB
zugleich auftretende Widerstande eine Bewegungsanderung 'nicht zu
lassen, fuhrt zu dem Resultat "Bewegung ohne Bewegungsanderung".
Zwischen den festen und den flussigen Korpern bestehen folgende
grundsatzliche Unterschiede, die fUr Statik und Dynamik von wesent
licher Bedeutung sind.
1. Die flftssigen Korper setzen einer Verschiebung ihrer kleinsten
Teilchen gegeneinander eiIien wesentlich geringeren Widerstand ent
gegen als die festen Korper. Sie besitzen eine sehr geringe Kohasion.
Diese Eigenschaft bringt es mit sich, daB die flussigen Korper ohne
weiteres die Gestalt des sie umschlieBenden GefaBes annehmen. Die
flftssigen Korper haben keine feste Form. - Immerhin ist eine solche
Kohasion vorhanden. Durch Versuche hat man festgestellt: Ein Wasser
.teilchen haftet an dem anderen mit einer Kraft von 0,00035 kglcm2•
Es gehort also zum DurchreiBen eines Wasserfadens von 1m2 Quer
schnitt eine Kraft von 31/\1 Kilogramm. FUr das Verschieben einer
Wassermasse vorbei an einer anderen ist bei einer Beruhrungsflache
von I mil eine Kraft von 2,6 Kilogramm erforderlich.
Die Geringfugigkeit dieser Krafte macht es erklarlich, daB man
dieselben in vielen Fallen vollig auBer acht laBt. Sie werden vernach
lassigt, wenn sie im Vergleiche mit den ubrigen Kraften verschwindend
klein sind.
2. Die flftssigen Korper sind sehr viel weniger zusammendruckbar
als die festen Korper. Wahrend ein fester Korper unter einer Kraft
wirkung seinen Rauminhalt merklich andert, behalt ein flussiger Korper
Laudien, Mechanik II. 1
2 Einleitung.
auch bei hohen Drucken seinen urspriinglichen Rauminhalt fast un
verandert beL
Versuche haben ergeben, daB Wasser bei einem Druck von lOO Atm.
nicht mehr als 1/10% seines Rauminhaltes verliert.
Die Geringfugigkeit dieser GroBe laBt es selbstvetstandlich er
scheinen, daB man bei technischen Rechnungen die vollige Unzusammen
driickbarkeit der fliissigen Korper annimmt.
Um zum Ausdrucke zu bringen, daB man erstens die Fliissigkeit
als vollig unzusammendruckbar ansetzt, und daB man zweitens die
Krafte, welche zum Verschieben der einzelne~ Fliissigkeitsteilchen ge
hort, vernachlassigen will, bezeichnet man eine solche Fliissigkeit als
"ideale" Fliissigkeit.
1. Hydrostatik.
Die Hydrostatik umfaBt die Lehre von den Kraften, die keine Be
wegungsanderung hervorrufen. Die fliissigen Korper konnen dabei im
Ruhezustande oder im Zustande gleichformiger Bewegung sein. Das
ergibt eine Teilung in "Statik der Flussigkeiten im Ruhezustand",
"Statik der Flussigkeiten im un veranderten Bewegungszustand".
Den letzteren Teil nennt man auch "Lehre vom relativen Gleich
gewicht der Flussigkeiten", wahrend man den ersteren Teil einfach als
"Lehre vom Gleichgewicht der Flussigkeiten" bezeichnet oder genauer
gefaBt sagt, "Lehre vom absoluten Gleichgewicht der Fliissigkeiten".
1. Gleichgewicht einer allseitig eingeschlossenen idealen,
gewichtslosen Fliissigkeit.
a) Die Druekfortpflanzung in einer Fltlssigkeit.
Die ideale Flussigkeit laBt nur eine Druckubertragung zwischen
den Fliissigkeitsteilchen zu. Bei einer Z u g beanspruchung teilt sich die
Fliissigkeit. Daraus folgt: In einer gedruckten
idealen, gewichtslosen Fliissigkeit herrscht an
allen Stellen der gleiche Druck.
Abb.1. Durch den mit dem Gewichte Q
belasteten Kolben K, der reibungslos im Zy
linder Z beweglich ist, wird auf die Kolben-
flache F = D~"" der Gesamtdruck Q ausgeubt.
Die Flachenpressung p, d. i. der Druck auf den
Quadratzentimeter, betragt
P --~D2"k" g/e m2.
Abb. 1. Erzeugung elnes FlUs·
4 sigkeltsdruckes durch den mit
Qb elasteten KolbenK. (Ideale,
gewichtslose Fliissigkeit.)
Diese Flachenpressung pflanzt sich durch die
ganze Flussigkeit fort. Es herrscht an allen Stellen der gleiche
Druck von
p = -.JLkg/cm2• (1)
./)211:
-4-
1*
4 Hydrostatik.
Beispiel!.
Ein Kolben von 30 mm Durchmesser ist (Abb. 1) mit 500 kg belastet. Welcher
Druck herrscht in der Fliissigkeit?
P
p= d2:Jl' P=500kg,
4 d = 3cm,
p = ~~~ = 70,8kg/cm2 = 70,8 Atmospharen.
4
Die Abb.2 keruizeicbnet den Gegensatz zum festen Korper. Die
t
Last Q wird von der FHiche getragen. Die Festigkeit des Korpers,
das Anhaften seiner Kleinstteilchen aneinander
macht es unmoglich, daB der V orsprung A aus
weicht. Es herrscht auf der Oberflache t des Vor-
sprunges A die Flachenpressung PI = ~ kg/cm2•
r
Erst wenn der Druck
so hoch gesteigert
-l.YT:i-L wird, daB A ausein
-$A
I \IT anderflieBt, kann es
I
zum Aufliegen von Q
auf der ganzen Fla
che F kommen und
zur Flachenpressung
P2 = FQ kg/e m2. Be'l
Abb. 2. Erzeugung einer der Stfitzung der Abb. 3. Erzeugung eines Fliisslg
Flilchenpressung zwischen keitsdruckes durch einen mit Q be
festen Korpern. Stiitzung Last Q auf einem lasteten Kolben E, der einen Vor-
des mit Q belasteten Kor Kolben nach Abb. 3 sprung A besitzt.
pers 2 durch den Korper 1.
kommen die Teil-
chen "a" zuerst zm: Beriihrung mit dem Kolben. Sie weichen dann
aber obne weiteres aus, so daB der ganze Kolben alsbald gleichmaBig
aufliegt.
Den Satz von der Gleichheit des Druckes an allen Stellen eines
geschlossenen GefaBes bei idealer gewichtsloser FlfiBsigkeit nennt man
das Gesetz von Paskal.
Der Flfissigkeitsdruck steht senkrecht zur berfihrten
Flache.
b) Der Druck auf eine gewolbte FHiche
bestimmt sich nach Abb. 4. Der auf das kleine Flachenteilchen "I"
wirkende Druck P hat die GroBe I . p. Dieser Druck laBt sich zerlegen
Sinc hzrweeibi tK ommapno dnieen tPerno dPuIk uten dt ·P P2• ' sPinI a=. uIn' dP 'I s'i nP e't c, oPs 2a . =" Ip'( /P' 's cinoas.e)t".
und "p(f' cos a.)" , so erhalt man folgendes: Der Druck in der Rich
tung von PI ist gleich der Flachenpressung p X der Projektion der
Flache I in der Richtung von Pl' I sin a. ist die Projektion von I
in Richtung von Pl' In Richtung P 2 erscheint die Flache "I" als
Gleichgewicht einer allseitig eingeschlossenen idealen, gewichtslosen FIiissigkeit. 5
,,1 COSlX.". Der Druck in dieser Richtung ist wiederum p X Projektion
der Flache in Druckrichtung.
Bei einer gew6lbten Flache nach Abb. 5 interessiert nur der Druck P
in der Richtung senkrecht zur Befestigungsstelle. Ihn bestimmt man
nach dem Obigen als Summe aller Teildrucke PI' P2, Pa ••• in dieser
Richtung.
PI = p. 11 . sinlX.1, P2 = P . 12 . sinlX.2, Pa = P . la sinlX.a·
P = PI + P 2 + P a + ... = P . (11 sin lX.l + 12 sin lX.2 + I a sin lX.a ... ).
11sin lX.I + 12 sinlX.2 + la sin lX.a ... bilden
zusammen die Gesamtprojektion der ge
w6lbten Flache in Richtung senkrecht zur
Befestigungsstelle. Daraus folgt:
Abb. 4. Druck P = p • t auf eine ge Abb. 5. Teildruck - Druck in einer be
'wOlbte Flache, zerlegt in P, = P • sin '" stimmten Richtung - auf eine gewOlbte
nnd p. = p. cos'" bzw. In P, = Fliiche.
p • t . sin," und P, = p • t • cos <X.
Der Gesamtdruck auf eine gew61bte Flache in einer bestimmten
Richtung ist gleich der Flussigkeitspressung X der Projektion des
K6rpers in dieser Richtung.
Fiir die Kolbenformen nach Abb. 6 und 7 gilt: Der Druck in der
Bewegungsrichtung des Kolbens ist bei beiden Kolben gleichgroB. Beide
haben in ihrer Bewegungsrichtung gleiche Projektionen = D~.n;. Sie
p .
r---O-
Abb. 6. Kolben mit geradem Boden Abb.7. Kolben mit schragem Boden
D'n D'n
P=-4-· P. P=T· P•
P, (Seitendruck) = o. P,(Seitendruck) = D:n • sin,". p.
erscheinen in .Bewegungsrichtung gesehen beide als Kreise vom Durch
messer D. Es unterscheiden sich diese Formen jedoch bezuglich ihrer
Belastung in der Richtung senkrecht zur Bewegungsrichtung. Die
6 Hydrostatik.
Druckflache des Kolbens, Abb. 6, erscheint in dieser Richtung gesehen,
nicht als FHiche, sondern als Linie. Das Produkt "Fliissigkeitsdruck
mal Projektionsflache" ist also gleich Null.
Bei der Bauart des Kolbens nach Abb.7 erscheint die Druckflache
als Ellipse vom Inhalte D. D . sin~ • 31:. Der Kolben nach Abb.7 wird
also mit der Kraft p . D2. s7'" . 31: zur Seite gedriickt. Das Gleichgewicht
D2. sin", . 31:
verlangt, daB der Kolben durch die Wand mit PI = p' 4
gestiitzt wird.
Beispiel 2.
Ein Kolben von 60 em Durehmesser hat eine Neigung der Druekfliiehe von
'" = 30°. Welehe Druekkrafte wirken auf ihn
1. in Riehtung seiner Bewegung,
2. in senkreehter Riehtung dazu
bei p = 10 atm Fliissigkeitsdruek? (Abb. 7).
Die elliptisehe Druekflaehe erseheint in der Bewegungsriehtung als Kreis vom
Durehmesser d = 6 em.
6231: =
P1 = P • 11 = 10 . 4 284 kg.
Die elliptisehe Druekflaehe erseheint in der Riehtung senkreeht zur Bewegungs
riehtung als Ellipse mit den Aehsen a = 6 em, b = 6 sin '" = 3 em.
12 = 6-·3-4'-31: = 14,2 em 2 .
P2 = P ·12 = 10· 14,2 = 142 kg.
Mit 142 kg wird der Kolben gegen die eine Seite des Zylinders gedriiekt.
Ffir einen Kolben nach Abb. 8 ergibt sich ebenso wie bei dem flachen
Kolben nach Abb. 6 keine zweite, seitlich gerichtete Kraft. Die Druck
flache in Richtung 1 gesehen,
ist genau gleich der in Rich
tung 2 gesehenen. DemgemaB
' a a ' heben sich die senkrecht zur
~ ~~~~If.".. ~ Bewegungsrichtung des Kol-
l, I 1Z I bens stehenden Komponen
p ten auf.
Ffir ein zylindrisches Ge
Abb. 8. Kolben mit gewi:ilbtem Boden.
d'" faB nach Abb. 9 ergibt sich
P = 4"' p. P, (Seitendruck) = o. auf die Lange L der Gesamt-
druck ffir die obere Zylinder
halite zu PI = D . L . p. D· List die Projektion der Halbzylinderflache
in Richtung des Druckes PI'
Die GroBe des Fliissigkeitsdruckes ergibt sich aus
PI = p' F mit PI = p' D· L.
p = Fliissigkeitsdruck in kg/cm 2;
D = Durchmesser in cm;
L = Lange in cm.