Table Of ContentBibliothek v. Coler.
Sammlung von Werken
aus dem
Bereiche der medizinischen Wissenschaften
mit besonderer Berücksichtigung
1ler mi1itärmeflizinischen Gebiete.
Heransgegeben von
0. Schjerning.
Band 5.
Leitfaden der kriegschirurgischen Operations- und Verbandstechnik.
Von
H. Fischer.
Zweite Auflage.
1905
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
Leitfaden
der
kriegschirurgischen Operations
und Verbandstechnik
Dr. Hermann Fischer,
ord. Professor tler Chirurgie, Oeh. l\ledizinai-Rat.
Zweite Auflage.
Mit 55 Abbildungen im Text.
1905
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
Softcover reprint of the bardeover 2nd edition 1905
ISBN 978-3-662-34257-2 ISBN 978-3-662-34528-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-34528-3
Vorrede zur ersten Auflage.
Durch die zwar noch wenig umfangreichen, doch immer
schon sehr bedeutungsvollen Ergebnisse des kubanischen und
südafrikanischen Krieges, welche die Resultate der Schieß
versuche von von Bruns, von Coler und Sehj erning
bestätigten, werden wir mehr und mehr in die günstige Lage
versetzt, für die Arbeitsleistung und Arbeitsteilung auf den
Ve r bandplätzen und in den Feldlazaretten während einer mit
kleinkaiihrigen Geschossen ausgefochtenen Schlacht bestimmte
Hegeln aufzustellen. Alles drängt auf die Einführung der
Wundtamponade als einheitlichen Verband für Schußwunden
im Felde nach dem bahnbrechenden Vorgange von Berg
manns hin. Das Schicksal des Verwundeten hängt von
dem Arzte ab, dem er zuerst in die Hände fällt. Daher
sollte jede auf subjektivem Ermessen beruhende Willkür bei
der Wundpflege im Felde durch bindende Instruktionen aus
geschlossen und die Aerzte im Frieden schon auf einfache
und gesicherte :Methoden derselben so eingeiibt werden, daß
sie in der unbeschreiblichen und erdrückenden Not der
Yerbandplätze, während der Schrecken der Schlacht, ja selbst
im Angesichte der eigenen Lebensgefahr ohne Verzug und
ohne Besinnen wissen, welche Hülfe und wie sie diese in
.1edem einzelnen Falle zu leisten haben. Dazu sollte dieses
Buch, ein schüchterner Versuch zu einem Instruktions-teit
faden für Kriegschirurgen, das )laterial zusammentragen. Es
VI Vorrede zur ersten Auflage.
ist der ehremTollen Aufforderung des Herrn Generalarztes
Dr. Schjerning entsprechend zur Feier des 70. Geburts
tages unseres hochverdienten Herrn Generalstabsarztes l)ro
fessors Dr. von Coler von mir gern geschrieben worden.
Ich weiß wohl, wie wenig Neues ich ihm damit bringe und
das Alte in wie härenem Gewande, doch bin ich der sicheren
Zuversicht, daß er in der kleinen Gabe die warme Hand
des ~lannes nicht verkennen wird, der ihm YOn den frohen
Tagen der Studienzeit bis in die einsamen Stunden des Alters
in treuer Freundschaft ergeben war.
Es bedarf kaum der ausdrücklichen- Erwähnung, daf.)
ich dies Buch nicht aus meinem Kopfe heraus geschrieben,
sondern die einschlägige Literatur, besonders Esmarchs
kriegschirurgische Technik, das Handbuch der praktischen
Chirurgie ron v. Bergmann, v. Mikulicz und v. Bruns,
am meisten aber die ron mir rerfaßten I~ehrbücher der
allgemeinen Kriegs- und speziellen Chirurgie dabei benutzt
habe. Küttners kriegschirurgischer Bericht aber kam erst
bei der ersten Korrektur in meine Hände.
Berlin, im Januar 1901.
H. Fischer.
Vorrede zur zweiten Auflage.
Durch freundliches Entgegenkommen des Herren Heraus
g-eben; und Verlegers kann ich heute, am Tage meines
goldenen Dokt01:jubiläums, mit einer neuen Auflage meines
:lLeitfadens der kriegschirurgischen Operationen(( hervor
treten. Trotz strenger Einhaltung der leitenden Grundsätze
ist das Buch doch dadurch sehr wesentlich umgestaltet
worden, daß ich den Stoff nach den Etappen der Kriegs
sanitätsordnung, in welcher die kriegschirurgischen Arbeiten
zu verrichten sind, angeordnet habe. Ich hoffe dabei der
Gefahr der Wiederholungen, die nahe liegt, ausgewichen zu
sein. Um das Verständnis zu erleichtern, glaubte ich eine
kurze Beschreibung der Feldsanitätseinrichtungen und eine
gedrängte Schilderung der Wirkungen der modernen Pro
jektile voraufschicken zu müssen, doch bitte ich, sie nicht
für mehr zu nehmen, als sie sein wollen. Es ist leicht, ein
Lel1rbuch der Chirurgie in vielen dickleibigen Bänden zu
schreiben, sehr schwer aber, einen großen Stoff iibersichtlich
und in den wesentlichsten Punkten erschöpfend auf wenigen
Bogen abzuhandeln. Und das war die mir gestellte Aufgabe!
Ich mußte mich daher kurz fassen, wenn ich viel sagen
wollte. Die Literatur aus den letzten Kriegen, besonders
dem südafrikanischen, habe ich benutzt, so weit sie mir zu
gängig war, ebenso die gefestigten Lehren der klinischen
Chirurgie. Der mir zugemessene enge Raum erlaubte es
VIII Vorrede zur zweiten Auflage.
nicht, wörtlich zu zitieren noch auch überall den Wirt zu
nennen, bei dem ich zu Gaste war, oder von dem ich früher
etwas gelesen und gelernt hatte. Wer sollte das auch
können? Herrn Generalarzt Dr. Schj erning schulde ich
herzlichen Dank für manchen guten Rat, ebenso dem Herrn
\'erl eger für die mir durch ein halbes Säkulum bewährte
Freundschaft und die bereitwillige Erfüllung jeden Wunsches
bei der Ausstattung des kleinen Buches. Mag es mir in
seiner veränderten Gestalt neue dankbare Freunde gewinnen,
wie es die erste A uflagc zu meiner Freude getan hat.
Berl in, am 6. März 1905.
H. l'ischt'I'.
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Seite 54 Zeile 12 von oben lies: Argent. citric. statt Argent. nitr.
Inhaltsverzeiehtlis.
Einleitung: 1. Wirkung der modernen Projektile S. 1--5. 2. Die
Sanitätseinrkhtungen im Felde S. 5-6.
I. Teil: Die Arbeiten auf den Verbandplätzen. Schmerzlinde
rung S. i-9. Diagnosenstellung S. 9-10. Auswahl der Ver
wundeten S. 10-ll. Beseitigung von Ohnmacht und Shock
S. 11. Maximen zur primären Wundversorgung im Felde
S. 11-14. :Maximen zur primären konservativen Zurichtung der
Schußfrakturen S. 14-17. Maximen zur primären Zurichtung der
Gelenkschußwunden S. 17-18. Operative Eingriffe auf den Ver
bandplätzen: Desinfeldien S. 18-19. Aseptische Zurichtung
S. 19. Primäre Blutstillung S. 20-2il. Primäre Amputation und
Exartikulation S. 23-29. Tracheotomie S. 2H-31. Katheterismus
S. 32-33. Primäre Versorgung der perforierenden Höhlenwunden
s. 33-36.
II. Teil: Behandlung der Verwundeten im Lazarett. .Maximen
zur Wundbehandlung S. 36-42. Maximen zur Lazarettbehand
lung der Schußfrakturen S. 42--45. Maximen zur Behandlung
der Gelenkschußwunden S. 45--49. Die sekundären Amputationen
und Exartilmlationen S. 49-50. Sekundäre Blutstillung S. 50-51.
Kugelextraktion S. 51. Maximen zur Behandlung der Wund
komplikationen S. 53-56.
Behandlung der Kopfverletzten im Lazarett S. 56-73. Der
Ohrverletzten S. 73-75. Der Augenverletzten S. 75-77. Der
Gesichtswunden S. 77-85. Der Halswunden S. 85-92. Der
Thorax-, Lungen- und Herzwunden S. 92-96. Der Rücken-,
Wirbelsäule- und Wickenmarkswunden S. 97. Der Schußver
letzten am BaucheS. 98-113. Der Schußverletzungen der oberen
Extremität S. 113-132. Der Schußverletzungen der unteren Ex
tremität S. 132-159.
Verzeichnis der Abbildungen S. 160.- RegisterS. W2.
Einleitung.
1. Wirkung der modernen Projektile.
§I. Grobe Geschosse fanden in den letzten Kriegen eine wesent
lich gesteigerte Verwendung. Man unterscheidet Shrapnells (Füllung mit
Hartbleikugeln, welche in breiten Zerstreuungskreisen herumfahren) und
Granaten (bei deren Krepieren Mantelstücke von sehr verschiedener Größe
und beträchtlicher Schärfe als Projektile wirken). Die Shrapnell
verletzungen verhalten sich nach Geschoßdeformationen, Steckenbleiben
rler Projektile t:nd Mithineinreißen von Fremdkörpern in die Wunde, der
11röße des Ein- und Austritts, der Weite der Schußkanäle, wie die von
<len früheren Infanteriebleiprojektilen erzeugten. Die Knochen werden
mit Splitterbrüchen durchsetzt. Die Wunden neigen zur Eiterung und
führen durch die in der Filzpappe reichlich vorhandenen Bazillen, oft zum
Tetanus (Schjerning). Prell-, Kontur-, blinde Schüsse sind häufig. -
llie Granaten schaden im Vorbeifliegen und Krepieren in der Nähe als
Luftstreifschüsse durch den starken Luftdruck (besonders am Kopfe beob
achtet als von einem Punkte strahlenförmig ausgehende, mannigfach sich
kreuzende H.ißwunden), die Giftigkeit und die Rauchentwicklung ihrer
Phosphorladung, während die Sprengstückc ihres Mantels, wenn die Gra·
nate dicht vor, über oder hinter ihi:em Ziele krepiert, yüllig atypische,
meist stark gequetschte, zerrissene und verunreinigte Verletzungen der
verschiedenen Gewebe und Organe des Kürpers erzeugen: von 7-crtrümmc
rungen des ganzen Körpers und Abreißen ganzer Kijrperteilc, die durch
Shock oder Verblutung unmittelbar zum Tode führen können, bis zu harm
losen Weichteilwunden und Verbrennungen. Splitter von 2-6 g können
die Körperhöhlen lebensgefahrlieh durchdringen, von 1 g noch Frakturen
~roßer Röhrenknochen erzeugen. Doch bedingt auch wieder das Zer
sprengen in viele kleine und kleinste 'feile eine Verminderung der
Schwere der Verletzungen (Schjerning).
§ 2. Das Hartbleimantelgeschoß, dessen Durchschlagkraft
wesentlich gesteigert, die Erschütterung, die es am Ziele erzeugt, ver
mindert ist, bringt vorwaltend perforierende, gleichmäßig zylindrische
Schußkanäle, deren Lichtung kaum von der des Geschoßkalibers abweicht,
seltener als früher, doch immer noch auffallend oft blinde Schußkaniile,
in denen das Geschoß (weil es leicht die lUchtung ändert, wenn es
Widerstand findet), zurückbleibt, hervor; es deformiert (von geringen Ah
plattungen der Geschoßspitze oder anderer 'feile desselben mit oder ohne
Mantelriß, auch pilzförmiger Stauchung des Kerns mit Mantelriß, Ab
streifung des Kerns bis zur Zersprengung des ~[antels und gänzlicher
II. \i"is eher, Leitf. tl. kriegsrhir. Operat.· n. Yerbnndstcrhnik. 2. Anll.