Table Of Content»Es geht nämlich nicht nur darum, empirische und theore- . Jonas Barth und Anna Henkel (Hg.)
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tische Forschung miteinander zu verzahnen, sondern auch i
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darum, eine wissenschaftstheoretische Reflexion des eigenen i
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Vorgehens in die Forschung zu integrieren. Dazu bedarf es K
Leib. Grenze. Kritik.
einer reflexiven Anlage der Theoriekonstruktion, die es er-
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laubt, die eigenen Grundlagen in den Blick zu nehmen.« e
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ISBN 978-3-95832-301-8 ÜC
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VWIS WISSENSCHAFT
Jonas Barth und Anna Henkel (Hg.)
Leib. Grenze. Kritik.
Jonas Barth und Anna Henkel (Hg.)
Leib. Grenze. Kritik.
Festschrift für Gesa Lindemann
zum 66. Geburtstag
VELBRÜCK
WISSENSCHAFT
Erste Auflage 2022
© Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2022
www.velbrueck-wissenschaft.de
Printed in Germany
ISBN 978-3-95832-301-8
Das Zitat auf dem Umschlag stammt aus: Lindemann, Gesa (2009):
Das Soziale von seinen Grenzen her denken,
Weilerswist: Velbrück Wissenschaft, S. 14.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Inhalt
Anna Henkel und Jonas Barth
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Leib.
Reflexive Philosophische Anthropologie,
Leibphänomenologie und Sozialtheorie
Thomas Alkemeyer
Die Körperlichkeit der Subjektivierung.
Überlegungen mit und im Anschluss an Gesa Lindemann . . . . 13
Jonas Barth
Gesellschaftstheorie als Methode
der Theorierationalisierung . . . . . . . . . . . . . . 24
Wolfgang Eßbach
Rückblick auf das Sexualitätsdispositiv.
Marginalien zu Foucaults »Die Geständnisse des Fleisches« . . . 34
Joachim Fischer
»Stufen des Organischen und der Mensch« (1928)
und »Macht und menschliche Natur« (1931):
Eine Kontroverse um das Verhältnis zweier Plessner-Bücher . . . 45
Robert Gugutzer
Phänomenologie der Kraft.
Ein Entwurf in soziologischer Absicht . . . . . . . . . . 61
Anna Henkel
Aufgeklärte Theoriebildung.
Zum Verhältnis der Theorie der Weltzugänge
zur Systemtheorie sozialer Systeme . . . . . . . . . . . 74
Jens Loenhoff
Zwischenleiblichkeit, subsymbolische Kommunikation
und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Susanne Tübel
Der Leib als sozialtheoretisches Konzept
in der qualitativen empirischen Forschung . . . . . . . . 96
Grenze.
Anthropologisches Quadrat, Grenzregime und Technik
Katharina Block
Nicht-menschliche Personen.
Zum Status von Akteuren bei Gesa Lindemann
und Donna Haraway. . . . . . . . . . . . . . . . . 1 11
Nikolai Drews
Nachhaltigkeit und die Natur des Menschen
bei Gesa Lindemann und Niklas Luhmann . . . . . . . . 1 23
Johanna Fröhlich
Soziale Ordnungsbildung von den Grenzen:
Pausanias Periegetis und der Rechtspopulismus . . . . . . 1 32
Sigrid Graumann
Schwangerschaftsabbruch nach pränataler Diagnostik –
Bedeutung von Geburt und Leben für die Konstitution
einer sozialen Person . . . . . . . . . . . . . . . . 1 43
Hans-Peter Krüger
Die Covid-19-Pandemie als weltgeschichtliche Generalprobe.
Zu einem nordatlantisch-pazifischen Vergleich
des Umgangs mit ihr und ihrer Wirtschaftskrise . . . . . . . 153
Richard Paluch
Epistemische Sorge:
Hörbehinderungen vom Dritten her denken . . . . . . . . 172
Ingo Schulz-Schaeffer
Wer sagt, wie Technik richtig benutzt wird?
Zur Frage der Institutionalisierung
der Sollnutzung von Technik . . . . . . . . . . . . . 1 83
Jonathan Serbser-Koal und Martina Roes
Möglichkeiten eines anthropologisch informierten
soziologischen Zugangs zu Demenz . . . . . . . . . . . 1 94
Ilona Straub
Leibliche Exzentrierung über technisch
einverleibte Selbste . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 06
Kritik.
Gewalt und Normativität
Cedric Bradbury
Selbstgefährdete Moderne? Abwägbarer Würdeschutz,
relative Grenzen des Personalen und die potenzierte
Strukturnotwendigkeit von Kritik. Ein Kommentar. . . . . . 219
Marcus Düwell
Menschenwürde und Modernität. Über Universalität
und Kulturabhängigkeit der Menschenrechte . . . . . . . 230
Anton Kirchhofer
›Partizipationsarrangements‹ und
›partizipatorische Rekonzeptualisierung‹:
Literaturwissenschaftliche Perspektiven
für eine kritische Partizipationsforschung
im Dialog der Disziplinen . . . . . . . . . . . . . . . 240
Tonio Oeftering
Gesellschaftstheorie und Politische Bildung.
Der Zeitdiagnostische Ansatz politischer Bildung . . . . . . 255
Uwe Schimank
Geht die Universalisierung von Menschen-
und Teilhaberechten nur über Leichen?
Zu Gesa Lindemanns gesellschaftstheoretischer Reflexion
der ›Gewaltfrage‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
Tina Schröter
Ordnungen im Konflikt – Verfahrensordnung(en)
der Gewalt im Feld des Fußballs . . . . . . . . . . . . 278
David Schünemann
»We are the ethical source movement.«
Strukturnotwendige Kritik und
kollaborative Softwareentwicklung . . . . . . . . . . . 290
Volker Schürmann
Die Wirklichkeit der Konstruktion –
am Fall geschlechtlicher Personalität. . . . . . . . . . . 3 00
Günter Ulrich
Gewalt als Konstituens des Sozialen?
Anmerkungen zum Gewaltbegriff bei Gesa Lindemann . . . . 3 11
Gabriele Tellenbach
Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 23
Anna Henkel und Jonas Barth
Vorwort
»Könnte sich eine Person tatsächlich radikal von ihrer Gegenwart, dem
leiblichen Hier-Jetzt, distanzieren, wäre sie weitgehend einer sozialen
Kontrolle entzogen und könnte für sich in einer nur für sie existierenden
Welt alles mögliche sein. Da das Hier-Jetzt aber auch in der exzentri-
schen Position nicht gänzlich durchbrochen werden kann, wird das Re-
ale lediglich durch das Mögliche relativiert. Ich bin hier als diese und
jene Person, könnte aber auch woanders und jemand anderes sein, aber
ich kann nicht. Es ist u.a. die leibliche Interaktion, die dies Ausweichen
ins Imaginäre verhindert, indem sie als Zwang zur subjektiven Präsenz
in der jeweiligen Situation wirkt.« (Lindemann 1993: 38)
Bestimmt radikal, vielleicht gar ausweglos mögen diese Worte klin-
gen – und dennoch geht es im Werk von Gesa Lindemann positiv um die
Möglichkeiten des Menschen, sich dem Sozialen zu entziehen und es zu
verändern. Das luftige Unterfangen der gesellschaftlichen Konstruktion
der Wirklichkeit, die Wirkmächtigkeit sozialen Handelns und die Leich-
tigkeit des Phantasielebewesens Mensch werden dafür von Gesa Linde-
mann leiblich geerdet: Derart ist das Imaginäre nicht gänzlich frei, es ist
gebunden an die Materialität des als Leib gegebenen Körpers. Diese Bin-
dung des Sozialen und des Menschen an die Leiblichkeit der Interaktion
offenbart die potenziell gewalttätige Macht sozialer Kontrolle. Es sind
die Anerkennung und analytische Berücksichtigung dieser Zusammen-
hänge, die eine Untersuchung der Grenzen des Sozialen, eine Differen-
zierung von Weltzugängen und eine Ausarbeitung strukturnotwendiger
Kritik in den soziologischen Blick rücken.
Leib. Grenze. Kritik. Jetzt kann es nur um Gesa Lindemann gehen, weiß
sofort, wer mit der Soziologie vertraut ist und diese drei Begriffe zusam-
men sieht. Von Das paradoxe Geschlecht (Lindemann 1993), aus dem das
einleitende Zitat entnommen ist, über Die Grenzen des Sozialen (Linde-
mann 2002) und Weltzugänge (Lindemann 2014) bis hin zu Strukturnot-
wendige Kritik (Lindemann 2018) und Ordnung der Berührung (Linde-
mann 2020) geht es im Werk von Gesa Lindemann um Leib, Grenze und
Kritik. Mit dieser Fokussierung bereichert sie die Soziologie auf theoreti-
scher und empirischer Ebene gleichermaßen: Theoriebezogen ist vor allem
die Weiterentwicklung sozialtheoretischer Grundannahmen der Soziolo-
gie hervorzuheben, die Gesa Lindemann durch die prominente Einbezie-
hung der Reflexiven Philosophischen Anthropologie und der Leibphä-
nomenologie gelingt. Mit Weltzugänge liegt eine von der verleiblichten
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