Table Of ContentLEHRBUCH DER
ORGANISCH-CHEMISCHEN
METHODIK
DR. HANS lVIEYER
0. Ö. PROFESSOR DER CHEMIE
AN DEn DEUTSCHEN u:-;IVERSI1'ÄT ZU PRAG
ERSTER BAND
ANALYSE UND KONSTITUTIONS-ERMITTLUNG
ORGANISCHER VERBINDUNGEN
SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH 1922
ANALYSEUND
KONSTITUTIONSERMITTLUNG
ORGANISCHER VERBINDUNGEN
\"ON
DR. HANS MEYER
0. Ö. PROFESSOR DER CHEllliE
AN DER DEUTSCHEN UNIVERSITÄT ZU PRAG
VIERTE
VERMEHRTE UND UMGEARBEITETE AUFLAGE
MIT 360 FJUUREN IM TEX'l'
SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH 1922
ISBN 978-3-662-35866-5 ISBN 978-3-662-36696-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-36696-7
ALLE RECHTE, INSBESONDERI<: DAS DER ÜBERSETZUNG
IN FRffi~1DE 1:\PRACHEN, VORB~;HALTEN.
COPYRIGHT RY SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG 1922
URSPRUNGLICH ERSCIDENEN BEI JULIUS SPRINGER lN BERLIN 1922
SOFfCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 4TH EDITION 1922
SEINEM VEREHRTEN LEHRER
UND FREUND
HERRN PROF. DR. JOSEF HERZIG
IN WIEN
ZUGEEIGNET VOM VERFASSER
Vorwort zur ersten Auflage.
Die freundliche Aufnahme, W3lche meine "Anleitung zur quantitativen
Bestimmung organischer Atomgruppen" gefunden hatl), gab mir den Mut, das
vorliegende Buch zu schreiben.
Dasselbe ist inhaltlich in zwei Teile gegliedert, deren erster die Yor
bereitung der Substanz zur Analyse, die Reinigungsmethoden,
Kriterien der chemischen Reinheit und Identitätsproben, die Be
stimmung der physikalischen Konstanten, ferner die Ermittlung
der empirischen Formel d ur eh Elementaranalyse und endlich die
Nlolek ulargewich ts bestimm un~ behandelt.
Der zweite Teil des Werkes beschäftigt sich mit der eigentlichen Kon
stitutionsbestimm ung, es sind daher hier die qualitativen Reak
tionen und quantitativen Bestimmungsmethoden der in organi
Bchen Substanzen vorkommenden Atomgruppen - - also auch die
aus kohlenstofffreien Elementen zusammengesetzten Radikale wie die 1\itro
oder Amingruppe - angeführt.
Anschließend wirddasVerhalten und die Bestimmung der doppel
ten und dreifachen Bindungen abgehandelt und schließlich das Wesent
lichste über Substitutionsregelmäßigkeiten und die gegenseitige
Beeinflussung der verschiedenen Substituenten innerhalb der
Moleküle in bezug auf deren Reaktionsfähigkeit und chemisches Verhalten
überhaupt besprochen.
Die Zeiten, als sich die im allgemeinen so überaus konservativen "organi
schen" Analytiker mit der bloßen Elementaranalyse neu hergestellter
Derivate begnügen durften, sind unleugbar vorüber.
Mehr und mehr bricht sich die Erkenntnis Bahn, daß ein zu
verlässiges Arbeiten auf diesem Gebiete nur unter steter Mit
benutzung der Atomgruppenbestimmungen möglich ist.
Diese Methoden gewähren uns ja nicht bloß einen Einblick in die nähere
Zusammensetzung der zu untersuchenden Substanz, sie zeigen uns nicht nur
an, ob eine von uns beabsichtigte Reaktion in gewünschter Weise vor sich
gegangen ist -ob z. B. die Einwirkung von Acetylchlorid wirklich zur Bildung
des erwarteten Essigsäureesters geführt hat -, sondern sie machen uns auch
1·on der Notwendigkeit einer absoluten Reinigung der Substanzen unabhängig,
11·elche ja zum Gelingen der Elementaranalyse unerläßlich, bei vielen Sub
,;tanzen labiler Natur aber gar nicht oder nur mit großen Zeit- und Material
Yerlusten zu erreichen ist.
1) Inzwischen ist von der deutschen Ausgabe dieses Büchleins die zweite, von der
englischen Übersetzung die dritte und außerdem eine italienische Auflage erschienen;
eine russische Ausgabe ist in Vorbereitung.
VIII Vorwort.
Freilich ist selbst diese verfeinerte Art des Analysierens nicht immer
imstande, die gewünschten Resultate zu gewähren, wie das folgende Beispiel
zeigt.
Die von Edinger gefundenen Molekulargewichte für das Digitogenin
(528 bzw. 503) im Zusammenhange mit fünf gut untereinander übereinstimmen
den Elementaranalysen von Kiliani und Windaus1) - welche im Durch
schnitte C = 71.22% und H = 10.06°/0 ergaben - berecht.igen in gleicher
Weise zur Aufstellung der drei Formeln:
M. G. = 504.5 c = 71.36 H = 9.61
506.5 . 71.08 9.97
520.5 , 71.47 10.09 .
"
Wie die Berechnung der Prozentzahlen ergibt, läßt sich aber auch dann
zwischen diesen drei Formeln keine Entscheidung treffen, wenn man:
eine OH-Gruppe durch 1 Cl,
zwei OH-Gruppen " 2 Cl,
zwei Wasserstoffe 2 C6H5S02,
einen Sauerstoff lNOH,
zwei W asscrstoffe 2 CH 0
" 2 3
ersetzt.
Hydroxylamin und Benzolsulfochlorid treten übrigens überhaupt nicht in
Reaktion mit Digitogenin.
Unter diesen Verhältnissen muß die Formel dieser Substanz als vorläufig
noch unbestimmbar angesehen werden.
"Welcher Zwerg" -schreiben Kiliani und Windaus - "ist aber das
Digitogeninmolekül gegenüber einem Eiweißmolekül, und doch glaubt man
auch bei letzterem schon zur Aufstellung von Formeln schreiten zu dürfen t
Voraussichtlich wird noch ein gutes Stück Arbeit zu leisten sein, bis auf solchen
schwierigen Gebieten von wirklicher Sicherheit der Schlußfolgerungen betreffs
der Formeln gesprochen werden kann, und höchstwahrscheinlich müssen nach
dieser Richtung noch ganz neue Methoden gefunden werden, um das gewünschte
Ziel zu erreichen."
Was indessen bis jetzt an derartigen analytischen Behelfen und veran
gemeinbaren Einzelbeobachtungen, oft zerstreut oder an schwer auffindbarer
Stelle versteckt, in der bereits vorhandenen Literatur gesammelt werden konnte,
ist in dem vorliegenden Werke vereinigt und in tunliehst konziser Form wieder
gegeben.
Möglichst vollständige Literaturangaben, welche sich nicht bloß auf die
eigentlichen ]'achzeitschriften, sondern auch auf Patentbeschreibungen, Disser
tationen, Schulprogramme und andere Gelegenheitspublikationen, soweit sie
irgend zugänglich waren, beziehen, ermöglichen überall ein Zurückgehen auf
die Originalarbeiten, doch wird man auch stets direkt nach den mitgeteilten
Vorschriften arbeiten können.
Daß ich vor allem auf die Bedürfnisse des im Laboratorium tätigen Che
mikers Rücksicht genommen habe und daher theoretischen Spekulationen
nur wenig Raum gewährte, auch die physikalisch-chemischen Grundlagen der
behandelten Themen nur mittels Literaturhinweisen gestreift habe, ist durch
aus nicht als eine Geringschätzung der Theorie aufzufassen. Es sind aber die
1) B. 32, 2201 (1899).
Vorwort. IX
einschlägigen Fragen, soweit sie gelöst erscheinen, in mustergültigen Kompen
dien des öfteren klargelegt worden, während andererseits weite Gebiete der
organischen Analyse noch der dynamischen Behandlung harren.
Vorläufig wird man sich hier mit empirisch ermittelten Rezepten behelfen
und mit Regeln, statt mit Gesetzen, vorliebnehmen müssen.
Wenn andererseits die eine oder andere Methode vielleicht ganz übersehen,
oder ein Reaktiönchen nicht nach seinem vollen Werte gewürdigt worden ist,
oder wenn sich Ungenauigkeiten einge~ehlichen haben, so darf dafür wohl ein
Wort Goethes als Rechtfertigung angeführt werden:
"Jeder, der ein Lehrbuch schreibt, das sich aufeineErfahrungs
wissenschaft bezieht, ist im Falle, ebensooft Irrtümer als Wahr
heiten aufzuzeichnen, denn er kann viele Versuche nicht selbst
machen, er muß sich auf anderer Treu undGlauben verlassen und
oft das Wahrscheinliche statt des Wahren aufnehmen."
Herrn Dr. Otto Hönigschmid, der mich beim Lesen der Korrekturen
aufs allerbeste unterstütztE', sage ich hierfür herzliehst Dank.
Prag, im Aprill903.
Hans Meyer.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Die vorliegende zweite Auflage ist von Grund auf umgearbeitet, dem
jetzigen Stand der Wissenschaft entsprechend vermehrt und a.uch sonst, wie
ich hoffe, verbessert worden.
Neu hinzugekommen ist, vor allem der "Ermittlung der Stammsubstanz"
überschriebene zweite Teil des Buches, welcher im wesentlichen die Oxydationf
und Reduktionsmet.hoden. einschließlich natürlich der Alkalischmelze, enthält.
Im dritten Teile sind neben zahlreichen neucn Verfahren und Reaktionen
die schwefelhaltigen Atomgruppen in einem eigenen Kapitel behandelt worder.
Manche Methode, deren Besprechung in der ersten Auflage breiteren Raum
eingenommen hatte, konnte jetzt mit kurzen Worten abgetan oder ganz aus
geschieden werden, vieles, seither als irrig Erkannte, mußte entfallen; einiges
aber, was früher als weniger wichtig erschienen \Yar, hat neuerdings erhöhte
Bedeutung gewonnen und mußte dementsprechend eingehender berücksichtigt
werden: So ist denn, trotz aller Bemühungen, den Umfang des Buches nicht
allzusehr wachsen zu lassen, die Seitenzahl von 700 auf 1003 gestiegen. -
Der zweckentsprechenden Anordnung des Sachregisters wurde, was viel
leicht noch heryorgehoben werden darf, erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet.
Für freundJiche Winke und Vorschläge bin ich vielen Fachgenossen ver
pflichtet; auch eine Anzahl von PriYatmitteilungen konnte in das Buch auf
genommen werden.
Besonderen Dank schulde ich hit>rfür den Herren Dennstedt (Hamburg),
Goldschmied t (Prag), Han tzsch (Leipzig), Herzig (Wien),K a ufler (Zürich),
Skraup (Wien) und Wegscheider (Wien).
Beim Lesen der KorrC'ktnrPn hflt mich HNr Dr. Richanl Turnau aufs
beste unterstützt.
Prag, im Dezember 1H08.
Hans Meyer.
X Vorwort.
Vorwort zur dritten Auflage.
Durch Anwendunggedrängteren Satzes und Vergrößerung des Formats ist
€S möglich geworden, den Umfang der dritten Auflage nur um ein geringes -
€twa fünzig Seiten - anschwellen zu lassen, obwohl die Vermehrung des
Inhalts reichlich ein Viertel beträgt.
Die bewährte Anordnung des Stoffs blieb im wesentlichen unverändert;
von dem neu Hinzugekommenen seien nur besonders Fritt Pregls mikro
chemische Methoden hervorgehoben, die sicherlich in nicht zu ferner Zeit
die alten Formen der Elementaranalyse überall verdrängen werden, wie sie
schon jetzt in den Österreichischen und vielen reichsdeutschen Hochschul
laboratorien mit bestem Erfolg eingeführt sind 1 ).
Bis der Autor dieser ausgezeichneten Verfahren selbst Zeit gefunden haben
wird, eine Mitteilung über sein Werk zu veröffentlichen, wird man nach den
im vorliegenden Buche enthaltenen Angaben imstande sein, ohne Schwierig
keiten zu arbeiten. -
Daß im zweiten Jahre des Weltkriegs das Bedürfnis nach einer Neuauflage
dieses Lehrbuchs sich fühlbar machen konnte, daß andererseits die Verlags
buchhandlung Drucklegung und Ausstattung desselben so rasch und in jeder
Beziehung vorzüglich durchführen konnte, wie im tiefsten Frieden, darf wohl
mit als ein Beweis dafür angesehen werden, daß weder der Wille zur wissen
schaftlichen Arbeit noch die Möglichkeiten zu seiner Betätigung bei den Mittel
mächten eine Einbuße erlitten haben.
Möge nach dem Kriege dieses Buch, das über die einschlägige Weltliteratur
bis Ende 1915 vollständig und in einzelnen Ergänzungen noch darüber hinaus
unterrichtet, einen kleinen Baustein der Brücke bilden, die dann wieder die
Wissenschaft von Volk zu Volk zu spannen haben wird!
Mehreren Freunden und Fachgenossen bin ich für unveröffentlichte Mit
teilungen sowie der Verlagsbuchhandlung Julius Springer für ihr Entgegen
kommen außerordentlich verbunden.
Ganz besonders dankbar aber muß ich die großen Verdienste anerkennen,
die sich mein Assistent, Fräulein Dr. Alice Hofmann, durch Mitlesen der
Korrekturen und, während ich unter den Waffen stand, durch längere Zeit
selbständige Leitung der Drucklegung um das Zustandekommen dieses Werkes
erworben hat.
Prag, im März 1916.
Hans Meyer.
1) Der Altmeister der Mikrochemie Ernich schreibt [Ch. Ztg. 39, 839 (1915)] u. a.
über die Preglschen Verfahren: .,Vielleicht ist eine Bemerkung über die wirtschaftliche
Seite der Methoden am Platz. Nach einer ganz beiläufigen Schätzung wurden im Jahre
1913 in den deutschen Zeitschriften rund 6000 Elementaranalysen veröffentlicht. Rechnet
man für die nichtdeutscheu Zeitschriften ebensoviel und nimmt man weiter an, daß von
den in den Instituten ausgeführten Analysen etwa die Hälfte publiziert wird, so ergibt
sich eine Zahl von mehr als 20 000 Elementanalysen, in welchen jährlich mehrere Kilo
gramm kostbarsten Analysenmaterials verbrannt werden. Diese Menge könnte durch
eine allgemeine Einführung der Preglschen Methoden auf nahezu den hundertsten Teil
herabgesetzt werden!" Und Windaus und Hermanns heben [B. 48, 981 (1915)] mit
Recht hervor: "Der Wert der Mikroanalyse liegt ... nicht nur darin, daß die Kleinheit
der verfügbaren Substanzmenge kein Hindernis mehr bildet, sondern auch darin, daß man
sich bei der kurzen Zeitdauer einer mikroanalytischen Bestimmung leichter entschließt
eine größere Anzahl von Analysen auszuführen."
Vorwort zur vierten Auflage.
Mehrfach geäußerten Wünschen entsprechend habe ich einen größeren
Abschnitt "Qualitative und quantitative Bestimmung der wichtigsten Abbau
produkte" eingefügt, der über eine Anzahl von Verbindungen Rechenschaft
gibt, die beim Zurückführen komplizierterer Moleküle auf die Stammsubstanz
erhalten werden.
Auch sonst mußten verschiedene Umarbeitungen vorgenommen werden,
die den Umfang des Buches wesentlich vergrößern und so seiner Handlichkeit
Eintrag tun konnten, zumal ja die Registrierung aller n<:'ugewonnen<:'n Er
kenntnisse - darunter eine größere Anzahl unveröffentlicher Beobachtungen
aus dem Chemischen Laboratorium der Prager Deutschen Universität - viel
Raum beanspruchte.
Durch knappere Fassung des Textes und mancherlei Kürzungen, vor
allem aber durch kleineren Druck der Formeln und gedrängtere Anordnung
der Anmerkungen konnte indes diesem unerwünschten Zustande entgegen
gearbeitet werden, so daß trotz der gewaltigen Vermehrung des Inhalts doch
der Umfang des Buches um nicht mehr als etwa 130 Seiten zugenommen hat.
Wieder kann ich Yir lcn Fachgt>nosscn aus aller Herren Ländern für Privat
mitteilungen und Zu~>endung von Separatabdrücken danken, die, soweit das
möglich war, berücksichtigt wurden.
Auch meine treue Mitarbeitcrin, jetzt meine liebe Frau, Dr. Alice Hof
mann-Meyer, hat wieder eifrigst beim Lesen der Korn,kturen geholfen.
Die Verlagsbuchhandlung Julius Springer hat in der gewohnten muster
haften Weise für Druck und Ausstattung des Werkes gesorgt.
Eine franzöE>iE>che Ausgabe ist im Werden.
Prag, September 1!:122.
Hans Meyer.