Table Of ContentLEHRBUCH DER
DIFFERENTIALDIAGNOSE
INNERER KRANKHEITEN
VON
PROFESSOR DR. l\'1.1\'IA~I_lTHES
DIREKTOR DER MEDIZINISCHEN
UNIVERSITÄTSKLINIK IN KÖNIGSBERG 1. P.
GEHEIMER MEDIZINALRAT
SECHSTE AUFLAGE
M:IT 125 ABBILDUNGEN
SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH
1929
ISBN 978-3-662-27013-4 ISBN 978-3-662-28491-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-28491-9
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER tlBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1919 BY SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG
UBSPR(lNGLICH EBSOHlENEN BEI VERLAG VON JULIUS SPRINGER, BERLIN 1919
SOFTOOVER REPRINT OF THE HARDOOVER 6TH EDITlON 1919
Vorwort zur sechsten Auflage.
Trotzdem diese Auflage der vorigen schon nach wenig über Jahresfrist
folgt, mußte doch eine Reihe von Kapiteln, besonders das über die Tuber
kulose, gänzlich umgearbeitet und auch mit neuem Bildermaterial ausgestattet
werden, um dieneueren Auffassungen und diagnostischen Fortschritte gebührend
berücksichtigen zu können. Auch in allen anderen Kapiteln wird der Leser
bemerken, daß ich mich bemüht habe, inzwischen gewonnene eigene und fremde
klinische Erfahrung dem Zwecke des Buches dienstbar zu machen, das dem Arzte
einen möglichst vollständigen Überblick über unser differentialdiagnostisches
Wissen und Können geben soll.
Die ganze Anlage und die Art des Buches sind dagegen unverändert geblieben
und mußten es bleiben, da in klinischen Darstellungen auch die ärztliche
Persönlichkeit des Verfassers sich ausdrücken soll.
Königsberg i. P., im August 1929.
M. MATTHES.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Die Differentialdiagnose akuter fieberhafter Infektionskrank-
heiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
A. Die Differentialdiagnose beginnender Infektionen und solcher ohne hervor-
stechende Lokalzeichen . . . . . . . . . . . 1
1. Zentrale croupöse Pneumonie . . . . . . . . . . . . . . . 4
2. Anfangszustände einiger anderer Krankheiten . . . . . . . 9
3. Typhus abdominalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Über Verlaufsweisen und Komplikationen des Typhus, die zu
diagnotisschen Schwierigkeiten führen können 20. - Die Verände
rungen des Krankheitsbildes durch die Vaccination 30. - Die dem
Typhus ähnlichen Formen des Paratyphus 33.
4. Akute Miliartuberkulose . . . . . . . . . . 35
5. Septische Erkrankungen . . . . . . 42
6. Akute Leukämie . . . . . . . . . . 52
B. Krankheiten mit recurrierendem Fieber 54
Fibris undulans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Maltafieber 54. - Das durch den Bacillus aborrtus Bang erzeugte
undulierende Fieber 56. - Recurrens 57. - Fünftagefieber 60. -
Malaria 63.
C. Krankheiten mit vorwiegender Beteiligung der Respirationsorgaue 74
1. Influenza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
2. Keuchhusten . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
D. Kryptogenetische Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
E. Erkrankungen bei vorwiegender Beteiligung des Nervensystems . . . . 80
Polyneuritis 80.-Polyomyelitis acuta 82.-Encephalitis epidemica 83.
F. Die Differentialdiagnose der Exantheme und anderer Hauterkrankungen
bei akuten Infektionskrankheiten 90
1. Scharlach . . . . . . 93
2. Masern . . . . . . . 100
3. Die Röteln . . . . . 103
4. Erythema infectiosum 105
5. Das Erysipel. . . . . 106
6. Fleckfieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
7. Pocken, Windpocken und pockenähnliche Ausschläge 113
8. Erytheme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
9. Hautblutungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
10. Bläschen und Pusteln . . . . . . . . . . . . . . 126
G. Die Differentialdiagnose der akuten fieberhaften Gelenkentzündungen 127
H. Die Differentialdiagnose der akuten fieberhaften Muskelerkrankungen 131
J. Die Differentialdiagnose der Entzündungen und Beläge des Rachens und
der Mundhöhle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
K. Die Differentialdiagnose der Erkrankungen mit besonderem Hervortreten
akuter Magendarmerscheinungen 143
1. Akute Gastroenteritis. . . 144
2. Cholera . . . . . . . . . 149
3. Die Dysenterie. . . . . . 151
4. Die WEILsehe Erkrankung 160
L. Wundinfektionskrankheiten 164
1. Tetanus. . 164
2. Lyssa 166
3. Rotz . . . 167
4. Milzbrand 169
M. Lepra • . . . 170
Inhaltsverzeichnis. V
Seite
II. Die Differentialdiagnose subfebriler bzw. chronischer Fieber-
zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
A. Die Diagnose der beginnenden Lungentuberkulose . . . . . . . . . . 173
B. Andere chronische Fieberzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
III. Die Differentialdiagnose des meningitiseben Symptomenkom-
plexes . . . . . . . . . . . 202
A. Akute Meningitisformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
B. Chronische Meningitisformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
IV. Die Differentialdiagnose des peritonitiseben Symptomenkom-
plexes . . . . . . . . . . . . 221
A. Allgemeine akute Peritonitiden 221
B. Peritonitisähnliche Zustände . . 230
C. Akute lokale Peritonitiden 239
D. Die Differentialdiagnose der chronischen Peritonitis 247
V. Die Differentialdiagnose des Ileus und der Darmstenosen . 255
A. Die chronischen Darmstenosen . . . . . . . . . . . . . . . . 257
B. Die Differentialdiagnose des Ileus . . . . . . . . . . . . . . . . 263
Über die Diagnose des Sitzes und der Art des mechanischen Ileus 267
C. Der funktionelle Ileus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
Die Differentialdiagnose des peritonitiseben und mechanischen Ileus 270
VI. Die Differentialdiagnose der Erkrankungen des Kehlkopfes und
der Trachea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
VII. Die Differentialdiagnose der Erkrankungen der kleineren Bron-
chien und der Lunge . . . . . . . . . 282
A. Hämoptoe . . . . . . . . . . . . . . . . 282
B. Die krankhaften Veränderungen der Atmung 285
C. Die Differentialdiagnose des Asthma. 287
D. Die Differentialdiagnose der infiltrativen Prozesse der Lunge 291
1. Die Differentialdiagnose der akuten Infiltrationen . 291
Die croupöse Pneumonie 291. - Die Bronchopneumonien 296.
2. Die Differentialdiagnose der chronischen Infiltration 299
E. Die Differentialdiagnose der Höhlenbildungen der Lunge . 311
F. Die Differentialdiagnose der Lungentumoren . . . . . . . 315
G. Der Lungenechinokokkus . . . . . . . . . . . . . . . . 318
VIII. Die Differentialdiagnose der Erkrankungen der Pleura 320
A. Die trockene Pleuritis . . . . . . . . . . . . . . 320
B. Die Differentialdiagnose der pleuritiseben Ergüsse . 322
C. Die Differentialdiagnose der pleuritiseben Schwarten und der Pleuraver-
wachsungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
D. Die Differentialdiagnose des Pneumothorax . . . . 341
IX. Die Differentialdiagnose der. Kreislauferkrankungen 346
A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • 346
B. Die subjektiven Klagen . . . . . . . . . . . . 348
C. Die Funktionsprüfungen . . . . . . . . . . . 352
D. Die Differentialdiagnose der Rhythmusstörungen 358
1. Die extrasystolischen Arhythmien . . . . . . 362
2. Leitungsstörungen . . . . . . . . . . . . . 369
3. Vorhofflimmern . . . . . . . . . . . . . . 372
4. Paroxysmale Tachykardie . . . . . . . . . . . . . . . 376
5. Differentialdiagnostisches über den Einfluß der Herznerven 380
6. Die Differentialdiagnose der Bradykardien 382
7. Die respiratorische Arhythmie . . . 384
8. Pulsus alternans . . . . . . . . . 385
9. Pulsus paradoxus . . . . . . . . 386
E. Differentialdiagnostische Besprechung einiger Folgeerscheinungen der
Zirkulationskrankheiten . . . . . . 387
1. Cyanose . . . . . . . . . . . . . 387
2. Ödenie . . . . . . . . . . . . . . 388
3. Erscheinungen von seiten der Lungen 389
4. Erscheinungen von seiten der Nieren . . . 393
5. Erscheinungen von seiten des Nervensystems . 395
6. Erscheinungen von seiten der Verdauungsorgane 398
VI Inhaltsverzeichnis.
Seite
F. Düferentialdiagnostische Erwägungen des objektiven Herz- und Gefäß-
befundes ........................... . 398
I. Die Düferentialdiagnose der angeborenen Herzfehler . . . . . . . . 419
2. Die Düferentialdiagnose der Herzstörungen ohne Klappenfehler . . . 423
3. Düferentialdiagnostische Bemerkungen über einige seltene Erkrankungen 464
4. Die Differentialdiagnose der Unfallerkrankungen des Herzens . . . . 465
5. Die Differentialdiagnose der Erkrankungen des Perikards . . . . . 467
X. Die Differentialdiagnose der Milzerkrankungen •.•.• 470
XI. Die Differentialdiagnose der Leber-und Gallen Wegserkrankungen 494
A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 494
B. Die Untersuchungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . 496
I. Physikalische und Röntgenuntersuchung . . . . . . . 496
2. Die Prüfungen der Leberfunktionen ........ . 502
Prüfung der Leberfunktion im Eiweißstoffwechsel 503. - Die
Prüfung der Lävulose- und Galaktosetoleranz 503. - Die Urobilin
und Urobilinogenproben505.-Funktionsproben mittels der Duodenal
sonde 506. - Prüfung des Einflusses der Leber auf den Wasser
haushalt 509. - Zusammenfassung und Bewertung der funktionellen
Methoden 509.
C. Die Düferentialdiagnose des Ikterus . . . . . . . . . . . . . . . . 509
D. Die Düferentialdiagnose der von Leber und Gallenblase ausgehenden
Schmerzen .................... . 518
E. Die düferentialdiagnostische Bedeutung des Fiebers . . . 519
F. Die Differentialdiagnose der düfusen Lebervergrößerungen 523
G. Die Düferentialdiagnose der cirrhotischen Prozesse .... 526
H. Die Düferentialdiagnose der ungleichmäßigen Lebervergrößerungen 531
J. Die Düferentialdiagnose der Erkrankungen der Gallenwege . . . • 536
XII. Die Differentialdiagnose der Erkrankungen der Speiseröhre, des
Magens und Darms und des Pankreas . . . . . . . . . . . • . 546
A. Die Düferentialdiagnose der Erkrankungen der Speiseröhre 546
B. Die Düferentialdiagnose der Magen-Darmerkrankungen 553
I. Magen-Darmsymptome bei anderen Erkrankungen. 553
2. Die Düferentialdiagnose des Schmerzes im Oberbauch . 556
3. Die Düferentialdiagnose der Hämatemesis . . . . . . . 564
4. Die Bedeutung des Nachweises der okkulten Blutungen . 566
5. Die spezielle Düferentialdiagnose der Magenerkrankungen . . 568
6. Die Düferentialdiagnose der Bewegungsstörungen des Magens 571
7. Die Düferentialdiagnose der Sekretionsstörungen . . . . . . . . . 580
8. Die Sekretions-und Motalitätsstörungen als Ausdruck konstitutioneller
Anomalien . . . . . . . . . . . . . . . 588
9. Die Neurosen des Magens ................... . 590
10. Die Düferentialdiagnose der Gastritis chronica . . . . . . . . . . 593
11. Die Düferentialdiagnose des Magenulcus ..•.......... 596
12. Die Düferentialdiagnose des Magencarcinoms . . . . . . . . . . . 604
13. Düferentialdiagnostische Bemerkungen über einige seltene Magenerkran-
kungen ..........................• 610
14. Die Düferentialdiagnose des Ulcus duodeni ..........• 614
15. Andere Geschwüre des Darmes . . . . . . . . . . . . . . . . . 620
16. Die Düferentialdiagnose der chronischen Diarrhöen ....... . 621
17. Die Düferentialdiagnose der Erkrankungen der unteren Darmabschnitte 629
18. Die Düferentialdiagnose der Obstipation . . . . . . . . . 632
C. Die Düferentialdiagnose der Pankreaserkrankungen . • . . . . . . . 639
XIII. Die Differentialdiagnose der Erkrankungen der Harnorgane 647
A. Die Erkrankungen der Harnwege und die einseitigen Nierenerkrankungen 647
1. Die Anomalien der Harnentleerung . . . . . . . . . . . . . . . 647
2. Die Diagnose des Urinbefundes . . . . . . . . . . . . . . . . . 653
Eiweiß und Zylinder 653. - Pyurie 655. - Die Düferentialdiagnose
der Hämaturie 658. - Die Differentialdiagnose einiger auffallender
anderer Urinbefunde 661.
3. Die Differentialdiagnose des Palpationsbefundes . . . . . . 663
4. Die Düferentialdiagnose der Schmerzphänomene . . . . . . 672
B. Die Düferentialdiagnose der doppelseitigen Nierenerkrankungen . 674
1. Die Einteilung der doppelseitigen Nierenerkrankungen 675
2. Die Priifun!l; der Nierenfunktion • . . . . . • . • • . . • 679
Inhaltsverzeichnis. vn
Seite
3. Vergleichende Symptomatologie . . . . • • • • • • . • • • • . 686
Ödem 686. - Blutdruck und Herzhypertrophie 689. - Die Augen
befunde 690. - Urämie, Klagen der Nierenkranken 691.
4. Die Differentialdiagnose der einzelnen Krankheitsformen . . . . . 695
Die Unterscheidung nephrotischer und nephritiseher Krankheits
bilder 695. - Besondere Formen der Nierenerkrankungen 900. - Die
Dauerstadien der Nephritiden und Nephrosen und ihre Abgrenzung
gegen andere Albuminurien 703.
5. Die Schrumpfnieren . . . . . . . • . . • • . . . . . . . • 706
XIV. Die Differentialdiagnose der Erkrankungen des Stoffwechsels
bzw. der endokrinen Drüsen . . . . . . . . 708
A. Die Differentialdiagnose der Fettsucht • . . . . 708
B. Die Differentialdiagnose der .AnmsoNschen Krankheit 711
C. Die pluriglandulären Erkrankungen . . . . . . . • 715
D. Die Differentialdiagnose des Diabetes mellitus 717
XV. Die Differentialdiagnose der Erkrankungen des Blutes 724
A. Anämien . . . . . . . . . . . • . 724
l. Die Anämien durch Blutverlust . 726
2. Die Chlorose. . . . . . . . . 727
3. Die perniziöse Anämie . . . . . 729
4. Die symptomatischen Anämien . 737
5. Die Anämien des Kindesalters . . . • . . . • . . . . . . • . • 739
Die alimentäre Anämie 739.-Die infektiösen Anämien des Kindes
alters 740. -Einwände gegen die CZERNY-KLEINSCHMIDTsche Ein
teilung 740.
6. Die Differentialdiagnose der Leukämien . . . . . . . . . . . . . 741
B. Die Differentialdiagnose der Polycythämie . . . . . . . . . . . . . 744
XVI. Die Differentialdiagnose der chronischen Gelenkerkrankungen 747
A. Die Differentialdiagnose der Gicht . . . . . . • . . . . . • . . • • 747
B. Die Differentialdiagnose der chronischen, nicht gichtischen Arthritis-
formen . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • . 755
XVII. Die Differentialdiagnose der Knochenerkrankungen 765
A. Die Differentialdiagnose der Rachitis • • . . . . 765
B. Die Differentialdiagnose der Osteomalacie , . • . . . . 769
XVIII. Die l?ifferentialdiagnose der Neuralgien und neuralgiformen
Schmerzen . . • . . • . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772
A. Die Differentialdiagnose der Ischias • • . . . . . . . 773
B. Über einige andere Neuralgien des Beines . . . . . . 777
C. Die Differentialdiagnose der Intercostalneuralgie 778
D. Die Differentialdiagnose der Neuralgien des Armplexus 779
E. Die Differentialdiagnose der Trigeminusneuralgien 780
XIX. Die Differentialdiagnose des Kopfschmerzes 781
Sachverzeichnis 787
I. Die Differentialdiagnose akuter fieberhafter
Infektionskrankheiten.
Die akuten fieberhaften Infektionskrankheiten rufen zum großen Teil, falls
ihre Symptomenkomplexe voll entwickelt sind, sehr charakteristische und
eindeutige Krankheitsbilder hervor. Jeder Arzt wird einen typischen Scharlach
oder Masernfall, eine voll entwickelte croupöse Pneumonie oder einen typischen
Typhus leicht richtig diagnostizieren.
Es kann deswegen nicht Aufgabe dieses Buches sein, diese wohl aus
gebildeten Krankheitsbilder zu schildern, sondern es sollen nur die mehr
deutigen Symptome und Symptomenkomplexe der akuten Infektionskrank
heiten erörtert werden. Mehrdeutig kann eine akute fieberhafte Erkrankung
namentlich im Beginn erscheinen, weil die Entwicklung charakteristischer
klinischer Kennzeichen, z. B. die eines Exanthems eine gewisse Zeit erfordert.
Mehrdeutig sind besonders auch die Infektionskrankheiten, bei denen die
Allgemeinerscheinungen die Lokalzeichen überwiegen, wie z. B. die Miliar
tuberkulose, die Sepsis und mitunter auch der Typhus.
Differentialdiagnostische Erwägungen werden also namentlich in den Anfangs
stadien der Infektionen und bei den Erkrankungen ohne hervorstechende
Lokalzeichen anzustellen sein. Außerdem wird es nützlich sein, auch die Kom
plikationen zu besprechen, die seltener vorkommen und die erfahrungsgemäß
öfter dazu führen, daß der Arzt in seiner bereits gestellten Diagnose wieder
schwankend wird.
A. Die Differentialdiagnose beginnender Infektionen und
solcher ohne hervorstechende Lokalzeichen.
Setzen wir den Fall, daß der Arzt zu einem akut erkrankten fiebernden
Patienten gerufen wird und zunächst bei der üblichen klinischen Untersuchung
außer der Temperaturerhöhung und allgemeinen Symptomen, wie etwa Kopf
schmerz, Abgeschlagenheitsgefühl, Appetitlosigkeit nichts oder jedenfalls nicht
so viel findet, daß er sofort eine bestimmte Diagnose stellen kann.
Der erfahrene Arzt wird gewiß auch bei negativem Organbefund in einem
solchen Falle einen mehr oder minder bestimmten Gesamteindruck des Krank
heitsbildes gewinnen, aber richtiger ist es, sich nicht von einem derartigen,
unbestimmten Eindruck leiten zu lassen, sondern ganz systematisch die Reihe
der Erkrankungen durchzudenken, die mit geringem oder negativem Organ
befund beginnen können. Gewöhnt man sich an dieses Vorgehen, so wird man
auch selbstverständlich sowohl die Anamnese als den Befund nach ganz be
stimmten Richtungen ergänzen und manches Symptom finden, weil man
danach sucht.
MATTHES, Differentialdiagnose. 6. Anfl.
2 Die Differentialdiagnose akuter fieberhafter Infektionskrankheiten.
Fiir die Aufnahme der Anamnese sei daran erinnert, daß manche fiebernde
Kranke, auch wenn sie nicht benommen sind, subjektive Klagen über Be
schwerden, die sie eigentlich empfinden müßten, nur auf ausdrückliches Be
fragen oder überhaupt nicht angeben. Dadurch können, besonders wenn der
Arzt noch irgendwie voreingenommen ist, etwa durch einen anderen Befund,
ganz einfache Dinge übersehen werden.
Als Beispiel diene folgender Fall:
Ein Kranker stand wegen einer leichten Appendicitis in Beobachtung. Die Frage
der Operation war erwogen, aber da die Erscheinungen rasch abklangen, so hatte man
sich entschlossen, abzuwarten und eine Intervalloperation in Aussicht genommen. Der
Arzt wurde nun plötzlich gerufen, weil der Kranke einen hohen Fieberstoß bekommen
und sogar erbrochen hatte. Der Arzt dachte in verständlicher Voreingenommenheit an
eine akute Verschlimmerung der Appendicitis, namentlich da der Kranke gar keine auf
andere Ursachen hinweisende Klagen äußerte. Der hinzugezogene Konsiliarius sah sofort
bei Beginn der Untersuchung die Halsorgane nach und stellte eine interkurrente Angina
follicularis als Grund des Fiebers fest.
So wenig man einem Kranken aber auch voreingenommen entgegentreten
darf, so muß es andererseits doch als feststehende diagnostische Regel gelten,
daß man das Nächstliegendate immer für das Wahrscheinlichste halten und
davon nur abgehen soll, wenn bestimmte Gründe dagegen sprechen. Wenn
beispielsweise eine Puerpera fiebert, so ist es a priori viel wahrscheinlicher,
daß sie an einem Wochenbettfieber als etwa an einem Typhus erkrankt ist.
Bevor wir auf die Schilderung der einzelnen differentialdiagnostisch zu
trennenden Krankheitsbilder aber eingehen, müssen einige differentialdia
gnostisch außerordentlich wichtige Methoden kurz erwähnt werden, die jeder
praktische Arzt am Krankenbett ausführen kann, die aber bisher noch nicht
genügend in die Praxis gedrungen sind.
Bei jeder unklaren, fieberhaften Erkrankung sollte der Untersuchungs
befund regelmäßig durch eine Bestimmung der Zahl und der Art der
Leukocyten ergänzt werden.
Mit vollem Recht hatte NÄGEL! schon vor Jahren ausgesprochen, daß bereits das
Resultat der Leukocytenzählung allein in vielen Fällen ein feineres und eindeutigeres
Reagens als die Temperaturkurve sei und das gilt vielleicht noch mehr vom feineren Blut
bild. Es können aus der Bestimmung der Leukocytenarten, aus der Beachtung ihrer Granu
lationen und besonders auch ihrer Kernformen differentialdiagnostische Schlüsse gezogen
werden, so daß man das Blutbild bis zu einem gewissen Grad als Spiegel pathologischer und
besonders auch infektiöser Prozesse und sogB.J' ihres jeweiligen Standes ansehen kann. Es soll
hier nicht auf die noch bestehenden Streitfragen eingegangen werden, namentlich nicht auf
die technische, ob absolute oder relative Werte wichtiger seien. Es mag nur gesagt werden,
daß die Bedeutung der Veränderungen der Kernformen zuerst von ARNETH erkannt wurde,
daß dann verschiedene Vereinfachungen der kompliziertenARNETH sehen Einteilung versucht
sind, um sie diagnostisch handlicher zu gestalten und daß von diesen das ScmLLING sehe
Hämogramm die weiteste Verbreitung gefunden hat. ARNETH hatte bereits die sog. Kern
verschiebung nach links nach der Seite der Myelocyten hin und nach rechts nach der
Seite der reifen polymorphkernigen Granulocyten hin erkannt und diagnostisch verwertet.
ScHILLING hat dann die früher als Metamyelocyten bezeichneten Zellen in solche mit breiten,
gut gezeichneten wurstförmigen Kernen und in solche mit dunklen, saftarmen, stabförmigen
Kernen unterschieden und glaubt, daß nur die ersteren Jugendformen entsprächen,
während er die stabkernigen als ein Produkt schlechter Ausbildung oder früher Degeneration
ansieht. Er hat betont, daß bei der Kernverschiebung nach links in erster Linie diese
Stabkernigen vermehrt gefunden würden. ScmLLING hat ferner angegeben, daß man bei
Infektionen eine polynucleäre Kampfphase, eine monocytäre Überwindungsphase und
eine lymphocytäre Heilungsphase unterscheiden könne, so daß man durch die Beachtung
der Kernverschiebung die Schwere der Infektion, durch die Beachtung der einzelnen
Leukocytenformen den Ablauf verfolgen könne.
Schon früher hatte man auch den verschiedenen Granulationen diagnostische Be
deutung beigemessen, namentlich der eosinophilen Granulation, denn eosinophil granu
lierte Zellen sind bei manchen Infektionskrankheiten, z. B. der Trichinose, dem Scharlach
und dem malignen Granulom in kennzeichnender Weise vermehrt, verschwinden dagegen
bei anderen und kehren erst als postinfektiöse Erscheinung wieder. Aber erst in neuester