Table Of ContentLehrbuch der
allgemeinen Geophysik
Von
a.o. Professor Dr, Max Toperczer
Leiter dergeophysikalischen Abteilung an der Zentralanstalt
für Meteorologie und Geodynamik in Wien
Mitglied der österreichischen Kommission für internationale Erdmessung
Mit 158 Textabbildungen
Springer-Verlag Wien GmbH
1960
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Vorwort
Schon seit geraumer Zeit fehlt, nicht nur innerhalb des deutschen Sprach
gebietes, für das Gebiet der Physik des festen Erdkörpers, der Geophysik im
engeren Wortsinn, ein sowohl zusammenfassendes, also nicht zu umfangreiches,
als auch umfassendes, d. h. alle Teilgebiete dieser Disziplin möglichst gleich
mäßig darstellendes Lehrbuch. In diesem Zeitraum ist unser geophysikalisches
Wissen um viele neue Tatsachen und Erkenntnisse bereichert worden, dieser
unaufhaltsam rasche und breite Fortschritt auf fast allen Teilgebieten hat aber
die noch vorhandenenLehrbücher aus früherer Zeit um so ergänzungsbedürftiger
werden lassen. Sie sind überdies, da aus begreiflichen Gründen keine Neuauf
lagen mehr veranstaltet wurden, dem Studierenden meist nur mehrin Instituts
bibliotheken zugänglich. Dieser Mangelzustand, der sich im Studienbereich
ungünstig auswirkt, hat mich in erster Liniebewogen, selbst einneuesLehrbuch
der allgemeinen Geophysik zu verfassen.
Die Grundlagen zu diesem Buch entstammen im wesentlichenzwei Quellen:
meinen Vorlesungen über allgemeine Geophysik an der Universität Wien, und
meiner praktischen Tätigkeit auf verschiedenen Teilgebieten, die ich seit mehr
als dreißig Jahren ausübe. Dieser Tätigkeit verdanke ich die eingehendere
Kenntnis und Beschäftigung mit einer großen Zahl von Einzelproblemen.
In Inhalt und Umfang entspricht das vorliegende Buch meiner Vorlesung
über allgemeineGeophysik, nur dieDarstellungistan mancherStelledem Zwecke
eines Buchesentsprechend abgeändert worden.Über PlanundAnlagedes Buches
ist nur wenig zu bemerken. Ich war bestrebt, den Stoff auf möglichst geringem
Raum zusammenzufassen, ohne dabei auf Vollständigkeit und möglichst gleich
mäßige Behandlung der einzelnen Kapitel zu verzichten. Dem Charakter eines
Lehrbuches entsprechend habe ich nur gesichertes Wissen und begründete Er
klärung aufgenommen. Dort, wo die Entwicklung unserer theoretischen An
schauungen noch im Fluß ist, habe ich mich auf eine mehr referatmäßige Dar
stellung beschränkt - ein Lehrbuch darf nie zum Handbuch entarten. Den
Meßmethoden habe ich einen verhältnismäßig breiten Raum gegeben, denn die
Geophysik ist auf messende Erfahrung aufgebaut, oder sollte es wenigstens sein.
Für den angehenden Geophysiker ist dieKenntnis seines Handwerkzeuges unbe
dingt erforderlich.
MathematischeAbleitungen habeichsoweitskizziert, daß ihregenaue Durch
rechnung aufkeine besonderen Schwierigkeiten stoßen wird. Im übrigen ist hier
Mathematik nur Hilfsmittel der Darstellung, nicht Selbstzweck.
Dem Umfange nach habe ich hauptsächlichdie Physik deseigentlichen Erd
körpers behandeltund die Geophysik derErdkruste nur in demzumVerständnis
des Ganzen unumgänglich notwendigen Ausmaß aufgenommen; Probleme der
angewandten oder technischen Geophysik wurden nicht behandelt.
Literaturhinweisesind aus einem naheliegenden Grund im Text nicht gegeben
worden: derStudierende muß sich zunächst das orientierende,allgemeine Wissen
seines Studienfaches verschaffen, bevorer sich in Einzelproblemevertiefen kann.
Dafür habe ich am Ende des Buches eine Reihe von moderneren Werken ange
führt, die zum eingehenderen Studium der einzelnen Teilabschnitte heran-
IV Vorwort
gezogen werden können und die die entsprechenden Literaturhinweise enthalten.
Ich habe hier in erster Linie solche ausgewählt, die wegen ihrer weiteren Ver
breitung für den Studierenden auch leicht erreichbar sein werden.
Ich war mir stets bewußt, daß dieAbfassung eines Lehrbuches auch immer
eine Art Rechenschaftsbericht über denderzeitigen Stand eines Wissensgebietes
sein soll.
Dem Verlag binich für sein Entgegenkommen und seineGeduld, den Herren
Dr. E. TRAPP und Dr, A. PÜHRINGER fürihre Mithilfe bei denKorrekturen sehr
zu Dank verpflichtet.
Wien, im August 1960. M.TOPERCZER
Inhaltsverzeichnis
Seite
Einleitung . . . . . . . . . . 1
1. Einordnung und Methode der Geophysik 1
2. Einteilung der Geophysik . . . . . . 2
I. Statik . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
3. Physische und theoretische Oberfläche 4
4. Historischer Überblick . . . . . . . 6
5. Größenbestimmung für die Kugel und das Ellipsoid 9
6. Die Schwerkraft . . 12
7. Die Niveaufläche . . . . . . 17
8~ Das Niveausphäroid . . . . . 22
9. Das Theorem von CLAIRAUT 27
10. Die Methoden zur Bestirrnnung des Geoids 33
11. Die astronomische Ortsbestimmung . 36
12. Die Triangulation . . . . . . . . 43
13. Das geometrische Nivellement . . 49
14. Das trigonometrische Nivellement. 52
15. Die Undulationen des Geoids. 55
16. Die absolute Schweremessung 58
17. Die relative Schweremessung 65
18. Die Drehwaage . . . . . . 75
19. Reduktion der Schwerewerte . 80
a) Die Niveaureduktion . 81
b) Die Massenreduktion . . . 81
20. Die Schwerestörungen . . . . 85
21. Die Isostasie . . . . . . . . 88
22. Die isostatische Reduktion und ihre Ergebnisse 94
23. Dimensionen,l\IlI88eund mittlere DichtederErde . 101
11. Dynamik . . . . . . . . . . . 106
24. Die Gezeiten der festen Erde 106
25. Präzession und Nutation 114
26. Die Polhöhenschwankungen 116
27. Rotationsdauer der Erde und Zeit 121
28. Die Grundbegriffe der Tektogenese 125
29. Die stoffliche Zusammensetzung der Erde . 131
30. Die physikalischen Eigenschaften tektonischer Baustoffe 136
31. Geotektonische Kräfte . . . . . . .. . . 142
110) Dauernd und allgemein wirkende Kräfte 142
a) Polfluchtkraft . . . . . . . . . . 142
ß) Westdriftkräfte . . . . . . . . . 143
y) Einfluß der Polschwankung . . . . 144
15) Änderung der Drehgeschwindigkeit 145
b) Begrenzt wirkende Kräfte 145
a) Wirkungen des Luftdrucks . . 145
ß) Belastung durch Gezeitenwellen 146
y) Wirkungen der Erwärmung und des Frostes 146
15) Abtragung und Sedimentation 147
s) Auseinanderfließen von Schollen . 150
32. Vulkanismus . . . . . . . 151
33. Geotektonische Hypothesen . . . . . 163
111. Seismik . . . . . . . . . . . . . . . 173
34. Die Einteilung und Ursachen der Erdbeben . 173
35. Die Entstehung elastischer Wellen . 175
36. Wellen- und Gruppengeschwindigkeit . 181
37. Der Einfluß des Mediums; Oberflächenwellen 186
VI Inhaltsverzeichnis
Seite
38. Ausbreitung der Wellen, Reflexion und Refraktion. 193
39. Bestimmung der Wellenbahnen 197
40. Theorie der Seismographen 205
41. Seismographentypen . . . . . . 214
42. Die Laufzeitkurven . . . . . . 221
43. Verarbeitung der Beobachtungen und Beobachtungsergebnisse. 229
44. Makroseismik . . . . . . . . . . . . . . 241
45. Erdbebengeographie und Erdbebenstatistik 247
IV. Erdmagnetismus. . . . . . 257
46. Allgemeine Grundbegriffe 257
47. Materie und Magnetfeld . 262
48. Permanente Magnete 267
49. Das magnetische Feld permanenter Magnete. 269
50. Das magnetische Feld stromdurchflossener Leiter. 273
51. Gegenseitige Wirkung zweier Magnete, . . . . . 278
52. Die Meßmethoden. . . . . . . . . . . . . . . 283
53. Verarbeitung und Reduktion magnetischer Messungen 304
54. Die räumliche Verteilung des erdmagnetischen Feldes . . 311
55. Die kurzzeitigen Änderungen des erdmagnetischen Feldes. 325
56. Die Ursachen der kurzzeitigen Schwankungen des erdmagnetischen Feldes. Das
Polarlicht 332
57. Die Säkularvariation 342
V. Der Aufbau der Erde 347
58. Das Alter der Erde 347
59. Der thermische Zustand der Erde 354
60. Die Zustandsgrößen des Erdinnern 366
61. Die Ursachen des erdmagnetischen Feldes. 372
Literaturverzeichnis 379
Namen- und Sachverzeichnis 380
Einleitung
1. Einordnung und Methode der Geophysik
Dem eigentlichen Wortsinn nach umfaßt die Geophysik alle natürlichen Er
scheinungenundVorgängeaufund in der Erde,die mit physikalischenMethoden
untersucht werden können. Ihre Arbeitsmethoden sind also die der Physik,
jedoch mit den Einschränkungen, die sich aus dem Untersuchungsgegenstand,
der Erde, von selbst ergeben. In vielen Fällen kann das Experiment, eines der
wichtigsten Forschungsmittel der Physik, hier nicht angewendet werden. An
seine Stelle tritt dieBeobachtung und Untersuchung der natürlich ablaufenden
Vorgänge, die selbst meist komplexer Natur sind. Ihre Analyse, ihre Zerlegung
und Zurückführung auf die sie erzeugendeneinfachen Vorgänge ist eine Haupt
aufgabe der Untersuchung. Zur rechnerischen,Bearbeitung des Beobachtungs
materials werden die Methoden der Statistik angewendet, um das Wesentliche
vom Zufälligen zu trennen.
Die Geophysik hat ihr Stoffgebiet mit anderen Wissenschaften, die sich
ebenfalls mit der Erde beschäftigen, gemeinsam; zu diesen bestehen daher enge
Beziehungen. SoleheWissenschaften sind dieAstronomie, die sichmit der Erde
als Himmelskörper beschäftigt, die Geologie,dieden Bau und dieEntwicklungs
geschichte der Erde erforscht, die uns auchüberihre stofflicheZusammensetzung
Aufschluß gibt, und dieGeographie,die dieBeschreibung der Erdoberfläche und
ihrer Formen zum Gegenstand hat. Die von diesen Wissenschaften gefundenen
Tatsachen sind derStoffund das Ausgangsmaterial der geophysikalischen Unter
suchungen. Die Aufgabeder Geophysik besteht darin, die zwischendiesen Tat
sachen bestehenden physikalischen Zusammenhänge aufzudecken. Daher ist die
Geophysik das wichtigeBindeglied zwischenallenWissenszweigenvonder Erde,
die ihrerseits wiederin größtem Umfang von geophysikalischen Erkenntnissen
Gebrauch machen.
Geophysik ist angewandte Physik und dadurch ist ihre Arbeitsmethode
festgelegt. Wirklich ist für den Physikernur, was gemessen werdenkann. Alles,
was sich nach Voraussetzung, und sei dieseauch nur stillschweigend in einem
Begriffsmerkmal enthalten, der Messung entzieht, gehört nicht ins Arbeits
gebiet der Physik. Im Bereich der Geophysik muß daher grundsätzlichein jedes
Untersuchungsobjekt meßbar sein. Die Geophysikist eine quantitative Wissen
schaft.
Die von den einzelnenSchwesterwissenschaften gelieferten Tatsachen und die
eigenen Beobachtungsergebnisse sind ganz verschiedenwertig. Verschieden ist
ihr Umfang in deneinzelnen Teilgebieten und sieunterscheidensichauch durch
den Grad ihrer Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Deswegen kann dieGeophysik
nicht bei reiner Empirie, beim Sammeln und Ordnen von Tatsachen stehen
bleiben. Unser Erkenntnisbedürfnis ist bestrebt, durch Zusammenfassung und
Verknüpfung vonTatsachen Theorien zu bilden.In der Theorie werdendie Tat
sachen auf eine begrenzte Zahl möglichst einfacher Gesetze zurückgeführt. Die
Theorie gestattet quantitative Aussagen und damit eine zahlenmäßige Über
prüfung ihrer Richtigkeit, sowie die Vorhersage neuer, bisher unbekannter
Zusammenhänge.
Tnperezer, Geophysik 1
Einleitung
Nicht immerist es möglich,abgeschlosseneTheorienzurErklärung bestimmter
Tatsachenkomplexe aufzustellen, weil das vorhandene Beobachtungsmaterial
zu lückenhaft ist und keine eindeutige theoretische Erklärung zuläßt. Unter
solchenUmständen tritt an dieStelleder theoretischenErklärung die Hypothese.
Die Hypothese ist eine Denkmöglichkeit, noch keine endgültige Erklärung,
sondernnur die Möglichkeit einersolchen. Hypothesen bedürfen der Bestätigung
durch neue Erfahrungstatsachen, durch weitere Beobachtungsergebnisse, die
im Einklang mit den aus der Hypothese gezogenen Schlußfolgerungen stehen
müssen.
Hypothesen sind notwendige Hilfsmittel der Forschung, wichtige Arbeits.
behelfe.Ihr Wert liegt darin,daßsie,indem eine Denkmöglichkeitklar formuliert
wird, der weiteren Forschungsarbeit eine bestimmte Richtung geben. Ob eine
Hypothese sich zur Theorie ausbauen läßt, ist ungewiß, sie schützt aber vor
planlosemArbeiten. Selbst wennsichschließlich eineHypothese als nicht mit der
weiteren Erfahrung in Übereinstimmung befindlich herausstellt, ist auch diese
negative Erkenntnis doch von Nutzen, da durch ihre konsequente und logisch
einwandfreie Verfolgung die Zahl der überhaupt vorhandenen Erklärungs
möglichkeiten eingeschränkt wurde.
Die Aufstellung der Hypothese ist aber nur dann berechtigt, wenn sie sich
aufTatsachengründet; eine Hypothese darfkeine Erdichtungsein. Nicht Hypo
thesen, ohne die keine Wissenschaft sich weiter entwickeln könnte, zu machen,
sondern nur sie zu erdichten, verbietet der bekannte Satz NEWTONS: hypotheses
non fingo. Hypothesen dienen derInterpolation und in beschränktem Maß auch
der Extrapolation der gesicherten, wissenschaftlich verarbeiteten Erfahrung.
Wissenschaftlich ungebildete Laien verstoßen oft gegen diesen methodischen
Grundsatz.Es sei hier nur an dieWelteislehre oder die Hohlwelttheorie erinnert,
deren Aussagensich ja direkt aufgeophysikalisches Gebietbeziehen. Beide sind
Musterbeispiele für erdichtete, aber keineswegs durch Tatsachen nahegelegte
Hypothesen;es ist daher nicht verwunderlich, daß sienichts zur Erklärung der
Wirklichkeit beitragen konnten.
2. Einteilung der Geophysik
Je nach dem Schauplatz der zu deutenden Erscheinungen wird sowohl aus
historischen als auch aus methodischen Gründen die Geophysik in drei Teil
gebiete unterteilt: in die Physik der Atmosphäre oder Meteorologie, die Physik
der Hydrosphäre oder Ozeanographie und in die Physik des festen Erdkörpers
oder die Geophysik im engerenWortsinn. Nur die letztere bildet den Gegenstand
des vorliegenden Buches, doch wirdessich nicht vermeiden lassen, an mancher
Stelle auch auf die anderen TeilgebieteBezug zu nehmen, da diese eben wegen
ihres gemeinsamen Gegenstandes auch unter sich organisch zusammenhängen.
In dieser Grundeinteilung ist übrigens schon ein physikalischer Gesichtspunkt
enthalten: die feste Erde, ihre Wasser- und Lufthülle unterscheiden sich durch
ihren Aggregatzustand.
DasStoffgebiet der Physikdesfesten Erdkörpers wirdnun weiter nachinder
Physikgebräuchlichen Einteilungsgründenunterteilt.IndasGebiet der Mechanik
gehörenz.B.dieFigur der Erdeunddie Verteilung der Schwerkraft, die Seismik
ist angewandte Elastomechanik, die erdmagnetischen Erscheinungen und die
elektrischen Vorgänge sind Anwendungsgebiete der Lehre von den elektro
magnetischen Vorgängen.
Wir können nur Erscheinungen auf und in der Nähe der Erdoberfläche be
obachten. Aus ihnen müssen wir auf den Aufbau und Zustand des uns unzu-
Einteilung der Geophysik
gänglichen Erdinnern schließen. Diese Überlegungen führen uns auf das Gebiet
der Geochemie und der Thermodynamik. Enge Beziehungen bestehen natürlich
auch zu den Vorgängen in der Wasser- und Lufthülle der Erde. Die Gezeiten
kräfte wirken aufalle Teile der Erde ein, Vorgänge in der Ionosphäre sind stets
mit magnetischen Vorgängen verbunden - um nur einige Beispiele zu nennen.
Für einen ersten Überblick über den hier zu behandelnden Stoff möge die
folgende Einteilung dienen, die sich an die Gliederung der Physik in Unter
abteilungen anschließt:
I. Geomechanik
a) Statik
Figur der Erde (Massenverteilung)
Verteilung der Schwerkraft
b) Dynamik
Veränderung der Schwere (Gezeiten)
geotektonische Kräfte
Elastomechanik (Seismik)
II. Thermodynamik
Vulkanismus
Verteilung der Zustandsgrößen in der Erde
III. Elektrische und magnetische Erscheinungen
Magnetfeld der Erde (Erdmagnetismus)
Erdströme
Polarlicht.
Unsere Kenntnisse über elektrische Vorgänge in der Erde sind gering. Ihr
Vorkommenkannderzeit noch am ehestenausden sie begleitendenmagnetischen
Vorgängen erschlossen werden, bzw. gewisse Eigenschaften des Magnetfeldes
legen die Annahme nahe, sie auf das Vorhandensein elektrischer'Stromsysteme
zurückzuführen.
BeiderUnterscheidung zwischenstatischenbzw.stationärenunddynamischen
Vorgängen ist zu berücksichtigen, daß sehr viele Veränderungen auf der Erde,
beurteilt nach unserem üblichen Zeitmaß, so langsam erfolgen, daß wir sie für
viele Betrachtungen als stationär ansehen oder aber von diesen Veränderungen
ganz abstrahieren können. Für die theoretische Behandlung mancher Probleme
ist dieser Umstand ein Vorteil. Die Langsamkeit des Ablaufes ist hingegen ein
sehr großer Nachteilfür die Beobachtungunddie Messung dieserVeränderungen.
Es bedarf vielfach sehr großer, oft mehrere Menschenalter umfassender Zeit
räume, um durchBeobachtung halbwegsverläßliche Zahlenwerteüber Richtung
und Ausmaß solcher langsamer Veränderungen zu erhalten. Bei der Unter
suchung und Betrachtung geophysikalischer Probleme ist es notwendig, stets
die richtigen Maßstäbe anzuwenden, sowohlin räumlicher als auch in zeitlicher
Beziehung.
Der organische Zusammenhang aller geophysikalischen Erscheinungen unter
einander muß stets beachtet werden. Geophysik ist die Lehre vom "Leben" der
Erde. Im physikalischen Sinn besteht LebenimAustausch und derUmwandlung
der Energie. Energie tritt in verschiedenen Formen auf, ihnen entsprechen die
einzelnen Gruppenvon Erscheinungen,die in der obenstehenden Übersicht kurz
angegeben sind. Diese verschiedenen Erscheinungen sind aber nur Bestandteile
eines einheitlichen, organisch zusammenhängenden Geschehens und jede geo
physikalische Erklärung muß schließlich dieverstandesmäßige Erkenntnis dieser
Einheit zum Ziele haben.
1·