Table Of ContentLandkarten
ihre Herstellung und ihre Fehlergrenzen.
Landkarten
ihre Herstellung und ihre Fehlergrenzen.
Von
H. Struve
Geheimer Rechnungsrath im Kursbüreau des Reichs -Postamts.
Mit zahlreichen in den Text gedruckten Abbildungen.
BERLIN.
Verlag von Julius Springer.
1887.
ISBN 978-3-642-50413-6 ISBN 978-3-642-50722-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-50722-9
aus dem
Archiv für Post und Telegraphie.
1887.
Dem
Direktor der Königlichen Sternwarte in Berlin
Herrn Geheimen Regierungsrath
VV.
PROFESSOR DR. FOERSTER
hochachtungsvoll gewidmet
vom
Verfasser.
Inhalts -U ebersicht.
Seite
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hauptverrichtungen der Landkarten-Darstellung. - Erdabbildungen von
hochgelegenen Punkten. - Vogelperspective.
Herstellung topographischer Specialkarten . . . 5
Landesvermessung (Triangulation). - Messung der Grundlinien sowie
der Dreieckswinkel. - Heliotrop.
Fehlerquellen: Ungenauigkeit der Instrumente. - Mangel eines festen
Standpunktes. - Lothablenkung. - Lichtstrahlablenkung. - Winkel-
messungsfehler . . . . . . . 7
Vernier (Nonius). . . . . 9
Höhenmessung (Nivellement): Meereshöhe. - Nivellementsfehler.
Tacheometer. - Barometer. - Aequidistante Niveaulinien. - Dufour'
sche Karte der Schweiz. - Reliefkarten. - Reliefphotogramme . . . . 1 1
Bestimmung der Himmelsgegend (Azimut). . . . . . . . . . . . . 15
Feststellun'g der geographischen Länge (Ortszeit): durch Uhrenver
gleichung, Beobachtung der Planeten, Mondbewegung. - Monddistanzen 16
Feststellung .der geographischen Breite (Polhöhe) 18
Fehler bei Längen- und Breitenfeststellung . 19
Anfertigung des Gradnetzes (Landkarten-Projection). . . . . 21
Kegel-Projectionen ..... 22
Gradnetze von Deutschland, Deutschland nebst Oesterreich -Ungarn,
Europa. - Gradnetzfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Cylinder-Projectionen. - Cassini-Soldner'sche Projection. - Fehler
der Cylinder-Projection . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Cylinder-Projection von Mercator (Loxodromische Projection) 33
Bonne'sche Projection. - Samson-Flamsteed'sche Projection. - Moll
weide's flächentreue Projection. . . . . . . . • . . . . . • • • . • • 35
VIII
Seite
Perspectivische Projectionen ................. .
Polar -Projection, Horizontal-Projection. - Orthographische Projection 43
Gnomonische (Centrale) Projection ........... . 45
Gnomonische Karte von Europa, verglichen mit der Bonne'schen Karte 46
Kürzester Weg auf der Mercatorkarte ... 49
Stereographische Projection. - Externe Projection 51
Gewölbte Karten. - Globus . . . . . . . . . . 54
Berechnung des kürzesten Weges'(der geodätischen Linie) . 57
Berücksichtigung der Ellipsoidgestalt der Erde bei der Berechnung . 59
Gradeintheilung des Ellipsoids .. - Entfernungs- und Winkelberechnung
auf dem Erd-Ellipsoid . . . . . . . . . . . . 62
Entfernungsberechnung über den Aequator hinweg 65
Genauigkeit der Entfernungsberechnungen 66
Gradmessungen . . . . . . . . 67
Pendelmessungen . . . . . . . 70
Fehlergrenze bei überseeischen Entfernungen 71
Fehlergrenze bei europäischen Entfernungen 72
Wegemessung auf Karten ....
73
Ortsmittelpunkt . . . . . . . . . . .
73
Entfernungsangaben für Landstrafsen . 74
Entfernungsangaben für Dampfschiffslinien 75
Kürzeste Strafsenverbindung zwischen zwei Orten. 75
Landkartenvervielfältigung 76
Landkartenschrift 77
Zuverlässigkeitsgrad aufsereuropäischer Landkarten 78
...
Einleitung.
Die Kunst, Abbildungen zu verviel den Karten aber sich bedeutend stei
fältigen, hat in unseren Tagen, durch gern.
mancherlei neue Erfindungen be
Für Jeden, der sich in der Lage
günstigt, aufserordentliche Fortschritte
befindet, Landkarten zu benutzen,
gemacht. Dies ist auch dem Land
wird e~ von Interesse sein, die Ent
karten wesen zu gute gekommen. Wohl
stehungsweise und den Umfang der
feile Ausgaben von Landkarten und
angedeuteten Fehler näher kennen zu
Atlanten sind deshalb gegenwärtig
lernen· es wird ihm dann nicht schwer
in allen Kreisen der Bevölkerung, in werde~ sich ein zutreffendes Urtheil
Haus , Schule und Gesc.h äftsräumen
über den Grad der Zuverlässigkeit
verbreitet. Entbehren vIele solcher
einer Karte zu bilden. Die Fehler
Karten auch der sorgfältigen Aus
entspringen einerseits aus den eigen
führung, so genügen sie doch für .den
thümlichen Schwierigkeiten, mit denen
gewöhnlichen Bedarf und erweIsen
die Aufnahme einer Gegend, die Ver
sich jede in ihrer Art, brauchbar zur
wandlung ihrer Abbildung in e~ne
Ori;ntirung für den Zeitungsleser, für
eigentliche Landkarte verbunden ~st,
das Verständnifs politischer Ereignisse,
andererseits aber und hauptsächlIch
für die Wahl eines Reiseweges, als \Veg
aus den verschiedenartigen und, wie
weiser auf der Reise selbstu. dergl. mehr.
wir später sehen werden, zum Theil mit
Wenn es jedoch auf genaue Er
einander unvereinbaren Bedingungen,
mittelung grö[serer Entfernungen.' auf
welchen der Kartenzeichner Genüge
genaue Berechnung des FläChemn?al
leisten soll, wenn er aus den topogra
tes eines Landes oder Landesthelles,
phischen Aufnahmeblättern die Ge
auf gen aue Bestimmung der Luftlinie
sam mt karte eines Landes, aus den
(des kürzesten Weges) zwischen zwei
Einzelkarten verschiedener Länder die
Orten ankommt, so zeigt es sich, da[s
Karte eines Erdtheiles zusammenstellt.
nicht blofs die weniger sorgfältig aus
Bei der Herstellung der Landkarten
geführten, sondern sämmtliche. Land
kommen folgende Hauptverrichtungen
karten mit Fehlern behaftet smd -
in Betracht:
Fehlern, die bei kleinen Karten vom
Umfange weniger Grade zwar kaum I . die Aufnahme der Gegend, d. i.
in Betracht kommen, bei gröfseren, die Herstellung eines verkleinerten
ganze Länder und Erdtheile umfassen- Grundrisses derselben;
2 Landschaftliche Abbildungen.
2. die Bestimmung der Himmels erhabenen Standpunkt lohnt die auf
gegend und die Angabe derselben gewendete Mühe. Für heute geben wir
auf der Karte; uns diesem Genufs nur nebenbei hin,
3. die Einzeichnung der Meridiane prüfen dagegen mit um so aufmerk
und Parallelgrade. samerem Blick die Lage und die
Zu diesen Verrichtungen, von Gröfsenverhältnisse der Gegenstände
denen die erste in's Gebiet der unter uns.
Geodäsie, die beiden anderen in's Ganz in der Nähe, fast senkrecht
Gebiet der Astronomie fallen, und unter unserem Auge, liegt eine kleine
durch welche zunächst top 0 g r a Stadt. Wir sehen auf die Dächer
p his ehe S p e cial kartengeschaffen der Häuserreihen und zwischen den
werden, gesellt sich, wenn es sich selben hindurch auf das Pflaster
um Karten handelt, welche gröfsere fast sämmtlicher Strafsen und Plätze.
Ländergebiete umfassen, noch eine Das Bild erscheint uns wie ein Städte
mit besonderen Eigenthümlichkeiten plan aus einem Baedeker'schen Reise
behaftete Arbeit, nämlich handbuch. In der Nähe liegt ein
4- die Anfertigung eines Gradnetzes, Dorf. Dasselbe gewährt schon einen
welches die topographischen Einzel weniger übersichtlichen Anblick. Die
karten oder deren Verkleinerungen vorderen Gebäude verdecken zum Theil
in sich aufzunehmen bestimmt ist die dahinter liegenden; wir sehen von
und für besondere Zwecke der den letzteren nur die Dächer. Ob die
Karte zuweilen auf recht umständ Strafsen gepflastert sind oder nicht,
liche Weise berechnet werden mufs. bleibt uns verborgen, weil unser Blick
Hiernach will es auf den ersten den Boden nicht erreicht; eine Linde
Blick scheinen, als ob das Gebiet, verdeckt fast vollständig den einzigen
welches zu betreten wir uns an freien Platz am Brunnen des Dorfes.
schicken, für den Laien unzugänglich Von einem zweiten, noch weiter
sei, weil es verbarrikadirt ist mit entfernten Dorfe sehen wir nur die
mathematischen Lehrsätzen und For äufseren Umrifslinien, von der hinter
mein, die der sphärischen Trigono einer ganz mäfsigen Anhöhe gelegenen
metrie, der Integral- und Differential Stadt nur die Kirchthurmspitze.
rechnung angehören. Wir wollen je Wir erheben uns höher in die
doch diese Barrikaden zu überfliegen Lüfte. Von dem neuen, doppelt so
suchen und bedienen uns zunächst hohen Aussichtspunkt übersehen wir
dazu des Luftballons. Derselbe ge mehrere bei einander liegende Thäler,
währt uns aus derVogelperspective die darin gebetteten Strafsen und
einen landschaftlichen Ueberblick, wel Plätze, ihre Bäche und Gräben. Wenn
cher die zuerst zu behandelnde Auf wir aber den Blick weiter schweifen
gabe, die Aufnahme einer Gegend, zu lassen, so stofsen wir auch hier bald
erläutern wohl geeignet ist. auf Ortschaften, die sich in einander
Steigen wir deshalb ein in das un schieben und gegenseitig verdecken,
gewohnte Gefährt! Wer aber Be so dafs von Ueberblick und Einblick
denken trägt, eine solche Fahrt zu in dieselben keine Rede mehr sein
unternehmen, der erklimme einen kann.
hoch und steil gelegenen Aussichts Durch nochmalige Erhöhung unseres
punkt - vielleicht den Königstein Standpunktes würden wir wohl einen
oder den Rigi, oder auch, der Scheffel weiteren Theil des äufseren Gesichts
sehen Dichtung zu Liebe, den Hohen kreises dem Mittelpunkt unter uns
twiel. Der herrliche Umblick von dem näher rücken und fast senkrecht über-
Vogelperspective.
3
sehen können, immer aber würden Auge zeigen, umsomehr, als gerade
die am Rande belegenen Gegenstände diese Methode für den praktischen
in einander geschoben erscheinen. Sie Gebrauch und für die damalige Auf
würden nur ihre Silhouette, nicht ihren bewahrungsweise - das Aufwickeln
Grundrifs erkennen lassen, weil sie der Zeichnungen und Schriften auf
von unseren Sehstrahlen nicht senk Stäbe - sehr wohl geeignet erscheinen
recht, sondern schräg getroffen werden. mufste.
Nur wenn wir von sehr grofser Auf den Landkarten des vorigen
Höhe, etwa vom Monde herab, auf Jahrhunderts zeigt sich zwar das Be
die Erde blicken könnten, würden streben, Länder und Flüsse im richti
sämmtliche Sehstrahlen nahezu parallel gen Grundrifs anzugeben, jedoch er
mit einander den Erdboden treffen. scheinen Städte, Thürme, Windmühlen
Eine so aufgenommene Karte würde u. s. w. noch in völligem Schattenrifs,
den richtigen Grundrifs zeigen, wenn die Gebirgszüge gleichen einseitig be
die Erde eine flache Tafel wäre, oder schienenen Hügeln u. s. w.
wenn wir unsere Betrachtung auf ein Auch in neuerer Zeit ist die Methode
Theilstück derselben von wenigen der Vogelperspective noch gepflegt
Graden Ausdehnung beschränkten, worden, zwar weniger zu eigentlicher
dessen geringe Wölbung so wenig in Landkartendarstellung , als zu maleri
Betracht käme, dafs es als flache Tafel schen landschaftlichen Abbildungen.
gelten könnte. Wir werden diesen Fall Ein solches Werk, in mühsamster
später bei Besprechung der Gradnetze Weise ausgeführt, ist )) Delleskamps
weiter verfolgen. malerisches Relief des klassischen Bo
Für jetzt haben wir als Ergebnifs dens der Schweiz, Frankurt M. 1830«
unserer Luftballonbetrachtungen die (in der Bibliothek des Reichs-Postamts
Ueberzeugung gewonnen, dafs durch befindlich). Hier sind auf 9 Blättern
naturgetreue Abbildung von einem die Gegenden um und zwischen
hohen Standpunkt aus zwar ein land Züricher und Vierwaldstätter See bis
kartenartiges Bild, aber nicht eine in Meiringen wiedergegeben, wie man sie,
allen Theilen richtige Landkarte her im Luftballon darüber hinfahrend, er
gestellt werden kann. Dessenungeachtet blicken würde. Die äufserst anschau
haben wir diese Methode zum Aus liche Darstellung, eine Verschmelzung
gangspunkte gewählt, weil sie als die von Landkarte und Panorama, ge
natürlichste erscheint, auf welche die währt nicht allein demjenigen, der
Menschen zuerst verfallen mufsten. Eine jene Gegenden bereits besucht hat,
der ältesten auf uns gekommenen durch ihre malerische Plastik den
Karten, die sogenannte Tabula itine Genufs angenehmer Rückerinnerung,
raria Peutingeriana, eine aus dem sondern ist auch für die Reise wohl
fünften Jahrhundert n. ehr. stammende verwendbar, obgleich die Karten die
Strafsenkarte des römischen Reichs, von Anlegung eines einheitlichen Mafsstabes
welcher sich zwei später bearbeitete Aus nicht gestatten und mit allen solcher
gaben im Reichs-Postmuseum befinden, Darstellung eigenen Mängeln behaftet
hat ihre merkwürdige Darstellungsweise sind. Namentlich giebt das Bestreben
- die enge, bandwurmartige Anein des Zeichners, auch die steilen Berg
anderschiebung der Flüsse und Strafsen wände mit den hinauf klimmenden
- vielleicht dem naiven Bestreben Wegen und den herabstürzenden
des Zeichners zu verdanken, die Gegen Bächen zur vollen Anschauung zu
stände so abzubilden, wie sie sich von bringen, den Bergabhängen eine über
einem hohen Standpunkte aus dem triebene Breite, und da die Gebirgs-
1*