Table Of ContentMedien · Kultur · Kommunikation
Mathis Danelzik
Kulturell sensible
Kampagnen gegen
Genitalverstümmelung
Strategische und ethische
Herausforderungen
Medien • Kultur • Kommunikation
Herausgegeben von
A. Hepp, Bremen, Deutschland
F. Krotz, Bremen, Deutschland
W. Vogelgesang, Trier, Deutschland
M. Hartmann, Berlin, Deutschland
Kulturen sind heute nicht mehr jenseits von Medien vorstellbar: Ob wir an unsere
eigene Kultur oder ,fremde’ Kulturen denken, diese sind umfassend mit Prozes
sen der Medienkommunikation verschränkt. Doch welchem Wandel sind Kul
turen damit ausgesetzt? In welcher Beziehung stehen verschiedene Medien wie
Film, Fernsehen, das Internet oder die Mobilkommunikation zu unterschiedlichen
kulturellen Formen? Wie verändert sich Alltag unter dem Einfluss einer zuneh
mend globalisierten Medienkommunikation? Welche Medienkompetenzen sind
notwendig, um sich in Gesellschaften zurecht zu finden, die von Medien durch
drungen sind? Es sind solche auf medialen und kulturellen Wandel und damit ver
bundene Herausforderungen und Konflikte bezogene Fragen, mit denen sich die
Bände der Reihe „Medien • Kultur • Kommunikation“ auseinandersetzen. Dieses
Themenfeld überschreitet dabei die Grenzen verschiedener sozial und kulturwis
senschaftlicher Disziplinen wie der Kommunikations und Medienwissenschaft,
der Soziologie, der Politikwissenschaft, der Anthropologie und der Sprach und
Literaturwissenschaften. Die verschiedenen Bände der Reihe zielen darauf, ausge
hend von unterschiedlichen theoretischen und empirischen Zugängen, das kom
plexe Interdependenzverhältnis von Medien, Kultur und Kommunikation in einer
breiten sozialwissenschaftlichen Perspektive zu fassen. Dabei soll die Reihe s owohl
aktuelle Forschungen als auch Überblicksdarstellungen in diesem Bereich zugäng
lich machen.
Herausgegeben von
Andreas Hepp Waldemar Vogelgesang
Universität Bremen Universität Trier
Bremen, Deutschland Trier, Deutschland
Friedrich Krotz Maren Hartmann
Universität Bremen Universität der Künste (UdK)
Bremen, Deutschland Berlin, Deutschland
Mathis Danelzik
Kulturell sensible
Kampagnen gegen
Genitalverstümmelung
Strategische und ethische
Herausforderungen
Mathis Danelzik
Tübingen, Deutschland
Gießener Dissertation im Fachbereich Sozial und Kulturwissenschaften, 2012
Preisträger der DGPuKTagung in Mainz 2013
Medien • Kultur • Kommunikation
ISBN 9783658027834 ISBN 9783658027841 (eBook)
DOI 10.1007/9783658027841
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National
bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Springer VS
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2016
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die
nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung
des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen und MarkenschutzGesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa
tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind.
Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder
implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Springer VS ist Teil von Springer Nature
Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Für Anni und Franz
VII
Inhalt
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Erste Annäherung an das Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1 .2 Desiderata des Diskurses um
‚kulturell sensible‘ Kampagnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.3 Forschungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.4 Theoretische Verortung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.5 Überblick über die einzelnen Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.1 Relevanz von Kampagnen zur Verhaltensbeeinflussung . . . . . . 15
2.2 Die Praktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.3 Die analysierten Kampagnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.4 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Teil A Grundzüge einer alternativen Perspektive
3. ‚Kulturelle Sensibilität‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.1 Postkoloniale Kritik an FGC-Diskurs und Kampagnen . . . . . . . . 41
3.2 Das Ideal der ‚kulturellen Sensibilität‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
3.3 ‚Kulturelle Sensibilität‘ als Leitbild von Kampagnen . . . . . . . . . . 62
3.4 Einwände gegen das Ideal der ‚kulturellen Sensibilität‘ . . . . . . . 69
3.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4. Ansätze gegen FGC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
4.1 Einflussreiche strategische Ansätze gegen FGC . . . . . . . . . . . . . . 76
4.2 Fazit – eine Synthese verschiedener Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
5. Kontingenz, Kultur und Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
5.1 Sozio-kultureller Konstruktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
5.2 Macht, Hegemonie und Inkommensurabilität . . . . . . . . . . . . . . . 125
5.3 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
6. Eine alternative Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
6.1 Das offizielle und inoffizielle Skript der Kampagnen . . . . . . . . . 152
6.2 Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
6.3 Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
6.4 Ausblick auf Teil B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Teil B Herausforderungen und Lösungsversuche
7. Widerstand gegen Kampagnen und Strategien
der Beziehungspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
VIII Inhalt
7.1 Widerstand in den Zielgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
7.2 Strategien der Beziehungspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
7.3 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
8. Chancen und Inkommensurabilität von Botschaften . . . . . . . . 234
8.1 Erfolge und Schwierigkeiten von Gesundheitsbotschaften . . . . . 235
8.2 Inkommensurable Botschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
8.3 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
9. Der strategische Umgang mit
inkommensurablen Geltungsformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
9 .1 Tradition – Gestaltung und Untergrabung
einer Geltungsformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
9.2 Religion – strategische Bezüge auf höchste Autorität . . . . . . . . . . 314
9.3 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
10. Implizite Werte und unintendierte Effekte von Kampagnen . 341
10.1 Implizite Werte von Kampagnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
10.2 Unintendierte Effekte von Botschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
10.3 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
11. Die strategische Veränderung von Anreizen . . . . . . . . . . . . . . . . 369
11.1 Anreize, mit den Kampagnen zu interagieren . . . . . . . . . . . . . . . 370
11.2 Anreize gegen FGC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380
11.3 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
12. Die strategische Veränderung
der Praktik, der Entscheidungsstrukturen
und Thematisierungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
12.1 Beeinflussung von Thematisierungsnormen
und Entscheidungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
12.2 Ethische Implikationen der Veränderungen der Praktik . . . . . . . 413
12.3 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
13. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
13.1 Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428
13.2 Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
13 .3 Über Kampagnen gegen
‚schädliche traditionelle Praktiken‘ hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
IX
Abbildungen
Synthese verschiedener Ansätze
inklusive notwendiger Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Graduelle Unterschiede in der Relevanz
von inhaltlichen und prozeduralen Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
Tabellen
Charakteristika von drei Ansätzen gegen FGC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Matrix der Herausforderungen von Kampagnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Eigenschaften drei idealtypischer Positionen gegenüber FGC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
Abkürzungen
AIDS Erworbenes Immundefektsyndrom
DIAC Inter-African Committee on Traditional Practices Affecting Women and
Children, Dodoma, Tanzania
FAO Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen
FGC female genital cutting
FGM female genital mutilation
FGM/C female genital mutilation/cutting
HIV Humaner Immundefekt-Virus
IAC Inter-African Committee on Traditional Practices Affecting Women and
Children
ICPD Weltbevölkerungskonferenz der Vereinten Nationen
MIAC Inter-African Committee on Traditional Practices Affecting Women and
Children, Mara, Tanzania
NGO non-governmental organisation
NRO Nichtregierungsorganisation
OHCHR Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte
TIAC Inter-African Committee on Traditional Practices Affecting Women and
Children, Tanga, Tanzania
UN Vereinte Nationen
UNDP Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen
UNFPA Bevölkerungsfond der Vereinten Nationen
UNICEF Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen
UNIFEM Entwicklungsfond der Vereinten Nationen für Frauen
WHO Weltgesundheitsorganisation
1
1. Einleitung links: Einleitung
Im Juli 2009 begleite ich eine Reihe von AktivistI nnen, die eine Kampagne
gegen female genital cutting (FGC)1 und andere sogenannte ‚schädliche tra-
ditionelle Praktiken‘ organisieren, welche in mehreren Dutzend Dörfern
in Zentraltansania stattfindet. In einem der Dörfer hat eine Gruppe von
Kindern und Jugendlichen mit AktivistI nnen aus dem Dorf Lieder und
Tänze zum Thema eingeübt, die sie auf einer Veranstaltung der Kampagne
am nächsten Tag aufführen wollen. Die Aktivist Innen nehmen sich die Zeit
für eine Generalprobe . Am Ende dieser Probe überraschen die Jugendlichen
mit einem Theaterstück, welches sie ohne AktivistI nnen, sondern mit Hilfe
von anderen Dorfeinwohnern einstudiert haben . Es handelt von einer
Gruppe von Kindern, die nachts durch Hexerei zur Feldarbeit gezwungen
wird und tagsüber ihren Eltern erschöpft ihre Schmerzen klagt . Schließlich
entdecken die Eltern den Grund für das Leid ihrer Kinder und vertreiben
den bösen Zauberer mit Gegenmagie von einem anderen. Am Ende sitzt
die gesamte Familie glücklich um die Feuerstelle . Auf Nachfrage erklärt
ein Mädchen die Bedeutung des Stückes: Es gebe böse Menschen, die
Magie verwendeten um andere Menschen zu versklaven .
Eine der Aktivist Innen beglückwünscht die Mädchen und erzählt, dass
schwarze Magie vorkomme und man mit den schlechten Auswirkungen
leben müsse . Sie fragt, wie man dieses Übel stoppen könne und beantwor-
tet die Frage selbst: Das einzige Mittel seien Gebete. Sie stellt mit den Mäd-
chen erneut die Schlafzimmerszene nach und instruiert sie . Wenn der
Hexer kommt, müsse man ihm den Namen des Herrn entgegen schleu-
dern. Der Zauberer sei mit dem Teufel im Bunde. Doch der Name Gottes
werde den Teufel vertreiben. Die Aktivistin setzt fort, dass der Teufel schei-
tern würde, wenn die Mädchen Jesus als Retter akzeptierten. Ein kleines
Mädchen könne mit dem Namen des Herrn tausend Teufel vertreiben . Die
1 Dieser Begriff bezeichnet eine Reihe von Praktiken, die in Deutschland besser als
‚weibliche Genitalverstümmelung‘ oder ‚weibliche Beschneidung‘ bekannt sind . Die
Gründe für die Wahl dieses englischen Begriffes werden in Kapitel 2.2 erläutert.
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2016
M. Danelzik, Kulturell sensible Kampagnen gegen Genitalverstümmelung,
Medien (cid:129) Kultur (cid:129) Kommunikation, DOI 10.1007/978-3-658-02784-1_1