Table Of ContentNaika Foroutan
Kulturdialoge zwischen dem Westen
und der islamischen Welt
SOZIALWISSENSCHAFT
Naika Foroutan
Kulturdialoge zwischen
dem Westen und der
islamischen Welt
Eine Strategie zur Regulierung
von Zivilisationskonflikten
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Bassam Tibi
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Ober <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
Dissertation Universitat Giittingen, 2004
1. Auflage Dezember 2004
Aile Rechte vorbehalten
© Deutscher Universitats-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2004
Lektorat Ute Wrasmann / Dr. Tatjana Rollnik-Manke
Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.
www.duv.de
Das Werk einschliel3lich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschOtzt.
Jede Verwertung aul3erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes
ist ohne Zustimmung des Verla.9s unzulassig und strafbar. Das gilt insbe
sondere fOr Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
waren und daher von jedermann benutzt werden dOrften.
Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main
Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
ISBN-13: 978-3-8244-4604-9 e-ISBN-13: 978-3-322-81363-3
001: 10.1007/978-3-322-81363-3
Meiner Mutter Magdalena Foroutan
als Dank fur ihren vorgelebten Kulturdialog
Geleitwort
In der deutschen politischen Kultur von Pro und Contra wird die Formel des Harvard Profes
sors S.P. Huntington vom "Clash of Civilizations" falsch mit "Kulturkampf' iibersetzt. Die
eine Partei predigt Harmonie und bestreitet die Existenz von Konflikten, die andere damoni
siert den Fremden. Durch ihre kulturell vielfaltige Herkunft und ihren Status als Migrantin
bereichert Frau Naika Foroutan mit der vorliegenden Arbeit die Diskussion, indem sie das
Pro- und Contra-Niveau iiberwindet und den Gegenstand angemessen und scharfsinnig an
geht. Frau Foroutan weiB, dass es Zivilisationskonflikte gibt, zugleich erkennt sie, dass diese
friedlich durch Kulturdialog als Mittel der Konfliktlosung bewiiltigt werden konnen. Als Be
treuer dieser mit summa cum laude bewerteten Dissertation, bin ich stolz darauf, dass sie an
der von mir geleiteten Abteilung fur Intemationale Beziehungen der Universitat Gottingen
entstanden ist.
Die Entstehung der Arbeit hat eine Vorgeschichte: Im Jahr 1999 fragte Naika Foroutan an, ob
sie bei mir zum Thema Kulturdialog promovieren konnte. Ich lehnte sie zuerst ab, da sie nicht
bei mir studiert hatte und ich ihre Leistungen nicht abschlitzen konnte. Sie gab nicht auf und
hat dann nach ihrem Studienabschluss in Koln freiwillig bei mir sechs Seminare besucht.
Hierdurch und auch nach ihrer Mitwirkung an zwei Forschungskolloquien hat sie mich von
ihrer fachlichen Kenntnis und ihrem theoretisch und methodisch begriindeten Wissensstand so
iiberzeugt, dass ich mich entschloss, sie im Jahr 2000 als Doktorandin in meinen engen Kreis
aufzunehmen, obwohl ich bedingt durch meine intemationale Aktivitat zeitlich stark einge
grenzt bin und grundsatzlich keine universitatsfremden Doktoranden annehme. Die Kompe
tenz und die gewinnende Personlichkeit von Frau Foroutan sowie ihr intellektuelles Vermo
gen und ihre Disziplin bei der Forschungsarbeit haben diese Abteilung bereichert.
Das vorliegende Thema war zum Zeitpunkt der Aufnahme noch von geringem politischen
Interesse f1ir die Ausrichtung der intemationalen Weltordnung. Doch hat Frau Foroutan von
Anfang an klargemacht, dass Kulturdialog ein Begriff ist, der f1ir die Intemationalen Bezie
hungen erst operationalisiert werden musste. Da Frau Foroutan sich mit der Entwicklung des
intemationalen Systems seit der Auflosung der Struktur der Bipolaritat auseinandersetzt, sah
sie in dessen Entwicklung Zivilisationen zum neuen Gegenstand internationaler Konflikte
avancieren, obwohl deren Einheit nur perzeptuell und durch das Vorhandensein gemeinsamer
Weltanschauungen und Werteorientierung besteht. Sieht man vom Staatenblock der islami
schen Zivilisation als Organization of the Islamic Conference (OIC) ab, dann kann man gene
rell sagen, dass Zivilisationen nicht als Akteure in der intemationalen Politik auftreten kon
nen. Dies wusste Frau Foroutan, erkannte jedoch sehr richtig, dass heute -trotz der angefuhr
ten Einschrankung - Zivilisationskonflikte das zentrale Konfliktpotential in der Weltpolitik
bilden. Wie bereits einleitend bemerkt, hat sich Frau Foroutan von zwei anderen Positionen,
vrn Geleitwort
namlich von der Clash-These Huntingtons und von der Auffassung, dass solche Konflikte
nicht liisbar sind, abgegrenzt und produktiv neue Wege aufgezeigt.
Frau Foroutans Erkenntnisinteresse richtete sich dagegen auf das Erkunden der Moglichkeiten
fur eine Steuerung und Regulierung der spatestens nach dem 11. September weltweit als be
drohlich anerkannten interzivilisatorischen Konflikte. Sie baut die These yom "democratic
peace" in ihre Untersuchung ein, und aus diesem Grund sieht sie in einer Demokratisierung
die Voraussetzung fur den Frieden zwischen den Zivilisationen. Bereits in der Einleitung ver
arbeitet Frau Foroutan nicht nur den weltpolitischen Wandel zur Postbipolaritat, sondern er
kennt dariiber hinaus auch die als neue Fakten auftretenden Krafte von Religion, Kultur und
Ethnizitat in der Weltpolitik. Besonders richtet sie ihr Augenmerk auf den religiosen Funda
mentalismus als neuen weltpolitischen Faktor. Beim hierauf bezogenen Konflikt geht es urn
die Frage, welche Ordnung die postbipolare Welt haben wird. Wird die Westphiilische Ord
nung souveraner Staaten fortbestehen oder wird sie, wie islamische Fundamentalisten es an
streben, durch eine Pax Islamica als islamische Weltordnung abgelost? Schon die Erkenntnis
der mit diesen Optionen zusammenhangenden Konfliktpotentiale fuhrt Frau Foroutan weg
von der lllusion der Standardisierung, die die Globalisierung angeblich mit sich bringt. In der
vorliegenden Arbeit wird die Spannung zwischen struktureller Globalisierung und normativ
wertebezogener Universalisierung beleuchtet. Auf dieser Grundlage wird eine kulturelle
Fragmentation (Zerfall von Konsens tiber weltpolitische Werte und Ordnungsvorstellungen)
erkannt, die ungeheure Konfliktpotentiale hervorruft. Diese pragten die Post-Bipolaritat. Eth
nische und fundamentalistische Bewegungen werden von Frau Foroutan als Trager dieser
Konfliktpotentiale erkannt. Hier ist eine Polarisierung am Werk. Diese Erkenntnis ftihrt in den
zweiten Schritt der Analyse, namlich dem der Suche nach einem Instrumentarium ftir eine
"conflict resolution".
Zentral in der Arbeit von Frau Foroutan ist die Erkenntnis, dass der interzivilisatorische Dia
log den Weg zum Frieden bietet; sie hat ein wissenschaftlich fundierteres Verstandnis von
Dialog, also nicht das, was die "Kirchen" unter Dialog verstehen. Dieses zweite Kapitel bildet
den Kern der gesamten Arbeit und ist als eine originelle hervorragende Leistung zu qualifizie
ren. Sehr richtig schreibt Frau Foroutan: "Die gemeinsame Sprache ist sowohl Mittel als auch
Ziel der Verstandigung". Dies setzt den Dialog als Diskurs voraus; so ist sicherzustellen, dass
man unter Frieden nicht etwa das, was orthodoxe Muslime meinen (islamische Weltherr
schaft), sondern Leben und leben lassen im Rahmen von Pluralismus und kulturtibergreifen
der Moralitat versteht.
Eindrucksvoll wird gezeigt, dass es beim Dialog urn einen Mechanismus der friedlichen Kon
fliktlosung geht, wobei das Vorhandensein einer kulturiibergreifenden Moralphilosophie vor
ausgesetzt wird. Dann werden Ansatze zur Konfliktregulierung, "mediation" durch eine "drit
te Partei" (third party approach) diskutiert, die einen Wertekonsens einschlieBen. Gewiss
Geleitwort IX
konnen demokratiseh gesinnte Konfliktparteien besser miteinander Dialog fUhren. Diese Ein
sieht fUhrt in den dritten und absehlieBenden Teil der Dissertation. Die Leitfrage lautet: Wird
die dritte Welle der Demokratisierung die Welt des Islam erreiehen? Frau Foroutan ist der
Auffassung, dass dies einen Transformationsprozess erfordert. Dabei kommt sie zu dem Er
gebnis, dass Demokratie mit dem Islam vereinbar ist, wenn die Voraussetzungen hierflir er
fUllt werden.
Die politikwissensehaftliehe Relevanz dieser Arbeit liegt darin, dass die zwanghafte und aus
wegslose Prognose des Zusammenpralls der Kulturen hierin entkraftet wird und ein Konzept
fUr eine Neuausriehtung auBenpolitiseher Handlungsmaximen mittels inter-zivilisatorisehem
Kulturdialog wissensehaftlieh fundiert erarbeitet wurde. Diese Arbeit lasst einen bedeutsamen
Beitrag zur Forsehung erwarten und ihr ist tiber diese wissensehaftliehe Anerkennung aueh
eine politisehe und aufklarerisehe Wirkung zu wtinsehen.
Es war nieht nur ein intellektueller Gewinn, sondern aueh eine eehte Freude, die Arbeit von
Frau Foroutan in den Jahren 2000-2003 zu betreuen und das exzellente Ergebnis mit Genuss
und Bereieherung zu lesen; Die vorliegende Dissertation ist auf allen Ebenen eine exzellente
Forsehungsleistung, was unsere Fakultat dureh das Pradikat summa cum laude zum Ausdruck
gebraeht hat. Ich wtinsehe Frau Foroutan viele aufmerksame Leser.
Prof. Dr. Bassam Tibi
Universitat Gottingen und
Zugleieh A.D. White Professor-at-Large, Cornell University,
z.Zt. Gastprofessor an der Harvard University
Vorwort
Ais Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter lebte ich II Jahre meines
Lebens in Teheran und musste mit meiner Familie Iran in den Wirren des Krieges und der
politischen UmwaIzungen 1983 verlassen - vier Jahre nach der islamischen Revolution. In
Deutschland lieB mich die Trauer meiner Eltem urn die verlorene Heimat nicht los und scharf
te meinen Blick fur die Entwicklung und die langsame Transformation des neuen islamischen
Staates. Ich betrachtete rnich als Kind der Revolution, erinnerte mich an den Idealismus, mit
dem sie einhergegangen war, an die Visionen einer Umwandlung Irans von einer diktatori
schen Monarchie zu einer freiheitlichen Republik. Die Diktatur der Geistlichkeit war von den
meisten Verfechtem der Revolution nicht vorhergesehen worden, umso groBer war ihre Liih
mung und der Schock dartiber, nach so vielen Mlihen flir ihr Land, kHiglich aus diesem ver
trieben zu werden und im Exil ein Leben zu fristen, dass sie selbst immer nur als provisori
schen, transitorischen Zustand betrachteten. Das politische Erwachen des Islam begann zwar
nicht erst mit der iranischen Revolution - seitdem jedoch war die Aufmerksarnkeit der westli
chen Welt flir dieses Phiinomen gesHirkt, der es allerdings nicht gelang, die Entwicklung und
die Radikalisierung der islamischen Welt richtig einzuschatzen. Der zutiefst verwurzelte Hass
auf den Westen grlindete auf einer Zeit der kolonialen und semikolonialen Ausbeutung, die
teilweise bis in die 1980er Jahre anhielt und erst mit der iranischen Revolution wurde das
Bewusstsein dafur geschlirft, dass der Westen auch vertrieben werden konne. Mit Afghanistan
und dem Kampf gegen die Sowjetunion setzte sich diese islamische Identitatsbildung weiter
fort, die sich vor aHem durch Abgrenzung definierte. Diese Abgrenzung hat sich teilweise bis
in die inneren Gesellschaftsschichten des Westens hineingefressen, wo der islamische Hass
auf westliche Ignoranz prallte und am 11. September 2001 eskalierte. Zu dieser Zeit hatte es
bereits Wamungen vor solchen Zivilisationskonflikten gegeben, aber leider keine Hand
lungsmaBnahmen, wie sie behoben werden konnten.
Mir selbst war schon fruh bewusst geworden, dass die flir mich selbstverstandliche Verein
barkeit zweier Zivilisationen nicht immer den auBeren Realitaten entsprach. Klischees und
Vorurteile liber den Islam im Allgemeinen und den Muslimen als ruckstandigen Drittweltblir
gem, begegnete ich immer wieder. Wollte ich diese Vorurteile abbauen, so wurde mir klar,
dass ich beides analysieren musste: den Hass und die Ignoranz. Dabei wurde mir bewusst,
dass ich zu vielen Dingen, die die islarnische Welt betrafen, selbst keinen Bezug hatte und
dass es eines hohen MaBes der Beschaftigung mit den politischen, religiosen und gesellschaft
lichen Zusammenhangen bedarf, urn das Verstandnis verschiedener Zivilisation fureinander
zu wecken. Diese Erkenntnis fuhrte zu dem Bedlirfnis, die Moglichkeiten zivilisatorischer
Annaherung und des Dialoges ausfuhrIich zu erforschen.
XII Vorwort
Die Veriiffentlichungen meines Doktorvaters Prof. Bassam Tibi, in denen er aus einer polito
logischen Warte inter-zivilisatorische Konflikte analysierte, und im Gegensatz zu Huntington
auch Vorschllige zu ihrer Regulierung erarbeitete, machten mich im Laufe meines Studiums
darauf aufmerksam, dass sehr wohl Gedankenmuster zu einer Gleichwertigkeit der Zivilisati
onen existierten, und auch VorsteUungen von einem dialogisch zu erarbeitenden Wertekon
sens, was beides abbauen konnte: den Hass und die Ignoranz. Besonders die persiinlichen
Gespriiche, in denen Prof. Tibi mich in die Thematik, die Entstehung und die Gefahren des
islamischen Fundamentalismus einflihrte, gaben mir den wissenschaftlichen Riickhalt, meine
Dissertation iiber inter-zivilisatorische Kulturdialoge zwischen dem Westen und der islarni
schen Welt zu schreiben. Ohne seine stetige Beurteilung und Unterstiitzung ware diese Arbeit
wohl niemals entstanden. Auch in schwierigen Phasen des Projektes stand mir Prof. Tibi im
mer mit seinem kritischen und informierten Rat zur Seite. Von seinen persiinlichen Erfahrun
gen, seinem Engagement f1ir dieses Themengebiet und seinem unenniidlichen Einstehen f1ir
die Aufwertung der Kulturdialoge in den Internationalen Beziehungen habe ich sehr profitiert.
Hierfiir schul de ich ihm den griiBten Dank.
Ganz herzlich bedanke ich mich auch bei Prof. Heinz-Georg Marten fur seine Bereitschaft, als
Zweitgutachter die Dissertation zu betreuen. Prof. Irene Schneider danke ich f1ir ihre spontane
Kooperationsbereitschaft und ihre weit dariiber hinausgehende Hilfsbereitschaft.
Mein Dank gilt aber auch all jenen meinen Freunden, die mich durch ihr Interesse an dem
Projekt immer wieder ermutigten und mir beim zlihen Korrekturlesen geholfen haben. Meine
Eltern Bahman und Magdalena Foroutan und meine Geschwister Nikolai und Melika, die mir
stets mit Fiirsorge zur Seite standen, wissen wie sehr ich Ihnen dankbar bin, besonders wegen
Ihres Stolzes, der mich auch in Zeiten des Zweifelns angespornt hat, weiter zu schreiben.
Meinem Mann Dirk Zimmennann danke ich vor aHem f1ir seine Geduld, sein Verstiindnis und
sein groBes Herz.
AbschlieBend mochte ich noch der FAZIT-Stiftung danken, die mich 18 Monate mit einem
Stipendium unterstiitzt hat und es mir dadurch enniiglicht hat, in dieser Zeit intensiv die Re
cherche und das Grundgeriist der Arbeit aufzubauen.
Naika Foroutan