Table Of ContentHeidelberger Taschenbiicher Band 82
R. Siiss . V. Kinzel· J. D. Scribner
KREBS Experimente und
Denkmodelle
Eine elementare Einfiihrung
in Probleme der
experimentellen Tumorforschung
Mit 55 zweifarbigen Abbildungen
Graphische Gestaltung H. E. Baader
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York
1970
Dr. rer. nat. R. Suss· Dr. med. V. Kinzel· H. E. Baader
Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg
J. D. Scribner, Ph. D.
McArdle Laboratory for Cancer Research, Madison, Wisconsin, USA
ISBN-13: 978-3-540-05155-8 e-ISBN-13: 978-3-642-65071-0
DOl: 10.1007/978-3-642-65071-0
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einbaren ist. © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1970. Library of Congress Catalog Card Num
ber 75-133 367.
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berechtigt auch ohne besondere Kennzeiehnung nieht zu der Annahme, daB solehe N amen im Sinne
der Warenzeiehen- und Markensehutz-Gesetzgebung als frei zu betraehten wilren und daher von
jedermann benutzt werden durften
Vorwort
Dieses Buchlein sollte eigentlich im Urlaub gelesen werden, zum spaS. Zuge
geben, Krebs ist eine todernste Sache im wahrsten Sinne des Wortes, und
Krebsforschung gehort vor allem zur Medizin, mit Hippokrates im Hinter
grund. Krebsforschung ist aber auch eine Naturwissenschaft und als solche
verschafft sie die gleichen Freuden und Leiden wie jede Naturwissenschaft.
D~s Krebsproblem ist eben auch eine Denksportaufgabe, eine Herausforde
rung fUr Neugierige.
Dieser einfUhrende Bericht uber die "Experimentelle Krebsforschung"
wendet sich daher an neugierige Studenten vieler Fakultaten: an Medizin
studenten naturlich ganz besonders, aber auch an Chemiker und Physiker,
die sich fUr biologische Phanomene interessieren; Biologiestudenten konnten
in einem vermeintlich medizinischen Fach eigenen Problemen wiederbegegnen.
Wir haben versucht, einigermaBen "voraussetzungslos" zu schreiben,
denn ein Chemiker kennt sich so gut wie nieht in der Medizin aus, und ein
Mediziner hat nur wenig Ahnung von chemischen Fragestellungen, die fUr
die Experimentelle Krebsforschung wiehtig sind. Wir wollten keineswegs
einen vollstandigen Oberblick geben, und aus der groBen Zahl verschiedener
Entwicklungslinien haben wir nur einige ausgewahlt. Gleich vorweg: Die
Chemotherapie z. B. wurde stiefmutterlich behandelt, auch die RNA-Tumor
viren, obwohl vielleicht gerade sie fUr menschliche Tumoren besonders wich
tig sind. Krebserzeugung durch Strahlen konnte nur beilaufig erwahnt werden,
trotz der groBen praktischen Bedeutung, spates tens seit Hiroshima, und auch
die Rolle der Hormone wurde nur angedeutet. Ungeduldige Leser konnen sich
ohne groBere Schwierigkeiten einzelne Kapitel herausgreifen; der griindlichere
Leser wird es uns nachsehen, daB wir deshalb Wiederholungen nicht ganz
vermieden haben.
Fur diagonales Lesen und kritische Durchsieht einzelner Abschnitte dan
ken wir H. Lettre, E. Hecker, D. Schmahl, F. Dallenbach und K. Goerttler
(Heidelberg), H. Friedrich-Freksa, H. Uehleke und H. Bauer (Tubingen) und
F. Anders (GieBen). Besonders anregend waren fUr uns Gesprache mit unse
ren Kollegen G. Kreibich, M. Traut, H. Fischer, F. Marks und R. Zell, die sich
der Muhe unterzogen, das ganze Manuskript durchzusehen. Dem Verein zur
Forderung der Krebsforschung in Deutschland (Prof. K. H. Bauer) danken
wir fUr eine Beihilfe zur Erstellung der Graphiken.
Heidelberg, im September 1970 R. Suss V. Kinzel J. D. Scribner
v
Inhalt
Krebsforschung als Naturwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
Experimentelle Krebsforschung: Biologle der Wachstumsregulatlon XIX
Ein erster Schritt: Die Aufklarung des Teerkrebses 1
Experimentelle Tumorforschung vor Yamagiwa . . . . . . . 2
Yamagiwa und Ichikawa erzeugen die ersten experimentellen Tumoren 3
Einige wenige Gramm 3,4-Benzpyren aus zwei Tonnen Teer ..... 4
Polycyclische Kohlenwasserstoffe konnen mehr als Hauttumoren
erzeugen ................ . . . . . . . . . .. 4
Theorien zum chemischen Mechanismus der Kohlenwasserstoff-
Carcinogenese ........................ 6
Polycyclische Kohlenwasserstoffe werden an Proteine gebunden 8
Proteine konnten Wachstumsregulatoren sein . . . . . 8
Polycyclische Kohlenwasserstoffe reagieren auch mit DNA 9
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Aromatische Amine: Aktivlerung 1m Stoffwechsel 10
Anilinkrebs: Anilin seiber ist unschuldig . . . . 10
Buttergelb und die carcinogenen Azofarbstoffe 12
Acetylaminofluoren, ein verhindertes Insektizid 13
Nicht alle Aminoazofarbstoffe sind carcinogen . 13
Die aromatischen Amine werden erst im Stoffwechsel zu Carcinogenen
umgewandelt ............................ 13
Ortho-Ring-Hydroxylierung: Erhohung der Carcinogenitat . . . . .. 15
N-Hydroxylierung, ein wohl notwendiger, aber nicht ausreichender
Schritt zur Aktivierung aromatischer Amine . . . . 17
Auch Amino-Azofarbstoffe bilden N-Hydroxyderivate 18
Azofarbstoffe reagieren mit Methionin . . . . . . . 19
N-Hydroxy-ester als Endstufen der Aktivierung zum eigentiichen
Carcinogen ("ultimate carcinogens") . . . . . . . . . 21
Welche Ester sind die "ultimate carcinogens" (Wirkformen)? . . . .. 22
VII
Auch die N-Hydroxylierungs-Hypothese hat ihre Haken 22
Carcinogene aromatische Amine werden an Proteine gebunden . 23
Je sHirker das Carcinogen, urn so besser die Bindung an Proteine 23
Carcinogene aromatische Amine werden bevorzugt an hrProteine
gebunden ......................... . 24
h -Proteine sind in Hepatomen stark vermindert ...... . 26
2
h -Proteine hemmen das Wachstum von Zellkulturen (in vitro) 27
2
Zusammenfassung ...................... . 28
Chemlsche Carclnogenese niiher betrachtet: Quantitative Aspekte 29
Index carcinogenicus (Iball) ...... . 30
Dosis-Wirkungs-Kurven . . . . . . . 31
Cancerogene Wirkungen sind irreversibel 33
Carcinogenese als beschleunigter ProzeB . 34
Es gibt keine unterschwelligen carcinogenen Dosen 36
Carcinogene unterscheiden sieh in ihrem "Beschleunigungsverhalten" 37
Biologische Bedeutung der Beschleunigung ............ . 38
Latenzzeiten und Tumorausbeuten sind nieht notwendig miteinander
gekoppelt 39
Zusammenfassung 39
Mehrstufenhypothesen der Chemischen Carcinogenese . . 40
Berenblum-Experiment: Zwei Stufen fiihren zu Papillomen 40
Die Initiierung bestimmt tiber die Tumorausbeuten 41
Nicht nur Croton61 kann promovieren . . . . . . . . 42
Exkurs: Reizung und Carcil)ogenese . . . . . . . . . 42
Rous entdeckt Zwei-Stufen-ProzeB am Kaninchenohr 45
Croton61 ist keine "chemische Kneifzange" 45
Zwei Stufen reiehen nicht aus 46
Die Promotion ist reversibel . . . . . . . . 47
Die Initiierung ist irreversibel . . . . . . . 47
Allgemeingiiltigkeit der Zwei-Stufen-Hypothese ist fraglieh 49
Syncarcinogenese: Carcinogene k6nnen sieh gegenseitig vertreten 49
Syncarcinogenese oder Co-Carcinogenese: Mehr als ein Streit urn
Worte ..... 51
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Wlrtsfaktoren bel der Tumorentstehung 52
Der Weg nach Innen ........ . 54
Aktivierung der Carcinogene als Iimitierender Schritt bei der chern i-
schen Carcinogenese ...................... . 55
VIII
Gefahr rur Carcinogene: Entgiftungsreaktionen ... 57
Reaktivierung der Glucuronide im Urin: Blasenkrebs 57
Phasenregel der Carcinogenese ("Meet the phase") 58
Tumorzellen konnen "schlafen" 58
Paradoxe Einfliisse der Emahrung . . . . . . . . . 59
Hormonabhangiges Tumorwachstum ....... 60
Tumorzellen miissen die Immunabwehr unterwandem 61
Metastasen-Muster werden auch vom Wirt festgelegt 62
Zusammenfassung: Wirtsfaktoren oder die Gewinnstrategie der
Tumorentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 64
Gewebsspezlflsche Wachstumsregulatlon ("Chalone") 66
Kybemetisches Modell der gewebsspezifischen Wachstumsregulation 67
Steuerung der Leberregeneration durch humorale Hemmfaktoren 68
Haut als Regenerationssystem (" Wundheilung") 68
Stress-Hormone unterdriicken Mitosen ........ . 69
Epidermales Chalon im in-vitro-Experiment 69
Vorlaufige Charakterisierung des epidermalen Chalons 70
Chalone konnen unmittelbar die Mitose blockieren 70
Altemativen zur Chalontheorie: Die Wundhormone 71
Chalone als Repressoren ............ . 72
Tumorzellen als Chalonmutanten . . . . . . . . . 73
Substitutionstherapie chalondefizienter Tumoren 74
Chalone, ein allgemeines Prinzip? 75
"Sichtbare" Regulationsfelder 75
Zusammenfassung ....... . 76
Carclnogenese und Zellorganellen 78
Innere Architektur einer Zelle 78
Die Isolierung von Zellorganellen in der Ultrazentrifuge 80
Zelle als chemische Fabrik . 81
Zellkem und Carcinogenese .............. . . . . . . 81
Lysosomen ....................... . .... . 83
Carcinogene Kohlenwasserstoffe werden von den Lysosomen aufge-
nom men .................. . 83
Lysosomale DNasen als Carcinogene ...... . 84
Zellmembranen, Zellsoziologie und Carcinogenese 85
Zellsoziologie in der Gewebekultur ....... . 85
Membranveranderungen bei Tumorzellen .... . 86
Neuraminsaure und Phospholipide "negativieren" Zellmembranen 88
Anziehungskrafte zwischen Zellen ................ . 88
IX
Zellkontakte sind spezifisch ........ . 89
Normale Zellen konnen Tumorzellen steuem 90
Carcinogenese aus der Membranperspektive . 92
Kleine Naturphilosophie der Zellmembranen 92
Gibt es wirklich eine "Kontakthemmung"? Wuchsfaktoren kontra Kon
takthemmung 95
Zusammenfassung ..................... . 97
Die Mltochondrlen und Warburga Krebatheorle 98
Energiegewinnung in der Atmungskette 98
Garung ................ . 98
Warburgs manometrische Methoden zur Messung von Atmung und
Garung ............ . 99
Krebszellen garen . . . . . . . . . . 99
Carcinogene schadigen die Atmung 100
Omne granum e grana ...... . 100
Weg zur Tumorzelle: Selektion garfahiger Zellen 100
Garungsenergie ist "minderwertiger" 101
Sauerstoffmangel im Tumorgewebe ...... . 102
Tumorentstehung in zwei Phasen . . . . . . . . . 102
Krebsprophylaxe durch Unterstiitzung der Atmung 103
Nicht aile Tumoren garen . . . . . . . . . . . . . . 103
Garung und Wachstumsgeschwindigkeit eines Tumors stehen in Zu
sammenhang 105
Zusammenfassung 105
Tumor-Immunologle: Grundlagen elner korperelgenen Tumorabwehr 106
Spender-Empfanger-Beziehungen bei Transplantationen 107
Transplantationstumoren . . . . . . . . . . . . . . 109
Friihe Hoffnungen auf eine Tumor-Schutzimpfung 110
Tumorspezifische Antigene in erbgleichen Tieren 110
Immune Tiere konnen nur mit wenig Zellen fertig werden 112
Die Abwehr der Tumorzellen kann ins Reagenzglas vorverlegt werden 113
Individuelle Tumoren haben individuelle Antigene ......... . 114
Auch virusinduzierte Tumoren haben tumorspezifische Antigene 114
Tumorspezifische Antigene rufen eine echte Immunreaktion hervor 115
Die AbstoBung syngener Tumortransplantate als Modell einer korper-
eigenen Tumorabwehr ...................... . 115
Eine Ratte kann gegen einen eigenen Primartumor Abwehrkratte
mobilisieren 116
x
Geh6ren tumorspezifische Antigene notwendig zum Tumorwachstum? 117
Gibt es wirklich tumorspezifische Antigene? . . 118
Antilymphocytenserum f6rdert Tumorwachstum 119
Chemische.carcinogene sind immunosuppressiv 120
Doppelwirkung chemischer Carcinogene 121
Immuntherapie ................ . 122
Enhancement; Die paradoxe Erh6hung des Tumorwachstums durch
Immunisierung 123
Zusammenfassung 124
Naturgeschichte einlger Tumorviren 126
Leukiimien der Hiihner ..... . 128
Rous-Sarkom-Virus (RSV) . . . . 129
Shope-Papillomvirus beim Kaninchen 130
Bittners Mi1chfaktor ........ . 131
Polyoma .............. . 132
Miiuseleukiimie-und Miiusesarkom-Viren 134
Humanmedizinischer Exkurs . . . . . . . 135
Menschen- und Affenviren: Adenoviren und SV-40 135
Klassifikation "tierischer" Viren 137
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
DNA-Tumorviren in der Gewebekultur 140
Ziihlung lebender Viren im Plaque-Test 140
Transformation in vitro . . . . . . . 141
Transformation und Zelltod 142
Die Zelle kann iiber Produktion und Transformation entscheiden 144
Maskierte Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
Auf den Spuren maskierter Tumorviren: Virusspezifische Antigene 145
Auf den Spuren maskierter DNA-Tumorviren: Virusspezifische Ribo-
nucIeinsiiuren .......................... . 147
Virus-DNA bleibt in transformierten Zellen erhalten ..... . 148
Demaskierung des Tumorvirus: Zellverschmelzung erzwingt Virus-
produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Die Virus-DNA ist fiir die Transformation verantwortlich 150
Ein DNA-Tumorvirus enthiilt nur wenige Gene 150
We1che Gene sind transformationsverdiichtig? 151
N och einmal die Rolle der Zelle . . . 152
Ein Seitenblick auf RNA-Tumorviren 153
Zusammenfassung 154
XI
Genetlk und Kreb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 155
Chromosomenveriinderungen in Tumorzellen: Das Philadelphia-Chro-
mosom .............................. 156
Erbfaktoren bei der Tumorentstehung: Tierstiimme mit garantiertem
Tumorbefall ........................ 157
Tumorerzeugung durch Artkreuzung: Tumortragende Bastarde 159
"Kiinstliche" Carcinogenese und Erbgut . . . . . . . . . . . . 163
Mutagene und carcinogene Aktivitiit konnen korreliert sein .. 164
Mutationshypothese als Denknotwendigkeit . . . . . . . . . 166
Einwiinde gegen die Mutationstheorie 166
SchluBworte zur Mutationstheorie 167
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . 168
DNA und Carclnogene.e . . . 169
Tumor-DNA als Carcinogen 170
Infektiose Tumorvirus-DNA, ein potentes "chemisches Carcinogen" 171
Carcinogene storen DNA-Synthese . . . . . . . . . 171
Carcinogene storen die Bildung adaptiver Enzyme 172
Chemische Carcinogene reagieren mit Zell-DNA 173
Kovalente Bindungen zwischen Carcinogenen und Guanin 174
Spiitfolgen der Reaktionen mit Guanin . . . . . . . . . . . 174
Zellen konnen defekte DNA reparieren .......... 175
Neoplastische Transformationen gelingen mit proliferierenden Zellen
besser .......................... 176
Replizierende DNA bindet mehr Carcinogene als ruhende 178
Ausnahmen von der Bindungsregel 179
Bindung ohne Bindung: Intercalation 179
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . 179
Elnlge Modelle zur Chemotheraple der Tumoren 181
Alkylierende Agenzien ........ 181
StickstoIDost mit Zeitziindung 183
Direkter Angriff auf die Tumor-DNA 183
Antimetabolite in der Tumortherapie . 183
Immunosuppressive Nebenwirkungen 185
Asparaginase hungert Tumorzellen aus 185
Labilisierung der Tumorzellen durch Obersiiuerung 186
Manche Tumorzellen sind besonders hitzeempfindlich 186
Mehrschritt-Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
XII