Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 1663
Herausgegeben
im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers
vom Landesamt für Forschung, Düsseldorf
DK 538.245.0015
538.61/. 69
Prof. Dr. phil. Dr. h. c. Heinz Bit/el
Dr. rer. nat. Christoph Heiden
Institut fUr Anl[/wandte Physik der Universitiit MUnster
Kopplungserscheinungen zwischen
ferromagnetischen Elementarprozessen
SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH 1966
ISBN 978-3-663-06362-9 ISBN 978-3-663-07275-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-07275-1
Verlags-Nr. 011663
© 1966 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Urspriinglich erschienen bei Westdeutcher Verlag, K5ln und Opladen 1966.
Inhalt
1. Einleitung ..................................................... 7
2. Die Korrelation der Flußänderungen in zwei verschiedenen Proben
querschnitten infolge reversibler Flußleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10
3. Abhängigkeit der Frequenzspektren des Barkhausenrauschens von der
Geometrie der Meßspule ......................................... 16
4. Das Frequenzspektrum von Magnetisierungsschwankungen, die allein
durch thermische Aktivierung zustande kommen .................... 20
Literaturverzeichnis ................................................ 49
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1. Einleitung
Die Magnetisierung einer ferromagnetischen Probe vollzieht sich zu einem mehr
oder weniger großen Teil in sogenannten Barkhausensprüngen, d. h. in sprung
haften Richtungsänderungen der Magnetisierung von ferromagnetischen Elemen
tarbereichen. Die hiermit verbundenen sprunghaften Änderungen des magneti
schen Flusses rufen in einer um die Probe gewickelten Spule eine Folge elektri
scher Spannungsimpulse hervor, das sogenannte Barkhausenrauschen.
Barkhausensprünge werden nicht nur durch ein äußeres Magnetfeld hervor
gerufen, also etwa beim Durchlaufen der Hysteresekurve, wobei die Magneti
sierung der gesamten Probe sich verändert (makroskopische Magnetisierungs
änderung). Vielmehr kommen als Ursache für Barkhausensprünge auch andere
Einwirkungen in Betracht, wie etwa
a) die Änderung mechanischer Spannungen,
b) Temperaturänderungen und
c) das thermische Schwankungsfeld.
a) Setzt man zum Beispiel eine ferromagnetische Probe einer mechanischen
Zugspannung aus, so wird sich bei positiver Magnetostriktion die Magneti
sierung der Probe vergrößern, wobei Barkhausensprünge auftreten können,
wie dies etwa von KAMEl an Fe-Einkristallen beobachtet wurde [1].
b) Ändert man die Temperatur der Probe, so wird infolge verschiedener tem
peraturabhängiger Effekte (zum Beispiel Magnetostriktion und Kristallaniso
tropie) die Bereichsstruktur in eine neue Gleichgewichtssituation übergehen,
was mit lokalen sprunghaften Magnetisierungsprozessen verbunden sein
kann (mikroskopische Magnetisierungsänderung). LÜTGEMEIER [2, 3] hat auf
diese Weise in verschiedenen Materialien Barkhausensprünge erzeugt und
genauer untersucht.
c) Infolge der thermischen Energie entstehen in einem ferromagnetischen
Material Magnetisierungsschwankungen, die nach NEEL [4] auf ein thermi
sches Schwankungsfeld zurückgeführt werden können. Von BITTEL und
LÜTGEMElER [5] sind solche lokalen Magnetisierungsänderungen insbesondere
im pauschal unmagnetischen Zustand des Ferromagnetikums beschrieben
worden.
Man wird sich fragen, ob die einzelnen Barkhausensprünge unabhängig vonein
ander ausgelöst werden oder miteinander gekoppelt sind. Es scheint naheliegend,
daß zumindest solche Elementarbereiche, die in der Probe lokal benachbart
liegen, in ihrem Verhalten nicht unabhängig voneinander sind, denn durch die
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Ummagnetisierung eines Bezirks wird die energetische Situation in der Nachbar
schaft verändert, wodurch dort die Ummagnetisierung anderer Bezirke entweder
gehemmt oder begünstigt wird. In der Tat konnten viele Messungen durch die
Kopplung von Barkhausensprüngen gedeutet werden.
Bei Untersuchung der zeitlichen Aufeinanderfolge einzelner Barkhausenimpulse
findet man Gesetzmäßigkeiten, die vom Verhalten statistisch unabhängiger
Impulsfolgen, wie sie etwa ein Geigerzähler liefert, abweichen. Hierher gehört
zum Beispiel das Auftreten einer »Sperrzeit« zwischen aufeinanderfolgenden
Barkhausensprüngen, welche sich insbesondere bei Proben mit kleinem Dimen
sionsverhältnis lid bemerkbar macht, und unter anderem von SAWADA [6],
JOST [7] und BITTEL [8] beobachtet und gedeutet wurde. Der umgekehrte Fall
einer Begünstigung benachbarter Bezirke führt zur Gruppenbildung von Bark
hausensprüngen, was insbesondere von BITTEL und WESTERBOER [9] genauer
untersucht wurde.
Weitere Beispiele für den Einfluß der Kopplung sind die Unsymmetrie im
Preisachdiagramm, wie sie etwa von WILDE und GIRKE [10] gemessen wurde,
sowie die Kipp- und Kriechbewegung von Hystereseschleifen, bekannt als
»Bascule« und »Reptation«, Erscheinungen, die hauptsächlich von NEEL und
Mitarbeitern [11] genauer untersucht wurden.
Die Gesamtheit der in einer Probe ablaufenden sprunghaften lokalen Magneti
sierungsänderungen liefert eine Schwankungserscheinung. Ein wertvolles Hilfs
mittel zur Untersuchung derartiger Erscheinungen ist die Fourieranalyse, das
heißt die Zerlegung der zeitlich schwankenden Größe in ihre Fourierkomponen
ten. Hierzu wird diese Größe, die meistens in Form einer elektrischen Rausch
spannung U (t) vorliegt, auf den Eingang eines variablen Filters gegeben, das
nur ein enges Frequenzband durchläßt. Der Ausgangseffekt des Filters wird vor
der Registrierung quadriert, man mißt also das Quadrat der Fourierkomponenten
der Schwankungsgröße als Funktion der am Filter eingestellten Analysier
frequenz. Man erhält so das »Frequenzspektrum«.
Diese Methode ist von mehreren Autoren zur Untersuchung des Barkhausen
rauschens herangezogen worden [3,12, ... ,18,28], zum Teil, um seinen störenden
Einfluß insbesondere bei Übertragern zu studieren, zum größten Teil aber, um
Aufschlüsse über den zeitlichen Ablauf der beim Barkhauseneffekt auftretenden
Elementarprozesse zu erhalten. Dabei wurde das in einer einzigen um die Probe
gewickelten Induktionsspule erzeugte Barkhausenrauschen analysiert. Sind die
in der Spule induzierten Impulse statistisch unabhängig, so erhält man ein
Spektrum, dessen Form allein durch den zeitlichen Ablauf der Einzelimpulse
bestimmt ist (Campbellsches Theorem): Die Fourierkomponenten sind unab
hängig von der Analysierfrequenz in einem Gebiet, das nach oben durch eine
Frequenz begrenzt wird, die der reziproken Impulsdauer entspricht. Nach höhe
ren Frequenzen zu fällt dann das Spektrum kontinuierlich ab. Meistens wurden
jedoch Spektren gefunden, die von diesem Verlauf stark abweichen, insbesondere
im Gebiet niedriger Analysierfrequenzen. Eine Deutungsmöglichkeit hierfür ist
wiederum die Annahme von Kopplungen zwischen den einzelnen Barkhausen
sprüngen.
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Kopplungen zwischen Barkhausensprüngen lassen sich - vor allem auch hin
sichtlich ihrer räumlichen Zuordnung - genauer untersuchen, wenn man mit
zwei Induktionsspulen mißt und dabei die Korrelation der Rauschspannungen
bestimmt, die in den bei den um die Probe gewickelten Spulen induziert werden.
Im folgenden soll diese Methode genauer betrachtet werden. Ein Resultat dieser
Untersuchungen wird dann die Beantwortung der Frage sein, wie ein gemessenes
Frequenzspektrum von der Geometrie der Induktionsspulen abhängt. Schließ
lich wird die Berechnung des Frequenzspektrums für einen speziellen Fall der
Kopplung, wie er bei thermisch aktivierten Magnetisierungsvorgängen vorliegen
kann, dargestellt.
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2. Die Korrelation der Fluß änderungen in zwei verschiedenen
Probenquerschnitten infolge reversibler Flußleitung
Gegeben sei eine stabförmige ferromagnetische Probe, die durch ein sich kon
tinuierlich änderndes homogenes Feld ummagnetisiert werde. Für die folgende
Betrachtung werde ein so großes Dimensionsverhältnis der Probe vorausgesetzt,
daß die entmagnetisierende Wirkung vernachlässigt werden kann. Betrachtet
. .
man die Flußänderungen <[>(t, Xl) und <[>(t, X2) in zwei verschiedenen Proben-
querschnitten, welche die Ortskoordinaten Xl und X2 besitzen, so ergibt sich die
Frage, wie sie miteinander verknüpft sind.
. .
Ein Maß für die Korrelation von <[>(I, Xl) und <[>(I, X2) ist der Korrelations-
koeffizient K (J, Xl, X2), welcher im Frequenzbereich definiert ist durch:
(1)
Hierbei ist El2 (J, Xl, X2) das Kreuzspektrum, welches sich aus den Flußände-
. .
rungen <[> (I, Xl) und <[> (I, X2) ergibt durch:
I
+J 0 0 •
mit A(J, xI) = <[>(I, Xl) . e-2njftdl (2)
+J 0 0 •
A*(J, X2) = <[>(I, X2)· e2njftdl
Die Spektren E(J, Xl) bzw. E(J, X2) sind gegeben durch:
Es werden hier Energiespektren betrachtet, da das Barkhausenrauschen <[>(I),
das während eines Hysteresedurchlaufs erzeugt wird, ein instationäres Phänomen
ist. E (f) ist bis auf einen konstanten Faktor die spektrale Rauschenergie, die pro
Hysteresezyklus umgesetzt wird.
Im folgenden sollen homogene Proben betrachtet werden, für die das Kreuz
spektrum EI2(J, Xl, X2) nur vom Abstand lai = IX2 - xII der bei den Proben
querschnitte abhängt. Dann erhält man für den Korrelationskoeffizienten:
K(f laI) = EI2(J, laI) . (3)
, E(f)
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Im übrigen ist EI2(f, Jai) und damit K(f, Jai) unter diesen Umständen reell.
Denn wegen obiger Voraussetzung bekommt man:
+
EI2(f, Jai) = A(f, Xl) • A*(f, Xl a)
= A (f, Xl) • A * (f, Xl - a) .
+
Aus der Ortsunabhängigkeit folgt dann zunächst mit Xl = x~ a
und schließlich, wenn man die Ortsvariable wieder Xl nennt:
das heißt, El2 ist reell.
Bei den Magnetisierungsänderungen kann man nun unterscheiden zwischen
solchen, die rein reversibel verlaufen, und solchen, die mit Barkhausensprüngen
verbunden sind.
Besteht die Probe etwa im Idealfall aus einem homogenen Material, das rein
reversibel, das heißt ohne Hysterese ummagnetisiert wird, so haben die Fluß
änderungen in allen Querschnitten den gleichen zeitlichen Verlauf. (Der Einfluß
von Randeffekten wie die entmagnetisierende Wirkung der Pole soll durch
geeignete Dimensionierung der Probe vernachlässigbar sein.) Der Korrelations
koeffizient ist dann unabhängig von der Frequenz f und dem Abstand JaJ der
Querschnitte identisch 1.
Handelt es sich jedoch um eine Probe, die Hysterese zeigt, so können Barkhausen
sprünge auftreten, und die damit verbundenen Flußänderungen werden im all
gemeinen in zwei verschiedenen Querschnitten nicht mehr gleichzeitig dieselbe
Amplitude aufweisen. (Synchrone Flußänderungen in beiden Querschnitten
hätte man, wenn bei jedem Barkhausensprung ein röhrenförmiger Bezirk, der
die ganze Probe durchzieht, simultan ummagnetisiert würde.) Betrachtet man
nur die unmittelbar mit einem lokalen Ummagnetisierungsprozeß verknüpften
Flußänderungen, so sind diese relativ groß in dem Querschnitt der Probe, in dem
der Barkhausensprung stattfindet. Mit zunehmender Entfernung hiervon werden
die Flußänderungen immer kleiner werden und gleichzeitig dann größtenteils
reversibel verlaufen. Von einer reversiblen Flußleitung wird man dann sprechen,
wenn der betrachtete primäre Ummagnetisierungsprozeß keine weiteren Bark
hausensprünge auslöst. Modellhaft läßt sich diese reversible Flußleitung folgen
dermaßen beschreiben: Die Flußänderung breitet sich vom »Zentrum« des
Barkhausensprunges, das heißt dem Ort maximaler Magnetisierungsänderung,
aus nach einem"Flußleitungsgesetz v(f, D). Die Koordinate D bedeutet hier den
Abstand vom »Zentrum«; durch die Frequenzabhängigkeit der Funktion
v(f, D) ist angedeutet, daß die einzelnen Fourierkomponenten der Flußänderun
gen im allgemeinen verschieden stark fortgeleitet werden. Ausgehend von dieser
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Vorstellung soll nun zunächst ein allgemeiner Ausdruck für den Korrelations
koeffizienten berechnet werden.
Die Barkhausensprünge, deren Zentren an der Stelle x der Probe im Volumen
element q. dx liegen (q = Probenquerschnitt), mägen dort die Flußänderung
ci; (I, x) . dx hervorrufen (Abb. 1). Ihre Fourierkomponenten sind gegeben durch:
+f0 0
a(f, x)· dx = dx ci;(t, x)· e-2nj!tdl. (4)
F'l 2
6
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dx
Abb.l ci> (t, x) dx
An die Stelle Xl der Probe, wo sich die eine Meßspule befinden soll, gelangt
hiervon der Teil a(f, x) . v(f, Xl - x) dx. Insgesamt entsteht durch Super
position der Beiträge von den verschiedenen Orten der Probe bei Xl der Gesamt
effekt A (f, Xl) zu:
Joo
A(f, Xl) = a(f, x)· v(f, Xl - X) dx. (Sa)
Es kann linear superponiert werden, da v die reversible Flußleitung beschreibt.
Am Ort X2 der zweiten Spule bekommt man entsprechend:
+00
f
A*(f, X2) = a*(f, x)· v*(f, X2 - x) dx. (Sb)
Mit den GI. (2), (Sa) und (Sb) ergibt sich nun für das Kreuzspektrum El2 die
Relation:
+00 +00
f f
EI2(f, Xl, X2) = a(f,x)· a*(f,y)· V(f,XI-X)· V*(f,X2-y)dxcfy (6)
a(f, x) . a*(f,y) soll als »inneres Kreuzspektrum« eI2(f, x,y) bezeichnet werden.
Es beinhaltet die Korrelation der lokalen Ummagnetisierungsprozesse an der
Stelle x mit denjenigen an der Stelley. Im Gegensatz hierzu soll El2 als »äußeres
Kreuzspektrum« bezeichnet werden, da es sich auf die Korrelation der an den
bei den Meßspulen auftretenden Effekte bezieht. Das äußere Kreuzspektrum
ergibt sich aus dem inneren Kreuzspektrum und der Gesetzmäßigkeit für die
Flußleitung, die dafür bestimmend ist, wie sich lokale Ummagnetisierungs
prozesse an den Spulen bemerkbar machen. (Zu beachten ist, daß sich inneres
und äußeres Kreuzspektrum auch dimensionsmäßig unterscheiden.)
Das innere Kreuzspektrum soll wegen der vorausgesetzten Homogenität der
Probe nur von der Entfernung Z =.Y - x abhängen, das heißt
el2 (f, x,y) = el2 (f,y - x) = el2 (f, z)· (7)
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