Table Of ContentFriedrich Glock
Konstruieren als sozialer Prozeß
Friedrich Glock
Konstruieren
als sozialer ProzeI
Eine Untersuchung technischen Gestaltens
Mit einem Vorwort von Prol. Dr. Helga Nowotny
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsaufnahme
Glock, Friedrich:
Konstruieren als sozialer Preozeß: eine Untersuchung technischen Gestaltens /
Friedrich Glock. Mit einem Vorw. von Helga Nowotny. - Wiesbaden:
DUV, Dt. Univ.-Verl., 1998
(DUV : Sozialwissenschaft)
Zugi.: Wien, Univ., Diss., 1996
ISBN 978-3-8244-4302-4 ISBN 978-3-322-99953-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-99953-5
Alle Rechte vorbehalten
© Springer Fachmedien Wiesbaden 1998
Ursprünglich erschienen bei Deutscher Universitäts Verlag 1998
Lektorat: Sabine Stohldreyer
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Gedruckt auf säurefreiem Papier
INHALT
Wie konstruieren Ingenieure? Vorwort von Helga Nowotny ......... ... ....... ................. VII
Zusammenfassung........................................................................................................... X
Summary.......................................................................................................................... XI
EINLEITUNG 1
1 KONSTRUIEREN, ENTWERFEN, DESIGN 4
2 KONSTRUKTIONS UND ENTWURFSMETHODIKEN 6
2.1 Technikgestaltung in der Ingenieurausbildung ....................................................... 9
2.2 Phasenschemata, Methodiken und Methoden ........................................................... 10
2.3 Konstruktionsmethodiken im Maschinenbau ......................................................... 13
2.4 Entwurfsmethoden in der Informatik .................................................................... 16
2.5 Kritik an den Konstruktions-und Entwurfsmethodiken ....................................... 20
3 EMPIRISCHE KONSTRUKTIONSFORSCHUNG 22
3.1 Konstruieren als Problemlösen .............................................................................. 22
3.2 Charakteristika technischen Problemlösens .......................................................... 27
3.3 Technische Kreativität ........................................................................................... 29
3.4 Empirische Untersuchungen - Methode der Protokollanalyse ............................. 30
3.5 Empirische Untersuchungen im Software Design ................................................ 33
4 KRITIK AM KOGNITIVEN ANSATZ 35
4.1 Probleme des Modells rationalen Handelns .......................................................... 36
4.2 Das Zweck-Mittel-Schema .................................................................................... 37
5 METHODOLOGISCHE UMORIENTIERUNG 40
5.1 Das Konzept der Situation .................................................................................... 41
5.2 Kontexte ......................................................................................................................... 51
6 DESIGN ALS SOZIALER PROZESS 66
6.1 Wie kommt es zu einer Problemstellung .............................................................. 66
6.2 Rahmen .................................................................................................................. 67
6.3 Modulationen ......................................................................................................... 74
6.4 Konstruieren als Modul ......................................................................................... 81
7 KONSTRUIEREN ALS ZIELINTERPRETATION 90
8 KONSTRUKTIONSHANDELN UND BEDEUTUNG 97
9 DESIGN ALS INTERAKTION 105
10 FALLSTUDIE - DAS PROJEKT »REDESIGN« 115
10 .1 Einleitung ............................................................................................................... 115
10.2 Die erste Teamsitzung ........................................................................................... 126
10.3 Gespräch mit einem Experten fiir Optikkonstruktionen ....................................... 137
10.4 Entwerfen und Konstruieren - eine Entwurfsitzung ............................................. 138
10.5 DerweitereProjektverlauf ..................................................................................... 169
10.6 Entwurf einer Optik .............................................................................................. 177
10 .7 Konstruieren als Interaktion .................................................................................. 180
10.8 Konstruieren mit dem Körper ............................................................................... 187
10.9 Modulationen ......................................................................................................... 191
10.10 Rationale Modelle .................................................................................................. 202
10.11 Weitere Perspektiven -Designer ........................................................................... 203
10.12 Beziehungskontext und Rollen .............................................................................. 209
10.13 Exkurs: Gestaltungsstudien und Technikfolgenabschätzung ................................. 218
10. 14 Exkurs: Eco-Design ............................................................................................... 222
11 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 225
12 ANHANG: TRANSKRIPTE; SKIZZEN;PROTOKOLLE 229
12.1 Transkript: Erste Teamsitzung ............................................................................... 229
12.2 Sinngemäße Abschrift des Gesprächs des Abteilungsleiters mit einem
Experten fiir Optikkonstruktionen ......................................................................... 248
12.3 Protokoll eines Entwurfsprozesses ................................... , .................................... 255
Zeichnungen und Skizzen ................................................................................................ 324
Literatur ............................................................................................................................ 330
Index ................................................................................................................................. 340
Wie konstruieren Ingenieure?
Vorwort von He/ga Nowotny
Die sozialwissenschaftliche Technikforschung hat einem der zentralen Vorgänge
im Mikrobereich der Technikgenese bisher erstaunlich wenig Aufmerksamkeit zu
kommen lassen: dem alltäglichen Konstruktionsprozess. Seit der klassischen Arbeit
von Vincenti ist die vorliegende, ursprünglich als Dissertation entstandene Arbeit, eine
der wenigen Versuche die Tätigkeit von Ingenieuren beim Entwerfen, Konstruieren
und beim Design beschreibend zu rekonstruieren, dafür eine sozialwissenschaftliche
Sprache und theoretisch weiterführende Begriffe zu fmden und so den Prozess des
Konstruierens in den grösseren Kontext des sozial relevanten Technikhandelns einzu
ordnen. In der theroetischen Sichtweise und Verankerung in einer interaktionistisch
soziologischen Perspektive, vor allem aber in der Kombination mit einer empirischen,
dem Alltag entnommenen Fallstudie, betritt der Autor im deutschprachigen Raum
Neuland. In einem solchen Terrain warten daher einerseits bestimmte Risiken, an
dererseits können durch die Exploration eines bisher vernachlässigten Forschungs
gebiet der sozialwissenschaftlichen Technikforschung neue Wege geöffnet werden.
Um es vorweg zu nehmen: die Risiken der Konvergenz von Theorie und Empirie wer
den vom Autor mit einem beharrlichen Festhalten an dem empirischen Verlauf seiner
Fallstudie und den so erschlossenen Einsichten bewältigt. Den Anspruch in origineller
Wiese Neuland zu betreten und der sozialwissenschaftlichen Technikforschung neue
Impulse zu verleihen, löst die Arbeit voll ein.
Der erste Teil ist einer theoretischen Aufarbeitung und der Untersuchung der An
nahmen und Ergebnisse verschiedener Konstruktionsmethoden gewidmet, die den An
spruch haben, Konstruktionsprozesse beschreibbar und rekonstruierbar zu machen.
Diese überwiegend von Ingenieuren stammende Reflexion ihres Tuns verdankt sich
sowohl praktischen Impulsen, wie didaktischen Problemen, die innerhalb der Inge
nieurausbildung auftraten. Sie wurde meist bereichspezifisch durchgeführt, indem et
wa für den Maschinenbau Phasenschemata erarbeitet wurden und die fehlende Metho
dologie der Weitergabe mit einer pragmatischen Mischung von 'Denkpsychologie'
und implizitem Konstruktionswissen ausgefüllt wurde. Gesonderte Wege ging seit den
VIII Wie konstruieren Ingenieure?
70er Jahren die Informatik, die im Zuge ihrer rasanten Entwicklung versuchte, die Sys
temgestaltung und Rationalisierung in der Praxis in ihr Lehrangebot aufzunehmen.
Das Erkennntnisinteresse der Konstruktionsforschung blieb allerdings überwiegend an
der Rationaliserbarkeit praktischer Vorgänge orientiert, die methodisch oder maschi
nell oder durch Simulation geklärt und unterstützt werden sollten.
Der Autor unterzieht diese und weitere Ansätze einer eingehenden Kritik und
entscheidet sich dann für ein soziologisches Handlungs-und Situationskonzept. Dieses
kommt den Vorgehensweisen von Ingenieuren näher als die an informationsverarbei
tenden Algorithmen ausgerichteten kognitiven und zweckrationalen Handlungsmodel
le. Damit wird auch der Auffassung entgegengetreten, die Konstruktionsarbeit der In
genieure ausschliesslich als instrumentelles Handeins zu begreifen, das von vorgege
benen Zielen gesteuert wird. Der soziale Kontext des Konstruierens wird dezidiert mit
einbezogen. Design wird in überzeugender Weise als interaktiver sozialer Prozess re
konzeptualisiert.
Auf die theoretische Vorbereitung folgt eine empirische Fallstudie, die es sich
zum Ziel gesetzt hat einen konkreten Konstruktionsprozess von Anfang bis zum Ende
zu begleiten, in allen erfass baren Einzelheiten zu beschreiben und die theoretischen
Einsichten durch die Analyse des tatsächlichen Konstruktionshandelns zu überprüfen.
Trotz anfänglicher Schwierigkeiten im Zugang ist es dem Autor gelungen sein Ziel zu
erreichen: die Konstruktion eines medizintechnischen Geräts als Prototyp nicht nur als
isolierte Handlungssequenz, sondern als soziale Einheit, mit allen Schwierigkeiten,
Widerständen und Unvollkommenheiten der Praxis von Anfang bis zum (vorläufigen)
Ende zu dokumentieren. Der Aufzeichnungsvorgang ist empirisch mit äusserster Sorg
falt vorgenommen worden. Wann immer möglich wurden Protokolle angefertigt, Kon
struktionszeichnungen festgehalten, Teamsitzungen mittels Videoaufzeichnungen ge
filmt und anschliessend analysiert, zusätzliche Gespräche mit den Beteiligten geführt
und interaktive Situationen mittels Tonband aufgenommen und transkribiert. Dank
dieser vielfältigen Aufzeichnungs-, Beschreibungs- und Datenanalysemethoden liegt
eine mehr oder weniger vollständige Erfassung eines 'realen' Konstruktionsprozesses
vor. Das Ergebnis ist ein komplexes, interaktives Netzwerk der beteiligten Personen,
in dessen Funktionieren die von Beteiligten genützten Informationsquellen ebenso ein
gehen, wie die formale und informelle Organisationsstruktur eines kleinen Betriebs
oder die Diffusität der Ziele der Auftraggeber. Die vorherrschende Unbestimmtheit
Vorwort von Helga Nowotny IX
und Ungewissheit des gesamten Vorhabens, die wechselnden Allianzen und der un
gleichzeitige Informationstand der Beteiligten wird wirklichkeitsnah und plausibel
vorgeführt.
Dem Autor gelingt es in dieser fluiden sozialen und organisatorischen Struktur
die Einzelheiten des technischen Konstruktionsprozesses in der ständigen Wechsel
wirkung und Abhängigkeit vom niemals eindeutig defmierten sozialen Kontext fest
zuhalten. Die Fallstudie liefert daher einen unerwarteten, jedoch wirklichkeitsgetreuen
Einblick in eine soziale Situation, in der sich Konstruktionshandeln entfaltet. Dass der
organisatorische Kontext und die sich darin ausdrückenden Strukturen für einen Aus
senstehenden wenig effizient und kaum optimal für das Konstruktionsziel erscheinen,
unterscheidet die Fallstudie von anderen Beispielen 'erfolgreicher' Konstruktionen,
wie die von Vincenti (Flugzeugbau) oder von McKenzie (Raktenlenkwaffen) gewähl
ten. Am Ende dieser Fallstudie steht daher nicht ein sich am Markt oder bei den Auf
traggebern bewährendes, reifes technisches Produkt, sondern ein unvollendeter und of
fener Ausgang. Ein solcher mag zwar den narrativen Regeln einer gut erzählten Ge
schichte widersprechen, doch spiegelt sich vielleicht darin so manche vertraute All
tagsroutine konstruierender Ingenieure wider. Es ist dem Autor zugute zu halten, dass
er mit geradezu bewundernswerter Ausdauer an seinem Vorhaben festhält, eine Kon
struktionshandlung auf der Mikroebene zu beschreiben und zu interpretieren. Dennoch
wird hier deutlich, wie sehr die Mikroebene mit der institutionellen Mesoebene in
Wechselwirkung steht. Wenn die Verläufe des Konstruktionsprozesses nicht immer
mit dem theoretischen Begriffsapparate konvergieren, so liegt dies nicht so sehr am
Autor, sondern an der geglätteten Sichtweise der theoretischen Soziologie, die zu we
nig detaillierte Wamungen über die Widersprüchlichkeit und Komplexität der Praxis
enthält.
Zusammenfassung
Konstruieren und Entwerfen sind zentrale Tätigkeiten alltäglicher Praxis von
Technikern und ihre Ergebnisse - technische Produkte - oft von eminenter gesell
schaftlicher Bedeutung. In den Ingenieurwissenschaften gibt es seit langem Bemüh
ungen die Vorgänge beim Konstruieren zu verstehen und v.a. das Interesse sie rational
zu durchdringen, sowohl um sie lehrbar zu machen wie auch sie zu rationalisieren
bzw. auch zu simulieren. InjÜllgster Zeit wurde begonnen, Konstruktionsprozesse em
pirisch zu untersuchen und es etabliert sich eine Konstruktionswissenschaft. Insoweit
Konstruktionswissenschaft erforscht, wie Gestaltungs-und Konstruktionsprozesse em
pirisch verlaufen, kann sie als Sozialwissenschaft aufgefaßt und betrieben werden. In
der sozialwissenschaftlichen Technikforschung hat dies noch wenig Berücksichtigung
gefunden, obwohl sich gerade Konstruieren als ein Kern der Ingenieurtätigkeit als in
terdisziplinäres Forschungsfeld anbietet und eine oft beklagte Kluft zwischen Inge
nieur-und Sozialwissenschaft zu überbrücken verspricht.
In dieser Arbeit wird aufg rund vorliegender Untersuchungen auf Unzulänglichkeiten
der in der empirischen Konstruktionsforschung bislang dominierenden Modelle
zweckrationalen Handeins und des kognitiven Ansatzes hingewiesen und eine metho
dologische Umorientierung vorgeschlagen. Technikgestaltung wird bis in den Mikro
bereich des Konstruierens als sozialer Prozeß aufgefaßt und interaktionstheoretisch zu
beschreiben versucht.
Konstruieren wird nicht als ausschließlich technisches und zielgesteuertes, sondern als
zielinterpretierendes Handeln konzipiert. Verstehen und Auslegung von Zielen und
damit nicht nur Problemlösen sondern auch Problemkonstituierung beim Konstruieren
wird hervorgehoben. Vorgeschlagen wird ein interpretativ rekonstruierender Ansatz,
der Konstruktionsprozesse mit sozialwissenschaftlichen Konzepten der Situation bzw.
situativen Handelns, Kontexte und Rahmen begreift. Der Ansatz zielt auf eine verste
hende Rekonstruktion kultureller Rahmungspraktiken wie auch fallspezifischer Kon
texte. Er soll zu einem v.a. auch von Ingenieuren geforderten besseren Verständnis
von Konstruktionsprozessen bzw. einer Konstruktionswissenschaft beitragen und als
Reflexionsanregung von praktischem Nutzen für die an Gestaltungsprozessen Betei
ligten sein.
In einer Fallstudie wird ein Entwicklungsprozeß in der Praxis mit dem vorgeschla
genen Ansatz beschrieben und die Brauchbarkeit der Konzepte demonstriert.
Summary
Design as the central activity of everyday engineering practice often produces
outcomes of significant importance for society. In almost every engineering discipline
efforts have been made to comprehend these activities for the purpose of teaching
design systematicaIly, rationalizing design process in practice, and simulating it.
Design processes have become the subject of empirical research and an emerging
science of design. To the extent that design research studies empirical processes, it can
be pursued as a social science. The sociology of technology has scarcely taken everday
design into consideration, although this field of research could provide great oppor
tunity to bridge the often-lamented gap between the engineering and the social
sciences.
In this paper dominant models of purposeful action and the cognitive approach in
design theory are criticized because for their inadequacy at explaining empirical
results in design research. A methodological reorientation of the sociological perspec
tive to design research is proposed which would conceive the design processes as
social interactional processes. Other than requirement regulated feedback loops, design
processes are regarded as requirement-interpretative activities in which not only
problem-solving but also problem-constitution through understanding and interpreting
clients' wishes are crucial.
An interpretative reconstructive approach is suggested and sociological concepts of
situation, situated action, contexts and frames are suggested for describing design
processes. This approach aims to reconstruct cultural framing practices as weIl as case
specific contexts. The benefits are, on the one hand, a better understanding of design
processes as a design theory and, on the other hand, designers might benefit from the
results by becoming more reflective in their practice.
A case study is reported. A design process in practice has been documented and is
described in the light of an interpretative approach to show the use of the proposed
concepts.