Table Of ContentARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR FORSCHUNG
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
NATUR-, INGENIEUR- UND GESELLSCHAFTSWISSENSCHAFTEN
115_ SITZUNG
AM 11. APRIL 1962
IN DÜSSELDORF
ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR FORSCHUNG
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
NATUR-, INGENIEUR- UND GESELLSCHAFTSWISSENSCHAFTEN
HEFT 117
AUGUST WILHELM QUICK
Komponenten der Raumfahrt
GEORG EMIL KNAUSENBERGER
Steuerung und Regelung in der Raumfahrttechnik
HERAUSGEGEBEN
IM AUFTRAGE DES MINISTERPRÄSIDENTEN Dr. FRANZ MEYERS
VON STAATSSEKRETÄR PROFESSOR Dr. h. c. Dr. E. h. LEO BRANDT
AUGUST WILHELM QUICK
Komponenten der Raumfahrt
GEORG EMIL KNAUSENBERGER
Steuerung und Regelung der Raumfahrttechnik
SPRINGERFACHMEDIEN WIESBADEN GMBH
ISBN 978-3-663-00715-9 ISBN 978-3-663-02628-0 ( eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-02628-0
© 1963 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Köln und Opladen 1963
Reprint of the original edition 1963
INHALT
August Wilhelm Quick, Aachen
Komponenten der Raumfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Georg Emil Knausenberger, Oberpfaffenhafen
Steuerung und Regelung in der Raumfahrttechnik . . . . . . . . . . . . 59
Diskussion
Staatssekretär Professor Dr. h. c., Dr.-Ing. E. h. Leo Brand!, Präsident
Professor Dr. phil.HermannBlenk,Dr. rer. techn. habil.AlfredBoettcher,
Professor Dr.-Ing. Volker Aschoff, Professor Dr.-Ing. Georg Emil
Knausenberger, Professor Dr. phil. Friedrich Becker, Professor Dr. phil.
habil. Alexander Naumann, Professor Dr.-Ing. RudolfWille, Professor
Dr.-Ing. August W"ilhelnt Quick ........................... 131
Komponenten der Raumfahrt
Von August Wilhelm Quick, Aachen
I. Einführung
Die Raumfahrt hat einen neuen Zweig der Technik entstehen lassen, der
in kurzem Abstand der Atomtechnik gefolgt ist. Diese neue Technik er
fordert von Wissenschaftlern und Ingenieuren Spitzenleistungen auf vielen
Gebieten. Ein breites Spektrum der Betätigung hat sich eröffnet, und be
gierig werden die letzten Erkenntnisse der Naturwissenschaften aufgegrif
fen, um sie der Anwendung zuzuführen. Wie so oft in der Technik, stößt
man an die Grenze des Wissens vor und fordert weiteres Forschen in be
stimmte Richtungen, um ein gestecktes Ziel zu erreichen. In der Raumfahrt
technik ist das ganz besonders der Fall. Viele unzureichend erforschte Ge
biete werden in Angriff genommen und einer systematischen Untersuchung
unterzogen.
Ihnen einen Überblick über diese Technik zu geben und hierbei einige Teil
gebiete herauszugreifen und näher zu erläutern, ist der Zweck meines Vor
trages.
11. Überblick über die Raumfahrttechnik
Die Abbildung 1, die in Anlehnung und Abwandlung einer Darstellung
von 0. Scholze [1] entstand, zeigt einen Überblick über die verschiedenen
Komponenten der Weltraumforschung und der Raumfahrttechnik.
An der Spitze stehen vier Programme, die die Absichten menschlicher
Betätigung im Weltraum zum Ausdruck bringen. Ein wissenschaftliches
Programm enthält alle Wünsche der Forschung nach näherer Kenntnis der
Erd- und Sonnenatmosphäre, der Himmelskörper und der biologischen
Fragen im Weltraum. Ein wirtschaftliches Programm bringt die bis heute
erkennbaren und großen Nutzen versprechenden Anwendungsmöglich
keiten der Raumfahrt zum Ausdruck. Wetter-, Nachrichten-, Navigations-
8 August Wilhelm Quick
Erdatmosphäre Wetter Erdsatelliten Aufklärung
Sonnenatmosphäre Nachrichten Mond-und Navigation
(interplanetar. Raum) Navigation Planetenerforschg. Nachrichten
Mond Geodäsie Verteidigung
Planeten Angriff
Galaxis
Biolog. Forschung
Transport
Nichtchem. Antriebe Werkstoffe, Leichtbau Montage
Werkstoffe, Leichtbau Flugdynamik Kontrolle
Flugdynamik Lenkung, Steuerung Start
Lenkung, Steuerung Energieanlagen Verfolgung
Wiedergewinnung Instrumentierung Kommando-u.
Datenübertragung Datenübertragung
Simulatoren Auswertung
Wiedergewinnung
Abb. 1: Weltraumforschung und Raumfahrt
und geodätische Satelliten werden neue Möglichkeiten auf diesen Gebieten
erschließen und große Vorteile mit schon heute sicherem wirtschaftlichen
Nutzen bringen. Die bemannte Raumfahrt ist ein weiterer Teil der Pro
gramme, über deren Sinn und Wert zwar viel diskutiert wird, aber hier nicht
näher eingegangen werden soll. Wir wollen sie als Realität hinnehmen, da
das erste Stadium des bemannten Fluges im Erdsatelliten bereits verwirk
licht und das zweite, nämlich die Erkundung des Mondes, in Vorbereitung
ist. Es dürfte heute nicht mehr zweifelhaft sein, daß auch der dritte Schritt,
die Erkundung der Planeten, von der Menschheit in Angriff genommen
wird.
Leider fügt sich diesen drei Programmen ein viertes an. Auch diese neue
Technik kann militärischer Verwendung zugeführt werden, und die Mög
lichkeiten der Aufklärung, Navigation, Nachrichtenübertragung, Verteidi
gung und des Angriffs werden in Erwägung gezogen werden. Es kann auch
nicht übersehen werden, daß, ähnlich wie in der Luftfahrt- und Atom
technik, diese Anwendungsmöglichkeiten bei den großen Mächten dieser
Komponenten der Raumfahrt 9
Erde einen wesentlichen Antrieb zur Förderung der Raumfahrttechnik
bilden.
Diese vier Programme bedienen sich der Raumfahrttechnik, bei der drei
große Arbeitsgebiete unterschieden werden können. Zunächst benötigt man
Trägerraketen, deren Zweck es ist, eine gewisse Nutzlast, nämlich das Raum
fahrzeug, in den Raum zu befördern. Die Realisierung erfordert die Lösung
großer Ingenieuraufgaben, von denen die wichtigsten mit den Worten An
triebe, Werkstoffe, Leichtbau, Flugdynamik, Lenkung, Steuerung und
Wiedergewinnung charakterisiert sind. Das zweite Gebiet umfaßt das
eigentliche Raumfahrzeug, dessen Bau außer den in der Trägerrakete ange
deuteten Problemen noch die wichtigen Gebiete der Energieversorgung,
Instrumentierung, Datenübertragung und Simulation umfaßt. Schließlich
erfordert der Abschuß dieser Raumfahrzeuge Bodenanlagen, deren Umfang
außerordentlich groß ist und bei flüchtiger Betrachtung meist zu sehr in den
Hintergrund tritt. Ungewöhnliche Probleme müssen gelöst werden, die
hier nur mit den Worten Erdtransport, Montagegerüste, Kontrollanlagen,
Startrampen, V erfolgungsanlagen, Kommando-und Datenübertragung und
Auswerteanlagen angedeutet werden können.
Aus diesem breiten Feld kann ich nur einiges herausgreifen, und somit
möchte ich mich zunächst den allgemeinen Anforderungen zuwenden, wie
sie sich aus den Überlegungen der Raumflugmechanik ergeben.
III. Einige Ergebnisse der Raumf!ugt~~echanik
Der Raumflug wird beherrscht von der sogenannten Raketengrund
gleichung. Sie gibt den Geschwindigkeitszuwachs Llv an, den eine Rakete im
widerstands- und gravitationsfreien Raum erfährt, wenn sie mit einem An
fangsgewicht G startet und bei Brennschluß noch ein Gewicht G2 besitzt.
1
Der Treibstoff sei mit einer konstanten Ausströmgeschwindigkeit v a aus
gestoßen. Die einfache Berechnung dieses Falles ergibt
Gt
~v = Va ·ln (1)
G2
Diese Beziehung zeigt zunächst, daß Llv mit Va ansteigt und somit das Inter
esse besteht, diesen Wert möglichst groß werden zu lassen. Abbildung 2
zeigt den Verlauf des Wertes Llv/va in Abhängigkeit von G2/G1.
10 August Wilhelm Quick
Start Brennschluß
v = O v = ßv
~
ßv Treibst ff
Va 5 !J.v = Geschwindigkeitszuwachs
=
va Ausströmgeschw.
ßv = valn GG1- G1 = tartgewicht
2 Gz = Brennschlußgewicht
2
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9
--+- 2
Abb. 2: Raketengrundgleichung
ßv
!J.v = Geschw.-Zuwachs
Va = A usströmgeschw.
v- ---- --
n = Stufenzahl
4 /:A __..-- 0,0_1_, -----"""-::012- - ·-······· r-· T = Treibstoffgewicht
L'L_ --~---- L = Leergewicht
L1 L2 Ls
0,1 0,1 k =
2 ~·.::::·.~·- ·-'-. ·- 0,2· - -············ ~. GI = Startgewicht
G2, G3 usw. = Gewicht
der Stufen 2, 3 usw.
N = utzlast = GnH
2 3 4 5 6 00
_____.. n
Abb. 3: 6 v in Abhängigkeit von der Stufenzahl
Komponenten der Raumfahrt 11
Zur Verwirklichung von Satellitenflugbahnen sind Werte für !lvfva von
der Größe 3 erforderlich. Somit muß das Gewichtsverhältnis G2/G1 etwa
0,05 sein, d. h. daß 95% des Startgewichtes aus Treibstoffbestehen müßten.
Diese Forderung ist kaum realisierbar, und für noch weitergehende Wün
sche gibt es mit dieser einfachen Konzeption keine Lösung.
Ein besseres Ergebnis ist aber erreichbar, wenn eine vielstufige Rakete
benutzt wird. In Abbildung 3 ist diese am Beispiel einer dreistufigen Rakete
schematisch dargestellt. Das Startgewicht sei G1. Die Rakete besteht aus
einem Treibstoffanteil T 1 und einem Leergewicht L1 sowie der Nutzlast
dieser Stufe G2. Nach dem Abbrand von T 1 wird L1 abgeworfen, so daß G2
das Anfangsgewicht einer neuen Rakete, der zweiten Stufe, darstellt, die
aber bereits einen bestimmten Geschwindigkeitszuwachs !lv zur Zeit ihres
Startes besitzt. Jetzt zündet der Treibstoff T und beschleunigt die Rakete
2
weiter. Nach Brennschluß wird L2 abgeworfen, und die Nutzlast G3 stellt
die dritte Stufe dar, die nach Abbrand von T 3 und Abwurf von L3 die Nutz
last N = G4 auf den Endwert !lv beschleunigt hat.
Unter Voraussetzung konstanter Ausströmgeschwindigkeit v a aller
Stufen und konstanter Verhältnisse k = L1/T1 = L2/T2 = L3jT3 usw.
und wieder für den Flug im widerstands- und gravitationsfreien Raum er
gibt sich für n Stufen ein Geschwindigkeitszuwachs !lv von
+
ßv 1 k
- = n ·ln + (2)
Va k (N/Gl)l/n
für n oo erhält man hieraus
-+
ßv G1/N
-=ln- (3)
+
Va 1 k
Abbildung 3 zeigt den Verlauf von !lvfva für verschiedene Werte von k
und NJG1 in Abhängigkeit von der Stufenzahl n. Um höhere Werte von
!lv/va zu erreichen, ist außer einem geringen Verhältnis NjG1 von Nutzlast
zu Startgewicht sowie geringem Wert k vor allem eine Mehrstufigkeit sehr
zweckmäßig. Die verwendete Stufenzahl von 2 und 3 findet damit ihre Er
klärung, wobei abschließend bemerkt sei, daß dieser Vorteil durch die Mög
lichkeit des zwischenzeitliehen Abwurfes aller Leergewichte von L1 bis Ln-1
entsteht, da diese Massen nicht auf die Endwerte beschleunigt zu werden
brauchen.
Es ist natürlich verständlich, daß das Startgewicht G1 anwachsen muß,
wenn die Nutzlast N konstant bleiben, der Geschwindigkeitszuwachs !lv
aber mit der Stufenzahl n steigen soll. Unter der Annahme, daß jede Stufe