Table Of ContentMichael Kopel
Komplexe Unternehmensdynamik
Chaotische dynamische Systeme in der
Betriebswi rtschaftsleh re
Michael Kopel
Komplexe
Unternehmens
dynamik
Chaotische dynamische Systeme in der
Betriebswirtschaftslehre
Springer Fachmedien
~
Wiesbaden GmbH
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme
Kopel, Michael:
Komplexe Unternehmensdynamik : chaotische dynamische
Systeme in der Betriebswirtschaftslehre / Michael Kopel. —
Wiesbaden : Dt. Univ.-Verl., 1994
(DUV : Wirtschaftswissenschaft)
Zugl.: Wien, Techn. Univ., Diss., 1993
ISBN 978-3-8244-0203-8
ISBN 978-3-8244-0203-8 ISBN 978-3-663-12196-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-12196-1
Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen der
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© Springer Fachmedien Wiesbaden 1994
Ursprünglich erschienen bei Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden 1994
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Geleitwort
Betrachten wir folgendes Modell zur Beschreibung des Wettbewerbs von zwei
Untemehmen. Angenommen, beide Firmen tiitigen ihre jlihrlichen Investitionen,
einschlieBlich der Ausgaben fUr Forschung, Entwicklung und Werbung in
Abhiingigkeit yom Vorsprung ihres Konkurrenten. Das erste Untemehmen verfolgt
eine defensive Politik und investiert dann, wenn es sich im Nachteil befindet, urn
diesen auszugleichen. Die andere Untemehmung verhalte sich entgegengesetzt,
d.h. investiert bei einem Wettbewerbsvorteil, wartet jedoch bei einem
Wettbewerbsvorteil des Konkurrenten abo Neben dieser Asymmetrie im Verhalten
der Untemehmungen wird zusatzlich unterstellt, daB die deterministische
Beziehung zwischen den Investitionen und dem Vorsprung bzw. Riickstand der
Untemehmen nichtlinearer Natur ist. Beobachten wir nun die Umsatze der Firmen
und die Marktanteile in aufeinanderfolgenden Jahren als Systernzustiinde, so
erhalten wir ein vereinfachtes, nichtlineares Modell zweier asymmetrisch
handelnder Gegner - einer aggressiv agierenden Untemehmung im Konflikt mit
einem defensiv eingestellten Konkurrenten. Fiir gewisse Parameterkonstellationen,
namlich dann, wenn der Aggressor einerseits effizienter investiert, andererseits
aber bei Tatenlosigkeit schneller yom Markt verschwindet, beginnt ein derartiges
System im Zeitablauf erratisch, d.h. scheinbar unregelrnaBig zu oszillieren.
Plotzlich kann es zu abrupten Anderungen und neuen Mustem im Investitions
verhalten und in den Umsatzen kommen, die ebenso plotzlich wieder
verschwinden. Wir sehen uns einem Phanomen gegeniiber, fUr das sich die
Bezeichnung Chaos eingebiirgert hat. Ein einfacher deterministischer
Mechanismus erzeugt Pfade, die so kompliziert sind, daB sie durch statistische
Standard-Tests nicht von zufalligem Verhalten unterschieden werden konnen.
Der Begriff des dynarnischen Systems ist in den Naturwissenschaften
allgegenwartig. 1m Sonnensystem laufen laufen die Planeten auf Kepler-Ellipsen
nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz urn ihr Zentralgestim. Allerdings hat
schon der groBe franzosische Mathematiker Henri Poncare gezeigt, daB es in der
Himmelsmechanik bei mehr als zwei Korpem zu unglaublich komplizierten, d.h.
chaotischen Bahnen kommen kann. Die Theorie nichtlinearer dynarnischer
Systeme ist in den vergangenen Jahrzehnten durch wesentliche mathematische
Beitrage weiterentwickelt worden. Daneben ist auch das Aufkommen des
Computers fUr den Boom im Bereich der Chaosforschung verantwortlich, welchen
wir etwa seit den achtziger Jahren erleben. Wir brauchen aber nicht bis in den
Weltraum zu sehen, urn chaotische Phiinomene zu entdecken. Seit kurzem haben
VI
sich auch die Wirtschaftswissenschaftler der Frage zugewandt, ob die in vielen
Bereichen der Okonomie auftretenden Fluktuationen hauptslichlich durch
stochastische (exogene) Schocks hervorgerufen werden oder aber endogen durch
das deterministische Zusammenwirken von Marktkrliften, Technologien und
Prliferenzen erkllirt werden ktinnen. Dies lliuft auf die Frage hinaus, ob eine
gegebene Zeitreihe Realisierung eines Zufallsprozesses ist oder aber durch ein
niedrig-dimensionale deterministisches System erzeugt wurde.
Ein derartiger Paradigmenwechsel wirft folgende zentrale Fragen auf: Durch
welche "Mechanismen" kommt Chaos zustande? In welchem Bereich der
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ktinnen nichtlineare Systemdynamiken als
mtigliche Erkliirung fUr Fluktuationen in den empirischen Zeitreihen fungieren?
Inwieweit ist es mtiglich, hinter den Beobachtungen stehende dynamische Systeme
zu identifizieren?
In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ist die Anwendung der Theorie
nichtlinearer dynamischer Systeme bisher zwar erst ansatzweise entwickelt, eine
Aufnahme dieser neuen Richtung in der Okonomie hat jedoch schon stattgefunden.
Bisher ist die Betriebswirtschaftslehre diesem Trend und der Okonomie als Vorbild
(his auf wenige Ausnahmen) nicht gefolgt, und hat ein fruchtbares Feld brach
liegen lassen. Michael Kopel geht nun in diesem Buch der Frage nach, ob sich die
Betriebswirtschaftslehre als Anwendungsgebiet nichtlinearer dynamischer Systeme
eignet, oder ob diese zu Recht unterblieben ist. Dazu wird im ersten Teil des
Buches in die Begriffswelt und in die Techniken der Theorie nichtlinearer
dynamischer Systeme eingeftihrt. Anders als in mathematischen Darstellungen
geschieht dies "spielerisch" anhand von einfachen betriebswirtschaftlich
orientierten Beispielen. Der Autor setzt sich auch kritisch mit einer mtiglichen
Anwendung auf betriebswirtschaftliche Fragestellungen auseinander und vergleicht
bekannte chaosgenerierende Mechanismen mit betriebswirtschaftlichen Anslitzen.
Wie eine konkrete Fragestellung im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre in ein
Modell gefa8t, und chaostheoretisch analysiert werden kann, zeigt der Autor im
zweiten Teil des Buches. Hier gelingt es iiberzeugend, die vielfachen
Verflechtungen der Theorie nichtlinearer dynamischer Systeme und der
Betriebswirtschaftslehre aufzuzeigen, und den chaoserzeugenden Mechanismus zu
isolieren. VerbIUffend einfach, ohne komplizierten mathematischen Apparat, und
nur auf intutitiv zuglinglichen geometrisch orientierten Argumenten wird hier das
Chaos "begreiflich" gemacht. Der Autor ftihrt in die wesentlichen Konzepte und
Aspekte der Chaostheorie ein, ohne den Leser mit dem mathematischen
Hintergrund zu konfrontieren.
VII
Betriebswirten, denen eine Anwendung der Chaostheorie in ihrem Gebiet
vorschwebt, die aber zuniichst Oberprtifen wollen, ob ihr Forschungsgebiet
Oberhaupt "chaostriichtig" ist, kann diese Arbeit mit Nachdruck empfohlen werden.
Michael Kopel leistet mit dieser Arbeit einen wichtigen Beitrag zur
betriebswirtschaftlichen Forschung und zeigt, daB das Gebiet der Chaostheorie
zusiitzliche Einblicke in betriebswirtschaftliche Fragestellungen bringen kann.
Gustav Feichtinger
Vorwort
In den letzten Jahren ist die Anwendung nichtlinearer dynamischer Systeme auf
Fragestellungen vieler Forschungsgebiete fast zum Standard geworden. Alleine die
Betriebswirtschaftslehre hat von diesem neuen Trend kaum Notiz genommen. Nur
einige wenige Publikationen in einschliigigen Fachzeitschriften sind bis jetzt
erscbienen, und wollten diese Forschungsrichtung einer breiteren betriebswirt
schaftlich orientierten Leserschaft zugiinglich machen. So ist bier jedenfalls die
Arbeit von Professor Horst Albach zu erwiihnen, der als Wegbereiter die
Moglichkeit von komplexer Dynamik als der krisenauslosenden Ursache in
Untemehmen untersuchte. Trotzdem die Ergebnisse dieser und auch weiterer
Arbeiten vielversprechend waren, hat sich die Anwendung der "Chaostheorie" in
der Betriebswirtschaftslehre bisher nicht etablieren konnen.
Der Frage, ob eine derartige Nichtbeachtung dieser "Modeerscheinung Chaos"
gerechtfertigt ist, oder ob sich nichtlineare dynamische Systeme fUr die
Anwendung auf betriebswirtschaftliche Fragestellungen doch eignen, wird in
dieser Arbeit nachgegangen. Das Ziel des Buches ist, ohne groBen formalen
Apparat die wesentlichen Aspekte, ldeen, Mechanismen und Techniken der
Chaostheorie einem breiteren Leserkreis zugiinglich zu machen. Dazu wird vor
aHem darauf Wert gelegt, dem betriebswirtschaftlich orientierten Leser diese
"Tools" in einem ihm vertrauten Rahmen zu priisentieren, oboe ihn mit dem
dahinterstehenden mathematischen Apparat zu konfrontieren. Nach kritischer
Analyse erscheinen die Konzepte der Theorie nichtlinearer dynamischer Systeme
als eine tatsiichliche Erweiterung der Hilfsmittel, die fUr betriebswirtschaftliche
Untersuchungen zur Verfiigung stehen, und die bisher unverstiindlicherweise nicht
genutzt wurden. Insbesondere kann in diesem Zusammenhang auf neue
Entwicklungen auf dem Gebiet der Zeitreihenanalyse bingewiesen werden, die sich
fUr eine Anwendung im Rahmen der Betriebsokonometrie anbieten.
Verscbiedentlich wird in dieser Arbeit auf ldeen und Argumente zuriickgegriffen,
die in Zusammenarbeit mit Univ.-Prof. Dr. Gustav Feichtinger entstanden sind.
Einige Elemente entstammen aus gemeinsam verfa6ten Aufsiitzen, Feichtinger und
Kopel, 1993, und Feichtinger und Kopel, 1994. Diese Gelegenheit erlaubt es mir,
Professor Feichtinger nicht nur fUr diese Zusammenarbeit zu danken, sondem auch
fUr aIle seine Ratschliige und ldeen, vor allem aber fUr seine Energie, die auch
meine Entwicklung positiv beeinfluBen. Danken mochte ich auch Herrn Univ.
Prof. Dr. A. Stepan, der mir, als seinem Mitarbeiter, die notigen Freiriiume
x
gewiihrt. urn mich meiner Forschungstiitigkeit widmen zu konnen. Narnentlich
erwlihnen rnochte ich auch Alexia Prskawetz. deren Unterstiitzung wesentlich zurn
Gelingen dieser Arbeit war.
Michael Kopel
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 1
1.1. Zum Begriff der chaotischen dynamischen Systeme
1.2. Zwei Trends in der Okonomie 5
1.3. Autbau der Arbeit 7
2. Untersuchungsobjekte uod Methoden
der Theorie nichtlinearer dynamischer Modelle 11
2.1. Zwei (hoffentlich) motivierende Beispiele 11
2.2. Ein chaosgenerierender Mechanismus 29
2.3. Graphische Iteration 34
2.4. Das Bifurkationsdiagramm
-ein Hilfsmittel zur numerischen Analyse 42
2.5. Zur Definition von Chaos 62
2.6. Lyapunov-Exponenten -ein quantitatives MaS fUr Chaos 66
2.7. Relevanz der Chaostheorie fiir die Betriebswirtschaftslehre 70
3. Eioe betriebswirtschaftliche Chaos -Fallstudie 83
3.1. Die Entwicklung von Untemehmen 84
3.2. Forschungs-und Entwicklungsaktivitat und Innovation 88
3.3. Das Lebenszykluskonzept 95
3.3 .1. Der Produktlebenszyklus 95
3.3.2. Der Untemehmenslebenszyklus 99
3.3.3. Empirischer Befund zum
Untemehmenslebenszyklus 108
3.4. Das Modell von Pinkwart 112
3.5. Zum tatsachlichen Entscheidungsverhalten 117
3.5.1. Empirische Untersuchungen zu
Bestimmungsfaktoren fUr F&E-Ausgaben 119
3.5.2. Zum Rationalitatspostulat der Okonomie -
Risikofreude versus Risikoaversion 120