Table Of ContentKommunale
gewerbliche U nternehmrmgen
als Kampfmittel gegen die finanzielle Notlage
der deutschen Städte
Von
l)r.•3ng. Wilhelm
~Iajerczik
Springer-Verlag Berlin Heide1berg GmbH
1919
A.lle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-662-42148-2 ISBN 978-3-662-42415-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-42415-5
Vorwort.
Das Buch, das ich hiermit der Öffentlichkeit übergebe, ist durch
die Praxis angeregt worden. Seit über 12 Jahren war ich bei der
Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft Berlin tätig, als Inge·
nieur der Abteilung für Zentralstationen, die unter Leitung von Ge
heimrat Klingenberg, dem bekannten Verfechter der elektrischen
Großwirtschaft, steht. Hier nahm ich an einer größeren Zahl von
Verhandlungen teil, die die Reorganisation städtischer gewerblicher
Unternehmungen betrafen und lernte dadurch die vielfach voneinander
abweichenden Anschauungen der kommunalen und industriellen Ver
treter kennen. Aus den hierbei gewonnenen Eindrücken ist der Ent
schluß zu der vorliegenden Schrift erwachsen.
Mit der Arbeit selbst habe ich bereits einige Monate vor Ausbruch
des Krieges begonnen. Infolge meiner Einziehung zum Heeresdienste
wurde ihre Fertigstellung lange verzögert. Kurz vor ihrer Vollendung
erfolgte der Zusammenbruch der deutschen Kriegspolitik und die
Revolution. Obgleich demnach die wirtschaftlichen und im beson
deren finanziellen Verhältnisse bei Abschluß des Buches ganz andere
sind, als bei seinem Beginn, so habe ich doch von meinen Ausführungen
nichts fortzunehmen und nur folgendes hinzuzufügen, was sich auf die
am Schluß der Arbeit empfohlene Einführung der gemischt-wirt
schaftlichen (öffentlich-privaten) Unternehmungsform für die kom
munalen Werke bezieht:
Die gemischt-wirtschaftliche Unternehmungsform gibt der Privat·
industrie Einfluß auf Betriebe, die diesem bisher, soweit es sich um rein
öffentliche Verwaltungen handelt, nicht unterstellt waren. Mancher
mag es für befremdlich halten, die Ausdehnung des privaten Elementes
in einem Augenblick zu befürworten, wo die soziale Revolution daran
arbeitet, den privaten Charakter der Wirtschaft einzudämmen, oder
gar aufzuheben. Demgegenüber weise ich zunächst darauf hin - was
ich auch in der Schrift selbst betont habe - daß die Heranziehung
der Industrie nicht als ein Rückschritt von der öffentlichen zur pri·
vaten Bewirtschaftung gedacht ist. Die Privaten sollen nur als dienende
Glieder helfen, die mit den Werken verknüpften allgemeinen wirtschaft
lichen Interessen zu fördern. Weiter bemerke ich, daß zwischen der
IV Vorwort.
Einführung der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmungsform und dem
Verlangen nach Sozialisierung der Betriebe kein "Widerspruch besteht,
sofern unter Sozialisierung verstanden wird: die Abänderung der Be
ziehungen zwischen Unternehmen einerseits, der Allgemeinheit sowie
den Angestellten und Arbeitern andererseits, zum Vorteile der letzteren.
Auch die gemischt-wirtschaftlichen Betriebe können »sozialisiert<(
werden. Mit der Umwandlung der bisher rein kommunalen Werke
in sozialisierte gemischt-wirtschaftliche Unternehmungen ist den Arbeit
nehmern vielleicht sogar mehr gedient als mit der Aufrechterhaltung
der bisherigen öffentlichen bürokratischen Verwaltung, die den Be
trieben einen mehr munizipal-kapitalistischen als -sozialistischen Cha
rakter gegeben hat.
Wenn ich für das gemischt-wirtschaftliche System eintrete, so ge
schieht es hauptsächlich, um eine wirkliche Verantwortlichkeit für
die Betriebe zu schaffen. Eine solche fehlte bisher bei den Kommunen,
wie sie auch in der Reichs· und Staatsverwaltung nicht vorhanden
war. Die Niederlage, die wir im Kriege erlitten haben, scheint mir
in erster Linie verschuldet zu sein durch diesen Mangel einer gründ
lichen und erschöpfenden Verantwortlichkeit bei den ausführenden
Behörden sowohl, wie auch bei den überwachenden Organen, den
Parlamenten. Die Kommunen sind nicht einer so gewaltsamen, von
außen her kommenden Belastungsprobe ausgesetzt worden, wie das
Reich, aber es wäre ein Irrtum anzunehmen, daß bei ihnen bessere
Zustände geherrscht hätten. Die gemischt-wirtschaftliche Unterneh
mung bedeutet gegenüber dem rein kommunalen Betriebe eine Ver
besserung, weil sie die formale Aufsicht der Stadtverwaltung ersetzt
durch die Verantwortlichkeit einer für ihre Geschäftsgebahrung realiter
haftbaren Betriebsgesellschaft 1).
Berlin, Ende Februar 1919.
Der Verfasser.
1) Während der Drucklegung begann in der Öffentlichkeit die umfangreiche Er
örterung des >Rätesystems•, d. h. die Diskussion über die den Betriebsräten der Arbeiter
und Angestellten einzuräumenden wirtschaftlichen und politischen Rechte. Es erschien
(Anfang April 1919) die Ankündigung der Reichsregierung über die Verankerung der
Räte in der Reichsverfassung. Ich glaube, daß die Betriebsräte im Laufe der Zeit zu
einem segensreichen Wirtschaftsfaktor sich entwickeln werden. Um so mehr bedaure
ich, daß es mir bei der vorliegenden Schrift nicht mehr möglich war, ihre Wirksamkeit
für den Neuaufbau auch der kommunalen gewerblichen Unternehmungen gebührend zu
berücksichtigen.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Vorwort ..... III
Inhaltsverzeichnis . V
Einleitung . . . . l
Erster Teil.
Die bisherige Stellung der gewerblichen Unternehmungen im Haushalt
der Städte.
A. Die öffentlich-rechtlichen Einnahmequellen der Städte . . . . . . . . . . 5
B. Die finanziellen Ergebnisse der städtischen gewerblichen Unternehmungen . . 10
I. Die Betriebsüberschüsse der städtischen gewerblichen Unternehmungen be-
zogen auf das Anlagekapital 12
1. Gaswerke . . . . 13
2. Elektrizitätswerke 17
3. Wasserwerke. . . 21
4. Bahnen . . . . . 25
Kritische Würdigung der Betriebsüberschüsse 29
II. Die Betriebsüberschüsse der städtischen gewerblichen Unternehmungen im
Verhältnis zum Steueraufkommen . 38
1. Gaswerke . . . . 40
2. Elektrizitätswerke. . 42
3. Wasserwerke . . . . 44
4. Bahnunternehmungen 46
5. Zusammenstellung der Überschüsse aus Betrieben . 47
Die wichtigeren Einnahmequellen des Reichs und der Bundesstaaten . 53
C. Die Finanzierung der städtischen gewerblichen Unternehmungen . . . 54
I. Die bisherige Entwicklung des kommunalen Schuldenwesens 54
II. Die zukünftige Finanzierung der städtischen gewerbli.c~en Unternehmungen 62
Zweiter Teil.
Die Zukunft der städtischen gewerblichen Unternehmungen vom
finanziellen Standpunkt aus betrachtet.
A. Finanz- oder Wirtschaftspolitik? . . . . . . . . . . . 66
B. Neue Organisationsformen für den Betrieb der städtischen gewerblichen Unter-
nehmungen .............. . 70
I. Rein kommunale Organisationsformen . . 71
1. Die verseibständigte kommunale Unternehmung. 71
2. Die öffentliche Gemeinwesen-Aktiengesellschaft. 73
3. Der kommunale Zweckverband . . . . . . . . 74
VI Inhaltsverzeichnis.
Seite
II. Organisationsformen unter Zuziehung Privater. . . . . . . . . . 76
1. Vergleich der in öffentlicher und in privater Verwaltung stehenden
Werke ..... . 77
a) Gaswerke . . . . 77
b) Elektrizitätswerke 79
c) Wasserwerke 81
d) Straßenbahnen. • 82
Ursachen der Überlegenheit der privaten über die öffentlichen Unter-
nehmungen. . . ...........• 84
2. Beschreibung der durch Zuziehung Privater gebildeten Organisations-
formen . . . • . . . . . . . . . . . • • • . . . . ... . 87
a·) Rein private Unternehmungen (Verpachtung bzw. Verkauf) ... . 87
b) Die gemischt -wirtschaftliche (öffentlich-private) Unternehmung. . . 89
Die wirtschaftliche und finanzielle Bedeutung der gemischt-wirtschaft-
lichen Unternehmungsform 92
Literaturnachweis . . . . • . . . . . . . . . . • . 97
Einleitung.
Der Krieg hat das deutsche Wirtschaftsleben in emem noch nicht
abzuschätzenden Grade erschüttert. Die umfassendsten Maßnahmen
und jahre- vielleicht jahrzehntelange Anstrengungen werden nötig sein,
um auf den früheren Stand des Reichtums wieder zu gelangen. Es
ist klar, daß von den eingetretenen Umwälzungen auch das Finanz
wesen der öffentlichen Körperschaften sehr wesentlich mitbetroffen
wird. In erster Linie gilt dies für das Reich. Eine große Zahl von
einschneidenden Finanzgesetzen sind hier bereits erlassen worden und
schärfere werden noch folgen müssen, um die jährliche Verzinsung
der Milliardenschulden, die Rentenzahlungen usw. zu sichern. Im
Laufe des Krieges sind die :finanziellen Bedürfnisse der Bundesstaaten
und der Kommunen gegenüber denen des Reichs stark in den Hinter
grund gedrängt worden. Aber auch hier ist nach Friedensschluß eine
weitgehende Neuordnung erforderlich; denn die Einnahmen wie die
Ausgaben dieser öffentlichen Körperschaften und nicht zum wenigsten
ihre finanziellen Beziehungen zueinander haben sich von Grund aus
geändert.
Während das staatliche Finanzwesen, das man früher mit dem
Ausdruck Finanz schlechthin bezeichnete, schon seit Jahrhunderten
gepflegt wird und dementsprechend eine umfangreiche Literatur be
sitzt, hat das kommunale Fina,nzwesen erst in neuerer Zeit, in Deutsch
land seit der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, größere Be
achtung gefunden. Einen besonders jungen Zweig der kommunalen
Finanzverwaltung bilden die wirtschaftlichen Unternehmungen
der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die deutschen Städte
betreiben zwar schon seit Jahrhunderten gewerbliche Anlagen, aber
erst in den letzten drei Jahrzehnten hat diese Betätigung einen sol
chen Umfang angenommen, daß sie finanziell von größerer Bedeutung
geworden ist. Naturgemäß sind die Veröffentlichungen hierüber ver
hältnismäßig jungen Datums und noch mit mancherlei Mängeln be·
haftet. Das letztere liegt zum Teil auch an der Zwitterstellung, die
die Betriebe innerhalb der kommunalen Verwaltung einnehmen. Die
städtischen Werke sind nämlich sowohl öffentliche wie privat
wirtschaftliche Unternehmungen. Sie gehören ebensosehr zur ver-
M aj er c z i k, Kommunale gewerbliche Unternehmungen. 1
2 Einleitung.
waltungsrechtlichen wie zur industriellen Sphäre. Der Umstand, daß
der juristisch vorgebildete Verwaltungsbeamte in tf)chnisch·wirtschaft
lichen Fragen meistens ein Laie ist, während umgekehrt der in Bau
und Betriebsfragen sachverständige Techniker auf dem Gebiete der
öffentlichen Verwaltung wenig Bescheid weiß, hat sicher viel dazu
beigetragen, daß die kommunalen Unternehmungen bisher in der
finanzwissenschaftliehen Literatur keine genügende Bearbeitung er
fahren haben.
Indessen alle diese Unzulänglichkeiten und Schwierigkeiten dürfen
nicht davon abhalten, die finanzielle Rolle der gewerblichen Unter
nehmungen innerhalb der städtischen Verwaltung einer neuen Prüfung
zu unterziehen. Denn die Beanspruchung der städtischen Haushalte
wird voraussichtlich nach Beendigung des Krieges so groß sein, daß
die Überschüsse der werbenden Anlagen in einem bisher nicht ge
kannten Maße bei der Deckung der kommunalen Lasten werden mit
wirken müssen.
Gegenstand der folgenden Untersuchung ist die finanzielle Be
deutung der gewerblichen Unternehmungen fiir den Haushalt der
Städte. Es ist dies zwar eine einseitige Betrachtung, sie erfaßt die
Werke nicht im Rahmen der gesamten Volkswirtschaft, sondern be
handelt nur ihre Einordnung in das kommunale Finanzw~sen; nichts
destoweniger steht diese Seite praktisch im Vordergrunde des Interesses.
Denn die Geschäftsführung der Werke hängt ab von den kommu
nalen Körperschaften, deren Entschließungen wiederum maßgebend von
dem Zustande der Finanzen ihres Gemeinwesens beeinfl.ußt werden.
Der Zusammenhang zwischen den gewerblichen Unternehmungen und
dem Haushalt der Städte ist bei der folgenden Darstellung nach zwei
Richtungen hin untersucht: einmal ist die bisherige finanzielle Lage
der Werke nach ihrem tatsächlichen Stande behandelt; sodann wird
erörtert, durch welche Maßnahmen, unter Berücksichtigung der infolge
des Krieges gänzlich veränderten Lage des Wirtschaftslebens, die finan
ziellen Verhältnisse der Werke verbessert, insbesondere ihre finanzielle
Ergiebigkeit gesteigert werden können. Kürzer ausgedrückt: es wird
untersucht, was die werbenden Anlagen für die Städte bisher gewesen
sind und was sie ihnen in Zukunft sein können. Demgemäß zerfällt
die Arbeit in zwei Hauptteile, deren erster vorwiegend finanzwissen
schaftlicher Natur ist, während der zweite mehr wirtschafts
politische Gedanken enthält.
Erster Teil.
Die bisherige Stellung der gewerblichen Unter
nehmungen im Haushalt der Städte.
Um systematisch vorzugehen, sei zunächst der Begriff der f>städti·
sehen gewerblichen Unternehmung<< festgestellt. Es sind darunter
kommunale Veranstaltungen begriffen, die in der Ab sich t einer
Gewinnerzielung betrieben werden 1). Das Maßgebende für die De·
finition ist nicht, ob ein Gewinn tatsächlich erzielt wird - das Unter
nehmen kann auch mit Verlust abschließen -, sondern die Absicht
der Gewinnerzielung. Die >>Unternehmungen<< unterscheiden sich von
den »Anstalten<< dadurch, daß letztere ohne ein Gewinnstreben ledig·
lieh betrieben werden, um einem öffentlichen Bedürfnis zu genügen.
Aus praktischen Gründen, über die später noch Näheres gesagt werden
wird, sollen unter den städtischen gewerblichen Unternehmungen hier
vorzugsweise die Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerke und Bahnen
als eine besondere Gruppe verstanden werden 2). Nicht einwandfrei
in diesem Zusammenhange ist die Stellung der Wasserwerke. Ihrem
wirtschaftlichen Charakter und ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung
nach sind die Wasserwerke im Grunde mehr den Anstalten als den
Unternehmungen zuzurechnen. Da sie aber vielfach mit der Absicht
einer Gewinnerzielung betrieben werden und ihrem technischen Wesen
wie ihren finanziellen Ergebnissen nach mit den drei anderen Unter
nehmungsarten manche Ähnlichkeiten aufweisen, so seien sie in der
obigen Gruppierung belassen.
Im Haushalt der Städte spielen die gewerblichen Unternehmungen
eine aktive und eine passive Rolle. Die aktive Rolle liegt in dem
Reingewinn, den sie an die Stadtkasse abführen, oder, richtiger gesagt,
abführen sollen. Als Passiva wirken sie in Gestalt der Schulden, die
für ihre Errichtung erforderlich sind. Beide Momente, das aktive
1) Vgl. v. Kaufmann, Die Kommunalfinanzen Bd. II, S. 42.
2) Auch Dr. Karl Schmidt, Das Rentabilitätsproblem bei der städtischen Unter
nehmung, und Dipl.-Ing. Dr. Eduard Harms, Die Überführung kommunaler Betriebe
in die Form der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung, fassen diese Unternehmungen
als eine besondere Gruppe auf, mit denen sie sich ausschließlich beschäftigen.
1*