Table Of ContentVeröffentlichungen
des Max-Planck-Instituts für Geschichte
Band 181
Gabriele Lingelbach
Klio macht Karriere
Die Institutionalisierung der
Geschichtswissenschaft in Frankreich
und den USA in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
ISBN 3-525-35177-1
Gedruckt mit Unterstützung der DVA-Stiftung, der Fazit-Stiftung und
der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften.
© 2003, Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen.
Internet: http://www.vandenhoeck-ruprecht.de
Alle Rechte Vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich
geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes
ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeisung und
Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany.
Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
Umschlagkonzeption: Markus Eidt, Göttingen
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier
Inhalt
1. Einleitung............................................................................................... 9
2. Die Ausgangsbedingungen: Beschäftigung mit Geschichte in der
Phase der >Proto~Institutionalisierung< .......................................... 33
2.1. Entwicklung von Geschichtsschreibung und -lehre in Frankreich
vor den Reformen Duruys .................................................................. 33
2.2. Entwicklung von Geschichtsschreibung und -lehre in den USA
vor dem Bürgerkrieg............................................................................ 71
3. Die gesellschaftlichen und universitären Rahmenbedingungen . . 95
3.1. Gesellschaftliche und universitäre Rahmenbedingungen in
Frankreich............................................................................................. 95
3.2. Gesellschaftliche und universitäre Rahmenbedingungen in den
USA .......................................................................... 131
4. Die Institutionalisierung der Geschichtswissenschaft von den
1860er Jahren bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts..................... 163
4.1. Organisationsbildung............................... 163
4.1.1. Organisationsbildung der Geschichtswissenschaft in Frankreich ................. 163
4.1.1.1. Organisationsbildung der Geschichtswissenschaft im Enseignement supé
rieur anhand von sieben Fallbeispielen: Ecole pratique des hautes études -
IVe Section, Ecole libre des sciences politiques, Collège de France, Ecole
des chartes, Ecole normale supérieure, Ecoles françaises d’Athènes et de
Rome, Facultés des lettres .................................................................................... 163
4.1.1.2. Organisationsbildung außerhalb des Enseignement supérieur: Geschichts
vereine, Historische Zeitschriften, Académie des inscriptions et belle
lettres, Académie des sciences morales et politiques, Comité des travaux
historiques, Archive, Bibliotheken ...................................................................... 207
4.1.2. Organisationsbildung der Geschichtswissenschaft in den USA..................... 227
4.1.2.1. Universitäre Organisationsbildung anhand von fünf Fallbeispielen:
University of Michigan, Cornell University, Johns Hopkins University,
Harvard University und die American schools for classical studies............... 227
4.1.2.2. Außeruniversitäre Organisationsbildung: Geschichtsvereine, Department of
historical research der Carnegie Institution, Historische Zeitschriften,
Archive, Bibliotheken............................................................................................. 266
4.2. Professionalisierung............................................................................ 285
4.2.1. Professionalisierung der Geschichtswissenschaft in Frankreich..................... 285
4.2.2. Professionalisierung der Geschichtswissenschaft in den USA ....................... 331
4.3. Standardisierung................................................................................... 374
4.3.1. Standardisierung der Geschichtswissenschaft in Frankreich ......................... 374
4.3.1.1. Standardisierung von Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung .... 374
4.3.1.2. Standardisierung der Geschichtslehre................................................................. 438
4.3.2. Standardisierung der Geschichtswissenschaft in den USA.............................. 476
4.3.2.1. Standardisierung von Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung .... 476
4.3.2.2. Standardisierung der Geschichtslehre................................................................. 543
4.4. Disziplinierung ..................................................................................... 576
4.4.1. Disziplinierung der Geistes- und Sozialwissenschaften in Frankreich ......... 576
4.4.2. Disziplinierung der Geistes- und Sozialwissenschaften in den USA............. 604
5. Systematischer Vergleich und theoretische Einordnung der
Ergebnisse ............................................................................................. 625
Abkürzungsverzeichnis................................................................................... 685
Verzeichnis der Statistiken und Übersichten............................................... 687
Statistiken und Übersichten .......................................................................... 691
Quellen-und Literaturverzeichnis ................................................................ 773
Personenregister................................................................................................ 813
Vorwort
Wer die Entstehung und Funktionsweise von akademischen Klientelen und
Netzwerken, von Zitierkartellen und Forschungsförderungen untersucht,
verfaßt eine Danksagung nicht ohne ein ironisches Schmunzeln. Dieses min
dert aber nicht im geringsten die Aufrichtigkeit, mit der im folgenden der ei
genen Dankbarkeit Ausdruck verliehen werden soll ... Ich danke zunächst
meinen beiden Betreuern Jürgen Kocka und Etienne François für ihre Ge
duld, für Rat und Kritik und für die intellektuelle und institutioneile Förde
rung, die sie mir angedeihen ließen. In besonderer Schuld stehe ich auch bei
Matthias Middell für sein Quer- und Gegendenken, für das Stellen neuer
Fragen, für das Aufzeigen alternativer Wege. Teile der Arbeit lasen, kürzten,
korrigierten, kritisierten oder diskutierten mit mir Olaf Blaschke, Falk Bret-
schneider, Rüdiger Vom Bruch, Gregory Caplan, Gabriele B. Clemens,
Norbert Franz, Wolfgang Freund, Cathrin Friedrich, Eckhardt Fuchs, Phil
ipp Heyde, Thomas Höpel, Georg G. Iggers, Maike Petersen, Annette
Puckhaber, Karine Rance, Marc Schalenberg, Michael Schmidtke, Peter
Schumann, Klaus Peter Sick und Andreas Westerwinter. Ihnen allen ein gro
ßes >Danke<, >Merci<, >Thank you<!
Großzügig gefördert wurde die Arbeit durch Stipendien des Berliner Gra
duiertenkollegs Gesellschaftsvergleich, der Deutschen Historischen Institute
in Paris und in Washington D. C., des Zentrums für Höhere Studien der
Universität Leipzig und des Göttinger Max-Planck-Instituts für Geschichte.
Letzterem und dem Verlag Vandenhoeck und Ruprecht danke ich für die
Aufnahme in dieser Reihe. Druckkostenzuschüsse gaben die DVA-Stiftung,
die Fazit-Stiftung und die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für
Geisteswissenschaften. Bei meinen Archivaufenthalten wurde mir in vielfälti
ger Hinsicht geholfen. Den überaus freundlichen und engagierten Mitarbei
terinnen und Mitarbeitern der Universitätsarchive von Johns Hopkins, Cor
nell, Harvard und der University of Michigan sowie der Manuscript division
der Library of Congress und der Carnegie Institution in Washington gilt
meine besondere Verbundenheit. In Frankreich kamen mir die Ecole norma
le supérieure, die Ecole pratique des hautes études, die Ecole des chartes,
das Collège de France, das Institut de France und die Fondation nationale
des sciences politiques, hin und wieder auch die Archives nationales bei mei
ner Suche nach interessantem Material entgegen. All diesen Institutionen
und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt mein Dank. Dieser geht
aber auch an meine Familie und Freunde, die mit Geduld, Zuspruch und
vielfältiger Hilfe die Aufs und Abs des Promotionsprozesses begleiteten so
wie an die Kolleginnen und Kollegen der Universität Trier, die mich so
freundlich bei sich aufgenommen haben.
Die vorliegende Monographie ist die überarbeitete Fassung einer Disserta
tion, die im Jahr 2000 am Fachbereich Geschichtswissenschaften der Freien
Universität Berlin angenommen und verteidigt wurde. Das Manuskript wur
de für die Veröffentlichung um fast die Hälfte seines ursprünglichen Um
fangs gekürzt. Der Straffung des Textes fielen fast alle Quellenzitate zum
Opfer, zudem ist ein Großteil der statistischen Materialien und der Biblio
graphie weggefallen. Die ausführlichere Variante dieser Arbeit kann in der
Fachbereichsbibliothek der Freien Universität Berlin eingesehen werden, ich
selber stelle gerne ein Exemplar zur Verfügung.
Trier, im Mai 2001 Gabriele Lingelbach
1. Einleitung
»[...] nothing less than a revolution will make our teaching
of history equal to that which we find in Germany.«1
Solche und ähnliche Aussagen amerikanischer und französischer Historiker
des späten 19. Jahrhunderts bildeten ursprünglich den Ausgangspunkt eines
Forschungsvorhabens, das den interkulturellen Transfer von Deutschland in
die USA und nach Frankreich behandeln sollte und eine vergleichende Re
zeptionsgeschichte des deutschen Historismus in der französischen und
amerikanischen Geschichtswissenschaft anstrebte. Wissenschaftshistoriker
erforschen in der Regel die Geschichte einer Disziplin des eigenen Landes.
Die Folge ist, daß insbesondere Spezialisten zur Geschichte der Geschichts
wissenschaft allzu oft annehmen, bestimmte Strukturen seien selbstverständ
lich und ubiquitär, weil sie selbst in ihnen sozialisiert wurden. Diese Form
von >Betriebsblindheit< zeigt sich in der deutschen Forschung zur Historio
graphiegeschichte besonders häufig, wo gerne von dem >Deutschen ModelL
in den Geschichtswissenschaften anderer Länder gesprochen wird, ohne die
se Behauptung empirisch zu überprüfen. Die Möglichkeit, die deutsche Ge
schichtswissenschaft könnte eine Sonderentwicklung vollzogen haben, die
den Transfer geschichtswissenschaftlicher Institutionen und Methodologien
in Wirklichkeit sehr erschwerte, wird selten in Betracht gezogen. Auch am
Beginn meiner Untersuchungen stand die Vorstellung vom >Deutschen Mo
delL. Doch im Lauf der angestellten Forschungen forderte das >Vetorecht
der Quellern seinen Preis, denn die Ergebnisse der Archivarbeiten ließen den
in der Sekundärliteratur häufig behaupteten großen >Einfluß<2 der deutschen
Geschichtswissenschaft zu einem überraschend schmalen Rinnsal austrock
nen.3 Die genauere Betrachtung ergab, daß der Bezug französischer und
1 C. K. Adams (1883), On methods, S. 177.
2 Der häufig gebrauchte Begriff >Einfluß< ist irreführend, da er suggeriert, es >fließe< etwas
gleichsam natürlich, passiv und unverändert von einem Ort zum nächsten. Auch >Kulturexport<
ist mißverständlich, da dieser Ausdruck voraussetzt, das Ausgangsland habe aktiv und bewußt
daran mitgewirkt, die Strukturen in den Zielländem zu verändern, was selten der Fall war, zu
mindest was den hier untersuchten Zeitraum und die hier untersuchten Länder betrifft. Beide
Begriffe unterschätzen die kulturimmanente Intentionalität von Rezeptionsvorgängen in den
Zielländem. Siehe dazu P. Schöttler (1997), Französische.
3 Die Untersuchungsergebnisse zur möglichen Orientierung der amerikanischen und franzö
amerikanischer Historiker auf Deutschland in erster Linie strategischen
Charakter besaß: Die Verhältnisse in Deutschland dienten ihnen in der Re
gel lediglich als Argument für die Durchsetzung eigener Interessen bei tat
sächlicher Unabhängigkeit der beiden nationalen Entwicklungen vom an
geblichen deutschen Vorbild. Da damit die Arbeitshypothese des ursprüng
lichen Forschungsprojekts - >Die deutsche Geschichtswissenschaft hatte be
deutende Prägekraft hinsichtlich der französischen und amerikanischen
historischen Disziplinen - falsifiziert war, konnte das >Deutsche Modelh
nicht mehr als Tertium comparationis für einen angestrebten Vergleich der
französischen und amerikanischen historischen Disziplinen dienen. Obwohl
das ursprüngliche Forschungsdesign aufgegeben wurde, sind viele Ergebnis
se der früheren Fragestellung in die Arbeit eingeflossen. Insofern stellt diese
Monographie auch einen Beitrag zur interkulturellen Transferforschung
dar, wenngleich die Befunde in erster Linie negativ sind und die Transfer
problematik eine eher exemplifizierende Funktion übernimmt.4
Das Thema der Arbeit
Ein Ergebnis der genannten Analysen war die Erkenntnis, daß die
Rezeption - oder besser: die Verhinderung der Rezeption - von Elementen
der deutschen Geschichtswissenschaft in starkem Maße durch institutionelle
Strukturen bedingt war. Während des Forschungsprozesses wurde die Prä
gekraft von Institutionen auf die Aktivitäten von Historikern immer deut
licher wahrgenommen und diese Einsicht führte zur Umformulierung des
ursprünglichen Projekts zu seiner jetzigen Form. Thema der vorliegenden
Studie sind die unter dem Oberbegriff der Institutionalisierung zusammen
gefaßten synchronen Prozesse des Organisationsaufbaus, der Professionali-
sierung, der Standardisierung und Disziplinbildung der Geschichtswissen
schaft in Frankreich und den USA während der zweiten Hälfte des 19. bis zu
den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Behandelt wird jener Zeitraum, in
sischen an der deutschen Geschichtswissenschaft werden in den Kapitel 4.1. und 4.3. vorgestellt.
Siehe auch G. Lingelbach (2002), Historical discipline.
4 Historischer Vergleich und interkulturelle Transferforschung werden oft als gegensätzliche
Forschungsansätze aufgefaßt, vgl. M. Espagne (1994), Sur les limites (abermals in ders. (1999),
Transferts, S.35ff.); M. Middell (2000), Kulturtransfer; J. Paulmann (1998), Internationaler;
M. Werner (1995), Maßstab. In der vorliegenden Arbeit werden beide Verfahren miteinander
verbunden, obgleich der Komparatistik eine führende Rolle zugewiesen wird. Zum Kulturtrans
fer allgemein M. Espagne/M. Werner (1988), Deutsch-französischer; B. KortlÄnder (1995),
Begrenzung. Zu den Vor- und Nachteilen der beiden Ansätze ausführlicher: G. Lingelbach
(2002), Erträge.