Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 2787 /Fachgruppe Medizin
Herausgegeben vom Minister für Wissenschaft und Forschung
Prof. Dr. Hansjürgen Struck
Dr. Manfred N agelschmidt
Dr. Jürgen Benfer
li. Chirurgischer Lehrstuhl der Universität zu Köln
Biochemische Abteilung
Klinische Bindegewebsprobleme und
Kollagenstoffwechsel
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Struck, Hans.iürgen:
Klinische Bindegewebsprobleme und Kollagen
stoffwechsel / Hansjürgen Struck; Manfred
Nagelschmidt; Jürgen Benfer. - Opladen: West
deutscher Verlag, 1978.
(Forschungsberichte des Landes Nordrhein
Westfalen; Nr. 2787 : Fachgruppe Medizin)
NE: Nagelschmidt, Manfred:; Benfer, Jürgen:
ISBN 978-3-531-02787-6 ISBN 978-3-663-06764-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-06764-1
© 1978 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienirr bei Westdeutscher Verlag 1978
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
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Il6halt:
I. Einleitung
3
II. Bestimmungsparameter
4
1. Hydro:x:yprolinfraktionen im Serum 4
2. Hydro:x:yprolin im Urin 6
3· Untersuchungsbedingungen 7
III. Tierexperimentelle Daten 8
1 • 'Wundheilung
(Brand- und Schnittwunden, Frakturen) 8
2. Temperaturabhängigkeit der Wundheilung 10
3. Immobilisation und 'Wundheilung
10
4. A~tersabhängigkeit der Wundheilung 11
IV. Klinische Untersuchungen 1 3
1. Hydro:x:yprolin und Frakturheilung 13
2. Hydroxyprolin bei Mammacarcinom 1 3
3. Rheumatischer Formenkreis und Hydroxyprolin 14
4. Hormonelle Anomalien und Hydro:x:yprolin 15
V. Zusammenfassung
16
VI. Literaturverzeichnis 17
VII. Tabellen und Abbildungen 21
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I. Einleitung
Bindegewebsveränderungen stellen ein allgemeines klinisches
Problem dar; nach jeder Operationswunde tritt eine Regene
ration von Bindegewebe ein, überschießende Bindegewebs
bildungen finden wir etwa bei der Sklerodermie und Ver
änderungen von organspezifischem Gewebe (Entdifferen
zierung) bei der Leberzirrhose, der Silikat- oder Staub
lunge.
Darüberhinaus greifen aber auch zahlreiche Hormone (HGH,
Östrogene, Corticosteroide und andere) in den Bindege
websstoffwechsel fördernd oder hemmend ein. Diese wenigen
Beispiele sollen die Vielschichtigkeit des Problems an
deuten (1).
Von den drei Hauptkomponenten des Bindegewebes, der Binde
gewebszelle, den Glykosaminoglykanen und dem Kollagen soll
nur das letztere Gegenstand unserer Betrachtungen sein.
Das Kollagen stellt das Hauptprotein des Bindegewebes dar
und bewirkt die mechanische Festigkeit des Gewebes. Es
weist sowohl nach der Zusammensetzung (Aminosäuren) als
auch nach seinem Strukturaufbau Besonderheiten auf. In
den letzten Jahren konnten diese strukturellen Probleme
weitgehend aufgeklärt werden (1).
Man unterscheidet heute je nach der Zusammensetzung vier
Kollagentypen, die in verschiedenen bindegewebigen Struk
turen vorkommen (siehe Tab. 1).
Mit den Buchstaben werden die drei Peptidketten bezeichnet,
welche in einer spiralförmigen Anordnung eine Dreierhelix
bilden und somit die Grun~inheit mit einem Molgewicht von
300.000 Dalton darstellen.
Dieser besondere Strukturaufbau des Moleküls wird durch
das Auftreten zweier sonst kaum vorkommender Aminosäuren
dem Hydroxyprolin und dem Hydroxylysin ermöglicht.
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Dadurch hat man nun auch Gelegenheit die Kollagenkonzen
tration weitgehend spezifisch durch die Bestimmung dieser
Aminosäuren zu ermitteln. Da die Konzentration des Hydroxy
prolin im Kollagen weit größer ist als die des Hydroxylysin,
hat sich die Bestimmung des ersteren als besser praktikabel
erwiesen.
Wir haben uns im Rahmen unserer Untersuchungen über die
Wundheilung seit längerem auch mit dem Bindegewebe und
vor allem der Analyse des Kollagen beschäftigt; darüber
hinaus sind wir an weiteren Problemen des Kollagenstoff
wechsels etwa wie an seiner hormonellen Beeinflussung
oder der pathologischen Gewebsentartung (Carcinoma,
rheumatischer Formenkreis) interessiert.
Wir beschränken uns in dieser Arbeit auf die Charakteristik
des Kollagenstoffwechsels durch Hydroxyprolinbestimmungen
und lassen daher weitere Parameter unberücksichtigt. Wir
berichten zunächst über grundlegende Untersuchungen zu
den analytischen Verfahren und deren Anwendung bei Tier
modellen. Anschließend werden klinische Ergebnisse und
ihre Bedeutung dargelegt.
II. Bestimmungsparameter
1. Hydroxyprolinfraktionen im Serum
Man unterschied bis vor kurzem drei Fraktionen des
Hydroxyprolin im Serum, welche dem Kollagenstoff
wechsel zugeordnet wurden:
a) das freie Hydroxyprolin
b) das peptidgebundene- und
c) das proteingebundene Hydroxyprolin.
Seit den Untersuchungen von Müller-Eberhard (2) weiß
man, daß das Komplement C1q ebenfalls ca. 5 % Hydroxy
prolin enthält, so daß die proteingebundene Hydroxypro
linfraktion im Serum nicht unbedingt den Kollagenstoff
wechsel widerspiegeln muß. Wir haben uns zunächst mit
analytischen Verfahren zur Bestimmung der drei Fraktionen
befaßt und durch eine Modifikation der Methode von Le Roy
und Kibrick (3,4) unter Verwendung eines inneren Standards
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und den Einsatz von nur 200 pl Probenvolumen ein für
Tierversuche anwendbares Verfahren entwickelt, welches
auch bei Humanserum eine gute Reproduzierbarkeit ergibt
(6) (Vk Serie = 10- 11 %). Gut meßbar sind noch
6,12 pmol/1 freies und peptidgebundenes Hydroxyprolin
und 11,5 pmol/1 proteingebundenes.
Im Rattenserum ergaben sich bei 7 Tieren folgende
Hydroxyprolinwerte (pmol/1) :
Mittel- frei frei u. peptid- protein- gesamt
wert u. peptid- gebunden gebunden
Standard- gebunden
abweichung
X 36,6 43,4 6,64 63,6 106,8
+ s 2,2 ?,1 6,01 11,6 11,6
Im Humanplasma fanden wir bei 4 - 8 verschiedenen Proben
folgellde ~erte bei den einzelnen Hydroxyprolinfraktionen:
Mittel- frei frei u. peptid- protein- gesamt
wert u. peptid- gebunden gebunden
Standard- gebunden berechn.
abweichung
X 16,0 20,9 4,62 62,8 83,4
+ s 0,54 2,1 6,3
Vergleichen wir nun unsere Daten mit den bisher mit
geteilten Angaben aus der Literatur, so ergeben sich
brauchbare Übereinstimmungen.
Hydroxyprolin im Humanserum (pmol/1) :
Autor frei peptid- protein- gesamt
gebunden gebunden
Le Roy et al.(3) 11,4 4,)8 61,8 ??,8
Kibrick et al.(4) 9,99 5,34 42,6 58,0
-
~olzmann et al.(4a) - - 60,3
~truck et al.(5) 16,0 4,62 62,8 83,4
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Untersuchungen gemeinsam mit D. Dabew (7) haben gezeigt,
daß nur ein Teil des proteingebundenen Hydroxyprolin im
Serum durch Kollagenase freigesetzt werden kann. Das
würde mit den Befunden von Reid (8) im Hinblick auf das
Komplement C1q übereinstimmen und bedeuten, daß zumindest
nicht die gesamte proteingebundene Hydroxyprolinfraktion
aus dem Kollagenpool stammen kann.
Über die Veränderungen der Hydroxyprolinfraktionen im
Serum bei Eingriffen in den Bindegewebsstoffwechsel
werden wir in Abschnitt III.1. berichten.
2. Hydroxyprolin im Urin
Das Hydroxyprolin liegt im Urin überwiegend peptidge
bunden vor. Die Bestimmung ist etwas schwieriger als
im Serum, da Chromophore Substanzen die Farbreaktion
stören können.
1972 teilten Goverde und Veenkamp (9) ein neues Ver
fahren zur Hydroxyprolinbestimmung im Urin mit. Das
Hydroxyprolin wird dabei an einen sauren Kationenaus
tauscher gebunden, interferierende Substanzen ausge
waschen,und nach Hydrolyse und Elution Hydroxyprolin
mit Ehrlich's Reagenz bestimmt. Nachdem dieses Ver
fahren auch als fertiger Testkit im Handel ist, wird
die Hydroxyprolinbestimmung im Urin sehr häufig ver
wendet und bei den verschiedensten Krankheitsbildern -
in vielen Fällen auch sehr unkritisch - angewandt.
Die Normalwerte werden entweder als Quotient mit der
Kreatininausscheidung angegeben oder a~f 24h-Urin/m2
Körperoberfläche bezogen.
Mit der angeführten Methode werden 45 - 167 pmol/24h/m2
als Normwerte angegeben.
Im folgenden Kapitel soll auf einige Störmöglichkeiten
bei der Bestimmung des Hydroxyprolin bzw. Punkte einge
gangen werden, die beachtet werden sollten.
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3. Untersuchungsbedingungen
Da exogen zugeführtes Kollagen ebenso wie körpereigenes
dem Stoffwechsel unterliegt, wird es die eigentliche
Stoffwechsellage verfälschen. Die Erfahrung zeigt, daß
eine 48 stündige gelatine- und fleischfreie Ernährung
ausreicht, um durch eine HYdroxyprolinbestimmung Aus
sagen über den endogenen Kollagenstoffwechsel machen
zu können. Darüberhinaus sollte auf eine ausreichende
Kalorienzufuhr geachtet werden, da bei fastenden, fett
leibigen Personen eine Erhöhung der Harn-Hydroxyprolin
ausscheidung (10) und bei unterernährten Kindern eine
Erniedrigung gefunden wurde (11,12).
Ober die Abhängigkeit der Harn-Hydroxyprolinausscheidung
vom Alter sind zahlreiche Arbeiten erschienen (13,14).
Diese Tatsache wird einem auch sofort verständlich,
wenn man an die Wachstumsphasen und den damit erhöhten
Kollagenstoffwechsel denkt. Bei Wachstumsstörungen kommt
es demgemäß zu einer verminderten Ausscheidung (15). Bei
Erwachsenen (20 - 60 Jahre) ist dieser Einfluß unter
physiologischen Umständen nicht mehr wesentlich.
In gleicher Weise werden auch die Verhältnisse des
freien Hydroxyprolin im Serum beeinflußt (siehe
Tab. 2).
Ein circadianer Rhythmus der Harn-Hydroxyprolinaus
scheidung wird beschrieben (16,13). Die höchsten Werte
werden nachts erhalten, die niedrigsten am Nachmittag,
beim Kreatinin liegen die Verhältnisse gerade umgekehrt,
so daß der HYdroxyprolin/Kreatinin Index zu verschiedenen
Zeiten sehr unterschiedlich ausfällt. Bei der Bestimmung
im 2~-Harn entfallen dann diese Kriterien.
Bei dem freien Hydroxyprolin im Humanserum konnten wir
zwischen morgens und abends keine Differenzen beobachten;
gleiche Befunde erhielt Jaeschke (17) mit Pferdeserum.
Bei Störungen der Nierenfunktion kann es zu erheblichen
Veränderungen der Hydroxyprolinausscheidungen kommen;
aber auch das freie Hydroxyprolin ist davon beeinflußt,
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da es nach glomerulärer Filtration zu 95 % tubulär
rückresorbiert wird wie die Abb. 1 demonstriert.
Dubovsky und Mitarbeiter (18) berichten allerdings bei
Patienten mit chronischer Urämie über eine Erhöhung
des freien Hydroxyprolin im Serum und bringen diese
zu dem Grad der glomerulären Insuffizienz in Be
ziehung.
Lagerungsversuche haben gezeigt, daß nach einer Woche
+
bei 4° C das freie Hydroxyprolin im Serum noch unver
ändert bestimmbar ist, nach diesem Zeitpunkt kommt es -
offenbar durch Hydrolyse von protein- oder peptidge
bundenem Hydroxyprolin - zu einer Erhöhung.
III. Tierexperimentelle Daten
1. Wundheilung
Eine Wunde und deren Heilung stellen ein gutes Modell
für Katabolismus und Anabolismus des Kollagen dar.
Zunächst bewirken Enzyme (Kollagenasen) im Wundgebiet
einen Abbau von Kollagen; der Gewebeersatz erfolgt dann
nach wenigen Tagen durch eine vermehrte Kollagenneu
synthese; da aber die Aminosäure Hydroxyprolin nach
älteren Untersuchungen von Stetten (19) nicht mehr
zum Aufbau von Kollagen Verwendung findet, stellt sie
einen Parameter für den Abbau oder einen erhöhten
Kollagenturnover dar.
Nach diesen Überlegungen verstehen wir auch die Ver
laufskurve der Abb. 2.
Es handelt sich dabei um Schnittwunden an Ratten, die
nach der Wundsetzung mit 4 Knopfnähten wieder ver
schlossen waren. Beobachten wir zunächst den Kurven
verlauf im Serum, so sehen wir, daß freies und peptid
gebundenes Hydroxyprolin zunächst ansteigen (Kollagen
abbau), dann abfallen und am 4. Tag p. op. wieder an
steigen (erhöhter Kollagenturnover); ähnlich verhält
sich die Hydroxyprolinausscheidung im Urin. Dagegen
steigt das proteingebundene Hydroxyprolin bis zum