Table Of ContentALMA MATER Consulting Berlin (Hrsg.)
Franz Rudolph
Klassiker des Management
Franz Rudolph
unter Mitarbeit von
Uwe Domann, Heidrun Hadrich, Marlies Pursche,
Hagen Voigtsberger
Klassiker
des Managements
Von der Manufaktur
zum modernen GroBunternehmen
Herausgegeben von
ALMA MAlER Consulting Berlin
GABLER
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Klassiker des Managements: von der Manufaktur zum
modernen Grossunternehmen IAlma Mater Consulting Berlin
GmbH (Hrsg.). Franz Rudolph unter Mitw. von Uwe Domann
... -1. Aufl. -Wiesbaden : Gabler, 1994
ISBN-13: 978-3-322-82530-8 e-ISBN -13: 978-3-322-82529-2
DOl: 10.1007/978-3-322-82529-2
NE: Rudolph, Franz [Hrsg.J; Alma-Mater-Consulting Berlin GmbH
Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International.
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. 111. Gabler GmbH, Wiesbaden 1994
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1994
Lektorat: Dr. Walter Nachtigall
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daher von jedermann benutzt werden diirften.
ISBN -13: 978-3-322-82530-8
Inhalt
Entstehung und Geschichte des Managementwissens 7
Vom Fabrikherrn zum Manager 9
Die Pioniere der Manufaktur-und Fabrikorganisation 11
Wissenschaft statt Faustregeln -Frederick Winslow Taylor und seine
Anhanger 12
Die "administrative Lehre" Henri Fayols 14
Eugen Schmalenbach und die Betriebswirtschaftslehre 15
Verhaltenswissenschaftliche Experimente, Methoden und Theorien 17
Von der Systemtheorie zum Erfolgsrezept 20
Die VorUiufer: Von der Manufaktur zur Fabrik 25
Robert Owen (1771 bis 1858) 27
Andrew Ure (1778 bis 1857) 38
Charles Babbage (1792 bis 1871) 49
Ernst Abbe (1840 bis 1905) 61
Scientific Management: Die Entstehung der Managementlehre 81
Frederick Winslow Taylor (1856 bis 1915) 83
Henry Lawrence Gantt (1861 bis 1919) 98
Frank Bunker Gilbreth (1868 bis 1924) 108
Henry Ford (1863 bis 1947) 118
Henri Fayol (1841 bis 1925) 135
Eugen Schmalenbach (1873 bis 1955) 155
Human Relations: Der arbeitende Mensch und sein Verhalten 169
Hugo MOnsterberg (1863 bis 1950) 171
Elton Mayo (1880 bis 1949) 181
Frederick Herzberg (1923) 191
5
Das Untemehmen als System: Theorien fur formale Organisationen 203
Chester Irving Barnard (1886 bis 1961) 205
Herbert Alexander Simon (1916) 216
Die Praxis des Managements: Erfahrungen erfolgreicher
Untemehmensfuhrung 227
Alfred Pritchard Sloan (1875 bis 1966) 229
Thomas J. Watson jr. (1914 bis 1994) 246
Peter Ferdinand Drucker (1909) 260
John Diebold (1926) 277
Thomas J. Peters (1942), Robert H. Waterman jr. (1936) 290
Stichwortverzeichnis 304
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Entstehung und Geschichte
des Managementwissens
Vorn Fabrikherrn zurn Manager
Der Geheime Kommerzienrat Gustav von Mevissen Obergab im Jahre 1879 der
Stadt Koln eine Summe von 700.000 Mark mit der Bestimmung, eine Handelshoch
schule zu errichten, wenn das Kapital mit den Zinsen auf eine Million Mark ange
wachsen sei. FOr den gleichen Zweck stellte in Frankfurt am Main der Metallindu
strielle W. Merton Mittel bereit, und in Berlin trug die Korporation der Kaufmann
schaft die Kosten fUr Bau und Grundstock einer Handelshochschule von insgesamt
etwa 2,8 Millionen Mark.
Die GrOndung der Handelshochschulen war eine Foige der fortschreitenden Indu
strialisierung und der damit verbundenen Herausbildung von Gro~unternehmen. In
Deutschland verdreifachte sich von 1873 bis 1913 das Sozialprodukt. Wahrend in
der Mitte des 19. Jahrhunderts Fabriken mit 50 Beschaftigten noch als Gro~unter
nehmen galten, gab es 1910 eine Vielzahl von Betrieben mit Ober 1.000 Arbeitern.
So wuchs zum Beispiel die Belegschaft der Krupp-Werke von 74 Personen 1848 auf
25.000 in den Jahren 1891/92.
Das Wachstum der Unternehmen fUhrte zu wesentlich veranderten Anforderungen
an die FOhrung und Organisation. Funktionen wie Planung, Koordinierung, Informa
tion und Kontrolle gewannen an Bedeutung. Immer weniger genOgten FOhrungsme
thoden, die sich allein auf die Personlichkeit des Unternehmers und seine Empfeh
lungen grOndeten. Bereits bei 100 bis 200 Beschaftigten erreichen Unternehmen
eine Gro~e, wo eine personliche, direkte FOhrung nicht mehr ausreicht.
Der Fabrikherr alten Stils, meistens zugleich der UnternehmensgrOnder, fOhrte vor
allem durch seine personliche Prasenz und seine individuell gepragten Methoden. In
diesem Sinne empfahl die "Allgemeine Gewerkslehre" 1868: "Die beste Instruktion
ist die mOndliche, die der allezeit und Oberall gegenwartige, alles durchschauende
Unternehmer selbst gibt, und die, welche ein Beispiel den Angestellten fortwahrend
vor Augen halt.'"
In einem Gro~betrieb konnte der Unternehmer nicht allzeit und Oberall gegenwartig
sein. Er bedurfte der Mitwirkung weiterer FOhrungskrafte. Die FOhrungsfunktion
wurde zunehmend arbeitsteilig wahrgenommen, und eine spezielle Schicht ange
steliter Unternehmer, die eigentlichen Manager, bildete sich heraus. Damit kam es
zunehmend immer mehr zu einer Trennung zwischen dem EigentOmer und der FOh
rung der Unternehmen.
Der Bedarf nach fahigen, qualifizierten Managern warf zwangslaufig die Frage nach
deren Ausbildung auf. In Deutschland konnte sich um die Jahrhundertwende das
kaufmannische Schulwesen in keiner Weise mit dem wohlausgebauten technischen
vergleichen. So gab es 1910 in Preu~en 1.877 staatliche gewerbliche Fortbildungs-
'Emminghaus, A.: Allgemeine Gewerkslehre. Berlin 1868, S. 164
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schulen mit insgesamt 327.000 SchOlern, aber nur 501 kaufmannische Schulen mit
65.000 SchOlern2 Mit direkter Unterstotzung der Wirtschaft entstand deshalb zwi
schen 1898 und 1920 eine Reihe von Ausbildungsstatten, die in Anlehnung an die
kaufmannischen Akademien des 18. Jahrhunderts "Handelshochschulen" genannt
wurden. Den ersten GrOndungen 1898 in Leipzig und Wi en folgten die 1901 in Koln
und Frankfurt/M., 1906 in Berlin, 1907 in Mannheim, 1908 in St. Gallen, 1910 in
MOnchen, 1915 in Konigsberg und 1919 in NOrnberg. 1m Wintersemester 1911/12
studierten an diesen Einrichtungen Ober 2.000 Studenten, 1923/24 waren es bereits
rund 5.000. Das Fach Betriebswirtschaftslehre stand erstmals 1906 auf dem Plan,
und der Titel eines Diplom-Kaufmannes wurde das erste Mal 1913 verliehen.
In den anderen aufstrebenden Industrielandern verlief die Entwicklung in ahnlichen
Bahnen. In Frankreich entstanden 1852 die Ecole Superieure de Commerce und
1881 die Ecole des Hautes Etudes commerciales; in England 1895 die London
School of Economics and Political Science, in den USA 1881 die Wharton School of
Commerce and Finance, 1900 die Amos Tuck School of Administration and Finance
und 1908 die Harvard Business School, die sich in der Folgezeit zur international
fOhrenden Institution entwickelte.
Der GrOndung der Harvard Business School ging die Tatsache voraus, dar., immer
mehr College-Absolventen direkt in der Privatwirtschaft FOhrungspositionen erlan
gen wollten. Der Anteil der Absolventen mit diesem Berufsziel betrug 1835 bis 1860
rund 25 Prozent, zwischen 1890 und 1900 40 Prozent und kurz danach schon 55
Prozenl. Die Harvard Business School verfolgte von Beginn an das Ziel, den Stu
denten "eine Ausbildung in den fundamental en Principien der Geschaftsorganisation
und -verwaltung" zu vermitteln, die zugleich wissenschaftlich und praxisorientiert
sein sollte.3 Um die Praxisnahe zu sichern, wurde von der Harvard Law School die
Fallmethodik Obernommen. Bereits in den ersten Jahren konnten an dieser Schule
Facher wie Unternehmenspolitik, Marketing oder Industrial Management belegt wer
den.
Die Wissensvermittlung setzte die Analyse und Erforschung des Wissenschaftsge
genstandes sowie die Systematisierung der vorhandenen Erfahrungen voraus. Das
BedOrfnis nach einer Management-Wissenschaft war in den Industrielandern glei
chermar.,en ausgepragt, die Ansatze hierzu wiesen allerdings inhaltlich erhebliche
Unterschiede auf. In den USA war die Entstehung der Management-Science vor al
lem an die arbeitsorganisatorischen Untersuchungen des Ingenieurs Frederick W.
Taylor gebunden. In Frankreich legte Henri Fayol mit einer systematischen Darstel
lung der Planung und Organisation in einem Gror.,unternehmen die Grundlage. In
Deutschland wiederum stand am Anfang die Betriebswirtschaftslehre, die sich in
haltlich vor allem den Problemen des Rechnungswesens zuwandte. Mit den Schrif
ten von Ernst Abbe lagen erstmals die gesammelten praktischen Erfahrungen eines
deutschen Unternehmers vor. England, das Mutterland der industriellen Revolution,
2Vgl. Kocka, J.: Unternehmer in der deutschen Industrialisierung. Gottingen 1975, S. 109
3Vgl. Walter-Busch, E.: Oas Auge der Firma. Stuttgart 1989, S. 41
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brachte die bedeutendsten Vorlaufer einer Management-Wissenschaft hervor. In
den Werken von Charles Babbage, Robert Owen und Andrew Ure widerspiegelt sich
pragnant der Obergang von der Manufaktur zur Fabrik.
Die Pioniere der Manufaktur- und Fabrikorganisation
Der entscheidende Unterschied zwischen der Manufaktur und der Fabrik bestand in
der Verwendung mechanischer Kraft zum Betrieb von Werkzeugen und Maschinen.
Der .GroBvater des Computers" Charles Babbage stieB bei der Suche nach einem
Produzenten fOr seine Rechenmaschine auf die WidersprOche zwischen den moder
nen Technologien und den traditionellen Organisationsformen. In seinem Werk "On
the economy of machinery and manufactures" analysiert Babbage die Vorteile der
Arbeitsteilung und formuliert erste Grundsatze einer industriellen Unternehmenstoh
rung. Robert Owen hingegen bewertete die Arbeitskraft hOher als die Maschinen. Ais
Leiter und Teilhaber einer Gruppe von Baumwollspinnereien in Schottiand wandte er
sich 1813 mit einem Aufruf an seine Standeskollegen, in dem er sie eindringlich
aufforderte, "die lebendigen Maschinen" mit der gleichen Aufmerksamkeit zu behan
deln wie die "Ieblosen". Er beklagte, daB der Mensch von der Mehrzahl der Manu
fakturleiter als eine "zweitrangige und minderwertige Maschine" angesehen wOrde,
wahrend eine verstandnisvolle Einstellung zum Menschen ihn bedeutend besser zur
Wirkung kommen lieBe.
1835 erschien in London das Buch des Arztes, Chemikers, Astronomen und Oko
nomen Andrew Ure "The philosophy of manufactures". Karl Marx bezeichnete diese
Schrift als den "klassischen Ausdruck des Fabrikgeistes" und als "Apotheose der
groBen Industrie", ihren Autor als "Pindar der automatischen Fabrik".
Der Kapitan Henry Metcalfe veroffentiichte im Jahre 1885 "Die Kosten der Produk
tion und die Verwaltung von offentlichen und privaten WerkstaUen". Er verarbeitete
in diesem Buch Erfahrungen und Erkenntnisse, die er als Offizier der US-Army bei
der Leitung von Arsenalen gesammelt haUe. Ausgehend von der Zielsetzung, Me
thoden zur Vereinfachung der Verwaltung und Leitung zu entwickeln, gelang es ihm,
eine Reihe von wirksamen Verfahren zur kontinuierlichen Erfassung und Analyse
der Kosten und zur Kontrolle des Ablaufs betrieblicher Prozesse zu schaffen.
Ernst Abbe betrachtete seine Schriften selbst als aus der "Iebendigen Erfahrung"
des Unternehmers gewonnen, das heiBt eines Mannes, "der die gewerbliche Tatig
keit von vielen hundert Personen in den Formen gemeinsamer fabrikatorischer Ar
beit zu organisieren und zu leiten halte". Auch sein Wirken ist gepragt vom Ober
gang zur industriellen Fertigung. Ais Besonderheit kam hinzu, daB sein Tatigkeits
feld, die optische Industrie, eine enge Verbindung zur Wissenschaft erforderte.
Mit diesen Pionieren der Manufaktur- und Fabrikorganisation wurde - wie Peter F.
Drucker es ausdrOckte -"das Management entdeckt, bevor es ein Management gab,
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das der Rede wert gewesen ware"4. Voraussetzung fOr eine volle Herausbildung des
Managements, auch als "organisiertes Wissensgebiet", war "das Entstehen der
Gro~organisationen"5.
Wissenschaft statt Faustregeln -
Frederick Winslow Taylor und seine Anhanger
In den USA wird in der Regel das Jahr 1886 als 8eginn der Managementforschung
angegeben, denn am 26. Mai dieses Jahres hielt Henry Towne, der Prasident der
American Society of Mechanical Engineers, vor dieser Gesellschaft seine Rede "The
Engineer as an Economist". Der Gesellschaft geh6rte auch Frederick W. Taylor an,
dessen Werk international als bedeutendster Ausgangspunkt der Managementfor
schung gilt. Taylor ging - schon sein Grabstein trug diese Inschrift - als "Father of
Scientific Management" in die Geschichte ein.
Die erste systematische Darstellung dessen, was allgemein als "Wissenschaftliche
8etriebsfOhrung" bezeichnet wird, gab Taylor 1895 in seinem Vortrag "A Piece Rate
System" (Ein Stocklohnsystem). Den unmiltelbaren Anla~ fOr die Suche nach neuen
Entlohnungsformen in der Industrie sah Taylor in der Erscheinung des "Sich
DrOckens-vor-der-Arbeit" und in der damit verbundenen "tagtaglichen Vergeudung
menschlicher Arbeitskraft". Taylor erkannte, da~ der Arbeitsproze~ nicht mehr nach
Faustregeln geleitet werden kann. Zu einer Steigerung der Produktivitat war nun
mehr die wissenschaftliche Durchdringung der Leitung und der gesamten Arbeitsor
ganisation notwendig geworden.
Taylors System der "wissenschaftlichen BetriebsfOhrung" beruht vor aliem auf fol
genden vier Grundsatzen (Principles of Scientific Management):
• Entwicklung von festen Regeln durch die Unternehmensleitung fOr einen rei
bungslosen Produktionsablauf,
• differenzierte Personalauslese und laufende Verbesserung der Fertigkeiten des
Arbeiters,
• Harmonie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
• "Die Leitung lei stet den Teil der Arbeit, zu welchem sie sich am besten eignet,
und der Arbeiter den Rest."
Zur Verwirklichung dieser Prinzipien entwickelte Taylor ein umfangreiches Instru
mentarium (Mechanism of Scientific Management), das hauptsachlich Zeit-und 8e
wegungsstudien, die Normierung der maschinellen und manuellen Arbeit, die Aus
wahl und das Anlernen der Arbeiter sowie die funktionelie Organisation
(Funktionalsystem) beinhaltete.
4Drucker, P. F.: Die neue Management-Praxis. Dusseldorf-Wien 1974, S. 50
5Ebenda, S. 52
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