Table Of ContentKLANGE
UND GERAUSCHE
METHODEN UND ERGEBNISSE DER
KLANGFORSCHUNG· SCHALLWAHRNEHMUNG
GRUNDLEGENDE FRAGEN DER
KLANGUBERTRAGUNG
VON
DR. PHIL. FERDINAND TRENDELENBURG
ABTEILUNGSLEITER 1M FORSCHUNGSLABORATORIUM DER SIEMENS-WERKE
A. O. PROFESSOR AN DER UNIVERSITAT BERLIN
MIT 154 ABBILDUNGEN
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1935
ISBN-13: 978-3-642-90474-5 e-ISBN-13: 978-3-642-92331-9
DOl: 10.1007/978-3-642-92331-9
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER tl'BERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1935 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN.
SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1935
DEM ANDENKEN
HANS RIEGG ERS
GEWIDMET
Vorwort.
Dies Buch dem Andenken HANS RIEGGERS zu widmen, soIl ein Zeichen
des Dankes sein, welchen der Verfasser dem Friihverstorbenen schuldet.
Als ein besonderes Gliick hat der Verfasser stets empfunden, daB er
nach AbschluB seines Studiums mehrere Jahre bei diesem menschlich
und wissenscha,ftlich gleich Vorziiglichen arbeiten durfte.
Die Art, wie HANS RIEGGER an die Losung der schwierigen Aufgaben
der klanggetreuen Schalliibertragung herantrat, war eine Pionierleistung
der technischen Akustik - daB manche technischen Einzelheiten jetzt
nach mehr als einem Jahrzehnt anders gelost werden, wie dies RIEGGER
durchffihrte, kann die grundsatzliche Bedeutung der Arbeiten nicht
schma.lern. 1m vorliegenden Buch sind viele Fragen behandelt, die
gerade im unmittelbaren GBdankenaustausch mit RIEGGER schon dis
kutiert wurden; ein Teil der Untersuchungen des Verfassers fiber die
physikalische Natur der Sprachklange ist noch zu Lebzeiten RIEGGERS
durchgefUhrt worden, die Untersuchungen fiber Herztone und Herz
gerausche wurden bereits damals eingeleitet.
Die Ergebnisse der Forschungen fiber Klange und GBrausche in
einer geschlossenen Form zur Darstellung zu bringen, schwebte dem
Verfasser bereits 1927 bei Aufstellung des Planes fUr den Band Akustik
des GEIGER-SCHEELschen Handbuches der Physik vor, die Absicht lieB
sich aber damals nicht verwirklichen, weil noch zu wenig physikaliscb
fest gesichertes Material vorlag. Der Plan wurde dann erneut in Erwagung
gezogen auf Grund eines Vorschlages von Herrn A. BERLINER, die Ent
wicklung der Klangphysik seit HELMHOLTZ historisch kritisch darzu
stellen. In den letztvergangenen Jahren sind von verschiedenen For
schern - es darf hier von den deutschen Forschern besonders auf
H. BACKHAUS und auf E. MEYER verwiesen werden - physikalisch wert
volle, aufschluBreiche Ergebnisse fiber die Natur der Klange erzielt
worden. Der Verfasser glaubt fiber dies Gebiet jetzt eine Monographie
zusammenstellen zu konnen, die ein einigermaBen abgerundetes Bild
ergibt.
An vielen Stellen des Buches, so insbesondere in dem Kapitel iiber
die Sprachkla.nge und fiber die diagnostisch wichtigen Gera.usche am
menschlichen Korper stiitzt sich die Darsteliung wesentlich auf Arbeiten,
welche der Verfasser im Forschungslaboratorium der Siemens-Werke
VI Vorwort.
durchfiihrte. Verfasser mochte nicht verfehlen, an dieser Stelle dem
Leiter des Forschungslaboratoriums, Herrn Professor GERDIEN, fUr die
stete Forderung dieser Arbeiten seinen Dank auszusprechen. Manche
Anregungen erhielt der Verfasser auch aus zahlreichen Aussprachen mit
in der unmittelbarsten technischen Praxis stehenden Fachgenossen, ins
besondere mit Herren des Wernerwerks. Ganz besonders gern denkt er
auch an die Jahre engster Zusammenarbeit mit Herrn H. BACKHAUS.
Berlin-Nikolassee, im Juli 1935.
FERDINAND TRENDELENBURG.
Inbaltsverzeicbnis.
Seite
1. Einleitung. . . 1
2. Akustische Grundbegriffe . . . . . . 3
a) Allgemeine Schallfeldfragen. Schallstii.rke. Lautstii.rke 3
b) FOURIER-Darstellung von Schallvorgii.ngen. FOURIER-Analyse experi
mentell gewonnener Kurven. Weitere MOglichkeiten zur analytischen
Darstellung. • . • . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . . .. 10
c) Ton. Klang. Klanggemisch. Gerii.usch. Knall. - Formant eines
Klanges. - Stationii.rer Klangteil, Ein- und Ausschwingvorgang 19
d) Schwingungszahltabellen . 21
3. Untersuchungsmethoden 23
a) Vorbemerkungen .... 23
b) Subjektive Methoden .. 23
c) Objektiv arbeitende Methoden 27
ex) Wirkungsweise der Schallempfii.nger. Verstii.rkungsfragen • 27
{J) Schallaufzeichnung . . . . 48
7') Automatische Klanganalyse .... 61
4. Sprachklii.nge . . • • . . . . . . . . 66
a) Allgemeine Fragen der Spracherzeugung. Einteilung der Sprachkl8.nge 66
b) Vokaltheorien im einzelnen. Einstellung und Resonanzlagen der Mund-
hOhle bei den verschiedenen Vokalen . . . . . . . • 70
c) Spektrale Verteilung der Sprachklii.nge . . . . . . . . . . . . 79
d) Besonderheiten des zeitlichen Verlaufs der Sprachlaute . . . . . 85
e) Intensit&tsumfang von Sprache und Gesang. Stimmrichtwirkung 92
5. Klii.nge von Musikinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . 95
a) Einteilung. Grundfragen der Schallerzeugung in den verschiedenen In-
strumenttypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
b) Klangspektren. Besonderheiten des zeitlichen VerIaufs der KIa.nge 100
ex) Saiteninstrumente. Streichinstrumente . . . . . . 100
{J) Instrumente mit gezupften oder gerissenen Saiten . 110
7') GeschIagene Saiteninstrumente .. . . . . . . . 115
«5) Instrumente mit schwingenden St&ben oder Zungen 116
e) Instrumente mit schwingenden Membranen 118
C) Instrumente mit schwingenden Platten. . . . . 119
'YJ) Instrumente mit schwingenden Luftmassen . . . 122
c) Intensitii.tsumfang der Musik. Richtwirkungsfragen. 130
6. Gerii.usche • • . . . • • . . . . . • . . 135
a) Einleitung • . . . . . . . . . . . . . 135
b) Verkehrs-, Wohn- und Betriebsgerii.usche 136
VIII InhaltBverzeichnis.
Seite
c) Medizinisch wichtige Gerausche 80m menschlichen Korper 148
a:) Herzscha.ll . . . 149
fJ) Lungenschall. . 157
y) Muskelgerausche 159
<5) Perkussionsscha.ll 160
7. Kla.ngsynthese. Elektrische Musik . 162
a) Einleitung. Altere Verfa.hren zur Klangsynthese 162
b) Instrumente mit elektrischer Schwingungserregung 163
c) Instrumente mit mechanisch·elektrischer Erregung 168
8. Subjektive Wa.hrnehmung von Schall .... '. 170
a) Bau des GehOrorga.ns. Grundlegende Fragen der Wirkungsweise 170
b) Physikalische Erregung und subjektive Empfindung . . . 181
9. Sonderfragen der Kla.ngiibertra.gung . . . . . . . . . 204
a) Die Wirkung von Verzerrungen a.uf die Kla.ngempfindung. 204
b) Ra.uma.kustik und Kla.ngwirkung . . . . . . . . . . . 217
a:) Echoeffekte. Scha.11reflexion . . . . . . . . . . . . 217
fJ) Scha.lla.bsorption. Anhall und Nachhall . . . . . .. 223
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
1. Einleitung.
Die neuere physikalische Methodik ermoglichte zahlreiche weit
gehende, auch scharfer Kritik standhaltende Aufschhisse liber die
Eigenschaften von Klangen und Gerauschen. Man ware heute durchaus
in der Lage eine "Physik" dieser Schallerscheinungen zu entwerfen.
Eine allzu enge Beschrankung auf rein physikalische Probleme mliBte
aber wissenschaftlich unbefriedigend wirken. Gerade auf dem Gebiete
der Klangforschung bestehen ja viele, zum Teil sehr enge Beziehungen
zwischen physikalischen Problemen und solchen anderer Wissenszweige.
Das stete Hinlibergreifen in andere Gebiete, und zwar insbesondere
in diejenigen der Physiologie und der Psychologie, bildet einen beson
deren Reiz bei der Bearbeitung von Fragen der physikalischen Klang
forschung. Mehrfacher Art sind die Beziehungen der physikalischen
Klangforschung zu den genannten Wissenszweigen. Physiologische und
psychologische Momente spielen bei manchen methodischen Fragen eine
erhebliche Rolle, das Ohr wird ja auch heute noch bei vielen Unter
suchungsmethoden als Hilfsinstrument benutzt. Ein kritischer Vergleich
der Ergebnisse physikalisch objektiver Untersuchung mit den Erfah
rungen der subjektiven Wahrnehmung ist nur unter Berlicksichtigung
physiologischer und psychologischer Zusammenhange moglich. Auch das
unmittelbare Interesse der genannten Wissenszweige an den Ergebnissen
der physikalischen Forschung ist grof3. Die Klarung vieler physiologischer
und psychologischer Fragen ist nur unter Mitwirkung der physikalischen
Akustik moglich.
Aus der physikalischen Beschaffenheit der Sprachklange konnen
weitgehende Rlickschllisse auf die Wirkungsweise des Stimmorgans ge
zogen werden.
In den Eigenschaften der an der Korperwand abgenommenen Herz
schallphanomene pragt sich die Herzaktion aus, krankhafte Verande
rungen am Herzen machen sich physikalisch durch bestimmte, fUr die
Art der Erkrankung typische Erscheinungen im Herzschallbild bemerk
bar. Aus dem physikalischen Verlauf der Atemgerausche liber den
verschiedenen Teilen der Lunge kann auf das Vorhandensein und auf
die Angriffsstelle von Lungenerkrankungen geschlossen werden. Sub
jektiv seit langem beobachtete Zusammenhange zwischen Horbefund
und Krankheitserscheinung konnten durch die moderne objektive
physikalische Untersuchung im einzelnen geklart werden.
Versuche liber die Physiologie und die Psychologie des Horens be
notigen in sehr vielen Fallen einer genau definierten Erregung des Ohres.
Trendelenburg, Klange u. Gerausche. 1
2 Einleitung.
Die physikalische Klangsynthese ermoglicht es, Reize in gewiinschter
leicht willkurlich veranderlicher Starke und Zusammensetzung herzu
stellen.
Der Tonpsychologie kann die Klangphysik sicheres Ausgangsmaterial
fur weitere SchWsse liefern.
Zu den verschiedenen rein wissenschaftlichen Anwendungen der
Klangforschungsergebnisse traten in neuerer Zeit zahlreiche technische
Anwendungen hinzu. Gerade diese technischen Belange haben der
Klangforschung sehr anregende Aufgaben gestellt. Die Technik hat aber
auch der Klangforschung das Mittel in die Hand gegeben, viele, der
alteren Methodik nicht oder nur ungenugend zugangliche Probleme
objektiv sicher zu klaren; die Einfuhrung der Verstarkerrohre in die
Methodik der Klangforschung eroffnete auBerordentliche Moglichkeiten
fur exakte Untersuchungen.
Die Fernsprechtechnik benotigt eine genaue Kenntnis der Eigen
schaften der zu ubertragenden Sprachklange, die Fragen z. B., wieweit
die obere Grenzfrequenz eines Kabels herabgedruckt werden kann,
ohne daB die Sprachverstandlichkeit zu sehr leidet oder in welchen
Intensitatsbereichen Fernsprechmikrophone, Ubertrager und Telephone
linear arbeiten mussen, sind fUr die Kosten der Fernsprecheinrichtungen
und damit fur die wirtschaftliche Seite des Fernsprechwesens von un
mittelb arer Bedeutung. Starker fast noch als bei der Telephonie treten
diese Probleme bei der Rundfunktechnik und bei der Tonfilmtechnik
in Erscheinung, dort sind ja die Anforderungen an die Ubertragung
weit hohere; es liegt nicht nur die Aufgabe vor, eine ausreichende Sprach
verstandlichkeit zu erreichen, sondern es solI eine weitgehend klang
getreue Ubertragung geschaffen werden. DaB die erfolgreiche Losung
dieser Aufgaben genaueste Kenntnis der physikalischen Eigenschaften
der zu ubertragenden Klange und Gerausche erfordert, daB insbesondere
genau geklart werden muB, wie Klangveranderungen im Zuge der Uber
tragung sich in der Klangwirkung bemerkbar machen, ist augenfallig.
-Auf ein Gebiet der Technik, sei hier noch kurz hingewiesen, es· ist
dies das Gebiet der Lii.rmminderung. Eine wirklich erfolgreiche Be
kampfung beispielsweise des Auspufflarms von Verbrennungsmotoren
wird im allgemeinen nur dann moglich sein, wenn geklart worden ist,
in welchen Tongebieten die wesentlichsten Komponenten des Auspuff
gerausches liegen, der Schalltechniker wird dann in der Lage sein, eine
zur Abschwachung dieser Komponenten geeignete Form der Auspuff
leitung anzugeben. Aus der spektralen Verteilung von Maschinen
gerauschen kann man - um ein weiteres Beispiel zu geben - auf die
Art der Gerauschbildung schlieBen und kann dann entsprechende Abwehr
maBnahmen einleiten.
Uber die Ergebnisse der Klangforschung solI im folgenden zusammen
fassend berichtet werden. Der Kern der Darstellung wird ein physikalischer
Allgemeine SchaIIfeldfragen. SchaIIstii.rke. Laut8ta.rke. 3
sein, es wird sich aber im Verlauf der DarsteIlung vielfach Gelegenheit
finden, auf die vorstehend skizzierten Beziehungen zu anderen Wissens
zweigen hinzuweisen. Insbesondere werden aIle diejenigen physiologischen
und psychologischen Probleme angeschnitten werden, deren Beruck
sichtigung fur die Fragen der subjektiven SchaIlwahrnehmung, fur die
kritische Wertung von Untersuchungsmethoden oder fUr das Verstii.ndnis
der Erzeugung von Schallerscheinungen von Bedeutung ist.
Der Stoff solI in folgender Einteilung behandelt werden: An Dar
legungen uber die akustischen Grundbegriffe (Kap. 2) und uber die
Untersuchungsmethoden (Kap. 3) schlie13t sich die Besprechung der
drei gro13en Gebiete der Klangerscheinungen: Sprachklii.nge (Kap. 4),
Musikklii.nge (Kap. 5) und Gerausche (Kap. 6) an. Klangsynthese und
elektrische Musik werden im 7. Kapitel behandelt. Kapitel 8 beschii.ftigt
sich mit der sUbjektiven Wahrnehmung von Schall. 1m 9. Kapitel
werden. die fUr die 'Obertragungstechnik grundlegenden Fragen der
Auswirkung von Klangverzerrungen auf die Empfindung ausfiihrlich
besprochen.
2. Akustische Grundbegrifl'e.
a) Allgemeine Schallfeldfragen. Schallstirke. Lautstirke.
Finden in einem Luftraum Druckanderungen statt, - und zwar sei
zur Vereinfachung zunii.chst angenommen, da13 es sich um "rein periodi
sche Druckii.nderungen von der Form P = Po sin OJ t handelt (p Mo
mentanwert des Druckes; Po Druckamplitude in dynjcm2; OJ = 211:' n
"Kreisfrequenz" ; n Zahl der vollen Schwingungen pro Sekunde, Frequenz,
in "Hertz"), so nimmt ein im Raum befindlicher Beobachter den Vor
gang dann subjektiv wahr, wenn die Frequenz des Vorganges innerhalb
des Horbereiches liegt (zwischen etwa 16 und 16000 Hertz) und wenn
die Druckamplitude am Ohr so gro13 ist, da13 der Schwellenwert p' der
Horempfindung uberschritten wird (p' = 8 X 10-4 Dyn/cm2 im Bereich_
der gro13ten Empfindlichkeit des Ohres zwischen etwa 800 und 2000Hertz).
Durch die Druckii.nderungen am Ohr werden erzwungene Schwingungen
des den Gehorgang abschlie13enden Trommelfells hervorgerufen. Die
Trommelfellbewegungen wirken uber die Gehorknochelchenreihe auf das
innere Ohr, und zwar insbesondere auf die in der Schnecke eingebaute
Basilarmembran. An der Basilarmembran befinden sich die Endigungen
der Gehornervenfasern, durch die Bewegungen der Basilarmembran
werden diese erregt und rufen so eine Schallempfindung hervor (vgl.
Kap.8, S. 170).
Mit der zeitlichen Anderung des Druckes sind auch zeitliche Ande
rungen anderer physikalischer Gro13en des "Schallfeldes" - so nennt
man den gesamten Schwingungszustand des Raumes, in welchem der
Schallvorgang ablauft - verknupft. Die von dem Schallvorgang er
fa13ten Luftteilchen fubren Bewegungen aus. Bei sinusf6rmiger Druck-
1*