Table Of ContentStudien und Materialien
zum Straf- und Maßregelvollzug
herausgegeben von
Friedrich Lösei, Gerhard Rehn und Michael Walter
7
BAND
Jugendhilfe
statt Untersuchungshaft
Eine Evaluationsstudie zur Heimunterbringung
Fried rich Lösel
Oliver Pomplun
Centaurus Verlag & Media UG 1998
Die Autoren:
Prof. Dr. Friedrich Lösel ist Vorstand am Institut für Psychologie der Universität Erlangen-Nürnberg.
Dipl. -Psych. Oliver Pomplun arbeitet in der Suchtberatung des Diakonischen Werkes Hersbruck.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Pomplun, Oliver:
Jugendhilfe statt Untersuchungshaft: eine Evaluationsstudie zur
Heimunterbringung I Friedrich LöseilOliver Pomplun - Pfaffenweiler :
Centaurus-Verl.-Ges., 1998
(Studien und Materialien zum Straf-und Maßregelvollzug ; 7)
ISBN 978-3-8255-0247-8 ISBN 978-3-86226-422-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-86226-422-3
ISSN 0944-887X
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© CENTAURUS-Verlagsgesellschaft mit beschränkter Haftung, Pfaffenweiler 1998
Vorwort
Die Kriminalität junger Menschen wird in letzter Zeit als ein besonders gravie
rendes gesellschaftliches Problem diskutiert. Vor allem bei Gewaltdelikten ist die
Tatverdächtigenbelastung in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) stark
angestiegen (vgl. Bundeskriminalamt, 1997; Pfeiffer, Brettfeld, Delzer & Link,
1996). Mit Verweis auf die Probleme der PKS und divergierende Entwicklungen
in den gerichtlichen Strafverfolgungsstatistiken wird dieser Zuwachs aber kontro
vers diskutiert (z.B. Heinz, 1997; Walter, 1996). Dabei muß u.a. berücksichtigt
werden, daß sich die Justiz zwecks Diversion oder wegen Überlastung auf die
schwereren bzw. gewalttätigen Fälle der Jugendkriminalität konzentriert, bei denen
auch in den Strafverfolgungsstatistiken ein Zuwachs besteht (Pfeiffer et al., 1996).
Befragungen von Jugendlichen und andere Untersuchungen legen ebenfalls einen
Delinquenzanstieg nahe, der allerdings geringer ausfällt als in der PKS (z.B.
Lösei, Bliesener & Averbeck, 1998; Mansei & Hurrelmann, 1998; Tillmann,
1997). Gleichwohl ist die Datenlage noch unbefriedigend, so daß unangemessen
dramatisiert oder bagatellisiert werden kann. Es deutet sich aber an, daß nicht
pauschal die Jugendlichen ein gravierendes Kriminalitätsproblem darstellen, son
dern vor allem kleine Teilpopulationen multipel auffälliger, besonders belasteter
oder kulturell nicht integrierter junger Menschen (Lösel et al., 1998; Pfeiffer &
Wetzeis, 1997).
Spektakuläre Fälle und Medienberichte über früh, mehrfach und schwerwiegend
Auffällige haben dazu beigetragen, daß in letzter Zeit Forderungen nach einer
Verschärfung des Jugendstrafrechts erhoben werden. Dabei geht es insbesondere
um die Absenkung des Strafmündigkeitsalters unter 14 Jahre, die vermehrte An
wendung des Erwachsenenstrafrechts bei Heranwachsenden und die geschlossene
Heimunterbringung für wiederholt delinquente Kinder und gegebenenfalls Jugend
liche. Solche kriminalpolitischen Vorschläge haben bislang keine ausreichende
empirische Basis (z.B. Kerner & Sonnen, 1997; Lösel & Bliesener, 1997; Osten
dorf, 1997). Dies gilt allerdings für die Wellen "weicher" oder "harter" Kriminal
politik in recht ähnlicher Weise. Die internationale Wirkungsforschung zeigt
vielmehr, daß von formalen Änderungen ohne konkrete inhaltliche Programme
kaum Erfolge zu erwarten sind. Wesentlich ist, wie Maßnahmen pädagogisch und
psychologisch gestaltet werden (z.B. Andrews & Bonta, 1994; Gendreau, 1995;
Lipsey & Wilson, 1998; Lösei, 1995a). Entgegen den Pendelbewegungen in der
kriminalpolitischen Diskussion zeichnet sich hinsichtlich der empirisch wirksamen
5
Programme durchaus ein Kenntnisfortschritt ab. Dies bedeutet nicht, daß man in
naher Zukunft auf einen Königsweg der Intervention bei schwer delinquenten
Jugendlichen hoffen kann. Es bleibt die Aufgabe einer wissenschaftlich fundierten
Kriminalpolitik, Maßnahmen nach dem derzeitigen Kenntnisstand möglichst
adäquat zu differenzieren und anhand systematischer Wirkungsnachweise weiter
zuentwickeln. Die vorliegende Evaluationsstudie zur Vermeidung von Unter
suchungshaft soll hierzu einen Beitrag liefern.
Die Gestaltung der Untersuchungshaft bei Jugendlichen wird seit einigen Jahren
zunehmend kritisch beurteilt, so daß empirisch bewährte Alternativen dringend
erforderlich sind. Neben ambulanten Angeboten werden diese auch in einer
kurzfristigen Heimunterbringung gesehen. Seit 1986 besteht in Bayern die Mög
lichkeit, 14- bis 17jährige Tatverdächtige zur Vermeidung der Untersuchungshaft
bis zu ihrer Hauptverhandlung im St. Severinhaus des Jugenddorfs Piusheim bei
Glonn unterzubringen und dort pädagogisch zu betreuen. Nach rund zehn Jahren
lag ein angemessener Zeitraum vor, um die mit diesem Projekt gemachten Erfah
rungen systematisch auszuwerten. Zu diesem Zweck förderte das Bayerische
Staatsministerium der Justiz die vorliegende Evaluationsstudie. Das Projekt "Be
währung und Rückfalligkeit nach einstweiliger Unterbringung gemäß §§ 71,72
JGG" wurde 1995-97 am Sozial wissenschaftlichen Forschungszentrum und am
Lehrstuhl für Psychologie I der Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt.
Die Studie gliederte sich in folgende Teile: (1) Dokumentation und Verlaufsana
lyse des Unterbringungsprojekts "Jugendhilfe statt Untersuchungshaft", (2) Analy
se der personellen Durchführungsbedingungen, (3) Untersuchung der Akzeptanz
der Maßnahme und der bisherigen Erfahrungen bei bayerischen Justiz- und Ju
gendgerichtshilfeeinrichtungen, (4) Aktenanalyse von Unterbringungsfallen aus vier
Jahrgängen zur Beschreibung der Klientel und des Unterbringungsverlaufs, (5)
Untersuchung der strafrechtlichen Entwicklung dieser Jugendlichen und Vergleich
mit einer parallelisierten Stichprobe von Untersuchungshäftlingen anhand der
Auszüge aus dem Bundeszentralregister und (6) Gesamtbewertung und Vorschläge
zur weiteren Entwicklung des Angebots.
Die Durchführung eines solchen Projekts wäre nicht ohne vielfaltige Unter
stützung möglich gewesen. Frau Ministerialrätin Aulinger danken wir für die
anfangliehe Betreuung im Justizministerium, Herrn Regierungsdirektor Fischer für
die engagierte Weiterführung, seine Unterstützung bei der Genehmigung durch den
bayerischen Datenschutzbeauftragten und seine Geduld in der Endphase des
Projekts. Dem ehemaligen Leiter des St. Severinhauses, Herrn Pretzer, und den
an der Unterbringung beteiligten Erziehern gilt unser Dank für die bereitwillige
Auskunft über alle mit der Durchführung der Maßnahme zusammenhängenden
Fragen. Den Praktikern bei Justiz und Jugendhilfe danken wir dafür, daß sie an
6
der Fragebogenuntersuchung zur Akzeptanz teilgenommen haben. Herr Ministeri
alrat Küspert und die Leiter der einbezogenen Justizvollzugsanstalten, die Herren
Regierungsdirektoren Helmsing (Nümberg), Langer (Bamberg), Peintner (Aschaf
fenburg) und Schilling (Augsburg) haben uns bei der Zusammenstellung der
Kontrollgruppe jugendlicher Untersuchungshäftlinge tatkräftig gefördert. Herr
Generalstaatsanwalt Prof. Dr. Stöckel hat uns bei der Auswahl der Kontrollgruppe
beraten. Herr Ltd. Oberstaatsanwalt Prof. Pieper und Herr Oberstaatsanwalt
Ludwig haben uns bei der Einholung der Bundeszentralregisterauszüge unterstützt.
Dem Referatsleiter beim bayerischen Datenschutzbeauftragten, Herrn Ministerial
rat Dr. Worzfeld, danken wir für die Genehmigung der Erhebung und Herrn
Hertlein vom Bayerischen Landkreistag für die Unterstützung der Expertenbefra
gung.
Eine Vorfonn dieses Forschungsberichts wurde dem Bayerischen Staatsminister
der Justiz anläßlich der Feier zum zehnjährigen Bestehen des St. Severinhauses
übergeben. Durch das Amt des Dekans (F.L.) und eine berufliche Veränderung
(O.P.) ist die Fertigstellung der vorliegenden Endfassung zu einer Wochenendbe
schäftigung geworden. Gleichwohl hat uns die Arbeit an dieser praxisbezogenen
Studie Freude bereitet und wir hoffen, daß ihre Ergebnisse genutzt werden.
Friedrich Lösel
Oliver Pomplun
7
Inhalt
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2. Aktuelle Situation der Untersuchungshaft und alternativer
Betreuungsprojekte bei Jugendlichen .......................... 13
2.1. Anordnungsvoraussetzungen und Belegungsentwicklung . . . . . . . . . . . 14
2.2. Ansätze zur Vermeidung und Verkürzung der Untersuchungshaft 17
2.3. Besondere Problemgruppen jugendlicher Untersuchungshäftlinge ..... 20
3. Konzept der Untersuchung ................................ 21
4. Darstellung des Projekts "Jugendhilfe statt U-Haft" . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
4.1. Entwicklung des Projekts ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25
4.2. Rahmenbedingungen des Piusheirns und des St. Severinhauses . . . . . .. 27
4.3. Rechtliche Voraussetzung der Unterbringung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
4.4. Aufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
4.5. Betreuungskonzept des St. Severinhauses .................... 30
4.6. Praxis der Aufenthaltsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
4.7. Personelle Ausstattung des St. Severinhauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
5. Auswertung der Mitarbeiterinterviews ......................... 36
5.1. Aus- und Weiterbildungsbedingungen ...................... 37
5.2. Ziele und Inhalte der Tätigkeit im St. Severinhaus .............. 39
5.3. Wahrnehmung der Jugendlichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 42
5.4. Zufriedenheit mit der gegenwärtigen Arbeitssituation . . . . . . . . . . . .. 42
5.5. Probleme und Veränderungsvorschläge ..................... 45
5.6. Zusammenfassende Bewertung der Interviews ................. 47
6. Ergebnis der Umfrage bei bayerischen Justiz- und
Jugendgerichtshilfeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
6.1. Bekanntheit des Angebots und Bewertung bisheriger Erfahrungen . . . . . 53
6.2. Unterbringungziele und Auswahlkriterien geeigneter Jugendlicher. . . . . 56
6.3. Einschätzung des Bedarfs an Unterbringungsplätzen ............. 59
6.4. Weitere Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
6.5. Zusammenfassende Bewertung der Umfrageergebnisse ...... :. . . . . 62
7. Beschreibung der Klientel und des Verlaufs der Unterbringung . . . . . . . . . . 67
7.1. Biographische Merkmale .............................. 68
7.1. 1. Altersverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
7.1.2. Nationalität .................................. 69
7.1.3. Familiäre Merkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
9
7.1.4. Schulische und berufliche Entwicklung ................. 75
7.1. 5. Strafrechtliche Auffälligkeit ........................ 77
7.2. Unterbringungsverfahren .............................. 80
7.2.1. Unterbringende Gerichte .......................... 80
7.2.2. Haftgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
7.2.3. Aufenthaltsort vor der Festnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
7.2.4. Dauer der vorausgehenden Untersuchungshaft . . . . . . . . . . . . . 83
7.2.5. Unterbringungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
7.3. Unterbringungsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
7.3.1. Aufenthaltsdauer ............................... 89
7.3.2. Psychosozialer Befund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
7.3.3. Teilnahme an schulischen und beruflichen Maßnahmen ....... 92
7.3.4. Entweichungen und Straftaten während der Unterbringung . . . . . 93
7.3.5. Beendigung der Unterbringung ...................... 95
7.3.6. Beurteilung im Abschlußbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
7.3.7. Anschlußmaßnahmen ............................ 99
7.3.8. Sanktionsentscheidung im Unterbringungsverfahren ......... 101
7.4. Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen. . . .. 102
7.5. Veränderungen im Untersuchungszeitraum ................... 104
7.6. Besondere Merkmale der Programmabbrecher ... . . . . . . . . . . . . .. 105
8. Untersuchung der Legalbewährung ......................... " 112
8.1. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 112
8.2. Rückfälligkeit im Gesamtzeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 116
8.3. Dauer bis zum ersten Rückfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 122
8.4. Rückfälligkeit innerhalb der ersten beiden Jahre nach Entlassung ..... 125
8.5. Vergleich der gesamten Heimstichprobe mit einer erweiterten
Kontrollgruppe .................................... 127
8.6. Bewertung der Ergebnisse der Rückfalluntersuchung . . . . . . . . . . . .. 130
9. Gesamtbewertung und Empfehlungen ......................... 134
10. Zusammenfassung/Summary 151
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " 158
Anhang .............................................. 170
I. Ergänzende Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 170
II. Kategorisierungsschema der Aktenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 184
IlI. Erhebungsinventar der Strafregisterauszüge . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 186
IV. Interview leitfaden für die Mitarbeiterbefragung ................ 187
V. Übersicht der befragten Justiz- und
JugendhilfeeinrichtungeniFragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 189
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1. Einleitung
Mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtgesetzes
(1.JGG ÄndG) am 1.12.1990 kamen bis in die 70er Jahre zurückreichende Re
formbemühungen im Jugendstrafrecht zu einem vorläufigen Abschluß. Ziel des
Änderungsgesetzes war es, die Ergebnisse der modemen jugendkriminologischen
Forschung umzusetzen und durch ein flexibles Angebot an Interventionsmöglich
keiten den Erziehungsgedanken des Jugendgerichtsgesetzes stärker zur Geltung zu
bringen. Die wichtigsten Neuerungen waren die Ausweitung informeller Erledi
gungsverfahren (Diversion), die stärkere Gewichtung ambulanter Maßnahmen
(Täter-Opfer-Ausgleich, Soziale Trainingskurse und Betreuungsweisung) und die
Reduzierung freiheitsentziehender Sanktionen durch eine Einschränkung des
Freizeitarrestes und erweiterte Möglichkeiten der Aussetzung von Jugendstrafen
bis zu zwei Jahren. Auch im Bereich der Untersuchungshaft wurden gesetzliche
Änderungen vorgenommen, um die Anordnungshäufigkeit bei Jugendlichen zu
reduzieren und alternativen pädagogischen Betreuungsformen die ihnen zukom
mende Bedeutung zu verleihen.
Mit dem Änderungsgesetz wurde allerdings lediglich die von der Praxis bereits
seit Mitte der 80er Jahre eingeschlagene Richtung gesetzlich verankert. Die
erhofften neuen Impulse gingen von dem Änderungsgesetz nicht aus (Schüler
Springorum & Block, 1991). Mit der Schwerpunktsetzung auf informelle Erledi
gungsverfahren und ambulante Betreuungsangebote kann auf die meisten Erschei
nungsformen der Jugenddelinquenz angemessener reagiert werden als früher (vgl.
Heinz & Storz, 1992). Dies gilt insbesondere für die große Fallzahl jugendtypi
scher Delinquenz. Allerdings besteht auch die Gefahr, daß man dabei auf die
kleine Gruppe hochgefährdeter und langfristig auffalliger Jugendlicher pädagogisch
zu wenig oder zu spät reagiert (vgl. Lösei, 1995b; Moffitt, 1993). Eine Reaktions
möglichkeit stellt hier die im JGG besonders betonte alternative stationäre Betreu
ung für jugendliche Untersuchungsgefangene in einem Heim der Jugendhilfe dar.
Sie zielt auf junge Menschen, die intensiver pädagogischer Betreuung bedürfen
und durch ambulante Maßnahmen nur schwer zu erreichen sind bzw. zur Teil
nahme an diesen erst motiviert werden müssen.
Die konsequente Umsetzung der gesetzlichen Intentionen setzt eine effiziente
Zusammenarbeit zwischen Institutionen der Jugendhilfe und der Jugendgerichts
barkeit voraus. In diesem Zusammenhang besteht ein grundsätzlicher Kritikpunkt
an der Reformierung: Man habe eine umfassende Neuordnung des Jugendstraf-
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