Table Of ContentIntervention als soziale Praxis
Werner Distler
Intervention als
soziale Praxis
Interaktionserfahrungen
im Alltag des Statebuilding
am Beispiel der Internationalen 
Polizeimission im Kosovo
Werner Distler
Marburg, Deutschland
Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie, vor-
gelegt dem Fachbereich Gesellschaft swissenschaft en und Philosophie der Philipps-Uni-
versität Marburg (Dissertationsort Marburg).
ISBN 978-3-658-06845-5                ISBN 978-3-658-06846-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-06846-2
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Danksagung 
 
 
 
 
 
 
Besonderer Dank gilt meinen Eltern, Mehri und Friedemann Distler, und meiner 
Frau Layla Distler. Ihnen ist dieses Buch gewidmet.  
Für ihre Unterstützung meiner Arbeit möchte ich Karl-Heinz Gleich, Peter Fran-
ke, Klaus Ritter, Klaus Reinhardt, der Leitung des deutschen Polizeikontingents 
im Kosovo, Sahadete Limani-Beqa, Jakob Biazza, Ruth Schneider, dem Büro der 
Friedrich-Ebert-Stiftung  in  Pristina,  Barbara  und  Götz  Roggenkamp,  Katrin 
Travouillon, Sina Kowalewski, Friederike Mieth, Julia Viebach, Kathleen Rot-
her, Dominik Pfeiffer, Michael Daxner und schließlich meinen Betreuern, Ma-
thias Bös und besonders Thorsten Bonacker, danken.
Inhaltsverzeichnis   VII 
 
Inhaltsverzeichnis                            IX          
   
1    Einleitung                                     1
                                     
2     Strategische Interaktion und Interaktion im Interventionsalltag. 
Verortung in der Debatte über Interventionen und Statebuilding        13
                              
2.1    Möglichkeiten und Grenzen von Interventionen               13  
2.2    Strategische Interaktion:  
Politische Entscheidungen, Interessen, Herrschaft             16 
2.3    Zwischenbetrachtung: Die Analyse    
Strategischer Interaktionen reicht nicht aus                       20 
2.4    Interaktion im Interventionsalltag                          21 
2.5    Zusammenfassung: Forschungsinteresse                 37 
 
3    Theoretischer Rahmen:  
Relationale Strukturen und Interaktion                  39 
3.1    Soziale Strukturen als Relationale Strukturen               40 
3.2    Wissen und Relationale Strukturen                   42  
3.3    Das Selbst, der Andere und die soziale Umwelt als Ausdruck    
    sozialer Beziehungen                         43 
3.4    Räumliche und zeitliche Dimensionen relationaler Strukturen         46 
3.5    Relationale Macht                           48 
3.6    Routinen und Kreativität                             51 
3.7    Interaktion in der Intervention als ein interkulturelles Problem?        53 
3.8    Zusammenfassung: Forschungsfrage und Forschungsgegenstand       55
   
4    Methode                              57  
4.1    Design und Vorgehen der Forschung                   57 
4.2    Interviewmethode und Fragen                     61 
4.3    Auswertung und Texterstellung                     67  
4.4    Der Zugang zum Feld                         77
VIII  Inhaltsverzeichnis  
5    Kosovo: Konflikt und Intervention                   83  
5.1    Hintergrund der Intervention: Der Konflikt im Kosovo           83 
5.2    Politische und soziale Entwicklung seit 1999               92 
5.2.1  Strategische Interaktion und politische Entwicklung 1999-2012        94 
5.2.2   Interventionsalltag und gesellschaftliche Transformationen        101 
5.2.3  Zusammenfassung                        109 
5.3.     Die internationale Polizeimission im Kosovo             109 
5.3.1  Organisation, Aufgaben und Zusammensetzung  
der Polizeimission                                    111 
5.3.2   Einschätzungen der Mission                           115 
5.3.3  Zusammenfassung                        121 
                             
6.      Alltag der Intervention                       123 
6.1     Die Konstitution des Selbst                           123 
6.1.1   Der Intervenierende (1):                              
   Motivation, Vorwissen, Interaktionssituationen             123 
6.1.2   Der Intervenierende (2): Selbstreflexionen über Wahrnehmungen  
und Erwartungshaltungen im Alltag                 139 
6.2     Die Konstitution der Anderen                   174 
6.2.1   Die Anderen (1): Die lokalen Akteure                 174 
6.2.2   Die Anderen (2): Die Internationalen                 194 
6.3     Die Konstitution der Umwelt - Mission und Land            206 
6.3.1   Reflexionen über den Sinn (und Unsinn) der Mission           206 
6.3.2   Transformation vom Ereignis zum Wissensfundus:  
Die Erfahrungen mit Gewalt und Unordnung im März 2004       226
           
7.      Zusammenfassung: Intervention als soziale Praxis                 235 
 
Literaturverzeichnis                           255 
     
Anhang A: Auflistung der ausgewerteten Interviews               268 
Anhang B: Zusammensetzung der UNMIK Police, August 2007             269
Ab k ürzungsverzeichnis  IX 
Abkürzungsverzeichnis 
AG IPM    Arbeitsgemeinschaft Internationale Polizeimissionen 
CCIU     Central Criminal Investigation Unit   
ECLO     European Commission Liaison Office 
EULEX     European Union Rule of Law-Mission 
EV      Erstverwender 
FRY     Federal Republic of Yugoslavia 
ICO     International Civilian Office  
ICR     International Civilian Representative   
IPO      International Police Officer 
ISAF     International Security Assistance Force 
KP      Kosovo Police 
KPS     Kosovo Police Service 
LA      Language Assistent  
MINUSTAH  Mission des Nations Unies pour la stabilisation en Haïti 
MPU     Missing Persons Unit  
OIOS     United Nations Office of Internal Oversight Services 
OK      Organisierte Kriminalität 
OSCE    Organisation for Security and Cooperation in Europe 
OMIK    OSCE Mission in Kosovo 
PTC      Police Training Center 
PISG     Provisional Institutions for Self-Government 
PZI      Problemzentriertes Interview 
SPU     Special Police Unit   
SOPs     Standard Operating Procedures 
SRSG    Special Representative of the Secretary General 
TPIU     Trafficking and Prostitution Investigation Unit 
UNDP    United Nations Development Programme 
UNESCO   United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization 
UNHCR     United Nations High Commissioner for Refugees 
UNMIK     United Nations Mission in Kosovo 
USAID    United States Agency for International Development 
UÇK     Ushtria Çlirimtare e Kosovës 
WV     Wiederverwender 
ZIF      Zentrum für Internationale Friedenseinsätze
1.  Einleitung 
 
 
 
 
 
 
„Ich kenne das Kosovo seit über zehn Jahren, und nach meiner Meinung haben 
wir in dieser Zeit kaum etwas erreicht. (…) Am meisten enttäuscht bin ich von der 
Polizei. (…) Nach meinem Eindruck ist die Korruption unter den kosovarischen Po-
lizisten recht hoch. Wenn man mit einem gestohlenen Auto erwischt wird, so wurde 
mir berichtet, besticht man den Beamten – und die Sache ist erledigt. An die großen 
Verbrecher kommt man sowieso nicht heran. (…) Diese Netzwerke schützt eine 
Mauer des Schweigens, die wir Polizisten nicht durchdringen können. In Wahrheit 
wissen wir nicht mal annähernd, was hier los ist. (…) Das Kosovo ist ein Land, in 
dem Jahrhunderte alte Traditionen fortbestehen, und ein Teil dieser Kultur ist die 
Blutrache. Uns Mitteleuropäern ist es nicht gelungen, die Kosovaren von einem 
neuen, unserem westlichen Rechts- und Wertesystem zu überzeugen. (…) Ich be-
fürchte, die Kosovaren werden uns aussitzen. So wie die Taliban auf den Abzug der 
westlichen Truppen aus Afghanistan warten. Doch keiner der Verantwortlichen der 
Eulex-Mission meldet die Wahrheit nach Brüssel. Sie schicken aus dem Kosovo nur 
geschönte Berichte, sogenannte Okay-Reportings. Vielleicht müssen sie das auch 
machen, um ihren Posten zu behalten und weiterhin in Auslandsmissionen arbeiten 
zu können. Aber dem Kosovo hilft das nicht.“ (Der Spiegel 45/2012: 102) 
 
Diese Zitate entstammen einem im November 2012 im Magazin Der Spiegel 
erschienen  anonymen  Erfahrungsbericht  eines  deutschen  Polizisten  über  die 
Bilanz der internationalen Missionen im Kosovo, insbesondere der Polizeimissi-
on der United Nations Mission in Kosovo (UNMIK) von 1999 bis 2008 und der 
Rechtsstaats- und Polizeimission der Europäischen Union (EULEX) seit 2008.  
Die andauernden Interventionen im Kosovo, nun bereits im fünfzehnten 
Jahr,  gehören  zu  den  umfangreichsten  Peacebuilding-  und  Statebuilding-
Interventionen der vergangenen Jahrzehnte. Die Polizeimissionen, deren Ange-
höriger der anonyme Autor war, gehören und gehörten ebenso zu den umfang-
reichsten Missionen ihrer Art, an ihrem Höhepunkt in den frühen Jahren der 
Intervention mit über viertausend Polizistinnen und Polizisten aus über vierzig 
Nationen. Im Gegensatz zu dem im Zitat ebenfalls genannten Afghanistan, ist die 
Sicherheitslage im Kosovo seit langem stabil, im Land verschwinden die sichtba-
ren Überreste des Krieges von 1999. Viele internationale Akteure der Missionen 
W. Distler, Intervention als soziale Praxis,
DOI 10.1007/978-3-658-06846-2_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
2  Einleitung  
im Kosovo, ob zivile Mitarbeiter von Internationalen Organisationen, Polizeian-
gehörige oder Mitglieder der Entwicklungsgemeinschaft, leben seit 1999 über 
das gesamte Land verteilt zwischen der Bevölkerung. Umso verstörender wirken 
die Vergleiche zwischen Kosovo und Afghanistan und die kritische Bilanz des 
anonymen Autors. Der Bericht bemüht neben Korruption der Polizei und Orga-
nisierter Kriminalität besonders Vorstellungen über die Identität der Bevölke-
rung im Kosovo, um das Versagen der Intervention zu begründen: Das tradierte 
Verhalten der Bevölkerung, der ‚Anderen‘, sei verantwortlich für die Probleme 
der Mission. Die Kritik richtet sich aber auch offen gegen die Mission selbst, 
wenn berichtet wird, dass die Realität geschönt dargestellt wird. Der gesamte 
Erfahrungsbericht  zeugt  von  Enttäuschung  und  fehlendem  Verständnis,  von 
Distanz zur eigenen Mission und auch zu der einheimischen Bevölkerung des 
Landes, trotz jahrelanger eigener Präsenz dort. 
Mit dieser kritischen Bilanz steht der anonyme Polizist nicht allein: Die Ar-
gumente spiegeln sich in einem Aufsatz von Albin Kurti wider, einem koso-
varischen Politiker und langjährigen Aktivist gegen die internationalen Präsen-
zen im Kosovo: 
 
“Years of dwelling in Kosova have now turned thousands of interna-
tionals into ‘local internationals’, a different species from their com-
patriots back home. Years of international rule have turned local poli-
ticians and NGOs into ‘international locals’, a species that differs 
from their compatriots in Kosova. The ‘local internationals’ and the 
‘international locals’ are kept together by a happy marriage of interest, 
providing the system’s internal cohesion. Instead of working for the 
rights of the people, they talk about the needs of the communities; in-
stead of fighting for justice, freedom and equality, they encourage ad-
vocacy and lobbying; instead of protests and demonstrations (where 
dissatisfied people get together in a public physical sphere) they pro-
mote campaigns (with billboards and TV ads in a public virtual 
sphere, which people watch alone). The overcrowding of ‘local inter-
nationals’ and ‘international locals’ in Kosova means less society and 
less politics. It means more technical assistance and consultancy, more 
conferences and seminars with more PowerPoint presentations, more 
policemen, prosecutors and judges, more jeeps, more extended week-
ends  in  Thessalonica  or  Dubrovnik,  more  offices,  more  working 
lunches, more coffee breaks, more parties (...)” (Kurti 2011: 92) 
 
Kurti beschreibt die Folgen gemeinsamer Sozialisationsprozesse: Interventions-
spezifische Gruppen sind entstanden, deren Handeln nur vor dem Hintergrund
Description:Noch immer werden in der Forschung die Grenzen und Möglichkeiten des Statebuilding zu selten in der sozialen Praxis der Intervention verortet. Im Rahmen einer „Soziologie der Intervention“ stellt Werner Distler in seiner Studie deshalb die ausführenden Akteure der Intervention in den Mittelpun