Table Of ContentFORSCHUNGSBERIClITE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 2491
Herausgegeben im Auftrage des Ministerpr:lsidenten Heinz KUhn
vom Minister rur Wissenschaft und Forschung Johannes Rau
Dipl. -Phys. Gerd Grenz
Rhein. -Westf. Techn. Hochschule Aachen
Institut ftlr Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft
Lehrauftrag Leistungsreaktoren
Prof. Dr. phil. Dr. -Ing. Dr. -Ing. E. h. Heinrich Mandel
Intervallverteilungsmessung
zur Reaktivitiitsbestimmung an Kernreaktoren
Westdeutscher Verlag 1975
© 1975 by Westdeutscher Verlag GmbH. Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
ISBN-13: 978-3-531-02491-2 e-ISBN-13: 978-3-322-88076-5
DOl: 10.1007/978-3-322-88076-5
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Inhaltsverzelchnls sette
1. Elnleltung 1
2. Grundlagen der Zahlstatistik in Kernreaktoren 4
2.1 Kolmogoroff'sche Theorie der Verzweigungsprozesse 4
2.2 Anwendung auf Zahlereignisse 1m Reaktor 11
2.2.1 Reaktorphysikalisches Modell 11
2.2.2 Wahl einer speziellen Zeitintervalleinteilung 16
2.2.3 WEF fUr Neutronenregistrierung im Reaktor 20
2.3 Verteilungsfunktionen fUr die Zeitabstande
zwischen Detektorimpulsen 24
2.3.1 Die Wahrscheinlichkeit PO(l) 24
2.3.2 Die Wahrscheinlichkeitsdichte Pro(l) 26
2.3.3 Die Wahrscheinlichkeitsdichte PCC(l) 27
2.3.4 Vergleichende Darstellung 28
2.4 Technik der Intervallverteilungsmessungen 32
3. Parameterstudien zur pcc-Intervallverteilung 35
3.1 Reaktorsystem 35
3.2 Formelzusammenstellung 39
3.3 Rechenergebnisse 41
3.3.1 EinfluB der Quellstarke 0e 41
3.3.2 EinfluB der Detektorempfindlichkeit £ 42
3.3.3 EinfluB der Reaktivitat P 44
3.4 Zusammenfassung der Rechenergebnisse 45
4. Versuchsanordnung und -durchfUhrung 46
4.1 Schaltungsbeschreibung 46
4.1.1 Versuchsablauf 51
4.2 Datenauswertung 53
4.2.1 Algorithmus 53
4.2.2 Programmbeschreibung 57
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Seite
5. Experimente am SUR 61
5.1 Maqnetbandspeicherunq 61
5.1.1 Zeitbasisfehler 62
5.1. 2 Verqleich On-line~/Off-line-Messung 63
5.2 MeBgenauigkeit 67
5.2.1 Statistischer Fehler 68
5.2.2 Experimentelle Ergebnisse 69
5.2.3 SchluBfolgerungen 76
5.3 Reaktivitatsmessungen am SUR 77
6. Zusammenfassung 79
7. Literaturverzeichnis 80
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1. Einleitung
In der experimentellen Reaktorphysik werden in zunehmendem
Ma8e Methoden der Rauschanalyse verwendet, urn aus den statisti
schen Schwankungen eines Neutronendetektorsignals Aussagen
tiber das Reaktorsystem zu gewinnen [1,21.
Eine der Hauptaufgaben dieser Korrelationsexperimente ist die
Bestimmung der Abklingkonstante ex des prompten Neutronenfeldes,
des sog. Rossi-Alpha:
1 - k rp Y f-
ex = R: p = - :>= = (1 - p.) (1. 1)
p
mit prompte Multiplikationskonstante
keff . (1 - s)
~ Lebensdauer der prompten Neutronen
p
S Ausbeute an verzogerten Neutronen pro Spaltneutron
p Reaktivitat
Reaktivitat der prompten Neutronen
kp - 1
-k .....: p - S
* P
= Reaktivitat in Dollar
~
A ~ Generationszeit der prompten Neutronen.
k
P
Fur ein verzogert-kritisches System gilt p 0, so daB
ex = exc = ~ (1.2)
und damit allgemein
=
ex ex (1 - p.). (1 .3)
c
Eine ex-Messung ist demnach einer Reaktivitatsmessung aquivalent.
In unterkritischen Systemen ist ex mindestens ebenso aussagefa
hig (z.B. zur Uberprufung von Kernberechnungen - Kritikalitats
rechnung) wie die Reaktivitati wobei der Unterschied darin
besteht, daB ex meBbar ist und die Reaktivitat nicht [31.
SIMMONS-KING [40] benutzten Gl. (1.3), urn aus dem mit einer ge
pulsten Neutronenquelle gemessenen ex die Reaktivitat p zu be
rechnen. Methodisch unbefriedigend bleibt dabei, daB exc bekannt
sein muB und insbesondere, daB exc als reaktivitats- und ortsun
abhangig vorausgesetzt wird, was wegen der kinetischen Storung
(kinetic distortion) in ungunstigen Fallen sicher nicht der
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Fall ist [41]. In [42] wird jedoch gezeigt, daB die statisti
schen Methoden, zu denen das in dieser Arbeit untersuchte Ver
fahren zahlt, weniger empfindlich fUr ortsabhangige Effekte
sind, daB sie also eher die Eigenschaften des Reaktors als
Ganzes - insbesondere auch die Reaktivitat - erfassen.
Einschrankend muB gesagt werden, daB Korrelationsexperimente
nur im kritischen und unterkritischen Zustand des Reaktors
denkbar sind, weil nahezu alle Verfahren einen stationaren
(und ergodischen) ProzeB voraussetzen.
Eine vollstandige und Ubersichtliche Klassifikation der Metho
den der Rauschanalyse nach unterschiedlichen theoretischen An
satzen und ihrer historischen Entwicklung ist bei SEIFRITZ -
STEGEMANN [2] zu finden, wobei auch auf den Einsatz von Korre
lationsverfahren im Leistungsbereich des Reaktors (Leistungs
r<auschen) eingegangen wird.
Vom Standpunkt der meBtechnischen DurchfUhrung der Rauschanaly
se bietet sich eine etwas andere Einteilung in 3 Gruppen an
(nach [4]):
-) Die erste Gruppe macht direkten Gebrauch von der Abweichung
der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Neutronennachweisreaktio
nen von der Poissonverteilung. Entweder wird in der sog.
po-Methode von ZOLOTUKHIN-MOGILNER [5] aus der Wahrscheinlich
keit dafUr, daB in einem vorgegebenen Zeitintervall kein
Neutronennachweis registriert wird, auf die Reaktorparameter
geschlossen, oder im FEYNMAN-a-EXPERIMENT [6] wird das gegen
tiber der POissonverteilung erhohte 2.Moment (Varianz) gemessen.
-) In die zweite Gruppe fallen die eigentlichen Korrelations
experimente. Im Rossi-a-Experiment [7] erhalt man durch eine
verzogerte Koinzidenzmessung die Korrelationsfunktion des
Reaktorsystems im Zeitbereich. Diese Korrelationsfunktion kann
in der Naherung des Punktreaktormodells und im Bereich der
prompten Neutronenkinetik durch einen Markoff-ProzeB beschrie
ben werden, d.h. sie zerfallt exponentiell mit der Verzoge
rungszeit. Aus der Amplitude und der Zerfallskonstanten konnen
direkte RUckschlUsse auf die Reaktorleistung und die GroBe a
gezogen werden.
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In den bisher genannten Experimenten werden Zahlrohre benutzt,
die fur jede Nachweisreaktion eines Neutrons einen Impuls lie
fern. Zu diesen diskreten oder digitalen Verfahren kommt noch
die Auswertung kontinuierlicher oder analoger Signale aus neu
tronenempfindlichen Ionisationskammern.
Die Frequenzanalyse des Reaktorrauschens ist sozusagen das
"fouriertransformierte" Experiment zur Gruppe 2. Man unter
scheidet zwischen spektraler Autoleistungsdichte- und Kreuz
leistungsdichtemessung [8,9,10]. Die zeitlichen Schwankungen
des Ausgangsstroms einer neutronenempfindlichen Ionisations
kammer werden dabei einer Spektralanalyse unterworfen. Aus der
Amplitude und dem Frequenzgang solcher Spektraldichtefunktio
nen erhalt man die gleiche Information wie beim Rossi-a-Expe
riment. Diese Methode eignet sich auch fur den Bereich des
Leistungsrauschens, zumal beim Kreuzkorrelationsexperiment
auch andere Eingangssignale (z.B. Schwingungsaufnehmer) mit
dem Neutronensignal korreliert werden k6nnen.
-) Eine Erganzung erfuhren die Korrelationsexperimente durch
die sog. Polaritatskorrelationsexperimente. Diese dritte Grup
pe ist dadurch gekennzeichnet, daB man nur einen Teil der In
formation, namlich die Polaritat der Rauschsignale bezuglich
ihres Mittelwertes, berucksichtigt. Mit diesen in nur zwei
Zustande quantisierten Funktionen lassen sich modifizierte
Korrelationsbeziehungen aufstellen. Als erster berichtete da
ruber DRAGT [11]. Die Erweiterung des Verfahrens auf den Fre
quenzbereich gelang SEIFRITZ [4].
Die in dieser Arbeit vorwiegend behandelte Intervallverteilungs
messung ist nach dem obigen Schema in Gruppe 1 einzuordnen.
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2. Grundlagen der Zahlratenstatistik in Kernreaktoren
Auch bei einem mit konstanter Leistung betriebenem Reaktor
ergibt die wiederholte Messung der Zahlrate eines Neutronen
detektors (Zahlrohres) unterschiedliche Ergebnisse. Diese
statistischen Schwankungen, insbesondere die Verteilung
der Zeitintervalle zwischen einzelnen Zahlereignissen,
konnen im Rahmen der Kolmogoroff'schen Theorie der Ver
zweigungsprozesse fur ein einfaches Reaktormodell (Punkt
reaktor, monoenergetische Neutronen) berechnet werden.
Eine Messung der Zeitintervallverteilung ermoglicht dann
die Bestimmung der kinetischen Parameter des Reaktorsystems
(z.B. des Rossi-Alpha). Die Theorie ermoglicht die Berech
nung verschiedener Intervallverteilungen und schafft damit
die Grundlage fUr mehrere MeBverfahren.
Die folgende Darstellung lehnt sich an die Veroffentlichun~n
von KOLMOGOROFF - DIMITRIEV [12] und BABALA [13] an.
2.1 Kolmogroff'sche Theorie der Verzweigungsprozesse
U~ter einem Verzweigungsprozess kann man sich die mathe
matische Darstellung der Entwicklung einer Population
(von Teilchen) vorstellen, deren Mitglieder nach irgend
welchen Zufallsgesetzen entstehen und verschwinden. Die
Teilchen konnen von verschiedener Art sein je nach Alter,
Energie, Ort oder anderen Merkmalen; sie durfen jedoch
nicht mit-einander reagi~ren. Diese Voraussetzung ist
z. B. fur Neutronen in einem Reaktormedium gegeben, da
Neutron-Neutron-Reaktionen wegen der geringen Neutronen
dichte extrem unwahrscheinlich sind.
In diesem Abschnitt werden zunachst ganz allgemeine Be
ziehungen fur die Ubergangswahrscheinlichkeiten zwischen
verschiedenen Zustanden eines Verzweigungsprozesses her
geleitet. Die daraus resultierende Chapman-Kolmogoroff
Gleichung kann durch Einfuhrung von Wahrscheinlichkeits
erzeugenden Funktionen (WEF) in eine Funktionalgleichung
verwandelt werden. 1m zeitlich homogenen Fall ergeben'
sich die beiden Kolmogoroff'schen Differentialgleichungen.
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Gegeben sei ein System, in dem Teilchen existieren und durch
Reaktionen transformiert werden kBnnen. Es gebe n verschiedene
Teilchentypen T"T2, ••• Tn und m unterschiedliche Reaktionsar
ten. Jedes Teilchen Tk kann nun durch eine beliebige Reaktion
innerhalb des Zeitintervalls (t" t 2) so transformiert werden,
daB ein Satz
S; = a,T, + a2T2 + •.•• anTn
von Teilchen entsteht, wobei die ai fUr i=',2, .•• n ganze,
nichtnegative Zahlen bedeuten.
Die Ubergangswahrseheinliehkeit fUr diesen Transformationspro
zeB sei definiert dureh
....
P:(t"t2) ~ P(Tk .... S; I t"t2) (2.1.1)
....
.
(Bei Pk stellt a einen Index und keinen Exponenten dar.)
Es handelt sieh um ein~n VerzweigungsprozeB (Tk. ... S;), wenn die
Wahrseheinliehkeiten P: eindeutig bestimmt sind dureh
-) die Zeit t" (t, < t 2)
-) den Index des ersten Teilehens k, (k = ',2, .••. n)
-) den n-dimensionalen Vektor ;, ; = (a"a2, .... an)
mit den ganzzahligen Komponenten ai = 0,',2, •...
Wesentlieh sind al!o die folgenden Annahmen, daB die Wahr
seheinliehkeiten P:(t"t2)
,) unabhangig sind von der Vorgesehiehte des Teilehens Tk
fUr t < t,; das Teilehen Tk muB lediglieh zur Zeit
t = t, im System vorhanden sein, (d.h. es handelt sieh
urn einen Markoff-ProzeB) und
r
2) unabhangig sind von den anderen Teilehen T. (j k),
J
die zu~ Zeit t, existieren oder fUr t > t, entstehen
mBgen. Daher gilt
a2 a
Pk • •.•• P k n (2. , .2)
Naeh den bekannten Axiomen der Wahrseheinliehkeitstheorie muB
ferner gelten
(2.1. 3)
(2.1. 4)
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mit (2.1.5)
Cll=O Cl2=0 Cl =0
n
d.h. zur Zeit t2 5011 irgendein Satz S~ entstanden sein.
Speziell fUr t2 = t1 = t 5011 gel ten
; ; {1,wenn Clk=1; Clj=O , j ~ k
Pk (t,t) = Ek = 0 fUr aIle anderen Satzkombi-
nationen
(2.1.6)
d.h. es wird ausgegangen von 1 Teilchen Tk zur Zeit t = t 1•
Weiterhin werde durch
die Wahrscheinlichkeit dafUr definiert, daB der Teilchen
satz S~ innerhalb des Zeitintervalls (t2,t3) den neuen
Satz
erzeugt.
Damit kann die bedingte Wahrscheinlichkeit (t1,t3) be
rechnet werden, daB aufgrund des Teilchens zur Zeit t1
der Satz 58 zur Zeit t3 entsteht; wobei die Bedingung ge
stellt ist, daB zum Zeitpunkt t2 (t1 ~ t2 ~ t3) der Satz s;
vorzufinden war:
-+
P~ (t1,t2) • P~,8(t2,t3) (2.1.7)
-+
Cl
Dies ist die bekannte Chapman - Kolmogoroff - Gleichung.
Die summation ist nach Gl. (2.1.5) durchzufUhren; denn
jede mogliche Satzkonfiguration S~ kann zu dem Satz S8
flihren.
P;,S(t2,t3) kann wegen Annahme 1 (Markoff - Prozess)
durch die P~ ausgedrlickt werden [14]
I I ... L
8(1,1)S(1,2) S(n,Cln)
(2.1. 8)