Table Of ContentINTERMEDIALE ADAPTIONEN VON
ARTHUR SCHNITZLERS WERK
EINE KONTRASTIVE STUDIE
UND EINE ANALYSE DER EMOTIONALISIERUNG IN SCHNITZLERS
REIGEN, FRÄULEIN ELSE UND TRAUMNOVELLE UND IN DEN
INTERMEDIALEN ADAPTIONEN
UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER
COMICADAPTIONEN
Laura Pede
Stamnummer: 01304169
Promotor: Prof. dr. Gunther Martens
Copromotor: Dr. Carolin Juliane Benzing
Masterproef voorgelegd voor het behalen van de graad master in de richting Taal- en Letterkunde:
Duits - Frans
Academiejaar: 2016 – 2017
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Dankeswort
Die vorliegende Masterarbeit könnte ohne die Texte von Arthur Schnitzler und die
Kunstwerke der Adaptierenden nicht zustande kommen. Deswegen möchte ich Arthur
Schnitzler, Birgit Weyhe, Manuele Fior und Jakob Hinrichs für ihre artistische Arbeit,
die mir sehr gefallen hat, herzlich bedanken. Um die Comicadaption der Traumnovelle
zu erhalten, habe ich sogar persönlichen Kontakt mit dem Autor, Jakob Hinrichs,
aufgenommen. Für seine schnelle Antwort auf meine besorgte E-Mail und die PDF-
Datei des Comics bin ich ihm ewig dankbar.
Im Laufe des Arbeitsprozesses habe ich festgestellt, dass eine Masterarbeit alles
andere als eine individuelle Leistung ist. Deshalb möchte ich hier allen danken, die mir
im Studium etwas beigebracht haben und somit diese Arbeit ermöglicht haben. An
erster Stelle danke ich meiner Betreuerin, Dr. Carolin Benzing, ganz herzlich für die
exzellente Betreuung und Unterstützung beim gesamten Untersuchungs- und
Schreibprozess. An zweiter Stelle danke ich meinem Mitbetreuer, Prof. Dr. Gunter
Martens, für das richtunggebende Feedback und die Hilfe bei der Suche nach nützlichen
Quellen während, aber auch nach, der Abwesenheit von Frau Benzing am Anfang des
Semesters.
Das Zustandekommen der Arbeit war eine Reise mit Hindernissen. Ich fand es also
ab und zu notwendig, mal außerhalb der Universität mit jemandem über die
Schwierigkeiten sprechen zu können. Zu aktivem (oder weniger aktivem) Zuhören
waren meine Eltern, meine Schwestern und meine FreundInnen in Gent und Zwalm
immer bereit und das hat mir jedes Mal Mut gegeben, weiterzuschreiben.
Natürlich darf auch mein Freund Kenny nicht fehlen, denn er hat mich immer
aufgemuntert und meine Ideen immer unterstützt. Wahrscheinlich kennt er Schnitzler
inzwischen ebenso gut wie ich. Daneben danke ich ihm auch für das Ausleihen seines
Rechners. Sowohl für technische als auch für emotionale Unterstützung konnte ich also
auf ihn rechnen.
Last but not least danke ich Ihnen, dem/der LeserIn, und wünsche Ihnen viel Spaß
bei der Lektüre.
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Gliederung
0. Zur Einleitung 7
1. Einführende Begriffserklärung 11
1.1 Was heißt Intermedialität? 11
1.2 Was bedeutet (Comic)Adaption? 13
1.3 Emotionalisierung und Empathie 15
2. Reigen 19
2.1. Schnitzlers Skandalstück Reigen (1903) 20
2.2. Intermediale Bearbeitungen: Theater und Film 26
2.3. Der Literatur-Comic Reigen (2011) als Sonderfall 33
2.3.1 Medienwechsel: kontrastive Analyse 35
2.3.2 Eigenheiten der Figuren: Emotionalisierung in Weyhes Comic 42
3. Fräulein Else 48
3.1. Schnitzlers Monolognovelle Fräulein Else (1924) 48
3.2. Filmische Adaptionen 55
3.3. Fiors Comicadaption Fräulein Else (2009) 60
3.3.1 Medienwechsel: kontrastive Analyse 65
3.3.2 Schande und Scham: Emotionalisierung in Fiors Comic 73
4. Traumnovelle 85
4.1. Schnitzlers surrealistische Traumnovelle (1926) 85
4.2. Filmische Adaption: Eyes Wide Shut (1999) 92
4.3. Hinrichs Comicadaption Traumnovelle (2012) 96
4.3.1 Medienwechsel: kontrastive Analyse 100
4.3.2 Unmöglichkeit der Empathie: Emotionalisierung in Hinrichs Comic 106
5. Schlussfolgerung 111
6. Literaturverzeichnis 118
Wörteranzahl: 35 403
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0. Zur Einleitung
Die Werkgeschichte eines literarischen Textes endet nicht mit seiner Publikation.
Ein erfolgreicher Text wird oft nicht nur gelesen und interpretiert, sondern auch in
anderen Medien aufgegriffen: z.B. im Film, im Hörspiel, im Theater oder im Comic.
Das Medium des Comics gewinnt in den letzten Jahrzehnten als Form der
Literaturadaption und als Objekt der literaturwissenschaftlichen Forschung immer mehr
an Interesse. Die Tendenz der Adaption im Comic stellen wir auch in der
Rezeptionsgeschichte der Werke von Arthur Schnitzler fest. Seine Texte, geschrieben
um die Jahrhundertwende, gelten als wichtige Darstellung der Wiener Dekadenz und
wurden bereits zu Schnitzlers Lebzeiten intermedial rezipiert. Dass inzwischen auch
drei seiner Werke als Comic umgesetzt worden sind, kann mit Schnitzlers Status als
kanonischer Autor der deutschsprachigen Literatur und mit der hohen Visualisierbarkeit
seiner Texte erklärt werden. Auch heute regt sein Oeuvre, gekennzeichnet von einem
wohlüberlegten Erzählstil und der zeitlosen Thematik von Eros und Thanatos, noch
immer die Phantasie an. Aufgrund der tiefgründigen Dialoge, der vielen traumartigen
Passagen und der psychoanalytischen Ebene eignen sowohl die erzählenden als auch die
dramatischen Texte von Arthur Schnitzler sich gut für eine Adaption in das Medium
Comic.
Die drei Comicadaptionen, um die es hier geht, sind: Birgit Weyhes Reigen1 (2011),
Manuele Fiors Fräulein Else2 (2009) und Jakob Hinrichs Traumnovelle3 (2012). Sie
bilden den Hauptuntersuchungsgegenstand dieser Arbeit, aber einige Adaptionen von
Schnitzlers Werk in anderen Medien werden ebenfalls behandelt. Alle Adaptionen
werden kontrastiv den Schnitzlerschen Originaltexten bzw. Prätexten gegenübergestellt
mit dem Zweck, zu analysieren, welche Elemente des Plots bzw. der Handlung der/die
Adaptierende beim Medienwechsel behalten oder gestrichen hat und welche er/ sie
selber hinzugefügt hat. Die kontrastive Analyse soll ebenfalls zeigen, wie das
Erzählverfahren des Prätextes umgesetzt wird. Konkret wird untersucht, ob die
1 Birgit Weyhe: Reigen. Eine Erzählung in zehn Kapiteln. Berlin: Avant-Verlag 2011.
2 Manuele Fior: Fräulein Else. Nach der Novelle von Arthur Schnitzler. Berlin: Avant-Verlag 2017.
(für die ursprüngliche französische Aufgabe: Manuele Fior: Mademoiselle Else. Paris: Editions Delcourt
2009)
3 Jakob Hinrichs: Traumnovelle. Frankfurt am Main: Büchergilde 2012.
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Adaptierende für die Erzähltechniken von Schnitzler wie den inneren Monolog und die
erlebte Rede ein Äquivalent gesucht haben und welches.
Neben der kontrastiven Analyse im Hinblick auf Plot und Erzählverfahren, verfolgt
diese Arbeit noch einen weiteren Zweck. Die Emotionalisierung und das Erzeugen von
Empathie auf Seiten des Rezipienten bilden die zweite Untersuchungsebene der
vorliegenden Arbeit. Der Begriff der Emotionalisierung weist auf das Wecken von
Emotionen hin. Literarische Texte, Filme und auch Comics können dem Rezipienten
durch eine bestimmte Darstellungsweise einen Zugang zum Erleben bzw. zu den
Emotionen der Figuren anbieten. Ziel ist hier die Erforschung medienspezifischer
Darstellungsstrategien, mit deren Hilfe literarische Texte, Filme und Comics so gestaltet
und vermittelt werden, dass es auf Seiten des Lesers bzw. des Zuschauers zu gezielten
emotionalen Rezeptionseffekten kommt. Die damit einhergehende Untersuchungsfrage
lautet: Auf welche Art und Weise aktivieren die literarische Texte von Schnitzler
Empathie und lösen sie Gefühle beim Rezipienten aus? Und wie setzten die
intermedialen Adaptionen (vor allem die Comics) die Empathie- und
Emotionalisierungsstrategien des Prätextes um?
Um diese Frage zu beantworten und um Effekte beim Rezipienten zu beschreiben,
benutzte ich nicht die Methoden der kognitiven Wissenschaft, sondern die der
bisherigen Emotionalisierungsforschung in dem literatur-, film- und
comicwissenschaftlichen Bereich. Emotionalisierung im Film oder in der Literatur
wurde in den letzten Jahrzehnten im deutschsprachigem Raum schon gründlich
erforscht. Zwei Referenztexte, die die Emotionalisierungstheorie sogar schon auf
Schnitzlers Oeuvre und dessen Adaptionen angewandt haben, sind Kathrin Fehlbergs
Gelenkte Gefühle4 (2014) und Henrike Hahns Verfilmte Gefühle5 (2014). Einsichten
dieser Studien kommen auch in meiner Analyse zum Einsatz. Zu Emotionalisierung in
Comics fehlt vorläufig jedoch eine ausgebreitete Forschungsliteratur. Meine Arbeit soll
zum Schließen dieser Lücke beitragen und zu weiterer Forschung in diesem Rahmen
anregen. Deswegen wird der Emotionalisierung in den Comics jeweils ein einziges
Kapitel gewidmet, während die Emotionalisierung bei den literarischen Texten und
4 Kathrin Fehlberg: Gelenkte Gefühle: literarische Strategien der Emotionalisierung und
Sympathielenkung in den Erzählungen Arthur Schnitzlers. Marburg: Verlag LiteraturWissenschaft.de
2014.
5 Henrike Hahn: Verfilmte Gefühle. Von »Fräulein Else« bis »Eyes Wide Shut«. Arthur Schnitzlers Texte
auf der Leinwand. Bielefeld: Transcript Verlag 2014, S. 173.
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Filmadaptionen im Fließtext verarbeitet wird. Im Laufe meiner Analyse werden
außerdem die Schwächen und Starken des Mediums Comic sichtbar werden.
Ich gehe bei der Analyse in vier Schritten vor. Zu Beginn erkläre ich zentrale
Begriffe wie Intermedialität, Emotionalisierung und Empathie. In dem ersten Kapitel
motiviere ich ebenfalls die terminologische Entscheidung für den Begriff der
Comicadaption.
Als nächstes erörtere ich den chronologisch zuerst erschienenen Text von
Schnitzler, Reigen (1903), der als Prätext für die Adaptionen gilt. Ich bespreche den
Inhalt, die Forschung und die Entstehungsepoche des Theaterstückes. Da das Stück
einen echten Skandal hervorgebracht hat zu Schnitzlers Zeit, erwähne ich auch kurz die
Rezeption des Textes. Als intermediale Adaptionen werden Michael Thalheimers
Theaterversion und Max Ophüls Filmversion dargestellt. Der größte Teil wird aber der
etwas außergewöhnlichen Literaturadaption im Comic von Birgit Weyhe gewidmet. Für
die Analyse der Comics nehme ich hauptsächlich auf Juliane Blanks Analysemodell für
Comicadaptionen6 Bezug.
Im Folgenden wird Fräulein Else (1924) und die Adaptionen der Novelle anhand
der gleichen Struktur behandelt. Das heißt, dass ich aufs Neue mit der Besprechung des
Prätextes anfange, wobei das Erzählverfahren, der innere Monolog, und der damit
einhergehende Effekt beim Leser besonders berücksichtigt werden. Es werden zwei
Filmadaptionen, die älteste von Paul Czinner und eine rezentere von Pierre Boutron, mit
dem Prätext verglichen. Die Comicadaption von Fior, die sich für eine Untersuchung
bezüglich der Emotionalisierung gut eignet, schließt das dritte Kapitel ab.
Schließlich diskutiere ich eine zweite Novelle von Schnitzler, die Traumnovelle
(1926) und versuche zum dritten Mal, die gleichen Untersuchungsfragen zu
beantworten. Der Akzent liegt hier auf der Verschmelzung von Traum und
Wirklichkeit, die in den Adaptionen das Erzeugen von Empathie erschwert. Ich
überprüfe den erotischen Film Eyes Wide Shut (1999) von Stanley Kubrick und den
cartoonistischen Comic Traumnovelle (2012) von Jakob Hinrichs.
Die Verknüpfung von einer kontrastiven Analyse und einer
Emotionalisierungsanalyse bzw. der Vergleich der Emotionalisierungsstrategien in
unterschiedlichen Medien macht den Mehrwert der vorliegenden Arbeit aus.
6 Juliane Blank: Literaturadaptionen im Comic. Ein modulares Analysemodell. Berlin: Christian A.
Bachmann Verlag 2015.
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Die Untersuchung wird aufzeigen, dass Schnitzler dank der internen Fokalisierung
in den beiden Prosatexten bzw. den Novellen mehr Empathie erzeugt und mehr Gefühle
auslöst als im Dramatext. Die Adaptionen von Reigen und von Fräulein Else
übernehmen den Emotionalisierungsgrad des Prätextes, während sowohl die Film- als
auch die Comicadaption der Traumnovelle, im Gegensatz zum Prätext, keine Empathie
und keine Emotionen beim Rezipienten hervorrufen.
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Description:85 Zu dem filmischen Schreiben von Schnitzler Vgl. Martin Swales: “Schnitzlers filmisches Erzählen”. In: Arthur Schnitzler und der Film. Hg. von Achim Aurnhammer et al. Fritz Breithaupt, ein Empathie-Spezialist, bleibt skeptisch. Mehr dazu: Fritz Breithaupt: Die dunklen. Seiten der Empathie.