Table Of ContentGrenzüberschreitungen 2
Alfred Schäfer
Michael Wimmer Hrsg.
Identifikation und
Repräsentation
Identifikation und Repräsentation
Grenzüberschreitungen
Herausgegeben von
Alfred Schäfer
Michael Wimmer
Band 2
Alfred SchäferIMichael Wimmer
(Hrsg.)
Identifikation
und Repräsentation
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1999
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Identifikation und Repräsentation / Hrsg.: Alfred Schäfer; Michael Wimmer.
Opladen:
(Grenzüberschreitungen; Bd. 2)
ISBN 978-3-8100-2290-5 ISBN 978-3-663-10323-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-10323-3
NE: Schäfer, Alfred [Hrsg.];
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mi
kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
© 1999 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Leske + Budrich, Opladen 1999
Reihe Grenzüberschreitungen
»Grenzüberschreitungen« können dazu dienen, die eigenen Erfahrungen in
der Begegnung mit Fremdem zu erweitern und zu relativieren, denn wer
nur das Eigene kennt, kennt auch das Eigene nicht. Kenntnis bedarf des
Wissens um das Andere: das eigene Andere, das Eigene des Anderen, das
andere Eigene. Seine eigene Grenze darf ihm nicht fremd bleiben. Dieser
Grenze, von der die eigene Identität abhängt, haben die verschiedenen
Wissenschaften vom Menschen immer die größte Aufmerksamkeit gewid
met. Überschritten wurde sie aber oft nur, um besser über sie verfügen zu
können. Das Verhältnis zur Grenze war dann das der Herrschaft als Hierar
chie oder als Umfassung, der Abschließung oder der Kolonisation.
In den letzten Jahrzehnten wurde jedoch das Selbstverständnis dieser
Ordnung des Diskurses grundlegend in Frage gestellt. Die Pluralisierung
hat Grenzen auch im Eigenen zum Vorschein gebracht, eine Heterogenität
und wechselseitige Fremdheit unterschiedlicher Perspektiven, die einer
Vereinheitlichung widerstehen. Damit einher geht ein neues Verhältnis zur
Grenze. Statt sie zu sichern oder zu erweitern, wird durch Überschreitun
gen die imaginäre Einheit und Geschlossenheit des eigenen Diskurses aufs
Spiel gesetzt, indem die Perspektiven der anderen Disziplinen und Fach
richtungen gerade in ihrer Differenz bedeutsam werden.
Mit »Grenzüberschreitungen« sollen hier nun die verschiedenen inter
disziplinären Bemühungen bezeichnet werden, nach den Erschütterungen
im Feld der Geistes-, Kultur-, Erziehungs- und Sozialwissenschaften und
dem Verlust von einheitsstiftenden Metadiskursen in einen post-kolonialen
Dialog zwischen den verschiedenen Diskursen zu treten. Dieser Dialog
intendiert weder, die Grenzen zu negieren, noch das Differente bloß äu
ßerlich-additiv aufeinander zu beziehen. Vielmehr soll, ausgehend von der
reflexiv erfahrenen Selbstfremdheit der eigenen Disziplin, der Sinn von
Inter-Disziplinarität erneuert werden durch Anerkennung der Grenzen und
der durch sie erfahrbaren Differenzen.
Die Herausgeber
Inhal tsverzeichnis
Michael Wimmer / Alfred Schäfer
Einleitung: Zu einigen Implikationen der
Krise des Repräsentationsgedankens 9
David E. Wellbery
Schopenhauer, Nietzsehe, Beckett:
Zur Krise der Repräsentation in der Modeme 27
Michael Wimmer
»Spiegel ohne Stanniol«
Zum Status der Repräsentation in der wissen
schaftstheoretischen Grundlagendiskussion 39
Carsten Colpe
Plädoyer rur einen Verzicht auf den Begriff
der Repräsentation in den Theologischen
und Religionskundlichen Disziplinen 69
OlafB reidbach
Innere Welten -Interne Repräsentationen 107
Elena Esposito
Westlich vom Osten
Perspektivische Begriffe und Selbst
beschreibung der Gesellschaft 129
Henning Schmidgen
Enthauptet und bewußtlos:
Zustände der lebenden Maschine
in der Psychologie um 1900 151
Thanos Lipowatz
Der Begriff der Identifizierung bei Freud und Lacan 169
Alfred Schäfer
Identifikation und Ver-Anderung 191
Bernhard Streck
Maskierte Expression
Zur Kommunikation des bloßen Anschauens 209
Rainer Kokemohr
Zur Funktion propositionaler und semi-propositionaler
Repräsentationen in Bildungsprozessen 225
Christoph Wulf
Mimesis in Gesten und Ritualen 255
Die Autoren 279
Danksagung 280
Michael Wimmer / Alfred Schäfer
Einleitung
Zu einigen Implikationen der Krise des
Repräsentationsgedankens
1. Vorbemerkung zur Bedeutung des Verhältnisses
von Identifikation und Repräsentation für den
pädagogischen Diskurs
Im alltäglichen Diskurs stößt die Verwendung der Begriffe Identifikation
und Repräsentation kaum auf Unverständnis, im Gegenteil, bedient man
sich ihrer doch gern, um alltägliche Phänomene zu bezeichnen und, vor
allem mittels des Begriffs der Identifikation, ihnen zugleich eine plausible
psychologische Erklärung mitzugeben. So sind uns Aussagen wie die fol
genden sehr geläufig, die ein Phänomen mittels eines psychologischen
Mechanismus' charakterisieren: >Die Arbeitslosigkeit hat ihn hart getrof
fen, zumal er sich doch so mit seiner Arbeit identifiziert hatte.<, oder: >Ge
walttätige Jugendlichen brauchen positive Vorbilder, mit denen sie sich
identifizieren können. <, oder: >W enn Kinder gewalttätige Szenen im F ern
sehen sehen, dann identifizieren sie sich nicht mit den Opfern, sondern mit
den Tätern.< Aber auch in anderen Zusammenhängen begegnet der Begriff
der Identifikation mit größter Selbstverständlichkeit, z.B. in Verbindung
mit erkennungsdienstlichen Methoden der Polizei bei der Identifikation
eines Täters mittels des genetischen Fingerabdrucks oder bei der Kontrolle
des Personalausweises. Und auch, wenn vom Repräsentanten eines Kon
zerns, einer Institution oder eines Staates die Rede ist, weiß man in der
Regel, was damit gemeint ist, oder wenn z.B. von einem Bauwerk gesagt
wird, es sei repräsentativ. Was die beiden Begriffe allerdings miteinander
zu tun haben, geht aus diesen Verwendungsweisen nicht ohne weiteres
hervor, scheinen sie doch mit sehr unterschiedlichen Sachverhalten ver
knüpft zu sein. Am alltäglichen Sprachgebrauch ist deshalb in der Regel
Michael Wimmer / Alfred Schäfer
bestenfalls die Ahnung oder ein implizites Wissen ablesbar, daß Identifi
kationen mit Repräsentationen verbunden sind, aber in welchen Formen
sich die Verbindung manifestieren kann und wie sie beschaffen ist, bleibt
weithin unklar.
Im wissenschaftlichen Diskurs liegen die Dinge nicht ganz so einfach,
auch wenn hier ebenso unkritische Begriffsverwendungen beobachtbar
sind, indem z.B. auf das Konzept der Identifikation wie auf einen (sozial-)
psychologisch völlig geklärten Mechanismus zurückgegriffen wird, bei
dem sich ein Subjekt mit einem Objekt identifiziert und durch dieses eine
Selbstmodifikation erfahrt, oder wenn bei der begrifflichen Bestimmung
oder bei Definitionen wie selbstverständlich davon ausgegangen wird, der
in Frage stehende Gegenstand ließe sich ohne Probleme identifizieren, d.h.
begrifflich fassen und als Wissen aneignen. Beide Verwendungsstrategien
bilden bedeutsame und durchaus zentral zu nennende Bestandteile des
pädagogischen Diskurses.
Wird im ersten Fall der Unterschied zwischen dem Objekt und der Vor
stellung, die das Subjekt sich davon macht, vernachlässigt oder zwischen
beidem eine Übereinstimmung oder Identität einfach unterstellt, dann läßt
sich zwischen einer Identifikation und einer Kommunion kaum noch ein
Unterschied erkennen. Die mit einer solchen Sichtweise gegebene Aus
grenzung von Konflikten, unterschiedlichen Interessen und möglichem
Streit über die Legitimität von Handlungen im pädagogischen Feld erlaubt
eine simplifizierende Alternative, die zum einen davon ausgeht, daß Erzie
her immer mit ihrer >ganzen Person< einstehen, und daß es unter dieser
Voraussetzung nur noch darauf ankommt, daß sie -zum zweiten - ein voll
kommenes Modell abgeben, welches wiederum vollkommene Kopien pro
voziert. Daß durch Identifikationsprozesse der Eine jedoch nicht ganz zum
Anderen wird und im Anderen aufgeht, sondern der oder das Andere im
Subjekt eine dieses selbst verändernde Anverwandlung erfahrt, kann nur
verständlich werden, wenn zwischen dem Anderen und seiner Repräsen
tanz im Subjekt unterschieden, wenn also das Problem der Repräsentation
berücksichtigt wird. Es stellt wohl keinen Zufall dar, daß der Symbolische
Interaktionismus, der von der pädagogischen Reflexion rezipiert worden
ist und der von dieser Differenz von Repräsentation und Anderem ausgeht,
in genau diesem zentralen Punkt nicht berücksichtigt worden ist, daß näm
lich das wahrgenommene Bild der Erwartungen des Anderen von dessen
Erwartungen unterschieden werden muß, und daß man allenfalls im Fort
gang der Interaktion in der Lage sein wird, dieses virtuelle Bild flir sich zu
bestätigen, und zwar ohne die Sicherheit der Übereinstimmung mit der
10
Description:Das Buch befaßt sich mit dem Problem von Identifikation und Repräsentation in den Sozial-, Kultur- und Erziehungswissenschaften. Eine Behandlung von Identifikation und Repräsentationen verweist zum einen auf erkenntnistheoretische Fragestellungen: Wie können Gegenstände und Sachverhalte als sol