Table Of ContentHusser]  und  Kant
PHAENOMENOLOGICA 
COLLECTION PUBLIEE SOUS LE PATRONAGE DES CENTRES 
D' ARCHIVES-HUSSERL 
16 
ISO  KERN 
Husser]  und Kant 
Comite de redaction de la collection: 
President: H. L. Van Breda (Louvain); 
Membres: M. Farber (Philadelphia), E. Fink (Fribourg en Brisgau). 
J. Hyppolite (Paris), L. Landgrebe (Cologne), M. Merleau-Ponty (Paris)t, 
P. Ricceur (Paris), K. H. Volkmann-Schluck (Cologne), J. Wahl (Paris); 
Secretaire: J. Taminiaux (Louvain).
ISO  KERN 
Husser} und Kant 
EINE  UNTERSUCHUNG  DBER 
HUSSERLS  VERHAL TNIS  ZU  KANT 
UND  ZUM  NEUKANTIANISMUS 
• 
MARTINUS NI]HOFF / DEN HAAG / 1964
Copyright I964 by Martinus Nijhoff. The Hague. Netherlands 
Soflcover reprint oft he hardcover 1st edition 1964 
All rights reserved. including the right to translate or to 
reproduce this book or parts thereof in any form 
ISBN-I3: 978-94-010-3602-3  e-ISBN-13: 978-94-010-3601-6 
001: 10.1007/978-94-010-3601-6 
photomechanischer Nachdruck 1984
Meinen Eltern in Dankbarkeit
VORWORT 
"lch _ke nur an, dass es gar nicMs Ungewohnliches sei, 
sowohl im gemeinen Gespriiche, als in den Schriften, durch 
Vergleichung der Gedanken, welche ein Vertasser aber seinen 
Gegenstand aussert, ihn sogar besser ,u lIerstehen, als er sich 
selbst lIerstand, indem er seinen Begrilf nicht genugsam be 
stimmte utJd dadurch bisweilen seiner eigenen Absicht ent 
gegen redete oder auch dachte." 
Diesen Sat, aus Kanis "Kritik der ,einen Vernunft" hat 
Husserl  aut  die  Titelseite  seines  Exemplars  lion  Kants 
Hauptwerk geschrieben. 
Ober die Beziehungen zwischen Husseds Phiinomenologie und der 
Kantischen und neukantianischen Philosophie ist schon Vieles ge 
schrieben worden. Dabei wurden die verschiedensten Auffassun 
gen geaussert; man kann sagen, dass hier die ganze Skala mogli 
cher Deutungen durchgangen wurde. Am einen Ende dieser Skala 
steht Hussed als Antipode Kants und jeglichen N eukantianismus, 
am andem Ende der N eukantianer Hussed;  und dazwischen 
liegen nuanciertere Bilder. Offenbar sind die Beziehungen zwi 
schen Hussed einerseits und Kant und den Neukantianem an 
dererseits komplexer Natur; offenbar bestehen hier aber auch 
innere Beziehungen, seien sie nun positiver oder negativer Art. 
Es drangte Hussed selbst danach, sich iiber sein Verhaltnis zur 
Philosophie Kants klar auszusprechen_ Fiir sein letztes Werk, fiir 
die Krisis, hatte er eine Auseinandersetzung mit Kant geplant.l 
Bevor er aber diesen Plan ausfiihren konnte, erreichte ihn der Tod. 
Auch mit den beiden bedeutendsten Stromungen des N eukantianis 
mus, mit der Marburger und siidwestdeutschen Schule, wiinschte 
Hussed eine Konfrontation. Dazu beauftragte er seinen Schiller 
Fritz Kaufmann. Diesem Auft rag wurde aber nur teilweise ent 
prochen.2 
1 s.u. s. 46 ft. 
2 Fritz Kaufmann schreibt in seinem Beitrag zu Edmund Husserl I859-I959, S. 44: 
"So war denn eine Kritik der Rickertschen wie der Marburger Philosophie die Auf 
gabe, die ich mir von H usserl zuerst fiir meine Dissertation ste1len liess. Ihre partielle 
EinlOsung wurde viel spater gegeben: fiir Rickert in meiner Geschichtsphilosophie der 
Gegenwa,t (1931), fiir die Marburger Schule in meinem Beitrag zum Cassirer-Band der 
Library of Living Philosophers (1949)."
VIII  VORWORT 
Die vorliegende Arbeit hat sich die Aufgabe gestellt, Husserls 
Verha.ltnis zu Kant und zum Neukantianismus geschichtlich und 
systematisch zu untersuchen. Ihr Zweck besteht darin, ein mog 
lichst vollstandiges Bild von  Husserls Auseinandersetzung mit 
der Kantischen und neukantianischen Philosophie, von seiner In 
terpretation und Kritik dieser Philosophie und von seiner be 
wussten  und  unbewussten  Aufnahme  Kantischer  und  neu 
kantianischer Motive in sein Denken zu geben. Indem sie so das 
innere Verhaltnis von Husserls Philosophie zu Kant und zum 
Neukantianismus untersucht, hofft sie, einen Beitrag zur Klarung 
des Sinnes dieser Philosophie leisten zu konnen. Sie ist also eine 
Studie iiber  Husserl und nicht ein systematischer Vergleich 
zwischen Phanomenologie und Kritizismus.  Vergleiche werden 
nur insofern angestellt, als sie fiir das genannte Ziel notwendig 
oder niitzlich sind. 
Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis zeigt, dass in der syste 
matischen  Darstellung  von  Husserls  Verhaltnis  zum  Neu 
kantianismus nur Paul Natorp und Heinrich Rickert beriick 
sichtigt wurden. Diese "Beschrankung" hat ihren Grund darin, 
dass diese beiden Philosophen die einzigen Neukantianer sind, 
die fiir Husserl grossere Bedeutsamkeit besassen. 1m historischen 
Teil der Studie soil diese Behauptung ihre Rechtfertigung finden, 
wobei gleichzeitig auch Husserls Beziehungen zu anderen Neu 
kantianern kurz zur Sprache kommen werden. N atorp und Rickert 
sind andererseits auch nicht "irgendwelche" Neukantianer, son 
dern die prominentesten Vertreter der beiden wichtigsten neu 
kantianischen Schulen, derjenigen Marburgs und Siidwestdeutsch 
lands. Sie konnen daher als Reprasentanten flir den ganzen Neu 
kantianismus betrachtet werden. 
Ein Wort ist noch iiber das beniitzte Material zu sagen. Den 
folgenden  Untersuchungen  liegen  nicht  nur  die  publizierten 
Werke, sondern auch der gesamte bisher noch unveroffentlichte 
Nachlass Husserls zugrunde;l weiter konnte aber auch Einsicht 
in  die  erhaltene  und in Lowen  aufbewahrte  Privatbibliothek 
Husserls genommen werden, die iiber Husserls Studium der Kant-
1 Dieser Nachlass befindet sich im Husserl-Archiv (Lowen, Belgien) und ist in 
Gabelsberger-Stenographie geschrieben; er umfasst iiber 40000 Seiten. Ungefiihr die 
Hiilfte davon wurde bis heute transkribiert. Kopien dieser Transkriptionen liegen in 
den Husserl-Archiven KOln, Freiburg i. Br., Paris und Philadelphia auf. Vgl. H. L. 
Van Breda u. R. Boehm, Aus dem Husserl-Archiv in Lowen (1953).
VORWORT  IX 
ischen und neukantianischen Philosophie manche Hinweise zu 
geben vermag. Die vorliegende Studie stiitzt sich also auf eine 
sehr breite Grundlage,  was ihr auch die Moglichkeit gab, ein 
definitiveres Bild von Husserls VerhaItnis zu Kant und zum Neu 
kantianismus zu zeichnen, als dies die bisherige, grosstenteils nur 
auf den publizierten Werken Husserls beruhende Literatur zu tun 
vermochte. 
Di~ folgenden Untersuchungen bestehen aus zwei Teilen: aus 
einem historischen und aus einem systematischen. Das Schwer 
gewicht liegt vollig auf dem systematischen, da dieser Gesichts 
punkt einen tiefer dringenden und klareren Einblick in das auf 
geworfene Problem ermoglicht. Andererseits konnte aber auf eine 
historische Darstellung nicht verzichtet werden, da diese manche 
Zusammenhange sichtbar macht, die in einer systematischen ver 
borgen bleiben. Urn der Gefahr einer Doppelspurigkeit zu wehren, 
die dieser zweifache Gesichtspunkt mit sich bringt, begniigt sich 
der historische Teil hinsichtlich der inhaltlichen Beziehungen der 
Philosphie Husserls zu derjenigen Kants und des Neukantianis 
mus mit blossen Hinweisen. Der dadurch entstandene etwas ab 
strakte Charakter wird durch die Konkretheit des systematischen 
Teils aufgewogen.  Dieser zweite Teil sieht seinerseits iibrigens 
nicht von der Tatsache ab, dass Husserls Verha1tnis zu Kant und 
zum Neukantianismus eine sehr bedeutende Entwicklung durch 
gemacht hat. Er gibt in dieser Hinsicht iiberall die notwendigen 
Prazisionen. 
Wahrend der historische Teil die Stellung Husserls zu Kant 
und zum Neukantianismus in einem Zuge behandelt, gibt der 
systematische  eine  gesonderte  Darstellung.  Diese  Sonderung 
bringt N achteile mit sieh, da die beiden in Frage stehenden Ver 
haItnisse an manchen Punkten eng verkniipft sind. Andererseits 
war aber doch eine gesonderte Betrachtung von Vorteil, da auf 
diese Weise Husserls Beziehungen zu den einzelnen Philosophen 
iibersiehtlicher dargestellt werden konnten. Es blieb immer noch 
die Moglichkeit, jeweils auf jene Verkniipfungen hinzuweisen. 
An dieser Stelle mochte ieh auch einige Worte des zutiefst em 
pfundenen Dankes aussprechen. Zuerst danke ich Herrn Prof. Dr. 
Dr. h.c.  H. L. Van Breda (Lowen), der mit nie nachlassendem 
Interesse meine ArbeitleiteteundreichlichfOrderte. Besonders sei
x 
VORWORT 
Hun auch dafiir gedankt, dass er mir den von ihm verwalteten 
Husserl-Nachlass, sowie aIle archivarischen Hilfsmittel, ohne die 
die vorliegende Arbeit unmoglich gewesen ware, ~u jeder Zeit 
offen hielt. Zu Dank bin ich auch Herrn Prof. Dr. E. Fink (Frei 
burg i. Br.) verpflichtet, mit dem ich den Plan meiner Arbeit ge 
nau besprechen durfte und dem ich manchen Hinweis verdanke. 
Den warmsten Dank mochte ich Herrn R. Boehm (Lowen) aus 
driicken. Es ist nicht zuviel, wenn ich sage, dass er sich meiner 
Dissertation wie einer eigenen angenommen hat. 
Lowen, Juli 1962.
INHALTSVERZEICHNIS 
Vorwort  VII 
Problemstellung VII - beniitztes Material VIII - Aufbau unserer 
Studie IX 
I.  Teil:  HISTORISCHER UEBERBLICK UBER HUSSERLS 
VERHALTNIS ZU KANT UND ZUM NEUKANTIANISMUS  I 
I. Kapitel: Von den Studienjahren bis zu den Logischen 
Untersuchungen (1900/01)  3 
§ I. Die Studieniahre  3 
Die Jahre in Berlin 3 - bei Brentano in Wien; Brentanos Verhii.1t-
nis zu Kant 4 
§ 2. Die vorphiinomenologische Periode  8 
Negatives Kantverhii.1tnis in der ersten Hallischen Zeit 8 - die 
Philosophie d81' A,.ithmetik 8 - das geplante Werk: Philosophie de,. 
euklidischen Geomet,.ie 10 - die Vorlesungen II - die philosophi-
schen Autoren, die Husserl hauptsachlich studierte II 
§ 3. Die Zeit der "Logischen Untersuchungen"  12 
Die entscheidenden Jahre von 1894/95 I2 - der Einfluss Natorps 
auf Husserls Idee der objektiven Logik 13 - erste Beriihrung mit 
Rickert 13 - das neukantianische Milieu in Halle: Vaihinger, Erd-
mann, Riehl 14 - die Berufung auf Kant und die Kritik Kants in 
den Logischen Unt81'suchungen 14 - positiveres Verhii.1tnis zu Kant 
auch in den Vorlesungen; zahlreiche Vorlesungen und Uebungen 
iiber Kant 16 - Husserls Kant-Lektiire 18 
2. Kapitel: Der Durchbruch zur transzendentalen Phano 
menologie (Von den Logischen Untersuchungen zu den 
Ideen)  24 
§ 4. Die Periode unmittelbar vor der Entdeckung der phii-
nomenologischen Reduktion  24 
Die phanomenologische Reduktion von 1907 24 - die Vorlesungen 
der ersten Glittinger Zeit 25 - Descartes, Kant und Natorp in den 
Funt Vorlesungen (1907)  26 - die Rolle Kants und Natorps in 
Husserls Durchbruch zur transzendentalen PhiLnomenologie 27