Table Of ContentEngelen, Fleis chhack, Galizia, Landfester
Heureka
Eva-Maria Engelen, Christian Fleischhack,
C. Giovanni Galizia, Katharina Landfester (Hrsg.)
Heureka –
Evidenzkriterien
in den Wissenschaften
Ein Kompendium für den
interdisziplinären Gebrauch
Herausgeber
Prof. Dr. Eva-Maria Engelen, Universität Konstanz
Prof. Dr. Christian Fleischhack, Universität Paderborn
Prof. Dr. C. Giovanni Galizia, Universität Konstanz
Prof. Dr. Katharina Landfester, Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Planung und Lektorat: Merlet Behncke-Braunbeck, Meike Barth
Redaktion: Anke Schild
Satz: Ulrike Künnecke, 43p – Büro für Gestaltung, Berlin
Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm
Umschlagbild: © Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften, Leipzig
ISBN 978-3-8274-2656-7
Inhalt
Heureka – oder: „Sind sechs genug?“
von den Herausgebern ............................................................. 7
Biowissenschaft
von C. Giovanni Galizia ......................................................... 15
Chemie
von Katharina Landfester ........................................................ 37
Geologie
von Hildegard Westphal ........................................................... 61
Geschichtswissenschaft
von Thomas Großbölting .......................................................... 75
Informatik
von Ulrike von Luxburg .......................................................... 91
Jura
von Matthias Klatt ................................................................. 105
Kunstgeschichte
von Tanja Klemm ................................................................... 117
Literaturwissenschaft
von Jan Soeffner ...................................................................... 135
Mathematik
von Christian Fleischhack ........................................................ 149
Medizin
von Volker Mailänder ............................................................. 169
Philosophie
von Eva-Maria Engelen .......................................................... 187
Physik
von Stefan Bornholdt .............................................................. 205
Psychologie
von Alexandra Freund & Klaus Oberauer ................................. 217
Soziologie
von Jörg Rössel ......................................................................... 241
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H
Romulus und Remus
Rom
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Heureka – oder: „Sind sechs genug“?
von den Herausgebern
„Heureka” („Ich habe gefunden“) soll Archimedes gerufen haben, als er in
der Badewanne lag und sah, wie sein Körper das Wasser verdrängte. Unver-
mittelt war ihm der Zusammenhang klar geworden: Er hatte das Auftriebs-
gesetz verstanden, was ihm dazu verhalf, den Goldgehalt der Krone des Ty-
rannen zu bestimmen, indem er sie ins Wasser tauchte und das verdrängte
Volumen maß. Er entstieg der Wanne, rannte nackt durch die Straßen von
Syrakus und rief weiterhin: „Ich habe gefunden!“
Viele ähnliche Ereignisse werden in der Wissenschaftsgeschichte erzählt,
vor allem die spektakulären. Etwa wie August Kekule am Kamin saß, das
Lodern der Flammen sah und einschlummerte. Im Traum verwandelten
sich die Flammen in Schlangen, die sich, tänzelnd, selbst am Schwanz fass-
ten und damit Ringe bildeten. Kekule wachte auf und hatte die Ringstruk-
tur des Benzols entdeckt, bei dem sechs Kohlenstoffatome nicht linear,
sondern ringförmig zusammenkommen.
Das sind kreative Momente.
Doch auch jenseits der spektakulären Geschichten handelt es sich ei-
gentlich um ein ganz alltägliches Ereignis, denn jedes Kleinkind geht auf
seinem Weg, die Welt zu begreifen, von Heureka-Erlebnis zu Heureka-
Erlebnis. Welch beeindruckende Erfahrung war das doch für uns, als wir
merkten, dass Dinge, die wir loslassen, auf den Boden fallen (und manch-
mal Krach machen)!
Die Freude, die dadurch ausgelöst wird, dass wir etwas verstanden ha-
ben, ist die wichtigste Motivationskraft, um zu lernen und weiter lernen zu
wollen. Aber bei dem einzelnen Erlebnis bleibt es nicht. Stimmt es wirklich,
dass alles, was wir loslassen, auf den Boden fällt? Das Kind wiederholt das
Experiment hundertfach – und das Heureka-Erlebnis wird von der Über-
raschung übergeleitet in die erfüllte Erwartung (ich wusste, es würde fallen,
und das hat es auch getan). Vielleicht gibt es einen langsamen Wandel, viel-
leicht ist es ein Moment, in dem der Zusammenhang zwischen Loslassen
und Herunterfallen seinen Zufallscharakter verliert und zum Gesetz wird.
Am Ende aber ist das Wissen um die Gravitation gefestigt. Wie oft jedoch
musste ein Gegenstand dafür am Boden zerschellen?
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Wie schwierig es sein mag, die erforderliche Anzahl zu bestimmen, zeigt
eine bekannte Geschichte:
Es ist schon 2762 Jahre her. Romulus und Remus wollen eine Stadt
gründen, können sich allerdings weder auf den besten Hügel einigen
noch darauf, nach wem die Stadt benannt und welcher der Zwillinge
König werden soll. Nach langem Streit rufen sie die Auguren zu Hil-
fe: Remus steigt auf den Aventin und Romulus auf den Palatin. Der
Vogelflug soll ihnen ein göttliches Zeichen geben.
Die beiden Brüder warten und warten und warten. Es ist eine klare
Nacht, mit hellem Mondenschein, aber es sind keine Vögel zu se-
hen. Vielleicht wollen die Götter gar keine neue Stadt? Doch da –
Remus sieht schwarze Punkte am Horizont, vor der aufgehenden
Sonne, sie kommen näher, fliegen direkt über ihm: eins, zwei, drei ...
sechs! Sechs Geier! In dieser vogelfreien Nacht! Es sind viele, sechs
Geier, mehr als Romulus gesehen haben kann. „Ich hab’s!“, schreit
Remus daher und glaubt seinen sechs Vögeln. Ganz sicher, das war
ein Zeichen.
Mit klopfendem Herzen beendet Remus seine Beobachtungen und
steigt den Aventin hinab und den Palatin hoch. Romulus sitzt mit
seinen Begleitern niedergeschlagen da – Remus freut sich schon, si-
cherlich hat Romulus noch keinen Vogel gesichtet. Während er, Re-
mus, sechs Geier entdeckt hat! Schon klopft er seinem Bruder auf die
Schulter, will „Sechs“ sagen, da werden die beiden Brüder von einem
lauten Geräusch aufgeschreckt. Der Himmel verdunkelt sich, von
Westen her, aus der Nacht, erscheint ein Schwarm schwarzer Geier –
nicht einer, nicht sechs, nein, zwölf schwarze Geier, die über den bei-
den Brüdern, über dem Palatin kreisen und schließlich der Sonne
entgegenziehen.
Was war nun das Zeichen der Götter? Remus dachte, sechs seien genug.
Sind sechs genug?
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Description:"Heureka” (ich habe es gefunden) soll Archimedes gerufen haben, als er in der Badewanne lag und sah, wie sein Körper das Wasser verdrängte. Unvermittelt war ihm der Zusammenhang klar, er hatte das Auftriebsgesetz verstanden, was ihm dazu verhalf, den Goldgehalt der Krone des Tyrannen zu bestimme