Table Of ContentMarkus V. Höhne
 Herrschaft und Ordnung 
jenseits des Staates in Somalia*
Keywords: State-collapse, state-building, peace-building, interventions, 
hybrid political orders, Somalia, Somaliland, Puntland
Schlagwörter: Staatszerfall, Staatsbildung, Friedensbildung, Interventionen, 
hybride politische Ordnungen, Somalia, Somaliland, Puntland
Somalia ist in der Meinung vieler Autoren das prägnanteste Beispiel von 
Staatszerfall in der jüngeren Geschichte (Langford 1999: 61; Menkhaus 
2007a: 68). Seit mehr als 20 Jahren (seit Januar 1991) gibt es in dem Land am 
Horn von Afrika keine effektive Zentralgewalt mehr. Seither wird Somalia 
mit Schlagworten wie Staatszerfall, Bürgerkrieg, Anarchie, Kriegsherren-
unwesen, Hungerkatastrophe, gescheiterte internationale Intervention (s. 
auch den Film Black Hawk Down) und in jüngerer Zeit, mit militantem 
Islamismus, islamischem Terrorismus und Piraterie verbunden.1 Der allge-
meine Tenor von Seiten der deutschen und internationalen Politik ist meist, 
dass Somalia „zu kompliziert“ ist und man keinen Weg für eine effektive 
Lösung der Krise erkennen kann.2 Wenn überhaupt, werden kurzfristige 
militärische oder, wie angesichts der Hungerkrise 2011, ad hoc humanitäre 
Maßnahmen implementiert. Dies kann jedoch nicht aus der Krise führen.
Um den „Somalia-Pessimismus“ zu überwinden und die Lage im Land 
besser zu verstehen, gilt es zu untersuchen, welche politischen Strukturen 
und Institutionen in der Abwesenheit des Staates Recht und Ordnung auf 
lokaler und regionaler Ebene aufrechterhalten und wirtschaftliche und 
soziale Entwicklungen steuern.3 Ken Menkhaus (2006/2007) verwendete in 
*  Den anonymen Gutachtern von der PERIPHERIE, sowie Franziska Müller und Thomas 
 Zitelmann sei für kritische Kommentare und Anregungen gedankt. Das Max-Planck-Institut 
für ethnologische Forschung in Halle/Saale stellt mir seit Jahren die intellektuellen und 
ökonomischen Ressourcen für meine Arbeit zur Verfügung.
1  Eine Kritik dieser sehr eingeschränkten Sichtweise bietet Marchal (2007a).
2  Hier beziehe ich mich auf verschiedene Treffen zu Somalia, die zwischen 2005 und 2011 
in Berlin, Brüssel und Paris stattgefunden haben und an denen ich, neben anderen Soma-
liaexperten und deutschen bzw. internationalen Diplomaten, teilgenommen habe.
3  Mary Harper hat diesbezüglich jüngst einen sehr guten Überblick in Englisch vorgelegt 
(Harper 2012).
PERIPHERIE Nr. 126/127, 32. Jg. 2012, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 321-349
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diesem Zusammenhang den Ausdruck „governance without government“ 
(Governanz [Regelung sozialer, politischer und wirtschaftlicher Prozesse] 
ohne Regierung). In der politikwissenschaftlichen Diskussion Anfang der 
1990er Jahre bezog sich „governance without government“ auf die Tatsache, 
dass auf globaler Ebene immer mehr globale wirtschaftliche, politische und 
soziale Probleme existieren, die der Regelung bedürfen, ohne dass es eine 
„Weltregierung“ gibt (Rosenau 1992). In diesem Sinne wird das Konzept 
besonders unter dem Begriff „global governance“ aktuell weiterdiskutiert 
(Willke 2006). Fragile bzw. zerfallene Staatlichkeit, wie im Falle Somalias 
oder Afghanistans, stellt eine zentrale Herausforderung für „global gover-
nance“ dar (Schneckener 2011: 85). Dies wurde, wenn auch unter dem 
etwas anderen Vorzeichen der „Versicherheitlichung von Entwicklung“, 
im PERIPHERIE-Doppelheft 122/123 angesprochen (s. Baumann & Kößler 
2011: 156; Bachmann 2011: 256f).
Jenseits normativen „Schubladendenkens“ bietet fragile bzw. zerfallene 
Staatlichkeit die Chance, die externen Faktoren, die (anhaltenden) Staats-
zerfall fördern, zu analysieren und zweitens, interne Dynamiken der Her-
ausbildung politischer Herrschaft und Ordnung jenseits des Staates in den 
Blick zu nehmen. Beiden Themen, die letztlich den Bedingungen und der 
„Evolution“ (neuer) politischer Ordnungen in der Gegenwart nachgehen, 
wurde bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt.4 In Bezug auf Somalia, 
haben sich bisher nur einzelne Autoren, wie z.B. William Reno (2003), Jutta 
Bakonyi und Kirsti Stuvøy (2005), Andre Le Sage (2005), Ken Menkhaus 
(2006/2007) und Markus Höhne (2007), explizit mit den vorhandenen 
effektiven und in gewisser Weise legitimen Ordnungsformen jenseits des 
Staates beschäftigt. Der vorliegende Text nimmt diesen Faden auf und geht 
auf die Verschiebung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen in der Zeit 
des Staatszerfalls ab 1991 ein. Er leistet einen Überblick über einige wichtige 
Institutionen und Akteure, die in verschiedenen Teilen Somalias gleichzeitig 
oder zu verschiedenen Zeiten herrschend, regelnd und ordnend aktiv sind. 
Dazu gehören traditionelle Autoritäten, Schari’a-Gerichtshöfe, Kriegsherren, 
Geschäftsmänner/-frauen, lokale NGOs, islamistische Milizen und Diaspo-
ragruppen. Einige von ihnen sind global vernetzt. In Nordsomalia gibt es 
mit Somaliland und Puntland zwei staatsähnliche Gebilde, die traditionelle 
somalische Institutionen in den modernen Staatsapparat integriert haben und 
als hybride politische Systeme bezeichnet werden können (Boege u.a. 2008). 
Daneben existieren weniger stark institutionalisierte Regionalverwaltungen. 
Im Alltag funktionieren diese nicht-staatlichen bzw. hybriden politischen 
Strukturen und Institutionen für viele Somalis besser als das alte staatliche 
4  Vgl. Doornbos 1994; 2006; Clapham 2001; von Trotha 2001; Bellagamba & Klute 2008.
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System, das sich vor 1991 vornehmlich durch Korruption und Unterdrückung 
der eigenen Bevölkerung ausgezeichnet hat. Die existierenden politischen 
Herrschafts- und Ordnungsformen jenseits des Staates werden allerdings 
immer wieder von externen Interventionen bedroht und zum Teil zerstört. 
Somalia steht somit nicht nur beispielhaft für Staatszerfall, sondern auch für 
die Fehler des Eingreifens von außen. Ähnlich wie in Afghanistan und ande-
ren Kontexten fragiler oder zerfallener Staatlichkeit wird versucht, eine dem 
gegenwärtig dominierenden Verständnis von Staatlichkeit entsprechende 
Fassade aufzubauen. Dies hat gravierende (meist negative) Auswirkungen 
für die Menschen vor Ort (Bliesemann de Guevara & Kühn 2010: 15). Für 
Somalia kann das am Beispiel des „Erfolges“ militanter Islamisten gezeigt 
werden, die sich erst im Kampf gegen die extern installierten Regierungen 
Somalias profi lieren konnten und dabei anfänglich viel Zulauf von Somalis 
in Somalia und in der Diaspora erhielten. Am Beispiel Somalias werden, 
wie Tobias Hagmann und Markus Höhne (2009) argumentieren, einige all-
gemeine Fehler der jüngeren Staatszerfallsdebatte deutlich. Diese sind: 1) 
Die Ursache für den Staatszerfall werden im Inneren der betroffenen Staaten 
gesucht; externe Faktoren werden ausgeblendet. 2) Die Abwesenheit staatli-
cher Strukturen wird mit Anarchie gleichgesetzt. 3) Das gegenwärtige Modell 
moderner Staatlichkeit, wie sie sich in Europa und Nordamerika in den letz-
ten drei Jahrhunderten herausgebildet hat, wird als „Ideal“ genommen, an 
dem sich Staatlichkeit, z.B. in Afrika, messen lassen muss. 4) Man bemüht 
sich, vor dem Hintergrund eines auf „Versicherheitlichung“ konzentrierten 
Diskurses, Staatlichkeit „von oben“ („top-down“) wieder herzustellen.
Dieser Text beschäftigt sich ausführlich mit den ersten beiden genannten 
Punkten. Es wird argumentiert, dass Staatslosigkeit nicht gleich Herr-
schaftslosigkeit bedeutet und dass im zerfallenen Somalia nicht Anarchie 
herrscht. In Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen können 
alternative politische Ordnungen entstehen, die durchaus ein hohes Maß 
an Legitimität in den Augen der betroffenen (lokalen und transnationalen) 
Bevölkerung genießen können. Damit verbunden ist eine zweite These, die 
besagt, dass die seit 1991 durchgeführten externen Interventionen einzelner 
Staaten oder Staatengruppen bzw. der internationalen Staatengemeinschaft 
mit dem Ziel, zentralstaatliche Strukturen in Somalia wieder aufzubauen, 
meist kontraproduktiv waren. Gerade weil sie, mit Ausnahme der Kriegs-
herren, die Kräfte jenseits des Staates ignorierten bzw. bekämpften, trugen 
externe Interventionen eher zur Perpetuierung des Staatszerfalls bei als zu 
seiner Beendigung. Dies zeigt sich am deutlichsten anhand der äthiopi-
schen Militärintervention gegen die Schari’a-Gerichtshöfe Ende 2006. Im 
Umkehrschluss verdeutlichen gerade die Entwicklungen in Somaliland und
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Puntland, dass stabile Formen politischer Ordnung im somalischen Kontext 
jenseits externer Interventionen entstehen können.
Dieser Beitrag basiert auf insgesamt zwei Jahren eigner ethnographischer 
Feldforschung in Nordsomalia zwischen 2002 und 2012. Ergebnisse dieser 
Forschung gehen besonders (allerdings ohne die explizite Erwähnung ein-
zelner Interviews) in die Ausführungen zu Somaliland und Puntland ein. Für 
Südsomalia und bezüglich des allgemeinen historischen, politischen und 
sozialen Hintergrunds greift der Text auf Sekundärliteratur zurück. Die ersten 
Abschnitte skizzieren kurz die staatslose vorkoloniale Gesellschaftsordnung 
der Somalis und die Einführung staatlicher Strukturen in der Kolonial- und 
Postkolonialzeit sowie den Staatszerfall. Danach werden das externe Ein-
greifen und seine Folgen in Somalia dargestellt. Der Hauptteil beschäftigt 
sich mit der Verschiebung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen und den 
Alternativen zur staatlichen Ordnung in verschiedenen Teilen Somalias.5
Die akephale somalische Gesellschaftsordnung
Die somalische Gesellschaft wird in anthropologischer Sicht als traditionell 
akephale (aus dem Griechischen; wörtl.: ohne Kopf) oder staatslose Gesell-
schaft betrachtet. Gesellschaften ohne Staat sind jedoch nicht herrschafts-
frei oder kommen ohne Machtausübung aus. Macht ist nach Max Weber 
die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch 
gegen Widerstand durchzusetzen. Herrschaft defi niert er als die Chance, 
für einen Befehl Gehorsam zu fi nden (Weber 1964, Bd. I: 38). Physische 
Gewalt kann Gewaltherrschaft begründen. Dennoch hängt auf Dauer jede 
Herrschaft von einem gewissen Maß an Legitimität ab. Legitimität wiederum 
basiert wesentlich auf dem freien Willen derer, die sie gewähren. Sie wird 
von der Gefolgschaft an den Herrscher verliehen, der in ihren Augen ihre 
Bedürfnisse am besten befriedigt. Frederik Barth hat diese transaktionalis-
tische Perspektive in die politische Anthropologie eingeführt. Er betonte, 
dass unter den Swat Pathanen Nordwestpakistans Anhänger sich diejenigen 
Anführer aussuchen, die ihnen die größten Vorteile und die meiste Sicher-
heit bieten (Barth 1996: 73). Neben rational-ökonomischem Kalkül spielen 
5  Um es gleich vorwegzunehmen: Ich gehe nicht gesondert ein auf lokale NGOs und andere 
Teile der Zivilgesellschaft, sowie auf Mitglieder der Diaspora und Geschäftsmänner/-frauen 
als wichtige nicht-staatliche Akteure ein. Die Gründe sind, dass im somalischen Kontext 
die Trennung zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und solchen, die nach Erreichung 
politischer und sogar militärischer Macht streben, oft sehr unscharf ist. Das zeigt sich 
besonders am Beispiel verschiedener islamischer Institutionen und Organisationen, wie den 
Schari’a-Gerichtshöfen (Jabril 2008, Menkhaus u.a. 2010). Letztere, sowie auch Mitglieder 
der Diaspora und Geschäftsmänner/-frauen werden in anderen Kontexten mitbehandelt.
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im Hinblick auf Abhängigkeits- und Autoritätsbeziehungen natürlich auch 
immer strukturelle Zwänge eine Rolle (ebd.: 3), die mit dem kulturellen 
Rahmen, der Ökologie und den Produktionsverhältnissen zusammenhängen. 
Barths Perspektive, die den Freiraum der Individuen in politischen Ange-
legenheiten und die Flexibilität von Allianzen (in einem gewissen kulturell 
vorgegebenen Rahmen) betont, lässt sich weitgehend auf die Verhältnisse 
in der vorkolonialen somalischen Gesellschaft übertragen. Sie ist auch für 
die gegenwärtige Phase des Staatszerfalls und der politischen Neuordnung 
in Teilen Somalias relevant (Schlee 1996).
Vor Beginn der Kolonisierung kannten Somalis traditionelle und religiöse 
Autoritäten sowie Kriegsführer, die in einem gewissen Umfang Herrschaft 
und Macht ausübten. Zudem existierten in der Somali-Halbinsel zwischen 
dem 11. und 19. Jahrhundert zahlreiche kleine Sultanate bzw. Stadtstaaten, 
wie die Sultanate von Ifat und Adal und die Stadtstaaten Mogadishu und Har-
rar. In allen Fällen waren Herrschaft und Macht immer an die individuellen 
Eigenschaften des jeweiligen Herrschers gebunden. Ein erfolgreicher Führer 
musste seinen Anhängern konkrete Vorteile bieten in einem Kontext, der von 
Ressourcenknappheit, Fehden zwischen somalischen Abstammungsgruppen 
und Konkurrenz und Krieg mit den Nachbarn (besonders dem christlichen 
Königreich Äthiopien, aber auch den anderen Pastoralnomaden-Gruppen 
in der Region, wie den Afar und den Oromo) geprägt war (Trimingham 
1952; Cassanelli 1982). Die somalische Geschichte ist voller Beispiele vom 
Aufstieg und Fall begabter Führer, wie z.B. Ahmed Gurrey (16. Jh.) und 
Mohamed Abdille Hassan (20. Jh.), die zu ihren Hochzeiten durchaus stabile 
und legitime Herrschaft über größere Gebiete ausüben konnten, aber ihre 
Durchsetzungskraft auch innerhalb kürzester Zeit verlieren konnten. Dabei 
spielten oft Rivalitäten innerhalb der eigenen Familie (im weiteren Sinne, 
bis hin zur Klanfamilie) eine entscheidende Rolle.6
Einführung staatlicher Strukturen und 
die Kontinuität von Alternativen zum Staat
Staatliche Strukturen wurden erst von den Kolonialherren eingeführt. Frank-
reich kolonisierte den äußersten Nordwesten der von Somali bewohnten 
Territorien (heute: Djibuti); Großbritannien errichtetet ein Protektorat im 
zentralen Nordwesten (heute: Republik Somaliland); Äthiopien eroberte die 
6  In der somalischen Gesellschaft wird primäre Zugehörigkeit meist über patrilineare 
Abstammung geregelt. Somalis verstehen sich (in aufsteigender Linie) als Teil einer (oft 
polygamen) Familie, einer Lineage, eines Sub-Klans, eines Klans oder einer Klanfamilie 
(Lewis 1961).
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westlichen Siedlungsgebiete (Harar, Ogaden; heute: „Region 5“ innerhalb 
Äthiopiens); Italien brachte die Gebiete vom Nordosten (heute Puntland) 
bis in den Süden unter seine Gewalt; Großbritannien verwaltete auch den 
Südwesten der Somali-Halbinsel (heute: Nordostkenia). Die Briten etablier-
ten keinen durchsetzungsfähigen Zentralstaat, sondern stützten sich in ihrer 
Herrschaftsausübung auf somalische Älteste als „Mittelsmänner“ zwischen 
kolonialer Verwaltung und der Bevölkerung. Diese Art der „indirect rule“ 
machte es möglich, dass besonders im Nordwesten somalische politische 
Traditionen fortlebten. Dennoch hat auch der britische Kolonialismus nach-
haltig in die sozio-politischen Strukturen der Somalis eingegriffen (Höhne 
2002: 30-32). Die Italiener benutzten anfangs auch somalische Älteste 
und andere traditionelle Autoritäten als Mittelsmänner. Doch in der Zeit 
des Faschismus in den 1920er und 1930er Jahren setzten sie auf Autorität 
und Gewalt und unterminierten so zunehmend und nachhaltig traditionelle 
politische Strukturen in ihrem Gebiet. Diese unterschiedlichen kolonialen 
Herrschaftstraditionen sollten sich auch darauf auswirken, welche effek-
tiven politischen Alternativen zum Staat nach 1990 in den verschiedenen 
Gebieten des zerfallenen Somalia zur Verfügung standen (Reno 2003: 8-14; 
Prunier 2010: 39-46).
Der moderne Staat als externes Konstrukt wurde von den somalisch-
nationalistischen Eliten akzeptiert und übernommen. Die ersten politischen 
Parteien wurden in den 1940er Jahren gegründet. Ihr Ziel war die Unabhän-
gigkeit und die Vereinigung aller von Somalis bewohnten Territorien am 
Horn von Afrika unter einer Regierung. Am 26. Juni 1960 wurde British 
Somaliland unabhängig. Das italienisch verwaltete Gebiet folgte am 1. Juli 
desselben Jahres. Beide Gebiete vereinigten sich zur Somalischen Republik, 
deren Regierung die Inkorporation der Somalis unter französischer, äthiopi-
scher und britisch-kenianischer Verwaltung anstrebte, allerdings ohne Erfolg 
(Lewis 2002: 178-204; Matthies 1977). Die neuen Staatslenker lehnten offi -
ziell „Tribalismus“ oder, im somalischen Kontext zutreffender, „Klanismus“ 
(Somali: qabyaalad) ab (Egal 1968: 222). Inoffi ziell blieb Klanismus, also 
der Rückbezug auf die eigene patrilineare Abstammungsgruppe in allen 
Bereichen des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lebens allerdings 
eine zentrale Kraft. Das demokratische System der ersten Jahre nach der 
Unabhängigkeit scheiterte 1969, als bei den letzten Parlamentswahlen 
mehr als hundert Parteien, die auf Abstammungsnetzwerken beruhten, um 
ein „Stück vom Kuchen“ im Staat konkurrierten. Der Staat war zu einer 
Ressource verkommen, die es für die eigene Gruppe auszubeuten galt. 
Im Oktober 1969 putschten hochrangige Polizei- und Militäroffi ziere um 
Mohamed Siyad Barre. Ihr Ziel war es, der Korruption und der Ineffektivität
Herrschaft und Ordnung jenseits des Staates in Somalia 327
somalischer Staatlichkeit ein Ende zu machen. Unter der Herrschaft des 
Somali Revolutionary Coucil (SRC) wurde Klanismus unter Strafe gestellt. 
Nicht-staatliche Autoritäten, wie Älteste und religiöse Führer, wurden weiter 
marginalisiert. Man plante großangelegte wirtschaftliche und soziale Refor-
men, die allerdings nur zum Teil umgesetzt wurden. Somalische Staatlichkeit 
erreichte ihren Zenit, als Somalia 1974 das Treffen der Organisation für 
Afrikanische Einheit (OAU) beherbergte und im selben Jahr als einziges 
Land südlich der Sahara der Arabischen Liga beitrat und zudem einen 
Freundschaftspakt mit der Sowjetunion schloss. Dennoch blieb Klanismus 
hinter dem nationalen „Vorhang“ immer wirksam. Als Präsident Mohamed 
Siyad Barre seine Macht nach Somalias Niederlage im Ogadenkrieg gegen 
Äthiopien (1977-1978) bedroht sah, stützte er sich zunehmend auf Getreue 
aus dem eigenen Klan. Er brachte auch Mitglieder der Abstammungsgruppe 
seiner Mutter und seiner wichtigsten Schwiegersöhne in zentrale Positionen 
im Verwaltungs- und Sicherheitsapparat (Lewis 1994: 149-175). Traditionell 
unterprivilegierte Gruppen wurden bewaffnet und gegen die Feinde des 
Regimes eingesetzt. Somalische Guerillas, die ab den späten 1970er Jahren 
für ein Ende der Diktatur kämpften, nutzten ebenso Abstammungsnetzwerke 
als Basis der Rekrutierung. So war z.B. das Somali National Movement 
(SNM), das ab 1982 von Äthiopien aus in Nordwestsomalia gegen die 
Regierung und ihre Truppen agierte, im Wesentlichen eine Bewegung, die 
von Mitgliedern der Isaaq-Klanfamilie getragen wurde. Es integrierte ab 
1988 ein zentrales Beratungsgremium (Somali: guurti) von Isaaq-Ältesten. 
Traditionelle Autoritäten spielten nach der Beendigung des Krieges gegen 
das Barre-Regime eine wichtige Rolle beim Aufbau einer neuen politischen 
Ordnung in Somaliland (ab 1991) und Puntland (ab 1998).7 Dies ist nur ein 
Beispiel für die, wenn auch nicht vollkommen geradlinige, Transkontinu-
ität (Janssen 1992: 1494; Schlee 1996: 146) von nicht-staatlichen neben 
staatlichen Strukturen und Institutionen im somalischen Kontext von der 
vorkolonialen Zeit bis in die Gegenwart.
Staatslosigkeit als Chance: politischer und 
ökonomischer Wandel im zerfallenen Somalia
Mit dem Zusammenbruch des diktatorischen Regimes unter Mohamed 
Siyad Barre verschoben sich die Macht- und Herrschaftsverhältnisse und 
Somalis erhielten grundlegende politische und wirtschaftliche Freiheiten 
wieder. Eine Vielzahl privater Zeitungen, Radiostationen und Homepages 
wurde seit 1991 gegründet (Issa-Salwe 2006; Höhne 2008). Zudem wurde 
7  Vgl. Farah 2001; Renders 2006; Höhne 2007; Walls 2009.
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die Wirtschaft radikal dereguliert. Private Investitionen und Handel in 
lukrativen Bereichen, wie Telekommunikation, Import von Technikpro-
dukten, aber auch Viehhandel, fl orieren (selbst unter Bedingungen von 
Unsicherheit und Krieg) und beeinfl ussen die Märkte in der Region, weit 
über die Grenzen Somalias hinaus (Little 2003). Somalia entwickelte sich 
in gewissen Bereichen zu einem Duty-Free-Shop am Horn von Afrika 
(Hagmann 2005). Die somalischen Geschäftsleute und ihre internationalen 
Partner haben gelernt, dass sie ihre Interessen besser ohne eine Regierung 
verfolgen können, die sich in viele Belange einmischen will. Der Gewinn 
politischer und wirtschaftlicher Freiräume jenseits staatlicher Kontrolle ging 
nicht immer friedlich vonstatten. Im Kontext der UN- und US-Intervention 
Anfang der 1990er Jahre, der Einbeziehung vor allem Südsomalias in 
internationale schattenwirtschaftliche Netzwerke und des Aufbaus lokaler 
Klanmilizen unter der Führung von Kriegsherren entstanden Gewaltmärkte 
(Elwert 1997), innerhalb derer große Gewinne gemacht werden konnten. Ein 
Teil der lokalen Bevölkerung wurde dafür terrorisiert, ausgeplündert und/
oder versklavt. Die Kriegsherren hatten, wie auch in anderen afrikanischen 
Kontexten, kein Interesse an der Wiederherstellung stabiler Staatlichkeit. 
Sie profi tierten aber von der zeitweiligen Stabilisierung der Verhältnisse, 
die Ressourcen Zufl uss ermöglichte und somit eine Basis für erneute Aus-
beutung schuf (Bollig 1999).
Es hat lange gedauert, bis die internationale Gemeinschaft, die ab 1991 
präferenziell mit Kriegsherren als den scheinbar wichtigsten politischen 
Akteuren verhandelt hat, bemerkte, dass diese interne „spoiler“ (Saboteure) 
von Staatlichkeit und Frieden in Somalia waren, die kein wirkliches Interesse 
an Frieden und stabiler Staatlichkeit hatten (Menkhaus 2006/2007: 96). Pri-
vate Geschäftsleute erkannten bald, dass ein Mindestmaß an Ordnung und 
Frieden nötig ist, um Profi te zu sichern. Dennoch wünschten sie sich nicht 
notwendig eine Zentralregierung zurück. Sie waren an lokalen Sicherheits-
arrangements interessiert, zuerst mit Kriegsherren, und dann, ab den späten 
1990er Jahren, mit Schari’a-Gerichtshöfen, weil letztere die zuverlässigeren 
Partner waren (Marchal 1996: 69-71; 2007b).
Die Anfänge der wieder erstarkenden Staatlichkeit in Nordsomalia gehen 
darauf zurück, dass die lokale Bevölkerung diese Gebiete von den anhalten-
den Kampfhandlungen in Südsomalia abgrenzen wollte. Die Regierungen 
Somalilands und Puntlands sind allerdings bis heute (2012) so schwach, 
dass sie abgesehen von der Sicherung des Friedens kaum staatliche Funk-
tionen ausüben. Dies befördert die Freiheit der Wirtschaft. In Somaliland, 
das sich schon 1991 vom Rest Somalias abgespalten hatte, haben besonders 
Investitionen aus der Diaspora den Frieden stabilisiert und zur moderaten
Herrschaft und Ordnung jenseits des Staates in Somalia 329
Entwicklung dieses De-Facto-Staates beigetragen (Ibrahim 2010).8 Aber 
auch z.B. im Bildungssektor wurden neue Wege beschritten. In Somaliland, 
Puntland und Teilen Südsomalias wurden seit Ende der 1990er Jahre viele 
neue Schulen und Universitäten eingerichtet, meist mit Unterstützung aus 
der Diaspora (Abdullahi 2007; Höhne 2010: 95). Während sich Somaliland 
selbst nicht mehr als Teil Somalias ansieht und die eigene staatliche Unab-
hängigkeit anstrebt, betrachtet sich Puntland zwar noch als Teil Somalias, 
ist aber nicht an einer starken Zentrale, sondern am Aufbau föderaler Staats-
strukturen interessiert (Höhne 2009a). Die Islamisten, die vornehmlich in 
Südsomalia aktiv sind, profi tierten auch von der neuen politischen Freiheit 
nach 1990 und begannen ihre eigenen sozialen, wirtschaftlichen und politi-
schen Projekte, in Kooperation mit ausländischen islamischen Institutionen 
und Akteuren (Marchal 2004; Abdurahman 2010: 152-154). Sie streben 
die Errichtung eines starken somalischen Staates an. Dieser soll allerdings 
nicht den USA, Europa und Äthiopien verpfl ichtet sein, sondern anderen 
islamischen „Bruderstaaten“. Das jüngste Beispiel von „Staatsfreiheit“ ist 
die somalische Piraterie, die sich seit den frühen 2000er Jahren als sehr 
erfolgreiches, wenn auch gefährliches „Geschäftsmodell“ gerade für einige 
Mitglieder der jüngeren Bürgerkriegsgeneration in Südpuntland und Zentral- 
und Südsomalia erwiesen hat (Matthies 2010). Dieser kurze Überblick zeigt 
bereits, dass Staatszerfall in Somalia nicht mit Anarchie gleichzusetzen ist.
Externe Ansätze der Friedens- und 
Staatsbildung in Somalia und ihre Folgen
Seit 1991 gab es zahlreiche Versuche der internationalen Gemeinschaft oder 
einzelner Staaten oder Staatenverbünde, Frieden und Staatlichkeit in Somalia 
wieder herzustellen. Das Engagement stand zunächst unter der Prämisse, 
humanitäre Hilfe für die leidende somalische Bevölkerung zu leisten. Nach 
dem 11. September 2001 wurde Somalia, wie auch Afghanistan und andere 
teilweise „unregierte“ Räume, immer stärker zum Experimentierraum für 
„counter-insurgency“ Operationen. Im Folgenden werden fünf internationale 
Interventionen in bzw. extern organisierte Konferenzen für Somalia und 
einige ihrer Folgen dargestellt.
8  De-Facto-Staaten sind nach Scott Pegg (1998: 4) Staaten, die alle Kriterien von Staatlichkeit 
erfüllen, über ein abgegrenztes Territorium, eine Bevölkerung und Regierungsstrukturen 
verfügen, welche in den Augen der Masse der Bevölkerung legitim sind. Sie bemühen sich 
um internationale Anerkennung, die ihnen aber verwehrt wird.
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UNOSOM und UNITAF (1992-1995)
Die von den UN unter dem Namen UNOSOM und den USA unter dem 
Namen UNITAF gemeinsam durchgeführte humanitäre Intervention hatte 
den Auftrag, erstens die Verteilung von Lebensmitteln an die Hunger leidende 
somalische Bevölkerung zu sichern und zweitens, Staatlichkeit in Somalia 
wieder aufzubauen. Zeitweise waren bis zu 25000 ausländische Soldaten in 
Mogadishu und Teilen Süd- und Zentralsomalias stationiert (darunter auch 
deutsche Truppen). Internationale staatliche und nichtstaatliche Hilfsorga-
nisationen ergänzten das „Interventionspaket“. Die Interventionstruppen 
konnten die Verteilung der Hilfsgüter, die zuvor von den Kriegsherren 
geplündert worden waren, sichern. Die wichtigsten Kriegsherren wurden 
wiederholt zu Friedensverhandlungen eingeladen. Es gelang jedoch nicht, 
sie unter Kontrolle zu bringen und Frieden zu schaffen. Mitte 1993 ging 
man dazu über, den als spoiler angesehene Kriegsherren Mohamed Farah 
Aidid zur Fahndung auszuschreiben und zu verfolgen. Die Verfolgungsjagd, 
die besonders intensiv von amerikanischen Truppen betrieben wurde, eska-
lierte in schweren Gefechten in Mogadischu bei denen hunderte Somalis 
(auch viele unbeteiligte Zivilisten) und mehr als ein Dutzend Angehörige 
amerikanischer Spezialeinheiten umkamen. Der Tod amerikanischer 
Soldaten in Mogadischu bewog die Clinton-Regierung, den Rückzug der 
USA aus Somalia einzuleiten. Auch die UN gaben schließlich auf und 
zogen bis Mai 1995 alle „Blauhelme“ aus Somalia ab (Herrmann 1997; 
Höhne 2002: 58-73). Eine unvorhergesehene Konsequenz der humanitären 
Hilfeleistungen sowie der UN- und US-Intervention Anfang der 1990er 
Jahre war, dass der Kriegsökonomie der Kriegsherren neue Ressourcen 
zugeführt wurden. Aidid und andere Kriegsherren spezialisierten sich rasch 
auf die Plünderung von Hilfsmitteln, um Gewinn zu machen. Während die 
internationalen Truppen dieses Geschäft weitgehend unterbinden konnten, 
verhalfen die Verhandlungen, zu denen die Kriegsherren von Seiten der 
internationalen Gemeinschaft gerade zu Beginn der Intervention eingeladen 
wurden, den Kriegstreibern zu Ansehen und Macht. Der „Sieg“ Aidids über 
die Amerikaner in Mogadischu schließlich zementierte den Mythos von 
den starken somalischen Kriegsherren, welche den Rest der 1990er Jahre 
hindurch unbehelligt ihren Geschäften in Südsomalia nachgehen konnten.
„Dirty war“ nach 9/11 (2001-2005)
Somalia wurde erst nach den Anschlägen von New York und Washington im 
September 2001 wieder international wahrgenommen. Amerikanische und
Description:3 Mary Harper hat diesbezüglich jüngst einen sehr guten Überblick in Englisch vorgelegt .. Diese werden Akil (Somali: caaqil) genannt.11 Traditio-.