Table Of ContentHerausforderung Nahost
Rana Deep Islam
Herausforderung Nahost
Die Außenpolitik der EU
und der Türkei im Vergleich
Mit einem Geleitwort
von Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister a. D.
Rana Deep Islam
Berlin, Deutschland
Zugl. Dissertation an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2012
Originaltitel der Dissertation: Herausforderung Nahost – Eine vergleichende Analyse
über die Außenpolitik der Europäischen Union und der Türkei
ISBN 978-3-658-01878-8 ISBN 978-3-658-01879-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-01879-5
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Geleitwort 5
Für Mohammed Serajul und Gisela – meine Eltern
Danksagung 7
Danksagung
Die Fertigstellung einer Promotion scheint für mich wie das Ende eines weiteren
Lebensabschnitts. Solche Zäsuren haben es an sich, dass sie einem selbst als
Anlass dienen, den Blick zurück zu wenden. So seltsam es anmuten mag, so
denke ich beim Schreiben dieser Dankesworte daher zunächst an meinen Jugend-
traum. Ich habe mir damals nichts mehr gewünscht, als ein erfolgreicher Tennis-
spieler auf den Center Courts dieser Welt zu sein. Das Schicksal meinte es an-
ders mit mir. Nicht nur aus mangelndem Talent musste ich frühzeitig feststellen,
dass es mit der Tenniskarriere wohl nichts werden würde. Auch war es die Lust
am akademischen Arbeiten, die es mir angebrachter erscheinen ließ, das Tennis-
racket in die Ecke zu legen und es durch die analytische Stärke der geschriebe-
nen und gesprochenen Sprache einzutauschen. Nichts desto trotz drängt sich mir
an dieser Stelle die Erinnerung an den gelben Filzball wieder auf. Man möchte
meinen, dass der Tennisspieler und der Doktorand in ihrem Typus gewisse Ähn-
lichkeiten aufweisen. Beide sind als vermeintliche „Einzelkämpfer“ auf sich
allein gestellt, wenn es darum geht ihre jeweilige Herausforderung, sei es der
Gegenspieler oder der Drang nach akademischer Erkenntnis, zu meistern. Lang-
wierige Grundlinienduelle wechseln sich ab mit zahlreichen Zwischensprints,
nervenaufreibenden Spannungsmomenten, diversen Seitenwechseln, strittigen
Schiedsrichterentscheidungen und einer Reihe von unterschiedlichen Spielkom-
binationen. Dabei wirkt die Kurzweiligkeit eines einzigen Ballwechsels im Zu-
sammenhang eines langen, bis zu fünf Sätze andauernden Matches wie der für
sich stehende Satz eines schriftstellerischen Werkes wie das Vorliegende. Das
Ergebnis offenbart sich nur in der Summe vieler, kleiner Schritte. Geduld und
der lange Atem sind daher sowohl in der Wissenschaft als auch im Tennissport
notwendige Wegbegleiter. Der kontemplative Moment einer Spielpause vor dem
vollzogenen Seitenwechsel ist dabei nichts anderes als der regelmäßige Rückzug
des Doktoranden in die innere Klausur. Vertieft in das Gespräch mit sich selbst
zerbricht man sich in beiden Fällen den Kopf über die gleichen Fragen: Was
mache ich falsch? Und was mache ich richtig?
Sowohl das Tennismatch als auch die wissenschaftliche Abhandlung sind
darüber hinaus sehr Ergebnis-orientierte Vorgänge. Unentschieden gibt es nicht.
Dies veranlasst mich zu einer weiteren Feststellung. Denn wenn ich mich an die
Finalspiele erinnere, die vor einigen Jahren noch regelmäßig im Fernsehen über-
8 Danksagung
tragen wurden, dann habe ich ein Bild vor Augen: ein siegreicher Spieler, der
nicht lange im persönlichen Glücksmoment verharrt sondern stattdessen den
Weg zu seiner „Box“ aufsucht, um sich bei seinen befreundeten und verwandten
Unterstützern zu bedanken. Der Tennissport ist eben nicht eine Sache für Einzel-
gänger. Erfolgreich ist nur derjenige, der über ein intaktes, herzliches und kom-
petentes Umfeld verfügt. In meinem Falle soll dies heißen: Ohne meine „Box“
stände ich nicht hier wo ich bin. Die vorliegende Arbeit stützt sich auf die Hilfe,
den Beistand und den intellektuellen sowie beruflichen Input vieler Freunde und
Förderer. Folgenden Personen bin ich besonders verbunden, die mich auf mei-
nem akademischen und menschlichen Weiterkommen in der Vergangenheit so
tatkräftig begleitet haben:
Prof. Stefan Fröhlich danke ich für die Betreuung meiner Promotionsarbeit.
Neben seinen intellektuellen Impulsen für mein Forschungsthema, bereicherte er
meinen Blick über den Tellerrand durch viele Netzwerke und Kontakte in
Washington DC und Brüssel, die mir bei der angewandtsorientierten Einbettung
meiner Dissertation hilfreich waren. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank
auch an Prof. Johannes Varwick aussprechen für die Erstellung des Zweitgutach-
tens und die Abnahme meiner Disputation. Von besonderem Stellenwert war
darüber hinaus die Friedrich-Ebert-Stiftung, die meine akademische Ausbildung
gefördert und geprägt hat. Sie hat mir die Durchführung meiner Promotionsarbeit
finanziell und ideell erst möglich gemacht. Insbesondere danke ich dabei dem für
mich zuständigen FES-Betreuerteam in Person von Martin Gräfe, Elena Espino-
sa und Marcel Siebertz die mir sowohl menschlich als auch in allen inhaltlichen
und administrativen Fragen der Förderung stets mit Rat und Tat zur Seite stan-
den. Stephan Steinlein, Dietmar Nietan, Olaf Boehnke, Achim Post, Felix
Porkert und Thomas Vaupel rechne ich hoch an, dass sie mir die Möglichkeit
gaben, mit meinen inhaltlichen Schwerpunkten auch den politischen Kontext zu
bereichern. Jack Janes und seinem Team vom American Institute for Contempo-
rary German Studies, sowie Esther Brimmer, Dan Hamilton und den ehemaligen
Kollegen vom Center for Transatlantic Relations verdanke ich den Einblick in
die policy-Welt von Washington DC, eine der aufregendsten Hauptstädte die ich
bisher kennen lernen durfte. Mein besonderer Dank gebührt darüber hinaus
Bernhard Lorentz, Michael Schwarz und Anne Rolvering von der Stiftung Mer-
cator, die mir dabei zur Seite standen, den Weg der Promotion zu Ende zu gehen
und mir die Möglichkeit geben, meine akademische Expertise im beruflichen
Kontext unmittelbar einzubringen. Nicht zu Letzt verdanke ich Andrea Despot
und ihren Kollegen von der Europäischen Akademie Berlin viele Freundschaften
und Kontakte die ich durch sie in der Türkei gewinnen durfte.
Nicht hoch genug einzuschätzen sind die vielen privaten Wegbegleiter ohne
die alles nichts wäre. Philipp Pletsch stand mir stets als guter Freund und akade-
Danksagung 9
mischer Ratgeber zur Seite. Das werde ich immer zu schätzen wissen. Christian
Raubach hat sich seine blendende Laune auch durch mühseliges Korrekturlesen
nie verderben lassen. Daniel Kollmann möchte ich weder als Mitbewohner noch
als engen Freund missen. Ein Gruß an Philipp Gallhöfer und Florian Theus darf
an dieser Stelle natürlich nicht fehlen. Ich freue mich auf die anstehenden Reisen
mit ihnen. Sebastian Grabert wird mir immer durch eine bereits Jahrzehnte wäh-
rende Freundschaft verbunden bleiben. Tim Efing und Benjamin Seifert danke
ich für ergiebige Gespräche über die Themen dieser Welt. Katharina Junge,
Svenja Post, Tobias Utikal, Hille Hilgenberg, Chris Bobyn, Marius Wiggenhau-
ser und die vielen anderen meiner Freunde in Berlin führen mir immer wieder
vor Augen, wie wichtig und richtig der Schritt in die Hauptstadt war. Mit Robert
Schütte verbinden mich nicht nur eine enge Freundschaft sondern auch zahlrei-
che gemeinsame Projekte. Ich hoffe es werden viele weitere folgen.
Mein höchster Dank ist leider nicht in Worte auszudrücken. Nicht nur, dass
mir meine Neffen Aron, Elian und Ravi stets ein Lachen auf mein Gesicht zau-
bern. Meine liebe Schwester Shahana und mein lieber Bruder Ranty sind das
Rückgrat meiner Standhaftigkeit, meiner Zuversicht und meines Willens, das
Gute im Menschen zu sehen und nach dem Guten im Menschen zu streben. We-
gen Euch bin ich glücklich – jeden Tag. Nicht zu Letzt danke ich meinen Eltern.
Sie waren und sind mir zu jeder Zeit ein Vorbild für gelebte Toleranz. Ihr un-
bändiger Optimismus imponiert mir immer wieder aufs Neue. Mauern einzurei-
ßen, Vorurteile nicht zu akzeptieren und die verbindende Zuneigung zwischen
Menschen zum Maßstab des eigenen Handelns zu machen, sind die Werte die sie
mir mitgaben und die ich stets in meinem Herzen tragen werde. Durch sie weiß
ich: das Gute setzt sich immer durch. Ihnen widme ich dieses Buch. Ihr seid
mein Grand Slam.
Rana Deep Islam
Berlin, den 3. Januar 2013
Geleitwort 11
Geleitwort
Herausforderungen werden nicht selten mit Bergen verglichen. Zunächst türmen
sie sich mächtig auf und wirken schier unbezwingbar. Einmal am Gipfel ange-
kommen geht es jedoch vermeintlich leicht und unbeschwert hinunter. Bleiben
wir in der bildlichen Sprache, so erinnern die europäisch-türkischen Beziehun-
gen, eine Herausforderung ganz eigener Prägung, mehr an die Legende des Sisy-
phos als an den linearen Auf- und Abstieg eines Berges. Einmal auf der höchsten
Erhebung angekommen muss Sisyphos zuschauen, wie der von ihm mühselig
getragene Stein den Abhang wieder herunterrollt. Der von dem griechischen
Antihelden ewig zu erduldende Turnus von Last und Erleichterung scheint nicht
nur auf den ersten Blick das Auf und Ab der türkisch-europäischen Geschichte
auf den Punkt zu bringen. Wie oft mussten beide Seiten sich erst entfremden, um
schließlich doch wieder den Weg zu einander zu finden? Unser zivilisatorischer
Fortschrittsglaube gründet sich heutzutage jedoch weniger auf die Mythen und
Legenden vergangener Zeiten, sondern viel mehr auf die Kraft vernunftgeleiteten
Handelns. Ich bin daher zuversichtlich, dass wir in nicht allzu ferner Zeit ein
neues Verhältnis zwischen Ankara und Brüssel erleben, dass die Fallstricke der
Vergangenheit hinter sich lässt, um die globalen Zukunftsaufgaben, die sich
beiden Seiten zugleich stellen, gemeinsam und einträchtig in Angriff zu nehmen.
Während sich die Türkei lange Zeit in der Rolle des Beitrittskandidaten
wohl fühlte, der Blick fest gen Brüssel gerichtet, tritt sie heutzutage als selbst-
bewusster Verhandlungspartner auf. In der Tat kann ein beachtlicher sozio-
ökonomischer Fortschritt in dem Land beobachtet werden, in dessen Windschat-
ten sich ein neues türkisches Selbstwertgefühl erst entwickeln konnte. Die Türkei
hat einen Wandlungsprozess erlebt, der seinesgleichen sucht. Sie ist heute mo-
derner und prosperierender als noch vor zehn Jahren. Das Land zählt zu den 20
größten Wirtschaftsnationen der Welt und verzeichnet jährliche Wachstumsraten
von durchschnittlich acht bis zehn Prozent.
Was die innenpolitischen Reformen angeht, so ist auch hier in den vergan-
genen Jahren viel erreicht worden. Zahlreiche gesellschaftliche Konflikte werden
heutzutage nicht länger tabuisiert. Viele dieser Themen bildeten vor wenigen
Jahren noch weiße Flecken auf der Landkarte der in dem Land geführten politi-
schen Diskurse. Die Reformpakete, die insbesondere in den Anfangsjahren der
gegenwärtigen Regierung in legislative Verordnungen und Gesetze übersetzt
12 Geleitwort
wurden, liefern ein Abbild türkischer Wandlungs- und Modernisierungsfähigkeit
im Kontext gesellschaftlicher und innenpolitischer Fragestellungen. Die Türkei
hat innenpolitisch ein erhebliches Stück des Weges Richtung Europa zurückge-
legt. Ob dies unumkehrbar ist, das wird sich zeigen – noch bleibt sehr viel zu
tun, um sich etwa europäischen Standards von Rechtsstaatlichkeit und Mei-
nungsfreiheit anzunähern. Und es lässt sich nicht leugnen, dass sich Rolle und
Selbstverständnis der Türkei in den letzten Jahren noch einmal grundsätzlich
verändert haben. Europa bleibt ein wichtiger Bezugspunkt, aber daneben steht
eine Neuentdeckung der regionalpolitischen Rolle der Türkei, nicht angestoßen,
aber sicher verstärkt durch die Ereignisse, die wir, etwas eindimensional, „arabi-
scher Frühling“ genannt haben. Angesichts der grundlegenden Veränderungen in
Teilen der arabischen Welt, deren Zeugen wir sind und die die strategischen
Gewichte der Region grundlegend verschieben, erweist sich die Wichtigkeit, die
dem Land am Bosporus mittlerweile beigemessen werden muss. In einzelnen
Ländern der Region sind scheinbar eherne Machtstrukturen innerhalb weniger
Wochen implodiert. Menschen fassten ihren ganzen Mut zusammen und lehnten
sich gegen Bevormundung und Unterdrückung auf. Die Säulen der alten Ord-
nung sind zerstört, allerdings sind, allen hochfliegenden Erwartungen zum Trotz,
die neuen Strukturen noch alles andere als stabil. Friedrich Ebert, erster deut-
scher Reichspräsident, erklärte einst „Demokratie braucht Demokraten“. Die
Richtigkeit dieser Worte tritt in Anbetracht der Entwicklungen im arabischen
Raum offenkundig zu Tage. Das systemische Funktionieren demokratischer
Mechanismen kann nämlich nur so stark sein, wie die demokratische Gesinnung
derjenigen, welche dieser Staatsraison tagtäglich Gestalt verleihen müssen: Leh-
rer, Polizisten, Verwaltungsbeamte, Ärzte, Richter und nicht zuletzt: der Souve-
rän selbst – das Volk. Dass es sich hierbei um politische Bildungsprozesse und
Bildungsbiografien handelt, die unweigerlich Zeit und Geduld in Anspruch neh-
men, versteht sich von selbst. Aber sicher ist: für viele Menschen in der Region,
die Orientierung auf dem Weg zu einer neuen Ordnung suchen, kann die Türkei
eine Quelle der Inspiration sein. Das Land sollte hier keineswegs als Modell oder
gar Brückenstaat stilisiert werden. Es soll schließlich nicht darum gehen, den
nahöstlichen Staaten einen Lebens- oder Politikentwurf von außen überzustül-
pen. Gleichwohl ist die Türkei ein Beispiel dafür, dass eine mehrheitlich musli-
mische Gesellschaft durchaus in der Lage sein kann, sich in Richtung einer frei-
heitlich-demokratischen Ordnung zu entwickeln. Für die Europäische Union und
ihre Nachbarschaftspolitik kann das durchaus eine wertvolle Hilfe sein. Die
Türkei verfolgt seit vielen Jahren einen Kurs der wirtschaftlichen Liberalisierung
unter den Ländern des Nahen Ostens. Durch die schrittweise Aufhebung von
Einreisebestimmungen und die Förderung des freien Verkehrs von Waren und
Dienstleistungen sollte auf mittlere Sicht auch die Intensivierung der politischen