Table Of ContentHeizverfahren
mit freier Flammen-Entfaltung.
Von
Friedrich Siemens,
Civil-Ingenieur und Glashütlenbesitzer in Dresden.
Mit sechs lithographirten Tafeln.
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1885
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ISBN 978-3-662-32080-8 ISBN 978-3-662-32907-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-32907-8
Vorwort.
Was mich bestimmt mein neues Heizverfahren, über das ich
bereits in England und Deutschland wiederholte Vorträge in Fach
vereinen gehalten habe und das demzufolge auch von in - und
ausländischen Zeitungen vielfache Verbreitung und Besprechung ge
funden hat, durch die vorliegende Arbeit noch weiter bekannt zu
machen, bedarf wohl einer kurzen Erklärung.
Ich habe mich bis vor einigen Jahren überhaupt nicht damit
befasst Vorträge zu halten oder meine Arbeiten und Erfahrungen zu
veröffentlichen. In der Hauptsache habe ich meinem im Vorjahre
verstorbenen Bruder Wilhelm überlassen gehabt, nicht nur unsere
gemeinsamen, sondern auch meine besonderen Angelegenheiten mit
zu vertreten, denn wir arbeiteten gemeinsam.
Es ist auch durchaus nicht meine Art, dieselbe Sache wiederholt
zu besprechen und wenn ich in diesem Falle eine mehrfache Wieder
holung für angezeigt halte, so hat das seinen Grund in der, meiner
Ansicht nach allgemeinen Wichtigkeit des zu behandelnden Stoffes,
der Missverständnissen zu unterliegen sehr geeignet ist; da mir dies
bezügliche Erfahrungen bereits vorliegen, so kommt hierzu noch der
Wunsch, den betreffenden interessirten Kreisen meine Anschauungen
durch vorliegende eigne Arbeit zu directer Kenntniss und Beurtheilung
zu bringen.
Langjährige Erfahrungen, welche ich mit dem Betriebe von
Regenerativöfen der verschiedensten Anwendung gesammelt habe,
denen sich in neuerer Zeit noch eine Reihe practischer Versuchs-
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resultate anschlossen, haben mich zu einem besonderen, von den
bisherigen sehr abweichenden Heizverfahren geführt. Ich habe dieses
Heizverfahren zwar schon seit mehr wie 5 Jahren auf meinen Glas
fabriken in Sachsen und Böhmen, sowie auf anderen Hütten mit
vorzüglichem Erfolge zur practischen Anwendung gebracht, ohne jedoch
dasselbe früher als geschehen durch Patentnahme gesichert oder
öffentlich bekannt gegeben zu haben.
Es fehlte mir an einer richtigen Handhabe zur Patentnahrne,
weil das Verfahren mehr theoretischer Natur, die vielfältigste Aus
führung zulässt. Erst neuerdings, da in Folge der vielen Anwen
dungen eine Geheimhaltung gar nicht mehr möglich erschien, ich
auch damit anfing, das Verfahren auf anderen Feldern der Fenerungs
technik, so namentlich in Stahlwerken, zur Anwendung zu bringen
und besonders bereits versuchter Nachahmungen wegen, entschloss
ich mich, um Patentschutz einzukommen und das ganze Verfahren
in seiner theoretischen und practischen Auffassung der Oeffentlichkeit
Zll übergeben.
F. S.
Die wissenschaftliche Grundlage des Verfahrens bilden
gewisse Lehrsätze, welche ich an und für sich keineswegs als
vollständig neu beanspruche, die aber in der praktischen
Feuerungstechnik entweder gar nicht oder doch nur unbewusst
zur theilweisen Anwendung gelangt sind und sich in folgen
der Weise zusammenstellen lassen:
Wenn man eine Heizflamme mit dem zu erhitzenden
festen Körper in directe Berührung bringt, so wird man eine
gegenseitige Einwirkung wahrnehmen, welche darin besteht,
dass die Flamme selbst in ihrer Verbrennung, auch nach er
folgter Erwärmung des Körpers, gestört wird, dass sich Rauch
entwickelt und dementsprechend weniger Wärme erzeugt wer
den kann. Der feste Körper dagegen leidet mit der Zeit in
ausserordentlicher Weise und zwar weniger durch die Hitze,
als durch die chemische und mechanische Einwirkung der
Flamme.
Diese Erscheinungen zeigen sich jedoch nur in dem Ent
wickelungsstadium der Flamme. Nachdem die eigentliche
Verbrennung beendet ist, wird weder die Flamme durch die
Einwirkung des festen Körpers, noch der feste Körper durch
die Einwirkung der Flamme wesentlich beeinflusst.
Demzufolge können bei jeder Heizflamme zwei Theile
oder aufeinander folgende Stadien unterschieden werden und
zwar: das erste Stadium, das der eigentlichen Verbrennung
oder das active Stadium, dem das zweite Stadium, bei
welchem man es eigentlich nur mit einer Mischung von Ver-
brennungsproducten zu thun hat, das passive oder neutrale
Stadium, folgt.
Es hat sich ferner herausgestellt, dass eine Flamme in
ihrem ersten oder activen Stadium ein ganz ausserordentlich
starkes 'Värmeausstrahlungsvermögen besitzt, während die
Wärmeausstrahlungsfähigkeit im zweiten oder passiven Sta
dium verhältnissmässig gering ist.
Für die praktische Feuerungstechnik sind die eben be
schriebenen thatsächlichen Verhältnisse von grosser Bedeutung.
Es steht ausser Zweifel, dass die bisherige Vernachlässigung
derselben die Hauptursache der Man gelhafti gkeit unserer
Feuerungsanlagen ist und die verschiedenartigsten Uebel
stlinde, wie Rauchbildung , Kohlenvergeudung und Material
zerstörung jeder Art zur Folge hat. Den Ursprung dieser
Nachtheile aufzuklären und gleichzeitig zu zeigen, wie man
eine Heizflamme ihren aufeinander folgenden Hauptstadien
entsprechend behandeln soll, bildet den eigentlichen Gegen
sütnd dieser Abhandlung.
Den entwickelten Grundsätzen entsprechend sollten daher
alle Oefen- und Heizeinrichtungen derart construirt werden, daRs
die Flamme durch die Heizkammer geführt wird, ohne das
eingebrachte Materiel oder Schmelzgut, noch irgend welche
Theile der Ofenwände selbst zu berühren. In ihrem ersten
Stadium soll die Flamme also nicht durch Berührung,
sondern ausschliesslich durch Wärme ausstrahlung
wirken. Erst nachdem die eigentliche Verbrennung im freien
Raume der Ofenkammer vollständig erfolgt ist, also die Flamme
in das zweite Stadium tritt, wird sie zur ferneren Ausnutzung
in unmittelbare Berührung mit den zu erhitzenden Gegen
ständen gebracht.
Die allernatürlichste Lösung findet diese Flammenführung
im Hegenerativgasofen, da gerade dieser Ofen für seinen
rationellen Betrieb die bei den beschriebenen Wärmeübertra-
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gungsarten bedingt. In der eigentlichen Heiz- oder Schmelz
kammer verbrennt die Flamme frei und zwar ohne in Beriih
rung mit den Ofenwänden zu gelangen. Die dann den Ver
brennungsproducten noch anhaftende Wärme wird durch un
mittelbare Berührung mit den Flächen der die Regeneratoren
füllenden losen Ziegelmassen an letztere vollends abgegeben.
Im ersteIL oder activen Stadium wirkt die Flamme demnach
in der Heizkammer des Ofens ausschliesslich durch Wärme
ausstrahlung; in ihrem zweiten, passiven oder neutralen Sta
dium dagegen durchstreicht die Flamme die Regeneratoren
und erhitzt dieselben durch unmittelbare Berührung.
Hiermit ist die Art und Weise der U ebertragung des
neuen Heizungsprincipes auf die Praxis vollständig klar gestellt.
Es sollen nun die dadurch thatsächlich erreichten bedeutenden
praktischen Vortheile gezeigt werden und eine theoretische
Erklärung bezÜglich der Ursachen dieser auffallenden Erschei
nungen folgen, um dann auch einige praktisch durchgeführte
Anwendungen zu beschreiben.
Was die erlangten V ortheile betrifft, so folgen zunächst
einige vergleichende Resultate, wie solche auf meinen Glas
hütten mit l1egenerativ-G lashafenöfen älterer und neuerer
Construction erzielt worden sind.
Ein Hafenofen älter er Construction mit 10 Hafen für
Flaschenfabrikation, an welchem früher täglich etwa 7 Stun
aen gearbeitet, während der übrigen Zeit aber geschmolzen
wurde, producirte täglich gegen 3000 Flaschen; dies ergiebt
nnter Rücksichtnahme auf Hafenbruch und andere Unter
brechungen eine Monatsproduction von 70-80,000 Flaschen.
Die Hafen hielten ungefähr 3 Wochen, der Ofen selbst etwa
(j Monate, verlangte aber während dieser Zeit häufige Repa
raturen, welche den Betrieb beeinträchtigten.
Nachdem vor [) Jahren dieser Ofen durch geeignete Aende
rung der Gas- und Luftfüchse, sowie Vergrösserung der Schmelz-
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kammer dem neuen Heizungsverfahren entsprechend umgebaut
war, lieferte derselbe bei neunstündiger Arbeitszeit täglich
etwa 5000 Flaschen, die Monatsproduction stieg auf 130 bis
140,000 Flaschen und die Hafen standen reichlich 6 Wochen,
also über die doppelte Zeit gegenüber dem Regenerati vofen
alter Construction. Die erste Campagne des umgebauten
Ofens dauerte 3 volle Jahre.
Aus dieser vergleichenden Aufstellung ergie bt sich, dass
bei übrigens gleichem Kohlenverbrauche und Kostenaufwand
für Ofenbedienung in Folge des entsprechenden Umbaues
bezw. der Veränderung und Vergrösserung der Ofenkammer,
zum Zwecke der ausschliesslichen Benutzung der strahlenden
vVärme, also unter Ausschluss jeglicher Berührung der Heiz
flamme mit den Ofenwänden , den Glashäfen und dem Glase,
eine Mehrproduction von über 50 Prozent erreicht wurde.
Ferner lieferten die Hafen bis zu ihrer völligen Ausnutzung
über dreimal so viel Flaschen, wodurch die IIafenkosten, auf
die Production berechnet, von 50 Pfennigen im Ofen alter
Construction, auf 1[) Pfennige im neuen Ofen pro 100 Flaschen
sich verminderten. Der neue Ofen selbst lieferte über 10 mal
so viel vVaare als der frühere, ehe ein Umbau sich nöthig
machte. Andere nicht weniger wesentliche Vortheile ergaben
sich noch dadurch, dass das Gemenge viel hiirter, also billiger
gestellt werden konnte und das erfOchmolzene Glas schöner
und haltbarer wurde. Ferner konnteu die Glasmacher mit
weniger Schwierigkeit arbeiten; am alten Ofen war die Flamme
an den Arbeitslöchern höchst un beq uem und hinderlich, auch
das zu verarbeitende Glas selbst roher und unhantirlicher als
am Ofen neuer Bauart. Der Arbeiter ist demnach jetzt im
Stande mit weniger Mühe grössere Quantitäten Waare herzu
stellen; seine Verdienstfähigkeit ist dadurch um etwa 50 Pro
zent gestiegen.
Noch günstiger gestalten sich die Verhiiltnisse bei einem
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Regenerativ-Glashafenofen, an welchem vorzugsweise feinere
Lampengläser gearbeitet werden. Für feines und farbiges
Glas fallen die zuletzt beschriebenen Vortheile noch schwerer
ins Gewicht. Man kann das Gemenge nicht nur viel härter
stellen und erzielt nicht nur ein tadelloseres Glas, sondern
man ist auch in der Lage, sehr feine Glassorten, welche
bisher nur in geschlossenen Häfen hergestellt werden
konnten, wie gewöhnlicheres Glas, in offenen Häfen
Zll
schmelzen.
Die Ursache, warum man feineres Glas bisher nur in
verdeckten Hafen schmelzen konnte, liegt in der Einwirkung
Jer Flamme auf das Glas, welche absolut vermieden werden
muss. Diese Einwirkung ist jetzt durch ausschliessliche Be
nutzung der strahlenden Wärme der Flamme vollständig be
seitigt; es fehlt folglich auch die N othwendigkeit, geschlossene
Häfen anzuwenden.
Die Glaswannenöfen mit continuirlichem Betriebe wurden
eigentlich erst durch die Benutzung der strahlenden Wärme
möglich, darum lassen sich bei diesen Oefen vergleichende
Resultate, wie bei den Hafenöfen, nicht gut zusammenstellen.
Ich bemerke nur, dass diese Wannenöfen jetzt ebenfalls meh
rere J-ahre ununterbrochen functioniren und auch die Zwischen
wände, welche zu dem Zwecke vorhanden sind, um mehrere
Sorten Glas in einem Wannenofen herstellen zu können,
nur durch sorgfältiges Fernhalten jeder directen Einwirkung
der Flamme, auf längere Zeit zu erhalten sind.
Bei Stahlschmelzöfen, in welchen auf dem offenen
Heerde geschmolzen wird, ist die neue Flammenführung von
noch grösserer Bedeutung, wie bei den vorhin erwähnten
Glasöfen. Um Flussstahl auf dem Heerde zu schmelzen, wird
die höchste Hitze, welche in der gewöhnlichen Feuerungs
technik vorkommt, angewendet. Der Stahl leidet in seiner
Qualität besonders stark durch Oxydation, die ausserdem