Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHT DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 2869/Fachgruppe Medizin
Herausgegeben vom Minister für Wissenschaft und Forschung
Priv. -Doz. Dr. med. Martin Vlaho
Prof. Dr. med. Heinz-Günter Sieberth
unter Mitarbeit von
Detlev Geßner · Winfried Gutbrod ·
Karl-Georg Herrnans · Dirk Knüttgen ·
Thomas Krapp · Reinhold Nagel · Eberhard Schert
Medizinische Klinik der Universität zu Köln
Direktor: Prof. Dr. med. Rudolf Grass
Harnstoffsynthese und Harnstoffzyklusenzyme
in der Rattenleber
bei akuter und chronischer Urämie
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1979
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Vlaho, Martin:
Harnstoffsynthese und Harnstoffzyklusenzyme in
der Rattenleber bei akuter und chronischer
Urämie / Martin Vlaho ; Heinz-Günter Sieberth,
Unter Mitarb, von Detlev Gessner ••• -
Opladen : Westdeutscher Verlag, 1979.
{Forschungsberichte des Landes Nordrhein
Westfalen ; Nr. 2869 : Fachgruppe Medizin)
ISBN 978·3-531-02869-9
NE: Sieberth, Heinz-Günter:
© 1979 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1979
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
ISBN 978-3-531-02869-9 ISBN 978-3-663-19756-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-19756-0
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INHALTSVERZEICHNIS
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Zusammenfassung V
1. Einleitung 1
2. Literaturüberblick und Erklärung einiger
theoretischer Grundlagen 4
3. Fragestellung 13
4. Material und Methoden 14
4.1. Versuchstiere 14
4.2. Entnahme,Aufarbeitung der Leber und
Vorbereitung für die Inkubationsversuche
zur Bestimmung der Harnstoffsynthese 17
4.3. Inkubationsmedien 18
4.4. Durchführung der Inkubationsversuche 19
4.5. Bestimmung der Harnstoffkonzentration
im Serum 19
4.6. Harnstoffbestimmungen in KRB-Lösung
mit und ohne Zusätze 19
4.7. Enzymbestimmung 20
4.8. Statistische Auswertung der Ergebnisse 27
5. Ergebnisse 29
5.1. Harnstoffsyntheserate in der Rattenleber 29
5.2. Harnstoffsyntheserate in der menschlichen
Leber 66
5.3. Bestimmung der Aktivitäten der Harnstoff-
zykusenzyme in der Rattenleber 71
6. Diskussion 83
6.1. Harnstoffsynthese durch Leberschnitte 83
6.2. Änderungen der Aktivitäten der Harnstoff-
zyklusenzyme in der Leber akut urämischer
und der chronisch urämischen Ratten 103
7. Literaturverzeichnis 119
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ZUSAMMENFASSUNG
1. In Anlehnung an KREBS und HENSELEIT (70) wurde eine
modifizierte Methode entwickelt, die es gestattet, die Harn
stoffsyntheserate in Leberschnitten durch Inkubation in einer
substratfreien und substratgesättigten L6sung zu prUfen. Die
Krebs-Ringer-Bicarbonat-L6sung konnte so variiert werden, daß
bei Zugabe von Ornithin, Na-Laktat und NH4Cl die maximale
Harnstoffsynthese in vitro erzielt werden konnte.
2. Bei vergleichenden Untersuchungen wurde festgestellt, daß
auch aus dem Biopsiematerial, das mit einer Menghini-Nadel
gewonnen wird, und in dünne Scheibchen zerlegt wird, die
präzise Aussage über die Harnstoffsyntheserate bei Inkubation
in verschiedenen L6sungen m6glich ist. Auf diese Weise wurde
auch zum ersten Mal die Harnstoffsyntheserate bei Menschen in
Lebergewebe, das durch Menghini-Nadel gewonnen wurde, bestimmt
und mit dem Ergebnis der Harnstoffsyntheserate im Tiermodell
verglichen.
3. Bei Inkubation von Leberschnitten in der KRB-L6sung mit
Zusätzen von Ornithin, NH4Cl und Laktat war eine in anderen
Nährlösungen nachweisbare signifikante Differenz in der Harn
stoffsynthese hungernder und ernährter Ratten nicht vorhanden.
Auf diese Weise konnte eine Hungerperiode von 24 Stunden durch
dieses Nährmedium bezüglich der Harnstoffsynthese ausgeglichen
werden.
4. Für die maximale Harnstoffsynthese lag die günstigste
Inkubationsdauer in der hier verwendeten Nährl6sung bei 38°C
bei zwei Stunden. Die durch Leberschnitte gebildete Harnstoff
menge stieg nur in den ersten Stunden der Inkubation linear
an und fiel danach ab.
5. Der pH-Wert und die pH-Schwankungen sind von entscheiden
der Bedeutung bei der Überprüfung der Harnstoffsynthese in vitro.
In der Krebs-Ringer-Bicarbonat-L6sung mit Zusätzen ist die
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höchste Harnstoffsynthese bei einem pH-Wert von 7,65 zu verzeich
nen. Sowohl zur sauren wie auch zur alkalischen Seite hin erfolgte
ein Abfall der Syntheseleistung.
6. 48 Stunden nach der Entfernung der beiden Nieren haben die
Lebern der akut urämischen Tiere um ca. 30 % gesteigerte Harn
stoffsyntheseraten gegenüber den Kontrolltieren bei Verwendung
von substratangereicherten und substratfreiem Inkubationsmedium.
7. Die chronische Urämie wurde durch die sogenannte zweit
seitige 5/6 Nephrektomie bei den Ratten erzeugt. Zwei Wochen
nachdem die erste Niere entfernt wurde, wurde auf der kontrala
teralen Seite 5/6 des restlichen Nierenparenchyms entfernt und
dadurch eine chronische Urämie erzeugt. Es zeigte sich, daß die
Dauer der Urämie starken Einfluß auf die Syntheserate des Harn
stoffs in der Leber hat:
a) Chronisch azotämische Ratten, die nach 10-tägiger Urämie
untersucht wurden, zeigten, daß die Harnstoffsynthese durch die
Leberschnitte dieser Tiere im Vergleich zu scheinoperierten
noch immer um 16 % gesteigert ist.
b) nac~ einer Urämiedauer von 20 Tagen fand sich keine Diffe
renz in der Harnstoffsyntheserate zwischen den chronisch urämi
schen und scheinoperierten Tieren.
c) Bei einer Urämiedauer von 30 Tagen wurde sowohl ein Tier
kollektiv mit stark ausgeprägter Urämie als auch ein anderes
Kollektiv mit Azotämie ohne Urämiesymptome untersucht. Dabei
zeigte sich, daß die Leberschnitte der chronisch urämischen
Ratten nach 30-tägiger Urämiedauer etwas geringere Syntheseraten
an Harnstoff hatten, wenn sie mit den scheinoperierten Kontroll
tieren verglichen wurden. Die Differenz in der Syntheseleistung
bezüglich des Harnstoffs war jedoch noch nicht signifikant unter
schiedlich.
d) Bei identischen Versuchsbedingungen zeigten chronisch
azotämische Ratten - sowohl mit als auch ohne Substratangebot
im Inkubationsmedium - nach 40-tägiger Urämiedauer unterschied-
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liehe Harnstoffsyntheseraten. Die Tiere, bei denen die urämiche
Intoxikation sehr ausgeprägt war, bildeten um ca. 40 % weniger
Harnstoff als die scheinoperierten Tiere. Die azotämischen Rat
ten, bei denen die urämische Symptomatik nicht vorhanden war
und die Retentionswerte in einem mittleren Bereich lagen, zeigten
bezüglich der Harnstoffsynthese keinen Unterschied im Vergleich
zu den scheinoperierten Tieren.
Auf diese Weise konnte die Beziehung zwischen der Dauer der Urämie
und dem Ausmaß der urämischen Intoxikation einerseits und der
Harnstoffsyntheseleistung durch die Inkubation der Leberschnitte
gleicher Tiere andererseits hergestellt werden.
8. Inkubiert man das Lebergewebe von gesunden Menschen, das
durch Menghini-Nadel-Punktion gewonnen wurde, so kann in einer
Krebs-Ringer-Bicarbonat-Lösung, die NH4Cl, Na-Laktat und Ornithin
enthält, die Harnstoffsyntheserate recht genau gemessen werden.
Vergleicht man die Syntheserate von menschlichen Lebern mit den
Syntheseraten der Ratten bei gleichen Bedingungen, so ist die
Harnstoffproduktion durch Rattenleber unter gleichen Bedingungen
um ca. 60 % höher als die der menschlichen Leber. Dies beruht auf
der unterschiedlochen Enzymaktivität beide Lebern, denn die
Harnstoffzyklusenzymaktivitäten sind in der Rattenleber deutlich
höher als in der menschlichen Leber.
9. Vergleicht man die Syntheserate durch die Leberschnitte
von normalen Menschen und durch die Leberschnitte von Menschen,
die an einer Lebererkrankung, z.B. an einer ausgeprägten Fett
leber litten, so zeigt sich, daß die Syntheserate durch die
Leber der Patienten mit ausgeprägter Leberverfettung signifikant
niedriger ist.
10. Die Bestimmung der Harnstoffzyklusenzyme in der akuten
Urämie (48 Stunden nach der bilateralen Nephrektomie) erbrach
ten folgende Ergebnisse:
Alle fünf Enzyme des Harnstoffzyklus (Carbamylphosphatsynthetase,
Ornithintranscarbamylase, Argininosuccinatsynthetase, Arginino
succinatlyase, Arginase) waren im Vergleich zu scheinoperierten
Tieren signifikant erhöht. Die Erhöhung der Aktivitäten der
Harnstoffzyklusenzyme in der akuten Urämie ist für die wesent-
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lieh höhere Produktionsrate an Harnstoff durch die Leber akut
urämischer Ratten im Vergleich zu scheinoperierten Tieren ver
antwortlich zu machen.
11. Die Untersuchung der sämtlichen Harnstoffzyklusenzyme in
der chronischen Urämie erbrachte andere Ergebnisse als sie bis
her in der Literatur beschrieben wurden. Nach einer experimen
tellen Urämiedauer von 40 Tagen und ausgeprägter Urämie,
fanden wir bei der Bestimmung der Harnstoffzyklusenzyme
folgende Konstellation:
Carbamylphosphatsynthetase, Argininosuccinatsynthetase und
Argininesuccinatlyase waren im Vergleich zu den Enzymaktivitäten
bei Kontrolltieren signifikant erhöht. Die Aktivität der Orni
thincarbamyltransferase und der Arginase war unter diesen urämi
schen Bedingungen nicht unterschiedlich im Vergleich zu schein
operierten Tieren.
12. Bei der Messung des Eiweißgehaltes in der Leber der akut
urämischen Tiere und der chronisch urämischen Tiere konnte
gezeigt werden, daß der Eiweißgehalt sowohl der akut urämischen
als auch der chronisch urämischen Tiere signifikant niedriger als
der der sch~inoperierten Tiere war. Dies deutet auf einen ver
stärkten Katabolismu~ in der Urämie hin.
13. Infolge der Erhöhung der Enzymaktivität der Carbamylphos
phatsynthetase, Argininosuccinatsynthetase und Argininesuccinat
lyase bei unveränderter Aktivität von Arginase und Ornithintrans
ferase ist anzunehmen, daß die Argininkonzentration und die
Praekursoren des Harnstoffs in der Leber an Konzentration zuneh
men. Durch Kumulation von Arginin findet die Übertragung der
Amidinogruppe des Arginins auf Glycin statt. Dabei entsteht Guani
dinessigsäure. Infolge der inhibitorischen Wirkung der kumulierten
Guanidinessigsäure wirddie Amidinogruppe des Arginins in zuneh
mendem Maße auf Aspartat übertragen. Dadurch entsteht Guanidin
bernsteinsäure. Auf diese Weise sind die erhöhten Konzentrationen
an Guanidinbernsteinsäure und Guanidinkörper in der chronischen
Urämie, besonders ausgeprägt intrazellulär, erklärlich.
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14. Bei der Inkubation der Leberschnitte akut urämischer
Ratten im gepoolten Serum von normalen Ratten zeigt sich,daß
die Leberschnitte von akut urämischen Ratten signifikant mehr
Harnstoff bilden,als die Leberschnitte normaler Ratten im
gleichen Serum.Die Harnstoffproduktion der Leberschnitte normaler
Ratten im gepoolten Serum urämischer Patienten liegt signifikant
höher als bei gleichen Versuchsbedingungen im Serum gesunder
Menschen.
15. Harnstoff selbst führt in Konzentrationen von 100 und
200 mg/100 ml Inkubationsflüssigkeit in Anwesenheit von Laktat
zu einer Hemmung der Harnstoffsynthese,wohl über die Bereit
stellung von ATP als Energielieferant und nicht durch direkte
Beehflußung der Harnstoffzyklusenzyme.
16. Der verstärkte Eiweißkatabolismus in der Urämie führt zu
Verschiebungen des Aminosäurespektrums im Plasma und intrazellu
lär,wie besonders BERGSTRÖM und Mitarbeiter zeigen konnten.
Vermindert sind im Plasma besonders Leucin,Isoleucin,Valin und
Histidin,vermehrt besonders Citrullin,also Aminosäure des
Harnstoffzyklus.Durch Substitution bestimmter Aminosäuren oder
deren Ketoanaloga läßt sich der Mangel an Aminosäuren reduzieren
und die Proteinsyntheserate steigern.Ketoanaloga werden durch
Transaminierung in die entsprechenden Aminosäuren umgewandelt,
was zu einer Besserung der Stickstoffbilanz mit Abnahme des
Serumharnstoffs führt.
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1. Einleitung
Der Harnstoff stellt die wichtigste Ausscheidungsform des
überschüssigen Stickstoffs beim Säugetier und beim Menschen
dar. Auf diese Weise wird das Ammoniak, das im Organismus
durch Umsatz von Protein bzw. Aminosäuren anfällt, entfernt
und sein toxischer Effekt eliminiert. Der Harnstoff wird
hauptsächlich in der Leber gebildet. Durch Proteolyse im
Darm (Nahrungseiweiß) und durch Eiweißzerfall in verschiede
nen Organen werden Aminosäuren frei und gelangen auf dem
Blutweg zur Leber. Die Leber hat eine kontrollierende
Funktion über den Aminosäurespiegel im Plasma, wobei auch
andere Organe beteiligt zu sein scheinen. Die Übertragung
der Aminogruppen erfolgt in der Leber durch Transaminierung,
die überschüssigen Aminogruppen werden auf Glutamat und
Aspartat übertragen und dadurch in den Harnstoffzyklus ein
geschleust. Ammoniak, das aus dem Darm zur Leber geführt
wird, wird ebenso hauptsächlich in den Harnstoffzyklus ein
geführt. Die bei der Desaminierung der Aminosäuren ent
stehenden Kohlenstoffskelette werden über den Citratzyklus
abgebaut, bilden Ketonkörper oder der Glukoneogenese,
d~enen
wodurch die enge Verbindung mit Kohlenhydratstoffwechsel
hergestellt wird. Für die Regulation des Proteinstoff
wechsels sind einige Aminosäuren im Blut von besonderer
Bedeutung. Das geht aus Versuchen mit proteinfrei er
nährten Tieren hervor. Proteinfrei ernährte Tiere haben
veränderte Aminosäurezusammensetzungen des Plasmas, redu
zierte Albuminsynthese, die sich durch Zugabe einzelner
Aminosäuren normalisieren läßt. Wie bereits erwähnt, stimu
lieren die Aminosäuren durch Bereitstellung ihres Kohlen
stoffgerüstes in bestimmten Situationen die Glukoneoge
nese. Der dabei anfallende Stickstoff wird als Harnstoff
ausgeschieden, was die enge Verknüpfung der Harnstoffsyn-