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GESCHICHTSBLÄTTER
H E R A U SG E G E B E N
VOM
H A N SIS C H E N G E S C H IC H TSV ER EIN
77. JA H R G A N G
1959
B Ö H L A U V E R L A G K Ö L N G R A Z
HANSISCHE
GESCHICHTSBLÄTTER
HERAUSGEGEBEN
VOM
HANSISCHEN GESCHICHTSVEREIN
77. JAHRGANG
1959
B Ö H L A U V E R L A G K Ö L N G R A Z
SC H RIFTLEITU NG
Universitätsprofessor Dr. Paul Johansen, Hamburg.
Zuschriften und Besprechungsexemplare sind zu richten an Herrn Professor Dr.
Paul Johansen, Historisches Seminar der Universität, Hamburg 13.
Manuskripte werden in Maschinenschrift erbeten. Korrekturänderungen, die
mehr als zwei Stunden Zeitaufwand für den Bogen erfordern, werden dem
Verfasser berechnet. Die Verfasser erhalten von Aufsätzen, Mitteilungen und
selbständigen Buchbesprechungen 20, von Beiträgen zur Hansischen Umschau
5 Sonderdrucke unentgeltlich, weitere gegen Erstattung der Unkosten. Die
Schriftleitung behält sich vor, dem Verein unaufgefordert zugegangene Schriften
nach ihrem Ermessen selbständig oder in der Hansischen Umschau zu besprechen.
Bezugsnachweis für die vom Hansischen Geschichtsverein früher herausgegebenen
Veröffentlichungen im Jahrgang 76, 1958, S. 236—240.
Zuschriften in geschäftlichen Angelegenheiten des Hansischen Geschichtsvereins
sind an die Geschäftsstelle des Vereins, Lübeck, St.-Annen-Straße 2, zu richten.
Der Mitgliederbeitrag beträgt zur Zeit für Einzelpersonen, Vereinigungen und
Anstalten mindestens DM 10,—; Beiträge von Städtemitgliedern nach beson
derer Vereinbarung.
Die Lieferung der Hansischen Geschichtsblätter erfolgt auf Gefahr der Emp
fänger. Kostenlose Nachlieferung in Verlust geratener Sendungen erfolgt nicht.
Die Veröffentlichung dieses Bandes in vorliegendem Umfang wurde durch eine
dankenswerte größere Beihilfe der Possehl-Stiftung zu Lübeck ermöglicht.
Druck der Aschendorffschen Buchdruckerei, Münster (Westf.)
INHALT
Ludwig Beutin t ........................................................................................... 1
Aufsätze
Finnlands Städte und hansisches Bürgertum (bis 1471). Von Rolf
Dencker (Turku/Äbo)........................................................................................................ 13
Die dänische Blockade Rostocks 1628 und Schweden. Von Emil Schieche
(Stockholm-Huddinge)........................................................................................................ 94
Miszelle
Gustav Vasa und Lübeck. Bemerkungen zu einem neuen schwedischen
Beitrag. Von Helga Rossi (Flensburg)..............................................................................120
Besprechungen
Studien zu den Anfängen des europäischen Städtewesens. Vorträge
und Forschungen Band IV, herausg. vom Institut für geschichtliche
Landesforschung des Bodenseegebietes in Konstanz, geleitet von Theo
dor Mayer. Von Hugo Weczerka (Hamburg) ..........................................................124
La Ville. Recueils de la Societe Jean Bodin, Vol. VI—VIII. Von
R. B. Grassby (Oxford) ............................................................................................130
Heinrich Schmidt, Die deutschen Städtechroniken als Spiegel des bür
gerlichen Selbstverständnisses im Spätmittelalter. Von Ernst Pitz
(W olfenbüttel)............................................................................................................................133
Der Raum Westfalen. Band IV: Wesenszüge seiner Kultur, Erster
Teil. Herausg. H. Aubin, F. Petri und H. Schienger. Von Ahasver
v. Brandt (Lübeck) .............................................................................................................135
Götz Freiherr von Pölnitz, Anton Fugger, Band 1, 1453— 1535. Von
Pierre Jeannin (Paris) ........................................................................................................138
Wilhelm Jannasch, Reformationsgeschichte Lübecks vom Petersablaß
bis zum Augsburger Reichstag 1515—1530. Veröff. zur Geschichte der
Hansestadt Lübeck, herausg. vom Archiv der Hansestadt, Band 16.
Von Hubertus Schwartz (Soest) .....................................................................................143
Rostock-Osloer Handelsbeziehungen im 16. Jh. Die Geschäftspapiere
der Kaufleute Krön in Rostode und Bene in Oslo. Herausg. u. kom
mentiert von Hildegard Thierfelder. Abhandlungen zur Handels- und
Sozialgeschichte 1. Von Emilie Andersen (Kopenhagen) ..............................148
Hermann Kellenbenz, Sephardim an der unteren Elbe. Ihre wirtschaft
liche und politische Bedeutung. VSWG, Beiheft 40. Von Otto Brunner
(Hamburg)......................................................................................................................................151
Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Band I: Schleswig-
Holstein und Hamburg. Band II: Niedersachsen und Bremen. Von
S. H. Steinberg (L ondon)...................................................................................................153
Das älteste Bürgerbuch der Stadt Soest 1302—1449. Herausg. Hermann
Rothert. Veröff. der Hist. Komm. für Westfalen. Von Paul Johansen
(Hamburg) .................................................................................................................................154
Hansische Umschau 1958
In Verbindung mit Siegfried Baske, Ahasver von Brandt, Carl Haase,
Friedrich Prüser, S. H. Steinberg bearbeitet von Paul Johansen
Allgemeines und hansische Gesamtgeschichte ......................................................156
Vorhansische Z eit......................................................................................................................175
Zur Geschichte der einzelnen Hansestädte und der niederdeutschen
Landschaften...............................................................................................................................179
Westeuropäische Städte und Länder ..........................................................................196
Der skandinavische N orden.............................................................................................206
O steuropa....................................................................................................................................212
Hanseatische Wirtschafts- und Überseegeschichte .............................................229
Abkürzungen der gebräuchlichsten Zeitschriftentitel .......................................237
Autorenregister für Besprechungen und U m schau.............................................239
Mitarbeiterverzeichnis............................................................................................................240
Jahresbericht 1958/59 241
DEM A N D E N K E N AN L U D W I G B E U T I N
(1903—1958)
VON
AHASVER v. BRANDT
Die 55 Jahre, die Ludwig Beutin vergönnt waren, hätten in mittel
alterlichen Jahrhunderten als reichlich zugemessene Lebenszeit gelten
können; unserer zählebigeren Generation erscheinen sie als allzu jäh ab
gebrochener Torso. Dies um so mehr, als sie in die sturmvollsten Jahr
zehnte unserer Geschichte fielen und daher von einem folgerichtigen,
äußerlich ungestörten beruflichen und wissenschaftlichen Werdegang eben
so wenig die Rede sein konnte, wie von einer mußevollen und harmo
nischen inneren Reife. Das Saevis tranquillus in undis, Beutins oft
zitierter Lieblingsspruch, war ein Programm, kein zufriedenes Selbst
bekenntnis; doch wußten das nur wenige, die ihm nahestanden. Die Zeit,
in der er ungehemmt die Arbeit leisten konnte, für die er recht eigentlich
bestimmt war, drängt sich auf wenige Jahre zusammen: nur sieben Jahre
konnte er als ordentlicher Universitätsprofessor wirken, nur acht Jahre
lang auch in unserem Kreise als Vorstandsmitglied an der Stelle tätig
sein, die ihm gebührte, davon sechs Jahre als Mitredakteur dieser Zeit
schrift. Er hat diese Kürze der ihm für die Ernte zugemessenen Zeit wohl
gespürt. Schon bevor im letzten Lebensjahr die Schatten der heimtücki
schen Krankheit immer drohender wurden, schrieb er einmal, als ihm ein
Freund den Raubbau, den er mit seinen Kräften treibe, vorgehalten
hatte: „...ich sagte ihm, daß ich (mein Leben) nur als unvermutetes Ge
schenk betrachten könne und daher mich nicht zu sehr schonen wolle“ 1.
Und so hat er sich wirklich nie geschont: als Lehrer im Gymnasialdienst,
als Offizier in sechs Kriegsjahren an allen europäischen Fronten, schließ
lich als Dozent und Professor, und immer nebenher als wissenschaftlicher
Forscher und Organisator. Er brannte seine Kerze ständig an beiden
Enden. Niemand vermag zu sagen, ob diese dauernde bewußte Anspan
nung aller Kräfte dazu beigetragen hat, daß er dem Angriff der über
mächtigen Krankheit schließlich so rasch erlag. Aber das ist sicher, daß
er auf diese Weise seinem Leben eine menschliche, geistige und wissen
schaftliche Leistung abgezwungen hat, die in jedem Betracht ungewöhn
lich war.
1 November 1955. Dieses und die folgenden datierten Zitate sind Auszüge aus
Briefen Beutins.
1 H Gbl. 77
2 Ahasver v. Brandt
Ludwig Beutin ist am 20. März 1903 in Wernsdorf in der Mark, wo
der Vater vorübergehend als Baumeister tätig war, geboren. Von Vater-,
wie von Mutterseite war er ein reiner Niederdeutscher, wie er sich später
auch in der Ehe mit einer ihm innerlich wesensverwandlen Niederdeut
schen verbunden hat. Freilich war er kein Niederdeutscher von dem
legendären simplen und „gemütlichen“ Schlag; vielmehr von ursprünglich
sehr herben, ja abweisenden äußeren Formen, schwierig und widerspen
stig als junger Mensch, innerlich damals nach eigenem Urteil lange zwie
spältig und unklar, von einer stark quellenden Phantasie, von künstle
rischem Ausdruckswillen, von Naturschwärmerei und Abneigung gegen
die Erwachsenen-Welt bestimmt — durchaus Kind der Großstadt, in der
er aufwuchs. Erst in strenger Selbstzucht und Selbsterkenntnis, von
Jugend an durch Tagebuchschreiben kontrolliert, gelang die Festigung
dieses echt „modernen“, problematischen Charakters zu der mehr nüch
tern, ja skeptisch sich gebenden Reife der späteren Jahre, die die immer
lebendig gebliebene innere Wärme gern sogar hinter Selbstironie und
scharfem Spott verbarg. Der Vater, der dem ungebärdigen Sohn offen
sichtlich eine besonders verständnisvolle Güte entgegenbrachte, war ein
Mecklenburger Handwerkersohn, der sich aus eigener Kraft vom Zimmer
mann zum Bautechniker emporgearbeitet hatte und als solcher dann fast
vierzig Jahre lang beim bremischen Wasserstraßenbau tätig sein konnte.
Die Mutter, aus ostholsteinischem Bauern- und Handwerkergeschlecht,
war im elterlichen Kramladen in Lübeck aufgewachsen. So war schon der
Schüler der Bremer Real- und Oberrealschule vom Elternhause her zwei
hanseatischen Metropolen heimatlich verbunden. Aber die eigentliche
Heimat war ihm in jenen düsteren Schuljahren während des ersten Welt
krieges die karge, stille Natur der Moor- und Heidelandschaften um
Bremen geworden, die er im „Wandervogel“ erlebte, einer Gemeinschaft,
die — mit allen den Krisen und auch seelischen Kämpfen, welche ihre
damalige zweite Generation erschütterten — mehr als alles andere in
den Jahren zwischen 1917 und 1920 den Jungen beschäftigt und be
eindruckt hat. Als er 1921 die Reifeprüfung bestanden hatte, herrschte
die Not der Inflationszeit. An ein Studium war für den Sohn des kleinen
bremischen Staatsangestellten nicht zu denken. So hat er, wie vor ihm
einst der Bremer Dietrich Schäfer, seine Berufslaufbahn als „Lehrerlehr
ling“ beginnen müssen, freilich mit der Hoffnung, auf dem damals mög
lichen Weg über die Zeichenlehrerausbildung später doch noch an eine
höhere Schule gelangen zu können. An dem gleichen bremischen Seminar,
wie Dietrich Schäfer, legte er das Volkssdhullehrerexamen ab und war
dann kurze Zeit hindurch an verschiedenen bremischen Schulen vertre
tungsweise tätig. Erst nach der Inflation, im Jahre 1924, konnte ihm der
Vater unter großen persönlichen Opfern das ersehnte Universitätsstudium
ermöglichen: Beutin ging zunächst nach Marburg, wo seit einem Jahr