Table Of ContentHANSISCHE
GESCHICHTSBLÄTTER
HERAUSGEGEBEN
V O M
HANSISCHEN GESCHICHTSVEREIN
98. JAHRGANG
1980
B Ö H L A U V E R L A G K Ö L N W I E N
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HANSISCHE
GESCHICHTSBLÄTTER
HERAUSGEGEBEN
VOM
HANSISCHEN GESCHICHTSVEREIN
98. JAHRGANG
1980
B Ö H L A U V E R L A G K Ö L N W I E N
R E D A K T I O N
Aufsatzteil: Prof. Dr. Klaus Friedland, Kiel
Umschau: Prof. Dr. Franz Irsigler, Trier
Zuschriften, die den Aufsatzteil betreffen, sind zu richten an Herrn Prof. Dr.
Klaus Friedland, 2300 Kiel, Schloß; Besprechungsexemplare und sonstige Zu
schriften wegen der Hansischen Umschau an Herrn Prof. Dr. Franz Irsigler,
Fachbereich III der Universität Trier, Postfach 38 25, 5500 Trier-Tarforst.
Manuskripte werden in Maschinenschrift erbeten. Korrekturänderungen, die einen
Neusatz von mehr als einem Zehntel des Beitragsumfanges verursachen, werden
dem Verfasser berechnet. Die Verfasser erhalten von Aufsätzen und Miszellen 20,
von Beiträgen zur Hansischen Umschau 5 Sonderdrucke unentgeltlich, weitere
gegen Erstattung der Unkosten.
Die Lieferung der Hansischen Geschichtsblätter erfolgt auf Gefahr der Emp
fänger. Kostenlose Nachlieferung in Verlust geratener Sendungen erfolgt nicht.
Bezugsnachweis für die vom Hansischen Geschichtsverein früher herausgegebenen
Veröffentlichungen im Jahrgang 86, 1968, S. 210—214.
Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.
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Funk- und Fernsehsendung sowie Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen
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DM 0,40 (bzw. DM 0,15) zu verwenden.
Die Veröffentlichung dieses Bandes im vorliegenden Umfang wurde durch eine
dankenswerte größere Beihilfe der Possehl-Stiftung zu Lübeck ermöglicht.
Druck der Aschendorffschen Buchdruckerei, Münster (Westf.)
ISSN 0073-0327
I N H A L T
Wilhelm Ebel f ....................................................................................................V
Gerhard Neumann f ..........................................................................................VIII
Aufsätze
Die Frau in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft Mitteleuropas.
Von Edith Ennen (Bonn)...................................................................... 1
Neueste norwegische Forschungen über deutsche Kaufleute in Nor
wegen und ihre Rolle im norwegischen Außenhandel im 12. bis
14. Jahrhundert. Von Knut Helle (Bergen/Norwegen) . . . . 23
Die Kölner Mark in neuem Licht. Mit besonderer Berücksichtigung
des Normannorum pondus. Von Heinz Ziegler (Braunschweig) . . 39
Der Kieler Umschlag in nordwesteuropäischer Perspektive. Von Erling
Ladewig Petersen (Odense/Dänemark)..................................................61
Miszelle
Der Hansehandel mit Novgorod nach dem Zeugnis archäologischer
Quellen. Bericht über eine sowjetische Publikation. Von Norbert
Angermann (Buchholz/Nordheide)........................................................76
Hansische Umschau
In Verbindung mit Norbert Angermann, Detlev Ellmers, Elisabeth
Harder-Gersdorff, Volker Henn, Erich Hoffmann, Pierre Jeannin,
P. H. J. van der Laan, Martin Last, George D. Ramsay, Herbert
Schwarzwälder, Hans-Bernd Spies, Hugo Weczerka und anderen be
arbeitet von Franz Irsigler
Allgem eines....................................................................................................85
Schiffahrt und Schiffbau.............................................................................104
Vorhansische Z e i t .....................................................................................127
Zur Geschichte der einzelnen Hansestädte und der niederdeutschen
Landschaften.................................... 134
W esteuropa...................................................................................................185
Skandinavien...................................................................................................201
Osteuropa...........................................................................................................213
Autorenregister für die Umschau...............................................................236
Mitarbeiterverzeichnis für die Um schau.................................................238
Für die Hanseforschung wichtige Zeitschriften (Abkürzungsverzeichnis) 239
Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein
Jahresbericht 1979 243
Liste der Vorstandsmitglieder des Hansischen Geschichtsvereins . . 246
W I L H E L M EB EL
1908— 1980
von
G Ö T Z L A N D W E H R
Am 22. Juni 1980 ist — kurz nach Vollendung seines 72. Lebens
jahres — der nicht nur in der deutschen, sondern auch in der europä
ischen, vor allem skandinavischen Fachwelt allenthalben bekannte Göt
tinger Rechtshistoriker Professor Dr. jur., Dr. jur. habil. Wilhelm Ebel
verstorben, der sich außerordentliche und bleibende Verdienste erworben
hat um die Stadtrechtsforschung im allgemeinen und um die hansisch-
lübische Rechtsgeschichte insbesondere. Der wissenschaftliche Lebens
weg dieses am 7. Juni 1908 in Garsuche/Schles. geborenen und in der
ostpreußischen Kleinstadt Rößel aufgewachsenen Gelehrten begann als
Student an den Universitäten Königsberg, Heidelberg und Bonn, wo er
Rechtswissenschaft, Geschichte und Sprachen studierte. In Heidelberg
war er Schüler des bekannten Rechtshistorikers Heinrich Mitteis in
dessen rechtsgeschichtlichem Seminar. In Bonn legte er 1931 das
Referendarexamen ab und promovierte 1933 bei Prof. Dr. Adolf Zycha
mit einer auch heute noch beachteten Arbeit über „Gewerbliches Arbeits
vertragsrecht im Deutschen Mittelalter“ (1934). Nach der großen Juristi
schen Staatsprüfung im Jahre 1934 folgte bereits kurze Zeit später
1935/36 die Habilitation für die Fächer Deutsche Rechtsgeschichte und
Deutsches Recht (Bürgerliches Recht, Handelsrecht und Nebengebiete)
an der Juristischen Fakultät der Universität Bonn. Den Dozenten führte
der Weg über Lehrstuhlvertretungen in Marburg und Königsberg im
Jahre 1937 als beamteten außerordentlichen Professor nach Rostock, von
wo er bereits ein Jahr später 1938 ehrenvoll als Nachfolger des ange
sehenen Rechtshistorikers Herbert Meyer, der nach Berlin gegangen war,
als ordentlicher Professor an die Georg-August-Universität in Göttingen
berufen wurde. Diesen Lehrstuhl hat er bis zum Jahre 1965 innegehabt,
als er sich im Alter von 56 Jahren nach zwei schweren Herzinfarkten aus
gesundheitlichen Gründen vorzeitig emeritieren lassen mußte.
Das wissenschaftliche Lebenswerk Wilhelm Ebels umspannt alle Be
reiche der deutschen Rechtsgeschichte. Es liegt in über vierzig zum Teil
mehrbändigen Buchveröffentlichungen und über hundert teilweise um
fangreichen Abhandlungen in wissenschaftlichen Sammelwerken und
Zeitschriften vor. Es gibt kaum ein historisches Rechtsgebiet, zu dem
Wilhelm Ebel sich nicht maßgebend und richtungweisend geäußert hat.
Seine Werke sind aus der heutigen rechtsgeschichtlichen Forschung nicht
VI Götz Landwehr
mehr wegzudenken, auf ihnen bauen zahlreiche Arbeiten jüngererWissen-
schaftler auf. Auch die Lokal- und Landesgeschichte verdankt ihm viele
Anregungen und Antworten auf wesentliche Rechtsfragen, zumal er, wie
kein anderer vor ihm, die niederdeutsche, insbesondere die lübisch-
hansische und die friesische Rechtsgeschichte erforscht hat.
Wilhelm Ebels besonderes Interesse galt der Rechtsbildung sowie dem
Geltungsgrund und den Erscheinungsformen des älteren Rechts. Hier
sind aus einer langen Reihe von Arbeiten, insbesondere zum Wesen des
Eides und zur Bedeutung des Gelöbnisses die beiden grundlegenden und
bahnbrechenden Studien über „Die Willkür“ (1953) und den „Bürger
eid“ (1958) zu nennen. Diese beiden Werke sind Pionierleistungen auf
dem Gebiet der Begriffsgeschichte. Sie haben der Erkenntnis über das
Wesen der mittelalterlichen Rechtsbildung neue Wege eröffnet und seit
dem zu vielen Arbeiten angeregt. Das Werk über den Bürgereid ist zu
recht als ein „Allgemeiner Teil“ der deutschen Stadtrechtsgeschichte
charakterisiert worden. Das dritte in diesem Zusammenhang gehörende
Werk ist die in zwei Auflagen erschienene „Geschichte der Gesetzgebung
in Deutschland“ (1956, 1958). In ihr verfolgt Ebel den Weg von den
ältesten rechtlichen Denkformen hin zum Gesetz der industriellen
Massengesellschaft und des modernen bürokratischen Verwaltungs
staates.
Auch die Privatrechtsgeschichte verdankt Wilhelm Ebel wertvolle Er
kenntnisse zur bürgerlichen und städtischen Lebensordnung im Mittel
alter, die er insbesondere aus niederdeutschen, vor allem lübisch-
hansischen und sächsischen Rechtsquellen erschlossen hat. Hervorzu
heben sind Untersuchungen zur Ausgestaltung des Kaufrechts, zum
Wesen von Bürgschaft und Pfand, zur rechtlichen Gestaltung der Treu
hand und der mittelalterlichen Handelsgesellschaften und Reedereien,
zum Versicherungsvertrag und zur Entwicklung des Prozeßrechts. Sie
konzentrieren sich immer wieder auf die Kernfrage nach dem Wesen
des mittelalterlichen Schuldvertrages und der Bedeutung von Schuld und
Haftung im älteren deutschen Recht sowie die darauf bezogenen rechts
schöpferischen Leistungen des mittelalterlichen deutschen Bürgertums.
Bereits in seine Rostocker Zeit fällt mit drei Veröffentlichungen zur
Rechtsgeschichte dieser Stadt die Begegnung mit dem Lübischen und
Hansischen Recht, mit dem sich Ebel zeitlebens mit einer leidenschaft
lichen Liebe ohne gleichen beschäftigt hat. Die vierbändige Edition der
„Lübecker Ratsurteile“ sowie zahlreiche Monographien und umfang
reiche Aufsätze sind Zeugnisse dieser wissenschaftlichen Leidenschaft.
Den krönenden Abschluß dieser Arbeiten sollte die auf mehrere Bände
geplante Darstellung des „Lübischen Rechts“ bilden, von der leider nur
noch der erste Band erschienen ist (1971).
Jeder, der einen Blick in Wilhelm Ebels Arbeiten wirft, ist überwältigt
von der Fülle der Quellen, die mit scharfsinnigem Blick für die histori
Wilhelm Ebel 1908— 1980 VII
sehen Zusammenhänge und die Strukturen der älteren Rechtsordnung
in ihrer eigenen Begrifflichkeit und Systematik erfaßt und in einer an
schaulich-bildhaften Sprache dargestellt werden. Ebel hat seine sämt
lichen Kenntnisse original aus den Urkunden, Handschriften, Stadt
büchern und Akten der Archive geschöpft. So ist es nicht verwunderlich,
daß er sich in Anbetracht seiner philologischen Interessen, insbesondere
an der mittelniederdeutschen sowie der angelsächsisch-friesischen und
auch der nordischen Sprachen, auch als Herausgeber von Rechtsquellen
einen bedeutenden Namen gemacht hat. Neben den bereits genannten
„Lübecker Ratsurteilen“ (1955— 1967) und dem „Revaler Ratsurteils
buch“ (1952) sind zu nennen: Die vorzügliche und mustergültige Edition
des „Stadtrechts von Goslar“ (1968) und die zusammen mit dem be
kannten Groninger friesischen Philologen J. W. Buma zweisprachig (alt
friesisch und neuhochdeutsch) seit 1963 in acht Bänden edierten „Alt
friesischen Rechtsquellen“, ferner die „Ostfriesischen Bauerrechte“
(1964) und schließlich die „Quellen zur Geschichte des deutschen
Arbeitsrechts“ (1964).
Bis zuletzt hat Ebel seine Arbeitskraft, die in den beiden letzten Jahren
erheblich beeinträchtigt war, nachdem ihn seine Krankheit 1978 kurz
nach Vollendung seines 70. Lebensjahres ein drittes Mal schwer dar
nieder warf, der wissenschaftlichen Forschung gewidmet. So ist es nicht
verwunderlich, sondern eigentlich nur typisch für Wilhelm Ebels ge
samtes wissenschaftliches Lebenswerk, daß noch nach seinem Tode vier
weitere Veröffentlichungen erscheinen werden, darunter zwei zum
Lübischen Recht.
Betrachtet man die germanistische rechtshistorische Forschung in
diesem, dem 20. Jahrhundert, so gehört Wilhelm Ebel nach der ersten
Generation — mit so glanzvollen Namen wie Heinrich Brunner, Otto
von Gierke und Karl von Amira — und der nicht weniger bedeutenden
zweiten —- mit so namhaften Gelehrten wie Claudius von Schwerin,
Heinrich Mitteis und Hans Planitz — der dritten Generation dieses
Saeculum an. Seine Werke gehören ohne Zweifel zu dem Bedeutendsten
und Fruchtbarsten, was von dieser Gelehrtengeneration an Forschungs
arbeit zur deutschen Rechtsgeschichte hervorgebracht worden ist. Davon
wird auch die nächste Generation der Rechts- und der Stadthistoriker
zehren.
G E R H A R D N E U M A N N
1908— 1980
von
K L A U S F R I E D L A N D
Im Hochsommer dieses Jahres verlor die hansische Geschichtswissen
schaft einen der letzten aus dem Kreise der älteren Rörigschüler, die
noch ganz unmittelbar von der neuen Forschungskonzeption ihres
Lehrers beeinflußt waren. Von der Forschungsmethode sowohl wie vom
Forschungsgegenstand: dem Gebot, nüchternes Quellengut der wirt-
schafts- und rechtsgeschichtlichen Überlieferung exakt auszuwerten, und
der Zielsetzung, so die Persönlichkeiten hansischer Kauf- und Ratsherren,
ihre fernhändlerische, kommunalpolitische und geistesgeschichtliche Lei
stung erkennbar werden zu lassen. Gerhard Neumann ist mit seiner
Kieler Dissertation (1931) über „Hinrich Gastorp. Ein Lübecker Bürger
meister aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts“ geradezu repräsen
tativ für diese Forschungskonzeption geworden und ist es in seinem
weiteren Leben auch geblieben. Gerade in den letzten Jahren hatte er
seine personengeschichtlichen Forschungen wieder aufgenommen, mit
Arbeiten über den Schiffsführer Paul Beneke und die Syndiker Simon
Batz und Johannes Osthusen, über die hansischen Unterhändler bei den
Utrechter Friedensverhandlungen, über Lübecker Hausbesitzer im
Rechtsstreit um ihr Eigentum, über die führenden auswärtigen Vertreter
Lübecks im 15. Jahrhundert. Neumanns Vorliebe fürs Biographische war
von Anfang an Ausdruck eines Strebens zu weiter gesteckten Zielen. Un
zeitgemäßen Zielen freilich, wenn man die verhängnisvolle Preisgabe
übernationaler Verständigungsbemühungen dagegenhält, die sich gerade
damals die neuen Machthaber in Deutschland glaubten leisten zu kön
nen. Ein von dem 25jährigen (geboren 21. 1. 1908 in Pritzerbe a. d.
Havel) angetretener Englandaufenthalt als Austauschassistent bei dem
Sozial- und Wirtschaftsgeschichtsforscherpaar Eileen Power und Michael
Postan endete schon nach 2 Jahren, ein Australienaufenthalt, den der
30jährige als Gastdozent begann, zog sich über Kriegsausbruch und
Internierungsjahre bis 1947 hin. Erst danach entsprachen Form und
Dauer beruflicher Verpflichtungen vollständig den persönlichen und
individualen Anliegen, beim Aufbau und bei der Leitung von Lehrer-,
Schüler- und Wissenschaftleraustausch (in Bonn), bei der Entwicklung
und Förderung von Hochschul- und Wissenschaftsangelegenheiten in der
Gemeinschaft und der Verbindung europäischer Länder (als Abteilungs
leiter) beim Europarat in Straßburg 1962 bis zu seiner Pensionierung