Handels- und Investitions-abkommen als Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung? Lehren aus dem Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit karibischen Staaten

34 Pages·2015·0.503 MB·German

by  Evita Schmieg

SWP-Studie
Stiftung Wissenschaft und Politik
Deutsches Institut für Internationale
Politik und Sicherheit
Evita Schmieg
Handels- und Investitions-
abkommen als Beitrag zu
nachhaltiger Entwicklung?
Lehren aus dem Wirtschaftspartnerschafts-
abkommen der EU mit karibischen Staaten
S 13
Juni 2015
Berlin
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ISSN 1611-6372
Inhalt
5 Problemstellung und Empfehlungen
7 Das CARIFORUM-EU-EPA: Handelspräferenzen
sichern – oder Entwicklung durch
Wertschöpfung?
8 Bestimmungen zum Warenhandel im C-EPA
9 Handelsentwicklung EU–CARIFORUM
10 Faktoren des Außenhandelserfolgs
13 Das C-EPA als »tiefes« Freihandelsabkommen
13 Dienstleistungen und kulturelle
Zusammenarbeit
15 Neue Themen, interne Reformen und
Nachhaltigkeit
17 Regionale Integration – Grundlage des EPA
oder im Widerspruch dazu?
17 Institutionelle Aspekte und Verankerung der
regionalen Integration im EPA
18 Regionale Präferenzklausel im EPA und die
Probleme bei ihrer Umsetzung
21 Auswirkungen der EPA-Umsetzung auf die
Integration der Region
23 Der Entwicklungsaspekt im C-EPA
23 Handelsbezogene Entwicklungspolitik
(Aid for Trade)
27 Monitoring und EPA-Institutionen
29 Lehren aus dem CARIFORUM-EU-EPA und
Schlussfolgerungen
29 Freihandelsabkommen als Beitrag zur
Entwicklung und zur Armutsbekämpfung
30 Abkommensumsetzung: Chancen maximieren,
Risiken minimieren
33 Abkürzungen
Dr. Evita Schmieg ist Wissenschaftlerin in der Forschungs-
gruppe EU/Europa. Die Studie entstand im Rahmen des vom
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung geförderten Projekts »EU-Außenhandelspolitik
und Entwicklung: Nachhaltige Entwicklungspolitik im
Zeitalter der Globalisierung«
Problemstellung und Empfehlungen
Handels- und Investitionsabkommen als Beitrag zu
nachhaltiger Entwicklung?
Lehren aus dem Wirtschaftspartnerschafts-
abkommen der EU mit karibischen Staaten
Die Europäische Union schloss im Jahr 2008 mit
15 karibischen Staaten ein Wirtschaftspartnerschafts-
abkommen (Economic Partnership Agreement, EPA)
ab. Es handelt sich dabei um die Mitglieder der Carib-
bean Community (CARICOM), Antigua und Barbuda,
die Bahamas, Barbados, Belize, Dominica, Grenada,
Guyana, Haiti, Jamaica, St. Kitts und Nevis, St. Lucia,
St. Vincent und die Grenadinen, Surinam sowie
Trinidad und Tobago, einerseits sowie die Dominika-
nische Republik andererseits. Sie verhandelten das
Abkommen gemeinsam als Caribbean Forum of
African, Caribbean and Pacific States (CARIFORUM).
Der Anspruch an das Abkommen, der schon im
Cotonou-Vertrag vom Juni 2000 formuliert ist, geht
weit über das hinaus, was Freihandelsabkommen
üblicherweise regeln: Die Wirtschaftspartnerschafts-
abkommen, die die EU mit afrikanischen, karibischen
und pazifischen Staaten (AKP-Staaten) aushandelt, sol-
len explizit dem Oberziel nachhaltiger Entwicklung
dienen, die Integration der jeweiligen Partnerregion
fördern und handelspolitische mit entwicklungspoli-
tischen Instrumenten verbinden. Die EU und die AKP-
Staaten wollen also ein neues Modell von Abkommen
etablieren, in dessen Mittelpunkt nicht mehr nur
ökonomische Ziele stehen, sondern bei dem auch
Faktoren der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden,
auf deren stärkere Beachtung sich die internationale
Gemeinschaft verständigt hat: sozialer Ausgleich und
Respekt vor der Umwelt.
Zugleich sollten die EPAs erstmals das Prinzip der
Gegenseitigkeit in die Handelsbeziehungen der EU mit
den AKP-Staaten einführen und die einseitigen EU-
Handelspräferenzen ablösen. Vor diesem Hintergrund
war den Verhandlungen große Aufmerksamkeit sicher.
Sie wurden von intensiven Diskussionen im Europäi-
schen Rat für Außenbeziehungen mit Entwicklungs-
schwerpunkt sowie in der karibischen und europäi-
schen Zivilgesellschaft begleitet, obwohl es sich bei
den Verhandlungspartnern nicht um ökonomisch
bedeutende Volkswirtschaften handelt. Dazu kommt,
dass die Europäische Union an der Karibik ein geo-
politisches Interesse hat.
SWP Berlin
Lehren aus dem CARIFORUM-EU-EPA
Juni 2015

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Problemstellung und Empfehlungen
Das intensive Ringen um einen neuen Ansatz für europäische Markt mit seinen technischen Standards
Freihandelsabkommen mit dem Anspruch, zu nach- und administrativen Hürden ohnehin nicht leicht zu
haltiger Entwicklung beizutragen, führte zu einem erschließen ist. Die Tatsache, dass ein gemeinsamer
Abkommen, das durchaus Modellcharakter beanspru- europäischer Warenmarkt besteht, erleichtert in eini-
chen kann: Die asymmetrische Handelsliberalisierung gen Punkten den Marktzugang, doch gilt das in viel
nimmt Rücksicht auf die ungleichen wirtschaftlichen geringerem Maße für Dienstleistungen, von deren
Ausgangsbedingungen der Partner. Die EU räumt den Export sich die Karibik besondere Vorteile erhofft.
karibischen Staaten vollständig freien Marktzugang Ob die mit dem Abkommen verbundenen hoch-
ein. Nachhaltigkeit und Entwicklung sind, ebenso wie gesteckten Ziele erreicht werden und das C-EPA als
regionale Integration, Querschnittsthemen. Zur Förde- Ganzes ein Erfolg wird, muss sich erst noch erweisen.
rung dieser Ziele sollen alle Abkommensteile beitra- Ein Monitoring-System, das beobachten soll, ob Refor-
gen. Überprüfungsmechanismen sollen frühzeitig auf- men und Liberalisierung zu nachhaltiger Entwicklung
decken, wo problematische Wirkungen aus dem Ab- beitragen, muss erst noch ausgestaltet werden. Sollten
kommen entstehen, und Schutzmechanismen sowie problematische Wirkungen erkennbar werden, muss
Flexibilitäten für die karibischen Staaten erlauben es, der politische Wille da sein, auf die durchaus vorhan-
darauf auch mit politischen Maßnahmen zu reagie- denen Instrumente zur Anpassung von Umsetzungs-
ren. Die Unterstützung der Verhandlungen und der schritten zurückzugreifen, und zwar im richtigen Maß.
Umsetzung des Abkommens durch Instrumente der Aus dem Verhandlungsprozess, der zum C-EPA
Entwicklungspolitik bot und bietet eine Chance, Kapa- führte, aus der Struktur des Abkommens und aus
zitätsengpässe in der Region anzugehen, und erhöht dessen Anwendung in der Praxis lassen sich Schluss-
dadurch die Aussichten für eine Realisierung der folgerungen ziehen für die Zukunft des C-EPA und
hochgesteckten Abkommensziele. Ein wichtiger generell für eine entwicklungsförderliche Ausgestal-
Erfolgsfaktor für das EPA war, dass die CARIFORUM- tung von Freihandelsabkommen und ihre Begleitung
Staaten über ein engagiertes und visionäres Verhand- durch handelsbezogene Entwicklungspolitik. Elemente
lungsteam verfügten, das die Interessen der Region des C-EPA können Entwicklungsländern, der EU und
detailliert analysiert, am Ende zahlreicher Diskus- anderen Industriestaaten als Modell für Handels-
sionsprozesse in den beteiligten Ländern regionale verhandlungen dienen. Das gilt speziell für die asym-
Politikziele definiert und diese effektiv in den Ver- metrische Handelsliberalisierung, für die Erhaltung
handlungen mit der EU vertreten hat. von Spielräumen zur Sicherung sozialer und ökologi-
Wenngleich das CARIFORUM-EPA (C-EPA) ein hohes scher Politikziele durch die Regierungen, für die flexi-
Potential birgt, so kann dies allein noch keine positi- blen Schutzinstrumente sowie für die Aufnahme neuer
ven Wirkungen garantieren. Zusätzliche Exportchancen Themen mit dem Ziel, das Potential dieser Themen für
zum Beispiel konnten die karibischen Partnerländer nachhaltige Entwicklung und regionale Integration zu
bisher nur in geringem Maße realisieren. Die Erfah- verbinden. Begleitender handelsbezogener Entwick-
rungen mit dem C-EPA belegen einmal mehr, welche lungspolitik kommt große Bedeutung zu, und zwar
Bedeutung den Rahmenbedingungen, gerade auch nicht nur zur Finanzierung von Anpassungskosten,
inneren Reformen, für Außenhandelserfolge zukommt. sondern auch zur Initiierung von Prozessen und der
Die kurz nach Inkrafttreten des Abkommens aus- Übertragung von Lernerfahrungen. Deutschland sollte
gebrochene Wirtschafts- und Finanzkrise hat die auf das hohe Ansehen aufbauen, das es als verläss-
meisten Länder der karibischen Region hart getroffen licher Partner der CARIFORUM-Region genießt und
und positive EPA-Effekte sicherlich überschattet. Aber das nicht zuletzt daher rührt, dass es die EPA-Umset-
auch interne Probleme sind dafür verantwortlich, dass zung mit bilateralen Entwicklungsgeldern unterstützt.
sich die CARIFORUM-Länder trotz des nun freien Für die Erstellung dieser Studie wurden im Jahr
Marktzugangs nach Europa kaum neue Exportperspek- 2014 über 90 Interviews geführt in den Ländern Barba-
tiven eröffnet haben. Konkret zu benennen wären hier dos, Dominikanische Republik, Guyana, Trinidad und
in erster Linie hohe Kosten von Inputs in die Produk- Tobago, St. Lucia sowie in Deutschland und in der EU-
tion, hohe Transaktionskosten, Kapazitätsprobleme in Kommission. Die Gesprächspartner waren Regierungs-
der Administration und im Privatsektor (wie auch in repräsentanten und Vertreter der Zivilgesellschaft, der
der Zivilgesellschaft) und nur schleppende Fortschrit- Privatwirtschaft und der Wissenschaft sowie von
te bei der regionalen Integration. Dazu kommt, dass nationalen, regionalen und internationalen Institu-
der hochkomplexe und von der Karibik weit entfernte tionen und Organisationen.
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Lehren aus dem CARIFORUM-EU-EPA
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Das CARIFORUM-EU-EPA: Handelspräferenzen sichern – oder Entwicklung durch Wertschöpfung?
Das CARIFORUM-EU-EPA: Handelspräferenzen sichern – oder
Entwicklung durch Wertschöpfung?

Bei den karibischen Partnern des EPA handelt es sich karibischen Territorien der EU hervorgehoben, die
um kleine Länder, fast alle in Insellage. Das größte geographisch zur Region gehören.
Land der Region, die Dominikanische Republik, hat Jenseits ihrer geopolitischen Bedeutung werden die
eine Einwohnerzahl von 10,4 Millionen Menschen und karibischen Länder von der EU als zuverlässige Partner
ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 61 Milliarden geschätzt, die innerhalb der AKP-Staaten eine kon-
US-Dollar, der Inselstaat St. Kitts and Nevis dagegen struktive, aktive Rolle einnehmen. Nicht zuletzt ist die
nur 54190 Einwohner und ein BIP von 766 Millionen Region wegen ihrer zahlreichen Stimmen in den Ver-
US-Dollar.1 Der Anteil der CARIFORUM-Staaten am EU- einten Nationen international umworben.
Außenhandel beträgt dementsprechend auch nur Die karibischen Staaten zählen nach der Klassifika-
0,3 Prozent, bei einem Gesamtvolumen von 11,3 Mil- tion der Vereinten Nationen zu den Ländern mittleren
liarden Euro im Jahr 2013. Es handelt sich also nicht Einkommens, mit Ausnahme Haitis, das eines der
um bedeutende Handelspartner.2 Einige EU-Mitglied- ärmsten Länder der Welt ist. Der Dienstleistungssektor
staaten sind mit Direktinvestitionen engagiert, bei- ist für die karibischen Inselstaaten von beträchtlicher
spielsweise in den Sektoren Tourismus, Rum- und Relevanz. In einigen von ihnen trägt er über 80 Prozent
Bierproduktion. Für Deutschland spielen die karibi- zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die internationale
schen Staaten als Wirtschaftspartner bisher keine Wirtschafts- und Finanzkrise hat die karibischen
große Rolle. Ein Indikator dafür ist – neben der Länder schwer getroffen, was sich an der negativen
Außenhandelsstatistik –, dass die deutsche Industrie Entwicklung elementarer Wirtschaftsdaten ablesen
weder auf Verbands- noch auf Unternehmensebene lässt. So sanken in den CARICOM-Staaten 2008/09 die
großes Interesse am Dialog mit dem für die EPA- Zuflüsse in Gestalt ausländischer Direktinvestitionen
Verhandlungen zuständigen Bundesministerium für um 44 Prozent, die Rücküberweisungen aus dem Aus-
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung land um 7 Prozent, das Exportvolumen um 43 Prozent,
(BMZ) gezeigt hat. wobei die Exporterlöse zusätzlich vermindert wurden
Für die EU insgesamt ist die Karibik allerdings durch einen Rückgang der internationalen Rohstoff-
unter geopolitischen Gesichtspunkten wichtig. In preise um 40 Prozent. Die Zahlen ausländischer
direkter Nachbarschaft zu den karibischen Ländern Touristen sanken um 6 Prozent.4 Diese Entwicklungen
liegen die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete machen es unmöglich, die Effekte des C-EPA, das zeit-
Frankreichs, Großbritanniens und der Niederlande – gleich in Kraft trat, zu isolieren. Darauf weist auch der
die EU ist sozusagen selbst Teil der Karibik.3 Das C-EPA umfassende Review zur Umsetzung des EPA hin, den
hebt in einem eigenen Artikel (239) hervor, dass über ein Projektteam unter Leitung von Ranjit H. Singh im
die Kooperation in allen Abkommensbereichen die Auftrag der EU-Kommission und des CARIFORUM-
ökonomischen und sozialen Beziehungen zwischen Sekretariats im Jahr 2014 durchgeführt hat. Die vor-
den Gebieten der EU in Randlage und den CARI- liegende Studie stützt sich in vielen Punkten auf die
FORUM-Mitgliedstaaten gestärkt werden sollen. Stake- Ergebnisse dieses Berichts, sie enthält indes darüber
holder in der Karibik haben in Interviews mehrfach hinaus eine Analyse des C-EPA selbst und legt das
das Interesse gerade an der Zusammenarbeit mit den Hauptaugenmerk auf eine Bewertung von Freihandels-
abkommen in Bezug auf die (teilweise: erwarteten)

Wirkungen und die gesteckten Ziele.
1 The World Bank, Data by Country (online),
<http://data.worldbank.org/country> (Zugriff am 27.5.2015).
2 European Commission, Directorate General for Trade,
European Union, Trade in Goods with ACP-Caribbean Countries 4 Preeya Mohan/Patrick Kent Watson, The Impact of the Finan-
(online), <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2006/ cial Crisis on CARICOM Countries, St. Augustine (Trinidad and
september/tradoc_113476.pdf> (Zugriff am 27.5.2015). Tobago): Sir Arthur Lewis Institute for Social and Economic
3 Vgl. Council of the European Union, Council Conclusions on Studies, University of the West Indies, o.J., S. 4,
the Joint Caribbean-EU Partnership Strategy. 3199th Foreign Affairs <http://sta.uwi.edu/salises/pubs/documents/
Council Meeting, Brüssel, 19.11.2012. TheImpactofFinancialCrisis.pdf> (Zugriff am 30.3.2015).
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Lehren aus dem CARIFORUM-EU-EPA
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Das CARIFORUM-EU-EPA: Handelspräferenzen sichern – oder Entwicklung durch Wertschöpfung?
Bestimmungen zum Warenhandel im C-EPA nisiert werden, und zwar in der Weise, wie es die EU
im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems bereits
Mit den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen hat die durchgeführt hat.8 In der Summe dürfte die Verein-
EU die Handelsbeziehungen zu den ehemaligen fachung der Ursprungsregeln im Rahmen des C-EPA
Kolonien der Mitgliedstaaten auf eine neue, WTO- den CARIFORUM-Ländern allerdings schon heute die
konforme Grundlage gestellt. Im Rahmen der EPAs hat Nutzung der Handelspräferenzen erleichtern; davon
die EU ihren Markt ab dem 1. Januar 2008 vollkom- gehen auch die Gesprächspartner in der Region aus.
men geöffnet. Für Reis (bis 2009) und Zucker (bis 2015) Eine Freihandelszone schafft Handelsvorteile für
galten Übergangsfristen. Damit wurden die zahl- die beteiligten Länder – allerdings zu Lasten von Dritt-
reichen im Agrarbereich in den Verträgen von Lomé ländern. Unter bestimmten Bedingungen können Frei-
noch bestehenden Beschränkungen wie Quoten und handelszonen dennoch eine Bereicherung des inter-
(zum Teil saisonale) Zölle abgeschafft. Die einseitigen nationalen Handelssystems sein. Das Welthandels-
Handelspräferenzen gemäß dem Lomé-Abkommen recht im Rahmen der WTO schreibt daher die gegen-
erlaubten es den AKP-Staaten, etwa 97 Prozent5 ihrer seitige Liberalisierung »annähernd des gesamten
Produkte in die Europäische Union zu exportieren. Handels« innerhalb einer »angemessenen Zeitspanne«
Die EU hatte mit der Herausnahme landwirtschaft- vor. Entwicklungsländern wird diesbezüglich zwar
licher Erzeugnisse zwar kein großes Marktsegment eine gewisse Flexibilität eingeräumt, doch müssen im
geschützt, aber doch einen Sektor, der gerade für EPA auch die karibischen Partnerländer ihre Märkte
Entwicklungsländer interessant ist. Beispiele für Pro- gegenüber der EU in begrenztem Maße öffnen.
dukte, die die Länder der Karibik ausführen können, Im Rahmen des C-EPA öffnet die karibische Region
sind getrocknete Bananen, Süßwaren, Schokolade, ihren Markt in erheblich geringerem Umfang als die
Fruchtsäfte oder Tierfutter.6 EU und mit langen Übergangsfristen; die reziproke
Freihandelsabkommen enthalten Ursprungsregeln, Liberalisierung ist also stark asymmetrisch. In der
die verhindern sollen, dass Waren aus Drittländern Ausgangssituation waren 51 Prozent9 der karibischen
über einen Umweg eingeführt werden, um die zwi- Importe aus der EU zollfrei, nach 5 Jahren werden
schen den Handelspartnern vereinbarten Präferenzen 57 Prozent frei sein, nach 10 Jahren 61,1 Prozent, nach
zu nutzen. Die Ursprungsregeln wurden im Rahmen 15 Jahren 82,7 Prozent und nach 25 Jahren 86,9 Pro-
des C-EPA verbessert. Insbesondere verzichtete die EU zent (90,2% der Zolllinien).10 Vollkommen ausgenom-
im Bereich Textilien/Bekleidung auf die sogenannte men von der Marktöffnung sind vor allem landwirt-
doppelte Transformation. Das bedeutet, dass Beklei- schaftliche und Fischereiprodukte, aber auch einige
dungsprodukte, die zollfrei in die Union exportiert Industriewaren.11 Am Ende der ungewöhnlich langen
werden, nun auch aus Stoff hergestellt sein können, Liberalisierungsperiode wird CARIFORUM im Rahmen
der aus Drittländern (z.B. Lateinamerika) importiert des EPA über 80 Prozent seiner Importe von Beschrän-
wurde.7 Gelockert wurde auch die Ursprungsbestim- kungen befreit haben. Diese Quote geht somit über
mung für die Bereiche Fischerei und Landwirtschaft. das hinaus, was nach Genfer Insidern für Entwick-
Eine Überprüfung der Ursprungsregeln innerhalb von lungsländer im Rahmen einer Freihandelszone er-
fünf Jahren nach Inkrafttreten des EPA ist zwar vor- forderlich wäre – nämlich eine Öffnung von 70 Pro-
gesehen, steht aber noch aus. Bei dieser Gelegenheit
könnten die Regeln zugleich aktualisiert und moder-

5 Ursula Hönich, »Trade in Goods: Full Liberalization in the
EU«, in: Americo Beviglia Zampetti/Junior Lodge (Hg.), The
CARIFORUM-EU Economic Partnership Agreement. A Practitioners’ 8 Ebd., S. 100.
Analysis, Alphen aan den Rijn 2011, S. 43–54 (44). 9 Ranjit H. Singh et al., Monitoring the Implementation and Re-
6 Sacha Silva, Caribbean Trade Integration after the West Indian sults of the CARIFORUM–EU EPA Agreement, o.O, September 2014,
Commission: A Time of Inaction? Final Draft, Prepared for Carib- <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/october/tradoc_
bean Exporters’ Colloquium, Hilton Barbados Resort, Bridge- 152825.pdf> (Zugriff am 23.4.2015).
town, Barbados, 20.–21.3.2013. 10 European Commission, Information Paper CARIFORUM–EU
7 Eine ausführliche Beschreibung der Veränderungen findet Economic Partnership Agreement: An Overview, Brüssel, Juli 2008.
sich bei Stefano Inama, »Rules of Origin, Customs, and Trade 11 Sacha Silva, »›Mix Up Matrimony‹: Crafting a Common
Facilitation Issues«, in: Beviglia Zampetti/Lodge (Hg.), The Caribbean Market Access Offer«, in: Beviglia Zampetti/Lodge
CARIFORUM-EU Economic Partnership Agreement [wie Fn. 5], S. 83– (Hg.), The CARIFORUM-EU Economic Partnership Agreement [wie
100. Fn. 5], S. 55–72 (67).
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Lehren aus dem CARIFORUM-EU-EPA
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Handelsentwicklung EU–CARIFORUM
zent über eine Zeitspanne von 15 bis 20 Jahren.12 Ein Handelsentwicklung EU–CARIFORUM
ehemaliger karibischer Verhandler beschreibt, dass
die Fixierung (gerade auch von eher protektionistisch Der Wert der Warenexporte der CARIFORUM-Region in
orientierten karibischen Ländern) auf die für not- die EU ist zwischen 2005 und 2013 von 3,6 auf 4,5 Mil-
wendig erachtete minimale Liberalisierung zu großen liarden US-Dollar gestiegen. Die Struktur der Exporte
statistischen Problemen und vom Ergebnis her zu Un- (vgl. Schaubild 1, S. 10) hat sich allerdings in den
genauigkeiten bei der Festlegung sensibler Produkte letzten fast 20 Jahren wenig verändert. Der Anteil von
geführt hätte.13 Dies mag sich ergeben haben, weil die Fertigwaren schwankte, die Ausfuhr von minerali-
Diskussion sich dann eher auf statistische als reale schen Brennstoffen nahm zu, aber grundsätzlich hat
Probleme konzentrierte. keine wesentliche Diversifizierung hin zu Industrie-
Das C-EPA ist zudem auch innerhalb der CARI- gütern stattgefunden. Die EU verlor an Bedeutung als
FORUM-Region asymmetrisch ausgestaltet. Ein Groß- Exportmarkt für die CARIFORUM-Staaten, ihr Anteil
teil der Liberalisierung gegenüber der EU wird von der an deren Exporten sank in diesem Zeitraum von
Dominikanischen Republik14 getragen. 95 Prozent 19,5 Prozent (1995) auf 14,4 Prozent, während andere
ihrer Importe aus der EU sind zollfrei.15 Die Domini- Regionen an Relevanz zunahmen.18 Die einseitigen
kanische Republik hat EU-Exporteuren damit einen Handelspräferenzen der EU, die mit dem Lomé-Vertrag
ähnlich umfassenden Marktzugang eingeräumt wie vereinbart wurden, konnten diese Entwicklung nicht
den amerikanischen im Freihandelsabkommen DR-US- aufhalten.19 Dies zeigt, dass die Exportentwicklung
CAFTA (Dominican Republic-United States-Central eines Landes nicht nur von den Zöllen, sondern auch
America Free Trade Agreement). Das erlaubte den von anderen Faktoren wie inneren Reformen und
CARICOM-Ländern, innerhalb des C-EPA entsprechend weltwirtschaftlichen Einflüssen abhängt. Dienstleis-
geringere Liberalisierungszugeständnisse zu machen. tungen haben dagegen an Bedeutung zugenommen.
Es ist vor allem auf die Zurückhaltung auf Seiten der Auch seit dem Inkrafttreten des C-EPA 2008 ist keine
kleineren CARICOM-Staaten zurückzuführen, dass der durchschlagende Veränderung der Exportstruktur
Marktzugang gegenüber der EU an vielen Stellen sichtbar. Laut einer umfassenden Analyse der Wirkun-
hinter dem zurückbleibt, was den Vereinigten Staaten gen des Abkommens ist kein klarer Zusammenhang
gewährt wurde.16 Auch für die Dominikanische Repu- zwischen der Marktöffnung und der Entwicklung der
blik ist diese Konstruktion mit Vorteilen verbunden: Handelsströme seit 2008 zu beobachten. In Einzel-
Dadurch, dass sie das EPA gemeinsam mit CARICOM fällen können Exportsteigerungen zwar auf die weite-
verhandelte, konnte sie die Handelspräferenzen re Marktöffnung der EU zurückgeführt werden, ins-
gegenüber der EU sichern, ohne dass sie dieser die volle besondere bei der Dominikanischen Republik (Tabak,
Parität mit den USA gewähren musste. Angesichts Bekleidung), aber meist lagen der Steigerung der
unterschiedlicher Sensibilitäten der dominikanischen Ausfuhren andere Faktoren zugrunde. Einen stark
Produktion gegenüber den beiden Regionen wird dies negativen Einfluss hatte die globale Wirtschafts- und
als hilfreich angesehen. Zugleich verbessert das C-EPA Finanzkrise. Ausnahmen sind die Länder Trinidad und
aber auch den gegenseitigen Marktzugang zwischen Tobago (Energieexporteur) und Dominikanische Repu-
den CARIFORUM-Staaten.17 blik, die ihre Exporte ausweiten konnten. Im Fall der
Dominikanischen Republik ist es indes vor allem das

CAFTA-US-FHA gewesen, das einen Wachstumsschub
12 Sanoussi Bilal/Isabelle Ramdoo, Options to Address Conten-
tious Issues in EPA Negotiations – A Question of Political Will, ausgelöst und die Regierung dazu bewegt hat, Rahmen-
Maastricht: European Centre for Development Policy Manage-
ment, November 2010 (ecdpm Briefing Note 20).
13 Silva, »›Mix Up Matrimony‹« [wie Fn. 11], S. 59. 18 Eigene Berechnungen auf der Basis der Daten der United
14 Zu den Beziehungen zwischen der Dominikanischen Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD),
Republik und CARICOM vgl. das Kapitel »Regionale Integra- UNCTADstat, <http://unctadstat.unctad.org/wds/ReportFolders/
tion«, S. 17ff. reportfolders.aspx> (Zugriff am 27.1.2015).
15 Carl B. Greenidge, »Things Associated with the EPA and its 19 Auch die Bedeutung der EU als Geber von Entwicklungs-
Predecessor«, Rede im Parlament Guyanas, 10.5.2012. geldern hat abgenommen. In den letzten Jahren war Vene-
16 Richard L. Bernal, »The Challenge of Sustainable Imple- zuela wichtigster Geber in der Karibik in Form von vergün-
mentation«, in: Beviglia Zampetti/Lodge (Hg.), The CARIFORUM- stigten Öllieferungen im Rahmen des Programms Petro-
EU Economic Partnership Agreement [wie Fn. 5], S. 239–260 (258). Caribe; vgl. hierzu Economic Commission for Latin America
17 Siehe hierzu die Ausführungen zur regionalen Integra- and the Caribbean (ECLAC), Development Paths in the Caribbean,
tion, S. 17ff. New York, Dezember 2012, S. 36.
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Das CARIFORUM-EU-EPA: Handelspräferenzen sichern – oder Entwicklung durch Wertschöpfung?
Schaubild 1
CARIFORUM-Exporte in die EU nach Produktgruppen, 1995–2013
100
Andere
90
80
Mineralische Brennstoffe
70
Erze und Metalle
60
50
Industrieprodukte
40
30
20
Nahrungsmittel
10
0
1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013

United Nations Conference on Trade and Development, UNCTADstat (online),
<http://unctadstat.unctad.org/wds/ReportFolders/reportfolders.aspx> (Zugriff am 27.1.2015).

bedingungen zu setzen, um die Exporte in andere Län- Exporten oder von Importen, die die eigene Industrie-
der als die USA zu diversifizieren. produktion ankurbeln. Die bei einigen bestehende
Was die Importe aus der EU in karibische Staaten Befürchtung, dass die Liberalisierung im Rahmen des
betrifft, präsentiert sich ein ähnliches Bild: Die stärk- EPA zu einer Verdrängung der karibischen Produktion
sten Importzuwächse gab es bei Agrarprodukten, die durch europäische Firmen führen könnte, hat sich
auch vorher schon zollfrei waren oder von der Libera- bisher nicht bestätigt.
lisierung ausgenommen sind. Bei einigen seit 2008
liberalisierten Waren, die als Inputs in die industrielle
Fertigung eingehen, haben die Importe in die Domini- Faktoren des Außenhandelserfolgs
kanische Republik ebenfalls stark zugenommen. Dies
erklärt sich mit der generell positiven wirtschaft- Angesichts der relativ geringen erkennbaren Aus-
lichen Entwicklung des Inselstaats. Bei manchen nicht wirkungen des C-EPA auf den europäisch-karibischen
liberalisierten Produkten lassen sich aber noch höhere Handel stellt sich die grundsätzliche Frage, welchen
Zuwächse verzeichnen.20 In den CARICOM-Ländern Beitrag zur Exportsteigerung ein Freihandelsabkom-
können ähnliche Entwicklungen beobachtet werden, men überhaupt leisten kann. Zahlreiche andere Fak-
mit Ausnahme Surinams, das eine besonders enge Ver- toren beeinflussen ebenfalls die Wettbewerbsfähigkeit
bindung mit den Niederlanden pflegt und mehr libe- und damit die Exportchancen eines Landes. Wissen-
ralisierte Waren einführt. Auch auf der Seite der Im- schaftliche Analysen und manche der befragten Stake-
porte verfestigt sich daher der Eindruck, dass andere holder weisen mit Blick auf die Karibik insbesondere
Faktoren als die mit dem EPA verknüpfte Markt- auf die Bedeutung folgender Elemente hin:
öffnung, nämlich die globale Wirtschaftskrise, natio- Verfügbarkeit von elementaren Inputs für die Produktion
nale Politiken und große öffentliche Aufträge, eine zu attraktiven Preisen. Inputs wie Telekommunikation
erheblich wichtigere Rolle für die Entwicklung spie- und Elektrizität sind häufig sehr teuer. Grund dafür
len. In Einzelfällen lässt sich durchaus feststellen, dass sind in manchen Ländern langjährige Monopol-
neue Marktchancen genutzt werden – in Form von verträge zwischen der Regierung und nationalen An-
bietern, die Wettbewerb ausschließen und den privi-

20 Singh et al., Monitoring [wie Fn. 9], S. 76ff. legierten Unternehmen (die häufig wiederum eng mit
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