Table Of ContentJosef Maier
Handbuch
Historisches Mauerwerk
Untersuchungsmethoden und
In standsetzu ngsverfah ren
Mit 91 farb. und 208 s/w-Abbildungen und 16 Tabellen
Springer Basel AG
Der Autor:
Josef Maier
BOro fOr Bauforschung,
Gebăudeinstandsetzung und
Denkmalpflege
Apfelstr.2
D-91054 Erlangen
Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsaufnahme
Maier, Josef:
Handbuch historisches Mauerwerk : Untersuchungsmethoden und
Instandsetzungsverfahren ; mit 91 farb. u. 208 s/w-Abbildungen und
16 Tabellen / Josef Maier. -Basel ; Boston; Berlin: Birkhăuser, 2002
(Bauhandbuch)
ISBN 978-3-0348-9443-2 ISBN 978-3-0348-8116-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-8116-6
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© 2002 Springer Basel AG
UrsprOnglich erschienen bei Birkhăuser Verlag 2002
Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 2002
Gedruckt auf săurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. reF 00
Umschlaggestaltung: Micha Lotrovsky, Therwil, Schweiz
Umschlagfotos: Josef Maier
ISBN 978-3-0348-9443-2
987654321 WNW.birkhasuer-science.com
v
Vorwort
Die meisten der Fachkollegen betreten bei der Altbauinstandsetzung ein unsiche
res Terrain, auf dem sie sich heute freilich ungleich häufiger bewegen müssen als
in früherer Zeit. Das Baugeschehen hat sich bekanntlich immer mehr vom Neu
bau weg hin zur Instandsetzung von Altbauten entwickelt. Gleichwohl wurden
und werden, damals wie heute, alle am Bau Beteiligten ausschließlich zur Errich
tung neuer Gebäude ausgebildet. Das Reparieren und Wiederherstellen alter
Bauten dagegen kümmert an den meisten Ausbildungsstätten, in einer Art Schat
tendasein vor sich hin. Wie Feigenblätter verdecken einige Nebenfächer aus dem
Bereich der Denkmalpflege diese durchaus peinlichen Lücken in den Lehrplä
nen.
In den letzten zwanzig Jahren ist dieser Mangel an Kenntnissen derart
schmerzlich spürbar geworden, dass eine Vielzahl von Unternehmungen der Wei
terbildung gegründet wurden. So wurde in den 1980er Jahren der Maurermeister
zum Restaurator im Maurerhandwerk fortgebildet, die Architektenkammern
haben ihren Mitgliedern immer wieder Seminare zum Thema Instandsetzung von
Mauerwerk angeboten und mehrere private Vereinigungen haben sich der Besei
tigung dieses Notstands verschrieben. Auch die Werkstätten der Denkmalämter
haben sich dem Thema Fortbildung durchaus erfolgreich angenommen, außer
dem führten die Universitäten Autbaustudiengänge Denkmalpflege ein.
Ein besonderes Gewicht wurde in der Forschung auf die Erkenntnis von Ur
sachen des Stein- und Mauerwerkzerfalls gelegt und daraus ein vielfältiges In
strumentarium des Stein- und Mauerwerkerhalts abgeleitet. Die schier unüber
schaubare Fülle dieses Instandhaltungsszenarios hat die Praktiker jedoch oftmals
vor unüberbrückbaren Verständnishürden stehen lassen. Es fehlte zumeist die
Transformierung schwieriger wissenschaftlicher Zusammenhänge in die Erkennt
niswelt der Praktiker.
Dieses Buch soll nun diese Lücke schließen. Es ist für den Praktiker, also für
den Architekten, Bauingenieur, Denkmalpfleger, Baubeamten in den Bauämtern,
selbstverständlich auch für den Maurermeister, für Bauträger sowie für die Haus
verwaltung und nicht zuletzt für den Eigentümer von alten Häusern geschrieben
worden, der bislang eine anschauliche Beschreibung der heute möglichen und
gängigen Methoden der Untersuchung und Instandsetzung von Mauerwerk ver
gebens gesucht hat. Die meisten Fachbücher zu diesem Thema sind von Spezia
listen für Spezialisten geschrieben worden. Wahrscheinlich keiner von diesen
Spezialisten hat je ein Mauerwerk in der Praxis komplett instandsetzen müssen.
Sie alle haben immer nur einzelne Aspekte aus dem gesamten Geschehen zu
untersuchen gehabt und so fehlt in solchen Büchern meist die Verknüpfung der
einzelnen Instandsetzungsfelder miteinander.
VI Vorwort
Der Birkhäuser Verlag in Basel hat das erkannte Desiderat mit diesem Fach
buch ausgeglichen. Dafür gebührt ihm großer Dank und speziell dem Lektor,
Herrn Edgar Klementz, der die Entstehung des Buches in dieser Form durch
seinen Rat ermöglichte und mir durch seine zielorientierten Vorschläge über man
che Hürde hinweg half.
Persönlich bedanken möchte ich mich auch bei all den Spezialisten, die mich
in meiner langen Instandsetzungstätigkeit vor Ort fachlich richtig und oftmals
uneigennützig beraten haben: An erster Stelle möchte ich dabei Herrn Prof. Dr.
Helmut Weber nennen, der durch seine Bautenschutz-Gutachten mir auch schwie
rige Sanierungsfälle zu meistern half, dann Herrn Prof. Dietmar Hettmann, mit
dem ich gemeinsame Seminare zur Mauerwerksinstandsetzung durchführen konn
te und nicht zuletzt den Fachkollegen vom WTA, die mit mir zusammen das
Merkblatt Mauerwerksdiagnostik herausgebracht haben.
Vor allem danke ich aber meiner lieben Frau Edith, die mich die vielen Stun
den ungestört am Rechner hat arbeiten lassen, und mir dadurch den Rücken für
dieses Buch freihielt. Sie hat ohne zu klagen viele Bürden des Alltags von mir
fern gehalten und mit großem Verständnis das Werden dieses Buches begleitet.
Erlangen, im Februar 2002 loset Maier
Inhaltsverzeichnis VII
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung .... .......... .......... ....... ...... ...... ......... ........ ....... ...... ........ .......... ......... .......... .... 1
2 Geschichte des Mauerwerks ................................................................................ 12
2.1 Mauerwerk aus Natursteinen ....................................................................... 13
2.2 Backsteinmauerwerk ..................................................................................... 40
2.3 Lehmmauerwerk ............................................................................................. 55
2.4 Historischer Feuchteschutz .......................................................................... 55
3 Die Materialien und ihre wichtigsten Eigenschaften .................................... 63
3.1 Natursteine ....................................................................................................... 63
3.1.1 Gesteinsarten ...................................................................................... 64
3.1.2 Bautechnisch wichtige Natursteine ............................................... 67
3.1.2.1 Tiefengesteine .................................................................... 67
3.1.2.2 Ergussgesteine ................................................................... 68
3.1.2.3 Sedimentgesteine .............................................................. 70
3.2 Keramische Baustoffe .................................................................................... 77
3.3 Mineralisch gebundene Baustoffe ............................................................... 80
3.3.1 Beton-Werksteine und -Mauersteine ............................................ 80
3.3.2 Kalksandsteine ................................................................................... 81
3.3.3 Porenbetonsteine ............................................................................... 82
3.4 Historischer Mauermörtel ............................................................................ 83
3.4.1 Bindemittel ......................................................................................... 83
3.4.2 Zuschlagstoffe .................................................................................... 84
4 Wasseraufnahmemechanismen und Porosität ................................................ 88
4.1 Wege des Wassers in das Mauerwerk hinein ........................................... 88
4.1.1 Wasserandrang in flüssiger Form ................................................... 89
4.1.1.1 Regen, Oberflächenwasser und Sickerwasser ............ 89
4.1.1.2 Kapillare Wasseraufnahme ............................................. 91
4.1.2 Wasserandrang in Form von Wasserdampf ................................. 95
4.1.2.1 Kondensation .................................................................... 95
4.1.2.2 Kapillarkondensation ...................................................... 98
4.1.2.3 Hygroskopische Feuchteaufnahme ............................... 98
4.1.2.4 Wasserdampfdiffusion ..................................................... 100
VIII Inhaltsverzeichnis
5 Schäden und typische Schadensbilder .............................................................. 103
5.1 Feuchteschäden und damit einhergehende Frostschäden ..................... 105
5.2 Salzschäden ..................................................................................................... 113
5.3 Setzungsschäden und typische Rissverläufe ............................................. 117
5.4 Thermische Spannungen ............................................................................... 120
5.5 Schwindverhalten ........................................................................................... 121
5.6 Deformationen infolge externer Kräfte ...................................................... 121
6 Untersuchungsmethoden - Mauerwerksdiagnostik ...................................... 126
6.1 Orientierende Objektbesichtigung .............................................................. 126
6.2 Anamnese ......................................................................................................... 133
6.3 Schadensdokumentation ............................................................................... 135
6.4 Untersuchungen ohne wesentliche Eingriffe in die Gebäudesubstanz 137
6.5 Entscheidung über das weitere zielgerichtete Vorgehen ....................... 141
6.6 Erstellen von Planunterlagen ....................................................................... 142
6.7 Probenahme mit Eingriffen in die Gebäudesubstanz ............................. 147
6.8 Schall-und Wärmedämmung ...................................................................... 160
6.9 Bewertung der Untersuchungsergebnisse .................................................. 162
6.10 Untersuchungskosten .................................................................................... 162
7 Instandsetzungsmaßnahmen ............................................................................... 168
7.1 Trockenlegung von durchfeuchtetem und versalztem Mauerwerk ..... 169
7.1.1 Nachträgliche Horizontalabdichtung ........................................... 169
7.1.1.1 Mechanische Verfahren .................................................. 170
7.1.1.2 Injektionen ......................................................................... 180
7.1.1.3 Elektrophysikalische Verfahren (Elektroosmose) ..... 190
7.1.2 Nachträgliche Vertikalabdichtung ................................................. 191
7.1.2.1 Vertikale Abdichtung bei drückendem Wasser .......... 193
7.1.2.2 Vertikale Abdichtung bei nichtdrückendem Wasser
und Erdfeuchte .................................................................. 198
7.1.3 Dränagen ............................................................................................. 201
7.1.4 Salzbekämpfung ................................................................................. 203
7.1.4.1 Mechanische Salz entfernung ......................................... 203
7.1.4.2 Chemische Salzumwandlung ......................................... 205
7.1.4.3 Physikalische und elektrophysikalische
Salzbekämpfung ................................................................ 207
7.2 Nachträgliches Wiederherstellen von Standsicherheit und
Tragfähigkeit .................................................................................................... 210
7.2.1 Unterfangen nicht mehr tragfähigen Mauerwerks ..................... 211
7.2.2 Vernadeln ............................................................................................ 222
Inhaltsverzeichnis IX
7.2.3 Vernadeln mit vorgespannten Stählen .......................................... 230
7.2.4 Injizieren, Verpressen ....................................................................... 231
7.3 Neues Verfugen und Rissbehandlung ........................................................ 233
8 Reinigung der Mauerwerksoberflächen ............................................................ 242
8.1 Untersuchung der Oberfläche vor dem Reinigen .................................... 243
8.2 Unerwünschte, zu entfernende Beschichtungen ...................................... 244
8.3 Vorgehensweise beim Reinigen ................................................................... 247
8.4 Lärmschutz ...................................................................................................... 251
8.5 Entsorgen von Schlämmen und Strahlgut ................................................ 252
8.6 Wichtige Regeln beim Reinigen von Mauerwerk .................................... 254
9 Konservieren ............................................................................................................ 257
9.1 Konservierungsmittel ..................................................................................... 257
9.2 Durchführung von Konservierungsmaßnahmen ..................................... 260
9.2.1 Kieselsäureester und ihre Anwendung ......................................... 260
9.2.2 Hydrophobierungsmittel und ihre Anwendung .......................... 262
9.2.3 Der Lotoseffekt .................................................................................. 263
10 Flankierende Maßnahmen .................................................................................... 265
10.1 Baukonstruktive Verbesserungen ............................................................... 265
10.1.1 Reprofilierungsmörtel ....................................................................... 267
10.2 Sanierputz ........................................................................................................ 269
10.2.1 Wie funktionieren Sanierputze ...................................................... 270
10.2.2 Voruntersuchung ............................................................................... 271
10.2.3 Erforderliche Arbeitsgänge .............................................................. 272
10.3 Wärme dämmende Maßnahmen .................................................................. 276
10.3.1 Schäden durch Kondensat .............................................................. 276
10.3.2 Wärmedämmung ............................................................................... 277
10.4 Putze .................................................................................................................. 284
10.5 Beschichtungen ............................................................................................... 292
Hersteller, Dienstleister, Fachverbände ................................................................. 298
Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 302
Bildquellenverzeichnis ................................................................................................ 312
Stichwortverzeichnis ................................................................................................... 313
1
1 Einleitung
Seit alters gehörte die Instandsetzung von Mauerwerk zu den fast alltäglichen Auf
gaben der Bauschaffenden und zu ihrem Grundwissen, wobei sie freilich wesent
lich weniger effiziente Möglichkeiten dafür besaßen als die heutigen. Dies lässt sich
an einem historisch sehr gut überlieferten Schadensfall, der sich in der Mitte des
19. Jahrhunderts ereignet hat, besonders deutlich darstellen:1
In der Weihnachtsnacht 1839 brachen die Stürze über dem Hauptportal und
über den beiden inneren Türen der Evang.-Luth. pfarrkirche in Oberdachstet
ten/Mfr mit lautem Getöse.2 Der Westgiebel riss von unten nach oben mittendurch
und durch den Scheitel des Portalbogens. Die gesamte Westwand und der Turm
zersprangen in viele Risse. pfarrer Steurer berichtete:3 "In der Nacht vom 24ten auf
den 25ten krachte es im Inneren des Gebäudes so fortgesetzt, dass die Einwohner
der nächsten Häuser zur Flucht sich anschickten." Der königlich-bayerische Bau
inspektor Schuster von der Bauinspektion Ansbach fuhr daraufhin anderntags
nach Oberdachstetten und stellte folgenden Schaden am Kirchengebäude fest:4
"Die zu diesem Bau aus dem Steinbruch zu Oberdachstetten gewonnenen Steine
haben unberechenbar zu wenig Härte bewährt. Bei den unteren Schichten [des
Turmmauerwerks ] sind daher einige Quader und behauene Steine gebrochen und
aus der vertikalen Richtung gewichen. Die Turmmauern sind zu verstärken. Um
einer weiteren Ausweichung der Mauern zu begegnen, wurden früher schon mehre
re Schlaudern eingezogen. Der Unterzeichnete hat gestern in Oberdachstetten die
Einziehung zweyer Schlaudern auf der Nordseite und Setzung einer Säule unterm
großen Bogen auf der Westseite noch verfügt." Der Bauinspektor fertigte überdies
zwei Zeichnungen an, die das Rissebild im Westgiebel und im Turm vollständig
erfassten. Schuster hat also genau das getan, was auch heutzutage immer noch
erste Pflicht eines Schadensgutachters ist, nämlich persönliche Inaugenscheinnah
me des Schadens mit erläuternden Skizzen und unverzügliche Veranlassung erfor
derlicher Sicherheitsrnaßnahmen. In seinem Gutachten stellte wenige Wochen
später der Vorgesetzte des Schuster, der Civilbauinspektor Schulz, die Ursachen
für den Bauschaden dar:5 "Der sogenannte Oberdachstettener Stein ist ein weicher,
thonhaltiger, ganz feinkörniger, etwas schmieriger, grau grünlicher Sandstein, der
aus dem Bruch kommend ganz weich ist, und wie alle Sandsteine erst durch Aus
trocknen eine größere Härte erhält. Er hat auch die sonderbare Eigenschaft, dass er
beim Trocknen etwas schwindet, was natürliche Folge seines erdigen Thongehaltes
zu seyn scheint." Auch der Mörtel, der für das zweischalige Mauerwerk eingesetzt
wurde, erschien ihm nicht fest genug; Proben davon hätten sich zwischen den
Fingern zerdrücken lassen. "Die Zwischenräume der Bruchsteine seyen nicht im
mer mit Mörtel, sondern hie und da blos mit kleinen Mauerbrocken und Stein
schutt ausgefüllt worden. Am Kalch habe es sehr oft gefehlt, so dass der Moertel
viel weniger Haltbarkeit als Straßenkoth hat."