Table Of ContentHANDBUCH DER
BODENLEHRE
HERAUSGEGEBEN VON
DR. E. BLANCK
O. O. PROFESSOR UNO DIREKTOR DES AORlKUL TURCHEMISCHEN UNO
BODENKUNDLICHEN INSTITUTS DER UNIVERSITAT OOTTINOEN
ERSTER ERG.A.NZUNGSBAND
BEARBEITET VON
DR. F. ALTEN.BERLIN • PROFESSOR DR. E. BLANCK.oOTTINOEN
DR. B. KURMIES.BERLIN • PROFESSOR DR. K. MAIWALD.HOHENHEIM
DR. R.MELVILLE.oOTTINOEN· PROFESSOR DR. A.RIPPEL.oOTTINOEN
DR. P.SCHACHTSCHABEL.JENA· PROFESSOR DR.F.SCHEFFER.JENA
MIT 84 ABBILDUNGEN
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1939
ISBN-13: 978-3-642-98802-8 e-ISBN-13: 978-3-642-99617-7
DOl: 10.1007/978-3-642-99617-7
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER OBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHAL TEN.
COPYRIGHT 1939 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN.
SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1939
Vorwort.
Nach dem Erscheinen des im November 1928 zur Veroffentlichung gelangten
ersten und des im Mai 1932 herausgegebenen letzten, d. h. zehnten Bandes des
Handbuches der Bodenlehre sind 11 bzw. 7 Jahre verflossen. Es ist daher ver
standlich, daB sich infolge der im letzten Jahrzehnt einsetzenden rastlosen For
schung auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Bodenkunde alsbald ein fiihl
barer Mangel im Gebrauch des Handbuches heraussteilen muBte, namlich die
Gefahr, auf manchen Teilgebieten nicht mehr den Anforderungen der neuesten
Zeit gerecht zu werden. Infolgedessen haben sich Verleger und Herausgeber ent
schlossen, durch Herausgabe eines eHten Bandes, der den Namen "Erster Ergan
zungsband" fiihrt, den Inhalt des Handbuches so zu vervollstandigen und umzu
gestalten, daB dieses durch dessen Gebrauch wieder die zeitgemaBe wissenschaft
liche Hohe erhalt und allen Anforderungen der neu erworbenen Erkenntnisse
der letzten Jahre entspricht. Jedoch envies es sich als zweckdienlich, nicht aber
mals samtliche im Handbuch bchandelten Gebiete, wie insbesondere die mehr als
Grundfacher oder Schwesterdisziplinen in Frage kommenden und z. T. auch die
rein praktischen Verhaltnissen Rechnung tragenden Gebietsteile zu vervoll
standigen, sondern es wurde das Hauptgewicht auf die Neugestaltung der die mo
derne Bodenlehre betreffenden Kapitel gelegt, die am deutlichsten den groBen
Fortschritt in der Erkenntnis yom Wescn des Bodens als einer selbstandig
wissenschaftlichen Disziplin zur Wiedergabe bringen, um damit den augenblick
lichen Entwicklungszustand unserer Wissenschaft am scharfsten vor Augen zu
fiihren.
Hinsichtlich der Behandlung des Stoffes der einzelnen Teilgebiete sind die
Herren Mitarbeiter nicht immer den gleichcn Weg gegangen, insofern die einen
mehr Gewicht auf die Wiedergabe des moglichst vollstandigcn neueren Schrift
tums unter Verzicht auf kritische Verarbeitung des Gesamtmateriales gelegt
haben, wahrend die anderen bestrebt gewesen sind, durch Herausgreifcn eines
in der letzten Zeit besonders stark bearbciteten Sondergebietes auf dem Gesamt
gebiet ihres Arbeitsbcreiches den Fortschritt zu kennzeichnen und kritisch zu
verfolgen, wodurch dann allerdings zugehorige, weniger in Frage kommende Teil
gebiete keine oder doch nur geringe Berucksichtigung erfahren konnten. Auch
eine Oberschneidung in der Bearbeitung der Teilgebiete lieB sich nicht ganzlich
vermeiden. Beiden beschrittenen Wegen kommen zweifellos Vorteile, aber auch
Nachteile zu, die nicht zu umgehen waren. Insbesondere machte sich im Faile der
ersten Behandlungsweise bei dem immerhin doch nur im ganzen gesehen lucken
haft vorhandenen Neuerscheinungsmaterial die zwar wunschenswerte, aber nicht
erreichbare Geschlosscnheit in der Darstellung unangenehm geltend, wahrend
die angestrebte einheitlich geschlossene kritische Wiedergabe nur eines pragnanten
Einzelkapitels einerseits nicht ganz der handbuchgemaBen Behandlungsweise des
Stoffes entsprechen durfte und andererseits nicht den vorhandenen Gesamtstoff
zu erfassen vermochte. Die auf diese Weise geschaffenen Mangel hoffen wir
jedoch in einem spater folgenden weiteren Erganzungsband auszugleichen, denn
IV Vorwort.
wir wiinschen auch fur die Folgezeit das Handbuch der Bodenlehre standig den
neuesten Erfordernissen anzupassen.
Es ist dem Herausgeber eine angenehme Pflicht auch an dieser Stelle, dem
Verlag ganz besonders fiir sein Entgegenkommen jeglicher Art bei der Heraus
gabe des vorliegenden Bandes zu danken, obgleich mannigfaltige Schwierig
keiten zu uberwinden waren, um dem Werk die gleich gediegene Ausstattung
der friiheren Bande zu ermoglichen. Desgleichen spricht der Herausgeber seinen
Mitarbeitern, die trotz sonstiger, starker Inanspruchnahme noch die Zeit zur
Bearbeitung ihrer Teilgebiete fanden, den verbindlichsten Dank aus. Beim
Lesen der Korrekturen haben sodann die Herren Dr. RALPH MELVILLE, cando
chem. agr. B. BOCHT und G. NOLKE den Herausgeber aufs freundlichste unter
stiitzt und sei ihnen daher ebenfalls aufrichtigst gedankt. Insbesondere ist der
Herausgeber aber Herrn Dr. R. MELVILLE und Fraulein MARIA SCHAFER zu
gr6Btem D~nk fUr die Mitbeteiligung an der Anfertigung des Autoren- und
Sachverzeichnisses verpflichtet, ohne deren aufopfernde Hilfe es unter den Z. Z.
recht schwierigen Verhaltnissen nicht moglich gewesen ware, das Werk in der
zur Verfiigung stehenden, verhaltnismaBig kurzen Zeit dem AbschluB zuzufiihren.
Moge dem vorliegenden Erganzungsbande des Handbuches der Bodenlehre
der gleiche Erfolg, der dem Hauptwerk zuteil wurde, beschieden sein.
Gottingen, Juli 1939.
E. BLANCK.
Inhaltsverzeichnis.
Erster Teil.
Allgemeine Bodenlehre.
Verwitterungslehre und Beschaffenheit der durch die Verwitterung
entstandenen Mineralstoffbestandteile des Bodens.
Seite
Von Professor Dr. E. Blanck-Gottingen.
Die Lehre von der Entstehung und Verteilung der Boden an der Erdoberfl8,che.
Von Professor Dr. E. Blanck-Gottingen.
Allgemeiner Teil . . . . . . . . . 54
Regionale und zonale Bodenlehre . . . . . . . . . . . . • 54
Spezieller Teil . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Die Verteilung der Boden an der ErdoberfHi.che und ihre Ausbildung (regionale oder
geographische Bodenlehre) . . . . . . . . . . . . • • • • . . • . • • 70
1. Boden der kalten Regionen (Arktische, subarktische und Hochgebirgsboden). 70
2. Boden der kiihlen gemaBigten Regionen:
Bleicherde-Waldboden und podsolige Boden . . . . . . . . . . . . . .. 77
Braunerde, einschl. Rendzina, nebst Bodenverteilung innerhalb Deutschlands 85
3. BOden der feuchtwarmen gemaBigten Region:
Gelb- und Roterden (Terra rossa). . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 99
4. Boden der feuchttrockenen gemaBigten Regionen und der trockenen Gebiete:
Steppenschwarzerden, kastanienfarbige Boden, graue Steppenboden, Salzboden,
Wiistenboden usw. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
5. Boden der feuchtheiBen tropischen Region:
Tropische Roterden, Laterit und tropische Moorboden . . . 131
6. Bodenverteiluug innerhalb groBerer Gebiete der Kontinente. 135
Verwitterung in der Vorzeit und fossile Verwitterungsrinden 144
Zweiter Teil.
Spezielle Bodenlehre.
(Die Beschaffenheit des Bodens.)
I. Physikalische Beschaffenheit des Bodens.
Das Verhalten des Wassers im Boden. Von Dr. F. ALTEN und
Dr. B. KURMIES-Berlin. (Mit 56 Abbildungen.) 150
Das statische Verhalten des Bodenwassers . '.' . . 150
a) Hydratafions- und hygroskopisches Wasser . . 150
Ursachen der Hydratation und Bestimmung derselben 1 SO
Wasseraufnahme in Abhangigkeit vom Dampfdruck . 165
Die Bestimmung der Bodensaugkrafte. . . . . . . . 168
EinfluB des Salzgehaltes des Bodens auf das Hydratations-bzw. hygroskopische
Wasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 170
Spezifisches Gewicht und spezifische Warme des adsorbierten Wassers ... 171
Benetzungswarme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Beziehungen zwischen Wasseranlagerung und Benetzungswarme zur Oberflache
des Bodens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
b) Wasserkapazitat und Wasseraufnahmevermogen . . . . 175
Wasserhaltungsvermogen und Wasseraufnahmevermogen 183
Wassergehalt bei der FlieBgrenze. 187
c) Quellung und Schrumpfung . . . . . . . . . . . . . 188
VI Inhaltsverzeichnis.
Seit.
Das dynamische Verhalten des Bodenwassers 201
a) Kapillaritat und SteighOhe ..... . 202
b) Durchlassigkeit. . . . . . . . . . . 219
Das Verhalten des Bodens gegen Luft, Warme, Elektrizitat und Radio-
aktivitat. Von Dr. R. MELvILLE-Gottingen. (Mit 1 Abbildung) 239
Das Verhalten des Bodens gegen Luft. . . . . . . . . . . . . 239
Das Verhalten des Bodens gegen Warme . . . . . . . . . . . 256
Das Verhalten des Bodens gegen Elektrizitat und Radioaktivitat 269
2. Chemische Beschaffenheit des Bodens.
(Chemische und chemisch-physikalische Vorgange im Boden.)
Von Professor Dr. F. SCHEFFER und Dr. P. SCHACHTSCHABEL-Jena. (Mit 15 Abbildungen.)
Die lVIinerale der Bodenfraktionen zwischen 2 und 0,002 mm TeilchengroJ3e als Urheber
der chemisch-physikalischen Vorgange' 275
Der Basenaustausch. . . . . . . . 288
Der Boden als disperses System. . . 288
Der Bau des Ultramikrons ..... 289
Die Umtauschgesetze nach WIEGNER. 292
Allgemeines. . . . . . . . . . . 292
Die Hydratation . . . . . . . . 293
Hydratation tind elektrokinetisches Potential 295
Elektrokinetisches Potential und Koagulation 296
Elektrisches Potential und Peptisation 300
Ionenumtausch und Struktur. . . . . . . . 300
Die Verschiedenheit der Haftfestigkeit der Ionen an Umtauschkorpern. 303
Die mathematische Formulierung der Umtauschvorgange ........ . 304
Die Ermittlung des Kationenbedarfs der Pflanze nach P. VAGELER und F. ALTEN 308
Der Nahrstoffgehalt der Bodenlosung. . . . . . . . . . . . 309
Die Nahrstofflieferung aus den Sorptionskomplexen. . . . . . 310
Spezielle Untersuchungen uber die Sorption an Boden und Mineralen 312
Sorptionskapazitat und Tongehalt. . . . . . . . . . . . . . . 314
Umtauschversuche an verschiedenen Bodenkolloiden und Mineralen 317
Abhangigkeit der Sorption von der Reaktion . 328
Sorption und isoelektrischer Punkt 332
Der sorbierte Wasserstoff. . . . . 333
Die organischen Bodenkolloide . . . . 338
Sorption von organischen an anorganische Kolloide 338
Sorptionskapazitat des organischen Bodenanteiles . 340
Die Bestimmung der Sorptionskapazitat organischer Substanzen 342
Untersuchungen am Bodenkomplex. . . . 344
Bestimmung der austauschbaren Basen. . . . . . . . . . 344
Bestimmung der Sorptionskapazitat . 348
Bestimmung des Kalkbedarfs und der Reaktion des Bodens 352
Das Bodenkali. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
Die Bestimmung der pflanzenverfugbaren Nahrstoffe Kalium und Phosphorsaure 358
3. Beschaffenheit des organischen Bodenanteils.
Von Professor Dr. K. MAIWALD-Hohenheim bei Stuttgart.
Die Entwicklung des Humusproblems im letztcn Jahrzehnt. 378
Untersuchungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
Abgrenzung und Bezeichnung von Stoffgruppen . . . . 382
Fortschritte in den Methoden zur Bestimmung von Menge und Beschaffcnhcit
des organischen Bodenanteiles. . . . . . . . 385
Untersuchung der organischen Dungemittel . . . 393
Der Humifizierungsvorgang im Kreislauf der organischen Bodenstoffe 394
Beziehungen zum Lignin- und zum EiweiJ3abbau. . . . . . . 397
Mengenverhaltnis C:N im organischen Bodenanteil; Schwefelgehalt 403
Neue Ergebnisse uber die stoffliche Beschaffenheit des humifizierten Anteiles. 406
Ionenumtausch an Humusstoffen und Beziehungen zwischen den organischen und
den anorganischen Umtauschkorpern (Sorptionskomplexen). 409
Chemische und physikalische Untersuchung der Huminsauren. . . . . . . . 413
Inhaltsverzeichnis. VII
Seite
Wechselwirkungen zwischen dem organischen Bodenanteil und der Bodenphos-
phorsaure .............................. 419
Untersuchungen fiber ortlich bedingte Humusformen. . . . . . . . . . . . . . . 421
Klimatische und Bodeneinfliisse bei der Ausbildung des organischen Bodenanteiles 421
Der Waldboden und das Moor ...................... 426
Abhangigkeit der Bodenfruchtbarkeit vom organischen Bodenanteil . . . . . . . . 432
Verhalten der Humusstoffe bei neuzeitlicher Bodennutzung und Moglichkeit ihrer
Vermehrung durch Diingung . . . . . . . . 433
Wirkung von Humusstoffen auf Pflanzen und auf Kleinlebewesen. . . . . . 438
4. Mikrobiologie des Bodens.
Von Professor Dr. A. RIPPEL-Gottingen. (Mit 12 Abbildungen.)
Methodik der mikrobiologischen Bodenuntersuchung . . . . . . . . . . . . 440
Zahl und Verbreitung der Mikroorganismen im Boden und ihre Abhangigkeit von den
Hauptfaktoren. . . . . . . . . . . . . 446
Algen und Protozoen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
Eigentiimlichkeiten des Bodens als Standort. . . . . . . . 468
Zusammenleben der Organismen im Boden (ohne Symbiose) 482
Mykorrhiza. . . . . . . . . . . 495
Leguminosen- und Erlen-Symbiose . . . . 498
Frei lebende Stickstoffbinder. . . . . . . 518
Abbau organischer Stickstoffverbindungen . 535
Nitrifikation und Denitrifikation . . . . . 543
Zellulosezersetzung . . . . . . . . . . . 549
Abbau besonderer Kohlenstoffverbindungen 560
Bildung von Kohlensaure . . . . . 563
Bildung und Zersetzung von Humus . . . 566
Kreislauf der Mineralstoffe. . . . . . . . 577
Mikrobiologische Methoden zur Feststellung des Nahrstoffbedarfes der Pflanzen. 587
Namenverzeichnis 592
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . 608
Erster Teil.
Allgemeine Bodenlehre.
Verwitterungslehre und Beschaffenheit
der durch die Verwitterung entstandenen
Mineralstoffbestandteile des Bodens.
Von E. BLANCK-Gottingen.
Es bedeutet keine Uberschatzung der neuzeitlichen Erkenntnisse, wenn man
fur das Gebiet der Verwitterungslehre feststellen muB, daB innerhalb der letzten
neun Jahre, die nach dem Erscheinen des dieses Gebiet behandelnden Bandes
verflossen sind, sich eine wesentlich veranderte Auffassung, ja, man kann sogar
sagen, fundamentale Umwalzung in einer Reihe sehr wichtiger, grundlegender
Anschauungen vollzogen hat. Dieses tritt besonders deutlich in der Frage nach
der 'Natur des Tons und Kaolins sowie ihrer Entstehungsbedingungen in Er
scheinung. Diese Tatsache hat ihre Ursache in der Anwendung von bisher nicht
gekannten, physikalischen Untersuchungsmethoden, die der Erforschung der
Struktur der Materie dienen, und deren Ergebnisse ein ganz neues Licht auch
auf die im Brennpunkt bodenkundlicher Erkenntnis stehenden Fragen mannig
fachster Art werfen und gleichzeitig zur Evidenz erharten, daB die bisher fur der
artige Zwecke allein benutzten chemischen Methoden doch nur eine teilweise
Losung des vorliegenden Problems zu erbringen vermochten.
Wahrend noch im zweiten Bande des Handbuches der Bodenlehre auf Grund
der verschiedenen Beschaffenheit der Zersetzungsprodukte eine reinliche Schei
dung der Tiefenzersetzung und der Oberflachenverwitterung vorgenommen werden
konnte, erweist sich solches im vollen Umfange heute nicht mehr moglich, wenn
gleich damit auch nicht jeder Unterschied aufgehoben worden ist. Jedoch die
damals noch so gesichert erscheinende Feststellung von der durchaus gelartigen
Natur der Verwitterungsprodukte hat hierdurch eine nicht zu verkennende, tiefe
EinbuBe erlitten, die sich nach verschiedener Richtung hin auswirkt. Keines
wegs bedeutet dieses nun aber, daB aIle in den Aufbereitungsdetritaten der
Gesteine und in ihren Boden anzutreffenden Tonminerale nun auch stets
Verwitterungsprodukte oder Verwitterungsneubildungen zu sein brauchen. Sie
konnen auch sehr wohl nach der Auflockerung der sie ursprunglich beherbergenden
Gesteine, da sie dortselbst oftmals schon in recht groBen Mengen angetroffen
werden, ohne weitere chemische Umwandlung in den Boden ubernommen worden
sein, so daB sich die nunmehr zu losenden Fragen infolge der neuen Erkenntnisse
letzten Endes noch viel verwickelter als bisher gestalten. J edoch bevor auf
diesen Sachverhalt naher eingegangen wird, sei der sonstigen, neueren, auf dem
Gebiete der Erforschung der bodengenetischen Erscheinungen liegenden Arbeiten
Handbuch der Bodenlehre. Erg.-Bd,
2 E. BLANCK: Verwitterungslehre und Beschaffenheit der durch die Verwitterung
gedacht, und zwar zuniichst derjenigen, die sich mit den einfachsten grundlegenden
Geschehnissen dieser Art befassen.
In einer den Verwitterungsfaktoren in ihrer Gesamtheit gewidmeten Abhand
lung, die sich fUr die Entwicklung der Bodenlehre als sehr beachtenswert erweist,
sucht H. KLAHN! die zwischen Niederschlag, Verwitterung und Abtragung vor
handenen Beziehungen quantitativ zu erfassen und in mathematischer Formel
sprache sowie Kurvendarstellung zum Ausdruck zu bringen. Es wird von ihm
der Begriff del' meteorologischen Intensitiit als Arbeitsvermogen von Niederschlag,
Temperatur und Luftbewegung aufgestellt und unter Bezugnahme auf die ver
gleichenden Untersuchungen E. BLANCKS2 libel' die Verwitterung von Gesteinen
unter abweichenden Klimaverhiiltnissen auf die funktionelle Beziehung zwischen
meteorologischer Intensitiit und Hohenlage besonders hingewiesen. Weiter wird
auf das Verhiiltnis der Verwitterung zur meteorologischen Intensitiit eingegangen
lmd die anfallende Verwitterungsmenge als Arbeitseffekt del' meteorologischen
Intensitiit gegenliber dem Gestein angesprochen. Sie erweist sich als abhiingig
einmal yom exogenen Angriff der meteorologischen Faktoren Niederschlag,
Temperatur und Luftbewegung, andermal yom endogenen \Viderstand del' Ge
steine gegen mechanische und chemische Zerlegung. Die von E. HASELHOFF,
A. HILGER, M. DIETRICH und E. BLANCK libel' den Verlauf del' Gesteinszersetzung
friiher beigebrachten experimentellen Feststellungen 3 dienen KLAHN als Aus
gangsmaterial zur Aufstellung der sich ergebenden Beziehungen in mathematischer
Form. Unter Abtragung wird der Transport des Verwitterungsmaterials, die
Fracht, verstanden, und stellt sich die Abtragungsmenge als Arbeitseffekt der
meteorologischen Faktoren dar. Auch sie steht in funktioneller Beziehung zur
meteorologischen Intensitiit, demnach auch zur Hohe und zur Menge des ver
witterten Materials. Die Widerstandsfiihigkeit del' Gesteine wird in die Formel
fUr die Abtragung eingefUhrt. Sodann werden die ermittelten Abtragungs- und
Niederschlagskurven miteinander in Vergleich gestellt und der Wert del' sog.
"idealen Abtragungskurven", die man unter del' Annahme des Gebietsaufbaues
aus einheitlichem Gesteinsmaterial erhiilt, kritisch besprochen. Derartige fUr
Kalk und Sandstein aufgestellte Kurven zeigen "ein Abtragungsfeld, dessen Be
ziehung zur praktisch gefundenen Abtragungskurve eine exakte Erfassung del'
Ursachen erlaubt, welche auffiillige Abweichungen del' empirischen Abtragungs
kurve yom Verlauf der idealen Abtragungskurven hervorgebracht haben".
In Fortsetzung ihrer mit Buntsandstein und Muschelkalk in Gottingen und
auf dem Brocken als Verwitterungsstandorte durchgeflihrten Untersuchungen4
gelangen E. BLANCK und R. THEMLITZ5 zu der Feststellung, daB die wiihrend
einer Zeitdauer von 12 Jahren den an besagten Orten recht verschiedenen atma
sphiirischen Einfllissen ausgesetzten Gesteinsmaterialien immerhin eine schon
recht deutlich nachweisbare chemische Verwitterung durchgemacht haben. Dabei
haben sich die verschiedenen Klimaeinfllisse des Standortes auf den Sandstein
verwitterungsverlauf, sowahl hinsichtlich ihrer Intensitiit als auch Richtung, nahezu
als gleichwertig gezeigt, wiihrend das Kalkgestein unter dem Gottinger Klima
eine etwas abweichende und stiirkere chemische Aufbereitung als unter den Klima
einfllissen des Brockens erlitten hat. Diesel' Unterschied wird als bedingt durch
1 KLAHN, H.: Niederschlag, Verwitterung, Abtragung und Tektonik irn Oberrheintal.
Chern. Erde 6, 153 (1931).
2 BLANCK, E.: Chern. Erde 3, 437 (1928).
3 Vgl. dieses Handbuch 2, 187, 212-217 (1929).
4 Vgl. dieses Handbuch 2, 215 (1929).
5 BLANCK, E., u. R. THEMLITZ: Zweiter und letzter Beitrag zu den vergleichenden Unter
suchungen fiber die VerwiUerung derGesteine unter abweichenden klirnatischen VerhiiJtnissen.
Chern. Erde 9, 527 (1934).
entstandenen Mineralstoffbestandteile des Bodens. 3
die verschiedene Gesteinsbeschaffenheit beider Versuchsgesteine erklart, insofern
als beim Sandstein nur die schon an und fiir sich leicht angreifbare Bindemittel
substanz von der chemischen Verwitterung in Mitleidenschaft gezogen wird, wo
gegen es sich beim Kalkstein, der an sich viel schwerer angreifbar ist, urn einen
reinen LosungsprozeB der Karbonate und einen hydrolytischen Zerlegungsvorgang
der nichtkarbonatischen Anteile handelt, der aber sicherlich den klimatischen
Einfliissen viel starker unterworfen ist, die sich unter den ortlichen Verhaltnissen
Gottingens gegeniiber denen des Brockens besonders auswirken. Da sich nun
das Brockenklima dem Gottinger Klima gegeniiber durch einen hoheren relativen
Feuchtigkeitsgehalt, groBere Niederschlage, jedoch geringere Temperatur aus
zeichnet, aber der 'Sonnenscheindauer auf dem Brocken nur ein ganz geringes
Plus zukommt, so gelangen die Genannten zur Bestatigung der schon an anderer
Stelle 1 ausgesprochenen Ansicht, daB die Temperatur fUr die chemische Ver
witterung den wesentlichsten Faktor abgibt. Denn wenn auch auf dem Brocken
die Niederschlagsmenge und der relative Feuchtigkeitsgrad weit iiberwiegen, so
muB der hoheren Temperatur, nur gepaart mit geringer Feuchtigkeit, in Gottingen
der vorwiegendste VerwitterungseinfluB fiir die hier etwas starker ausgefallene
chemische Aufbereitung des Muschelkalkes zugeschrieben werden. H. UDLUFT2
erortert auf Grund des Mineralbestandes der Sandsteine die Frage, "welche Be
standteile den chemisch wirksamen Verwitterungskraften zum Opfer fallen konnen
und welchen Widerstand die Struktur der physikalischen Verwitterung" entgegen
setzt. Indem er von den petrographischen Verhaltnissen der Sandsteine Nord
westdeutschlands ausgeht, gelangt er zu dem unzweifelhaft richtigen SchluB,
daB diejenigen Sandsteine der Verwitterung am erfolgreichsten standhalten
werden, die als klastische Anteile ausschlieBlich Quarze fiihren, gleiche Korn
groBe und gleichmaBig dichte Lagerung aufweisen und deren Bindemittelsubstanz
kieselig ist3. Hinsichtlich des Vollzuges der physikalischen Verwitterung in
Wiistengebieten auBert sich H. MORTENSEN4 in einer der "Salzsprengung" ge
widmeten Abhandlung. Er weist darauf hin und begriindet es gleichfalls, daB
die salzsprengende Wirkung in der Wiiste nicht eine Folge des hierfiir zumeist
angenommenen Kristallisationsdruckes sei, sondern als Folgeerscheinung einer
Hydratbildung zu gelten habe. Es erfolge daher die Zerstorung des Gesteins
nicht bei der Auskristallisation des Salzes aus der konzentrierten Losung, d. h.
zur Zeit der groBten Trockenheit, sondern bei der Hydratbildung, also dann,
wenn die groBte Feuchtigkeit, wie z. B. bei Taufall oder Regen, herrschen, wie
er es denn auch in der sehr trockenen Tacna-Wiiste Nordchiles habe beobachten
konnen. Lediglich die klimatische Vorbedingung hierfiir sei, daB die Bedingungen
fUr die Entstehung entwasserter Salze gegeben seien und ein geniigend haufiger
W.echsel von Feuchtigkeit und Zugang derselben von oben zum Gestein gewahr
leistet sei. Ais im wasserfreien oder wasserarmen Zustande zu starker Hydrat
bildung neigende Salze kommen CaS04, Na2S04, MgS04 und Na2COa in Frage.
Die dabei auftretende Volumvermehrung kann bis zu 300 % des Volumens des
entwasserten Salzes fUhren, so daB die gesteinszerstorende Wirkung betrachtlich
groBer als die mit dem Gefrieren und Auftauen des Wassers verbundene Frost
sprengung ist. Die vom Verfasser auf Grund der chemisch-physikalischen Ver-
1 Vgl. S. 130 dieses Bandes.
2 UDLUFT, H.: Die petrographischen Grundlagen fUr die Verwitterbarkeit der im Hoch
und Tiefbau verwandten Sandsteine Nordwestdeutschlands. Jb. preuB. geol. Landesanst.
1929 1, 437 (1930).
3 Vgl. dieses Handbuch 4, 75 (1930).
4 MORTENSEN, H.: Die "Salzsprengung" und ihre Bedeutung fur die regional-klimatische
Gliederung der Wusten. Peterm. Geogr. Mitt. 1933, 130.
1*