Table Of ContentDorit Bosse (Hrsg.)
Gymnasiale Bildung zwischen Kompetenzorientierung
und Kulturarbeit
Dorit Bosse (Hrsg.)
Gymnasiale Bildung
zwischen
Kompetenzorientierung
und Kulturarbeit
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1. Auflage 2009
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© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
Lektorat: Katrin Emmerich / Sabine Schöller
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Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-531-16441-0
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ............................................................................................................................... 7
1. Perspektiven gymnasialer Bildung
Dorit Bosse
Zur Zukunft des allgemein bildenden Gymnasiums ..................................................... 15
Barbara Schneider-Taylor
Bildungssystem, Bildungstheorie, Bildungsreform – Anmerkungen
zu einem un(auf)lösbaren Zusammenhang ..................................................................... 29
Arno Schmidt
Die gymnasiale Oberstufe zwischen fachlicher Atomisierung und
pädagogischer Kontinuität ................................................................................................. 43
Dorit Bosse
Von den „D-Zug-Klassen“ zur allgemeinen Verkürzung
des gymnasialen Bildungsgangs ........................................................................................ 63
Dorit Bosse
Das achtjährige Gymnasium – Reformidee und erste Praxiserfahrungen ................. 77
2. Kompetenzorientierung schulischen Lernens
Franz Eberle
Schweizerische Maturität – Ausbildungsstandards
für Maturandinnen und Maturanden ............................................................................... 91
Ludwig Huber
Von „basalen Fähigkeiten“ bis „vertiefte Allgemeinbildung“:
Was sollen Abiturientinnen und Abiturienten für das Studium mitbringen? .......... 107
Dorit Bosse
Gymnasialunterricht aus lehr-lerntheoretischer Sicht ................................................. 125
Rudolf Messner
Bausteine eines kognitiv aktivierenden Fachunterrichts ............................................. 137
6 Inhaltsverzeichnis
Hans Dietrich Unger
Hausaufgaben – ein notwendiger Bestandteil schulischen Lebens? ......................... 161
Dorit Bosse
Umgang mit Heterogenität am achtjährigen Gymnasium ......................................... 169
Armin Hackl
Förderkonzepte hochbegabter Gymnasiastinnen und Gymnasiasten
am Beispiel des Deutschhaus-Gymnasiums Würzburg .............................................. 187
Dorit Bosse
Das computergestützte Arbeitsjournal in der gymnasialen Oberstufe ..................... 199
Dorit Bosse, Herbert Müller
Selbstständiges Lernen in der gymnasialen Oberstufe fördern
durch Lehrerteamarbeit .................................................................................................... 213
3. Kulturarbeit als wesentlicher Bestandteil gymnasialer Bildung
Eckart Liebau
Wohin entwickelt sich das Gymnasium? ....................................................................... 221
Dorit Bosse
Zur Bedeutung des Ästhetischen für den Bildungsprozess ....................................... 233
Stefan Krimm
Die höheren Sphären und die Realien – Überlegungen zu
Geschichte und Perspektiven gymnasialer Bildung ..................................................... 243
Dorit Bosse, Sabine Blum-Pfingstl, Stefan Krajewski
Medienkompetenz am Gymnasium am Beispiel von Internet-TV ........................... 259
Autorenverzeichnis ........................................................................................................... 267
Einleitung
Gymnasiale Bildung zwischen Kompetenzorientierung und Kulturarbeit – der Titel deutet an,
dass eine Verortung des Bildungsauftrags des Gymnasiums angesichts aktueller
gesellschaftlicher wie globaler Herausforderungen ansteht. Die Diskussion bewegt
sich derzeit zwischen stoffbasierten Lehrplänen und kompetenzorientierten Bil-
dungsstandards, zwischen individueller Förderung und Vergleichbarkeit sowie
zwischen dem Erwerb fachlicher Basics für Studium und Beruf und der Persön-
lichkeitsentwicklung von Heranwachsenden. Ein Blick zurück zu den Anfängen
gymnasialer Bildung soll der Klärung der Frage nach den Gegenwarts- und Zu-
kunftsaufgaben des Gymnasiums dienen.
Die Formen des höheren Schulwesens, die seit Wilhelm von Humboldt als
Gymnasium im heutigen Sinne bezeichnet werden, haben eine wechselvolle Ge-
schichte erfahren. Seit Einführung des ersten Abiturientenexamens 1788 – und
1834 als Abitur dann für alle Studierwilligen verpflichtend – unterliegt das Gymna-
sium einem ständigen zeitgeschichtlichen Wandel als Reaktion auf neue gesell-
schaftliche Bedürfnisse. So spielt das Gymnasium Ende des 18. und Anfang des
19. Jahrhunderts in der Überwindung des feudalen Absolutismus eine maßgebliche
Rolle. Im Sinne der Aufklärung sollte höhere Bildung als Zugang zu gesellschaftli-
chen Schlüsselpositionen kein Standesprivileg mehr sein, das mit der Geburt er-
worben wird, sondern jedem Staatsbürger offenstehen. War dieses Recht zunächst
der männlichen Bevölkerung vorbehalten, wurde es zu Beginn des 20. Jahrhunderts
auch dem weiblichen Geschlecht zugestanden. Seit 1908 konnten junge Frauen in
Preußen durch den Besuch des Lyzeums, wie die höhere Mädchenschule damals
hieß, ein Hochschulstudium aufnehmen. Faktisch blieb das Grundrecht auf höhere
Bildung, ob für Männer oder Frauen, allerdings lange Zeit der gesellschaftlichen
Oberschicht vorbehalten.
Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde unter dem Einfluss von
Sputnikschock, Babyboom und der Diskussion um soziale Gleichheit ein „Bürger-
recht auf Bildung“ proklamiert. Es war vom „Bildungsnotstand“ die Rede, der vor
allem an der geringen Abiturientenquote festgemacht wurde. Der Besuch des
Gymnasiums sollte zukünftig allen Bevölkerungsschichten, auch den Arbeiterkin-
dern, offenstehen. Es galt, die gesellschaftlichen „Bildungsreserven“ zu mobilisie-
ren. Die mit der Bildungsexpansion verbundene soziale Öffnung des Gymnasiums
kam allerdings vor allem der bildungsnahen Mittelschicht zugute. Dass es beim
Übertritt ins Gymnasium noch immer ein schichtenspezifisches Ungleichgewicht
gibt und Kinder aus sozialen Brennpunkten und aus Familien mit Migrationshin-
tergrund vergleichsweise selten den Weg ins Gymnasium finden, wurde in den
letzten Jahren im Zuge der PISA-Debatte erneut reklamiert. Die Internationale
Vergleichsstudie zeigte auf, dass es in Deutschland einen besonders starken Zu-
8 Einleitung
sammenhang zwischen soziokulturellem Milieu und Bildungserfolg gibt. Noch
immer ist bei gleichen Fähigkeiten die Chance eines Kindes aus einem bildungsna-
hen Elternhaus, das Gymnasium erfolgreich zu durchlaufen, bundesweit viermal
größer als bei einem Kind aus einer Facharbeiterfamilie.
Dieser kurze Rückblick auf den Wandel der gesellschaftlichen Bedeutung
gymnasialer Bildung soll deutlich machen, dass die Forderung nach einem Grund-
recht auf höhere Bildung keineswegs neu ist. Es gehört zu einer der zentralen He-
rausforderungen bei der Weiterentwicklung des Gymnasiums, Kindern unabhängig
von sozialer und ethnischer Herkunft den Weg ins Gymnasium zu ebnen und mit
der zunehmend größer werdenden Heterogenität der Schülerschaft produktiv um-
zugehen.
Ein Teil der Beiträge des vorliegenden Bandes geht auf die Internationale Ta-
gung „Gymnasiale Bildung der Zukunft“ zurück, die im März 2007 an der Univer-
sität Würzburg stattfand. Der Band widmet sich der Frage, wie sich das Gymna-
sium weiterentwickeln soll, auf mehreren Ebenen. Zum einen gilt das Augenmerk
der übergreifenden Frage, wie eine zukunftsfähige gymnasiale Bildung aussehen
muss, damit sich Heranwachsende in einer globalisierten Welt behaupten können.
Dazu gehört mit Blick auf das angelsächsische Literacy-Konzept eine Neuakzen-
tuierung gymnasialer Bildung mit kompetenzorientierter Ausrichtung ebenso wie
die Besinnung auf die Bedeutung ästhetischen Erlebens als basale menschliche
Erfahrungsmöglichkeit jenseits jeglichen Zweckdenkens, das wichtiger Bestandteil
des individuellen Bildungsprozesses ist.
In Teil 1 werden die Perspektiven gymnasialer Bildung aus unterschiedlichen
Blickwinkeln aufgezeigt. Zunächst werfe ich in meinem Beitrag „Die Zukunft des
allgemein bildenden Gymnasiums“ die Frage auf, in welcher Weise das Allgemein-
bildungskonzept des Gymnasiums aktualisiert werden muss, damit sich Heran-
wachsende zu gebildeten Menschen entwickeln können, die ihr Leben in der globa-
lisierten Welt erfolgreich meistern können. Dafür wird die Rolle der sogenannten
Schlüsselqualifikationen beleuchtet, der Stellenwert der Bereiche Naturwissenschaft
und Technik austariert und die besondere Bedeutung der „Seminare“ hervorgeho-
ben, die je nach Bundesland auch „Seminarfach“ oder „Seminarkurs“ heißen.
Barbara Schneider-Taylor beschäftigt sich mit dem unauflösbaren Zusammen-
hang von Bildungssystem, Bildungstheorie und Bildungsreform. Mithilfe histori-
scher Rekurse auf die Ursprünge unserer abendländischen, auf Textualität beru-
henden Bildungstradition in der Antike sowie auf die Neuzeit bis zum Neuhuma-
nismus zeichnet sie die Linien jener Entwicklungen nach, die für die Entstehung
dessen, was als Bildung bezeichnet werden kann, entscheidend waren. Dabei wird
der Entwicklung eines systematisch verorteten, fortschreitend theoriegeleiteten
Bildungswesens im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert besondere Aufmerksam-
keit geschenkt, stets verbunden mit der Frage, wie sich Bildungsreformen ange-
sichts unterschiedlicher Interessen von Staat, Markt und Gesellschaft vollziehen.
Einleitung 9
Arno Schmidt konzentriert sich in seinem Beitrag auf die gymnasiale Oberstufe,
deren Entwicklung er unter den Aspekten „fachliche Atomisierung“ und „pädago-
gische Kontinuität“ näher beleuchtet. Dabei richtet er den Blick ebenfalls zurück in
die Antike, in der erstmals Fragen des Fächerkanons und der Lehrplangestaltung
aufgeworfen wurden. Es folgt eine Beschäftigung mit den Ansprüchen wissen-
schaftspropädeutischen Arbeitens, bei der die Bedeutung der fachlichen wie über-
fachlichen Anteile von Bildung hervorgehoben werden. Resümierend weist der
Autor darauf hin, dass im Bildungsprozess das Ganze der Person des Lernenden
stets im Blick behalten werden sollte.
Eine Auseinandersetzung mit der Verkürzung des gymnasialen Bildungsgangs
einschließlich der damit verbundenen Neuerungen darf in einem Band über die
Weiterentwicklung des Gymnasiums nicht fehlen. In zwei eigenen Beiträgen wird
zunächst ein breiter Horizont eröffnet, indem die Genese der G 8-Reform unter
Einbeziehung einer Studie zu den sogenannten D-Zug-Klassen in Hessen rekon-
struiert wird, bevor sich der Fokus auf die derzeitige Unterrichtspraxis am achtjäh-
rigen Gymnasium am Beispiel Bayerns richtet.
Im 2. Teil steht die Kompetenzorientierung schulischen Lernens im Mittelpunkt. Ei-
nen Blick in die Schweiz gewährt Franz Eberles Beitrag, der sich mit den Ausbil-
dungsstandards für Schweizer Gymnasiastinnen und Gymnasiasten beschäftigt. Im
Mittelpunkt steht die Maturitätsreform an den Gymnasien in der Schweiz, die seit
Jahren durch das Projekt EVAMAR wissenschaftlich begleitet wird. Der Autor
stellt die zweite Evaluationsphase dar, in der das Schwergewicht auf der Erfassung
des Ausbildungsstands der Schülerinnen und Schüler am Ende des Gymnasiums
liegt. Dazu gehört im Wesentlichen das Ziel „Studierfähigkeit“, auf das sich auch
der Beitrag von Ludwig Huber konzentriert. Das Spektrum dessen, was Abiturien-
tinnen und Abiturienten für das Studium mitbringen sollen, bewegt sich, so Huber,
von „basalen Fähigkeiten“ bis zur „vertieften Allgemeinbildung“. Der Autor be-
trachtet aus Sicht der aufnehmenden Institution, der Universität, was Studierfähig-
keit im Einzelnen ausmacht, und zieht daraus Schlussfolgerungen für den Unter-
richt der gymnasialen Oberstufe sowie für deren Bildungsauftrag insgesamt. Der
Beitrag schließt mit einer kritischen Einschätzung der zunehmenden Einengung
individueller Schwerpunktsetzungen durch die „Rekanonisierung“ von Pflicht- und
Prüfungsfächern bis zum Abitur.
Es folgt ein eigener Beitrag, in dem Unterricht aus lehr-lerntheoretischer Sicht
beleuchtet wird. Neben den didaktischen Funktionen des lehrerzentrierten Unter-
richts richtet sich das Augenmerk auf den Aspekt der kognitiven Aktivierung im
schülergesteuerten Lernen. Unter Einbeziehung von Ergebnissen der DESI-Studie
wird das ermittelte Methodenspektrum aufgezeigt, das an deutschen Gymnasien im
Deutschunterricht der Jahrgangsstufe 9 vorherrscht. Resümierend wird hervorge-
hoben, dass guter Unterricht aus einem dynamischen Wechselspiel von lehrerzent-
riertem Unterricht mit kooperativen und individuellen Lernphasen besteht.
10 Einleitung
Rudolf Messners Beitrag stützt sich auf die aktuellen Forschungsergebnisse über
Lehren und Lernen, wobei die gegenwärtige Diskussion um „guten Unterricht“ mit
einbezogen wird. Im Zusammenhang mit der Forderung nach mehr kognitiver
Aktivierung und der Erweiterung selbstständiger Schülerarbeit werden „neun Bau-
steine“ zur Weiterentwicklung schulischen Lernens vorgestellt, die Lehrerinnen
und Lehrer als Handlungsvorstellungen in ihrem Bemühen um einen kompetenz-
orientierten Unterricht unterstützen sollen. Die Bausteine werden teils konzeptio-
nell, teils mithilfe konkreter Unterrichtsbeispiele aus unterschiedlichen Fächern
erläutert.
Hans Dietrich Unger beschäftigt sich mit einem Thema, das lange Zeit in der
pädagogischen Diskussion vernachlässigt worden ist und dem erst in letzter Zeit
wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, den Hausaufgaben. Der Autor zeigt
auf, worin die alltäglichen Probleme mit Hausaufgaben bestehen, was die Funktion
von Hausaufgaben sein sollte und welche Möglichkeiten insbesondere Ganztags-
gymnasien haben, das Üben als wichtige Funktion von Hausaufgaben stärker im
Unterricht zum Tragen kommen zu lassen. Um das Üben und Durcharbeiten geht
es auch in dem sich anschließenden eigenen Beitrag. Zentral ist dabei der Aspekt
der Heterogenität am Gymnasium. Im Zentrum steht eine Studie zu den Intensi-
vierungsstunden, die in Bayern im Zuge der Verkürzung der Gymnasialzeit einge-
richtet wurden. Die Ergebnisse zeigen in ihrer Tendenz eine grundlegende Innova-
tionsbereitschaft der Lehrerinnen und Lehrer bei der Gestaltung von Intensivie-
rungsstunden. Es wird deutlich, mit welch unterschiedlichen methodischen Arran-
gements die individuelle Förderung leistungsschwächerer wie leistungsstarker Schü-
lerinnen und Schüler im Mittelpunkt steht. Im Ausblick wird darauf hingewiesen,
dass Intensivierungsstunden mit halber Klassenstärke zum Motor für Unterrichts-
entwicklung im regulären Fachunterricht werden könnten.
Armin Hackl zeigt am Beispiel des Deutschhaus-Gymnasiums Würzburg auf,
wie in Modellklassen Begabtenförderung betrieben werden kann. Er betont, dass
im Förderkonzept der Individualisierung des Lernens hohe Bedeutung zukommt.
Als weitere wichtige Punkte werden die Teamstruktur in der Klassenführung der
beteiligten Lehrerinnen und Lehrer sowie das Mentorat hervorgehoben. Der Aus-
prägung der personalen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler wird, so Hackl,
viel Raum gegeben, um begabten und hochbegabten Kindern und Jugendlichen
nach dem „Gesetz der Rückgabe“ frühzeitig soziale Verantwortung vermitteln zu
können. Im sich anschließenden eigenen Beitrag wird über ein Forschungsprojekt
in der gymnasialen Oberstufe berichtet. Im Zentrum steht das computergestützte
Journalschreiben im Umgang mit Sachtexten, das der Reflexion und Steuerung der
Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler dient. Im Gefolge der Textprodukti-
onsforschung und der Forschung zu Lernstrategiewissen und Lernstrategienutzung
wird untersucht, welche Auswirkungen das schreibende Begleiten des eigenen
Lernens auf die Lernergebnisse von Oberstufenschülerinnen und -schüler hat. Um
Einleitung 11
die Oberstufe geht es auch in dem Beitrag, den ich zusammen mit Herbert Müller
verfasst habe. Es wird auf das Wechselverhältnis von Wissenschaftspropädeutik
und selbstständigem Lernen eingegangen und damit auf zwei zentrale Forderungen
an das Arbeiten in der gymnasialen Oberstufe. Am Beispiel eines Oberstufenpro-
jekts wird aufgezeigt, wie Teamarbeit unter Kolleginnen und Kollegen dazu beitra-
gen kann, dass Oberstufenschülerinnen und -schüler interessengeleitete und selbst-
ständigkeitsfördernde Lerngelegenheiten erhalten. Dabei wird deutlich, wie für
Lehrerinnen und Lehrer durch Teamarbeit die pädagogische und didaktische Ar-
beit entlastet werden kann und die kollegiale Zusammenarbeit zugleich auch als
bereichernd wahrgenommen wird.
Teil 3 widmet sich der Kulturarbeit als wesentlichem Bestandteil gymnasialer Bildung.
Eckart Liebau fragt, wohin sich das Gymnasium entwickelt, und bezieht die Frage
sowohl auf die Inhalte als auch auf die Stufung gymnasialen Lehrens und Lernens.
Er hebt hervor, dass sich das Gymnasium nicht nur auf die Qualifikationsfunktion
gründen darf, sondern auch der personalen Entwicklung der Kinder und Jugendli-
chen genügend Raum geben sollte. Als zentrale Bezugsbereiche werden Wissen-
schaft, Ästhetik und Politik genannt, wobei Liebau fordert, das Theater als künstle-
risches Fach zu etablieren. Bezüglich der Stufung stellt er fest, dass am Gymnasium
derzeit eine zu geringe Passung zwischen den Entwicklungsstufen junger Men-
schen und dem schulischen Angebot besteht. Die „Bedeutung des Ästhetischen für
den Bildungsprozess“ steht im Mittelpunkt meines eigenen Beitrags. Ausgehend
vom Bildungsgedanken im Neuhumanismus wird mit Verweis auf Schiller die
ästhetische Erfahrung als Voraussetzung dafür angesehen, dass Bildungsprozesse
in Gang gesetzt werden. Es wird auf die Tendenz hingewiesen, dass individuelle
Bildung zunehmend mehr von vereinheitlichten Kompetenzen überlagert wird,
und es wird angemahnt, Aesthetical Literacy im G 8-Curriculum genügend breit zu
verankern.
Stefan Krimm konzentriert sich auf die „zwei Kulturen“, die Geistes- und die
Naturwissenschaften innerhalb des gymnasialen Fächerspektrums. Mit zahlreichen
Verweisen auf bedeutende Vertreter beider Wissenschaftsbereiche wird die Entste-
hung der Kluft zwischen Geistesbildung und Praxisbezug nachgezeichnet und
aufgezeigt, wie die Vorherrschaft der Geisteswissenschaften des Humboldtschen
Gymnasiums erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zurück wich und die Naturwissen-
schaften mehr Gewicht bekamen. Im Ausblick werden die Herausforderungen für
das Gymnasium angesichts der Entwicklungen in den Wissenschaften und der
gewandelten Anforderungen an Heranwachsende thesenartig aufgelistet. Ein Bei-
spiel für zeitgemäße Kulturarbeit liefert der letzte Beitrag, den ich zusammen mit
Sabine Blum-Pfingstl und Stefan Krajewski verfasst habe. Hier wird gezeigt, wie Ober-
stufenschülerinnen und -schüler anhand von selbst produzierten Internet-TV-
Sendungen eine fundierte Medienkompetenz als Teil einer vertieften Allgemeinbil-
dung erwerben können. Beschrieben wird eine Form projektorientierten Lernens,