Table Of ContentGRUNDZÜGE
DER CHEMISCHEN
PFLANZENUNTERSUCHUNG
VON
DR. L. ROSENTHALER
A.O. PROFESSOR A. D. UNIVERSI.TAT BERN
ZWEITE
VERBESSERTE UND VERMEHRTE
AUFLAGE
SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH 1923
ISBN 978-3-662-35512-1 ISBN 978-3-662-36340-9( eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-36340-9
SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 2ND EDITION 1923
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER OBERSETZUNO
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Als Doktorant mit einer pflanzenchemischen Arbeit befaßt,
empfand ich es als Mangel, daß es eine kurze Anleitung für
eine derartige Arbeit nicht gab. Ich habe deshalb, sobald ich
dazu imstande war, diese "Grundzüge der chemischen Pflanzen
untersuchung" geschrieben. Da das Büchlein seit einiger Zeit
vergriffen war, habe ich es neu bearbeitet und die .Änderungen
und Zusätze angebracht, die sich durch das Fortschreiten der
Wissenschaft als notwendig erwiesen. Neu aufgenommen sind
die Kapitel über proteinogene Amine und Farbstoffe.
Möge sich dies Büchlein auch jetzt wieder denen nützlich
erweisen, die sich seiner bedienen, und ganz besonders den An
fängern in der Kunst der Pflanzenuntersuchung, für die es recht
eigentlich bestimmt ist.
Bern, März 1923. Der Verfasser.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung l
Regeln 4
Allgemeiner Teil.
Allgemeines über einige zur Darstellung der Pfauzenstoffe nötigen
Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Vorprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Das Ve rfahren von S t a s -0 t t o . . . . . . . . . . . . . ll
Nachweis von Rohrzucker und Glykosiden nach B o ur q u e l o t 15
Die Bleimethode . . . . 17
Gang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Spezieller Teil.
Alkaloide .... . 26
Glykoside .... . 32
Farbstoffe . . . . 40
Fette und fette ÖlP 41
'Vachse ...... , . 56
~ecithine (Phosphatide) . 58
Atherische Öle . . . . . 59
Harze ....... . 63
Gerbstoffe . . . . . . . 68
Phlobaphene ..... 72
Organische Säuren . . . . . . . . . 72
Kohlenhydrate und verwandte Körper 81
Eiweißstoffe . . . . . . . . . . . 96
Spaltungsprodukte der Eiweißstoffe 100
Proteinegene Amine 101
Enzyme ........ . 105
Taxalbumine . . . . . . 108
Anorganische Bestandteile 108
Literatur ... . 110
Sachverzeichnis ... . 113
Einleitung.
Die chemische Zusammensetzung einer Pflanze ist erst dann
vollständig ermittelt, wenn die Art und Menge sämtlicher chemi
scher Individuen bekannt ist, aus welchen sie besteht. Die Aus
führung einer in diesem Sinne geplanten Untersuchung ist eine
Aufgabe, deren vollkommene Lösung auch bei dem jetzigen hohen
Stand der Naturwissenschaften und der Chemie insbesondere noch
große, in mancher Hinsicht vorläufig unüberwindliche Schwierig
keiten bietet, da bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von
Stoffen, wie Enzymen und Membranstoffen, eine Zerlegung in
chemische Individuen bis jetzt nicht mit Sicherheit möglich ist.
Allein eine solche lückenlose Analyse ist bei den meisten pflanzen
chemischen Arbeiten weder beabsichtigt noch notwendig, zumal
die Inangriffnahme derartiger Untersuchungen aus sehr verschie
denen Beweggründen erfolgt. Der Pharmazeut und der Pharma
kologe haben vielfach andere Ziele im Auge als der Pflanzen
physiologe und der Agrikulturchemiker. Der größte Teil der
pflanzenchemischen Untersuchungen, wie sie in pharmazeutischen,
chemischen und pharmakologischen Laboratorien vorgenommen
werden, hat den Zweck, medizinisch, technisch oder wissenschaft
lich wichtige und interessante Pflanzenstoffe in reinem Zustand
darzustellen und ihre Zusammensetzung in mehr oder minder
weitgehendem Maße zu erforschen.
Die Ermittelung der organischen Bestandteile einer Pflanze
ist weitaus schwieriger al<> die ihrer anorganischen. Während bei
der Untersuchung der letzteren nur eine verhältnismäßig kleine
Anzahl von bekannten Elementen und Verbindungen in Betracht
kommt, ist die Zahl der in den Pflanzen vorkommenden orga
nischen Stoffe, wenn sie auch nur aus wenigen Elementen zusam
mengesetzt sind, eine ungeheuer große. Die Eigenschaften der
Körper, deren Darstellung der Zweck der Untersuchung ist, sind
meistens unbekannt, und die Entscheidung darüber, ob die end
lich isolierten Körper chemische Individuen sind oder nicht, ist
nicht immer leicht.
R o ~ e n t h a I er, Pflanzenuntersuchung. 2. Auf!.
2 Einleitung.
Außerdem ist der Pflanzenchemiker oft vor die Frage gestellt,
ob die von ihm im Laufe der Untersuchung gewonnenen Körper
in der Pflanze enthalten waren oder ob sie nur Zersetzungs
produkte sind. Denn die bei den Arbeiten selten völlig auszuschlie
ßende Einwirkung der Wärme, des Luftsauerstoffs, der Enzyme,
möglicherweise auch die Reaktionen der gelösten Stoffe aufein
ander und der oft sauren oder alkalischen Lösungsmittel können
nicht selten Veränderungen in den ursprünglich vorhandenen Pflan
zenstoffen hervorrufen, welche selbst bei Aufwand großer Mühe
und eindringlichen Scharfsinns oft schwer nachzuweisen sind.
Dazu kommt, daß die Zusammensetzung einer Pflanze oder
Reibst eines Pflanzenteils nicht unter allen Umständen die gleiche
ist. Der Wechsel der Jahreszeiten, die Verschiedenheiten der
Standorte, die bei der Kultur der Gewächse durch die Menschen
vorgenommenen Eingriffe können weitgehende Abweichungen
sowohl der qualitativen als auch der quantitativen Zusammen
setzung der Pflanzen bewirken. So schwankt der Glykosidgehalt
der Digitalisblätter bei den in der gleichen Vegetationsperiode
gesammelten Blättern nicht unbedeutend, wenn sie von ver
schiedenen Standorten herrühren. Auch ist es eine bekannte
Tatsache, daß der Alkaloidgehalt der javanischen Chinarinden
durch die Kultur sich beträchtlich vermehrt hat.
Endlich geben die quantitativen Bestimmungen häufig nur
annähernde Resultate. Z. B. lassen die rein wissenschaftlich
brauchbaren Bestimmungsmethoden für Gerbstoffe, Eiweiß und
Membranstoffe noch manches zu wünschen übrig.
Bei der großen Mannigfaltigkeit der in den Pflanzen vor
kommenden Stoffe ist es leicht verständlich, daß ein systematischer
Gang, wie er in der anorganischen Chemie ausgearbeitet worden
ist, in gleicher Vollendung für die Pflanzenchemie nicht existiert
und nicht existieren kann, solange nicht vollständige Untersuch
ungen einer beträchtlichen Anzahl von Pflanzen aus allen Fami
lien des Pflanzenreiches vorliegen. Denn es ist sonst nicht möglich,
eine Untersuchungsmethode aufzustellen, bei deren Einhaltung
man sicher wäre, alle in der Pflanzenwelt vorkommenden Körper
in unverändertem Zustande aufzufinden, gewissermaßen ein sehr
enges Netz, in dem sich alle aufzusuchenden Substanzen auf
fangen lassen. Wenn hier trotzdem ein solcher (in den Grundzügen
von Dragendorffs Methode ausgehender) Gang mitgeteilt wird,
so geschieht es in der Überzeugung, daß der Anfänger sich. mit
einem solchen Gang besser in den verschlungenen Verhältnissen
der Pflanzenchemie orientieren wird, als ohne dieses Hilfsmittel,
wenn er sich nur bewußt bleibt, daß er nicht sklavisch unter allen
Einleitung. 3
Umständen daran festhalten darf. Eine große Dosis von Beobach·
tungsgabe und Findigkeit wird der Pflanzenchemiker immer be
sitzen müssen, wenn er nichts übersehen und seiner Aufgabe in
jedem Fall gerecht werden will.
Andererseits finden sich Umstände, welche geeignet sind, die
Aufgabe des Pflanzenchemikers zu erleichtern; aus der großen
Menge der Pflanzenstoffe lassen sich Gruppen bilden, deren Indi
viduen gemeinsame Eigenschaften besitzen. Auf unbekannte
Glieder dieser Gruppen, wie sie z. B. in den Alkaloiden, Gerb
stoffen, Zuckerarten und Eiweißkörpern vorliegen, fahndet man,
indem man solche Untersuchungsmethoden anwendet, die be·
reits zur Auffindung bekannter Körper der gleichen Gruppe ge
dient haben, oder indem man unter Berücksichtigung der allen
Gliedern der Gruppe gemeinsamen Eigenschaften eine neue
Methode versucht. Eine große Anzahl von Pflanzenstoffen, deren
Eigenschaften bekannt sind, ist im Pflanzenreich weit verbreitet.
Es ist deshalb leicht (oft auch nebensächlich), ihre Gegenwart in
dem Gegenstande der Untersuchung festzustellen. Derartige Kör
per sind Chlorophyll, Traubenzucker, Cellulose, Stärke u. dgl.
Oft ist es leichter, die Abwesenheit des Gliedes einer bestimm
ten Gruppe festzustellen, als seine Gegenwart einwandfrei nach
zuweisen. Gibt z. B. ein konzentrierter, sauer reagierender Pflan
zenauszug keine Fällung mit den gebräuchlichsten Alkaloidfäl
lungsmitteln, so ist die Gegenwart eines Alkaloides ausgeschlossen.
Manchmal gewährt die Verwendungsweise einer Pflanze An
haltspunkte für die Untersuchung. Nahrungsmittel enthalten
verdauliche Kohlenhydrate, Fette oder Eiweißstoffe, in Genuß
mitteln finden sich häufig Substanzen mit basischen Eigenschaften
und in pflanzlichen Waschmitteln wird man die Gegenwart sapo
ninartiger Glykoside vermuten dürfen.
Bei der Untersuchung von Pflanzen mit ausgesprochener physio
logischer Wirkung ist es vorteilhaft, das biologische Experiment
heranzuziehen. Man kann damit sowohl die Auszüge als die iso
lierten Stoffe darauf prüfen, ob sie die spezifische Wirkung be
sitzen.
Die Stellung der Pflanzen im natürlichen System bietet manch
mal Aufschluß über die Art der Stoffe, deren An- oder Abwesen
heit man in den Pflanzen erwarten darf. Bei Papaveraceen wird
man hoffen dürfen, dem Protopin, ihrem Leitalkaloid, zu begegnen.
Die Anwesenheit von Alkaloiden ist in Solanaceen, die von Amyg
dalin in Prunaceensamen von vornherein wahrscheinlich. Da
gegen ist kaum damit zu rechnen, daß man etwa in der Familie
der Umbelliferen eine Blausäurepflanze antrifft.
l*
4 Einleitung.
Kommen mehrere Stoffe derselben Art, etwa Alkaloide oder
Glykoside, in einer Gattung oder gar in einer und derselben Pflanze
vor, so kann man nach den bisher vorliegenden Erfahrungen an
nehmen, daß sie in ihrer chemischen Zusammensetzung einander
nahe stehen. So leiten sich alle Blausäureglykoside der Prunaceen
vom BenzaldehydcyanhydriD ab und bei allen Colomboalkaloiden
ist derselbe Kern vorhanden.
Regeln.
l. Man prüfe jeden festen Körper, den man dargestellt hat,
mit dem Mikroskop, um sich davon zu überzeugen, ob er äußerlich
einheitlich ist.
2. Man reinige jeden Körper, ehe man ihn analysiert, solange,
bis über seine Einheitlichkeit nicht der geringste Zweifel besteht.
Das Analysieren mangelhaft gereinigter Körper ist der Fehler,
der am häufigsten in der Pflanzenuntersuchung begangen wird.
3. Man analysiere keinen Körper, ehe man ihn nicht quali
tativ geprüft hat. Man unterlasse es nie, ihn auf Stickstoff,
Schwefel, Phosphor und Aschenbestandteile zu untersuchen.
Allgemeiner Teil.
Allgemeines über einige zur Darstellung der Pflanzen
stoffe nötigen Arbeiten.
Die Darstellung beginnt mit der Extraktion oder bei flüch
tigen Substanzen mit der Destillation; nur in einzelnen Fällen
kann die Sublimation Verwendung finden, wie bei der DarstEllung
der Benzoesäure aus Benzoe.
Die Benützung von Perkolationsapparaten zum Ausziehen in
der Kälte, die von Extraktionsapparaten bei warmer Extraktion
erleichtert die Arbeit wesentlich. Wenn man bei der Extraktion
die Anwendung von Wärme nicht vermeiden kann, so erwärme
man doch möglichst nur auf dem Dampfbad.
Wie lange und wie oft man extrahieren soll, hängt von der
Eigenschaft der zu gewinnenden Stoffe und der Art der Unter
suchung ab. Man wird die Extraktion im allgemeinen immer bis
zur völligen Erschöpfung des Materials fortsetzen. Diesen Moment
kann man beim Arbeiten mit Extraktions- und Perkolationsappa
raten oft daran erkennen, daß eine im Anfang gefärbte Flüssigkeit
farblos abläuft. Sind die Extraktionen von Anfang an farblos,
so verdunstet man von Zeit zu Zeit eine kleine Menge derselben
auf einem Uhrglas. Hinterläßt die Flüssigkeit keinen festen Rück
stan<'l, so ist die Extraktion beendigt. Bei Fettextraktionen läßt
man die ablaufende Flüssigkeit auf ein Papier einwirken und hat
an den entstehenden Fettflecken einen ungefähren Maßstab für
das Fortschreiten der Extraktion. Sind Gerbstoffe auszuziehen,
so kann man extrahieren, bis die Eisenchloridreaktion (s. S. 9)
nicht mehr eintritt. Bei Saponinen wendet man die Schaum
reaktion (s. S. 10) an, bei Alkaloiden die oft sehr empfindlichen
Alkaloidfällungsmittel oder man prüft, da sie meist bitter sind
(mit Vorsicht!) den Geschmack der Auszüge. Letztere Probe kann
man selbstverständlich auch bei bitter oder anders schmeckenden
Körpern nichtalkaloidischer Natur anwenden. Die Rückstände
der Extraktion preßt man aus, da sie immer noch Flüssigkeit ent
halten.