Table Of ContentAlexander Böhlig · Christoph Markschies
Gnosis und Manichäismus
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zur
Beihefte Zeitschrift für die
neutestamentliche Wissenschaft
und die Kunde der älteren Kirche
Herausgegeben von
Erich Gräßer
Band 72
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1994
Alexander Böhlig
Christoph Markschies
Gnosis und Manichäismus
Forschungen und Studien 2u Texten
von Valentin und Mani sowie zu den Bibliotheken
von Nag Hammadi und Medinet Madi
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1994
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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufhahme
Gnosis und Manichäismus : Forschungen und Studien zu
Texten von Valentin und Mani sowie zu den Bibliotheken von
Nag Hammadi und Medinet Madi / Alexander Böhlig ;
Christoph Markschies. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1994
(Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und
die Kunde der älteren Kirche ; Bd. 72)
ISBN 3-11-014294-5
NE: Böhlig, Alexander; Markschies, Christoph
ISSN 0171-6441
© Copyright 1994 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin
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Vorwort
Der vorliegende Band dokumentiert die Zusammenarbeit eines christlichen
Orientalisten mit einem Kirchenhistoriker. Daß dabei das eine Phänomen
Gnosis/Gnostizismus aus mindestens zwei Blickwinkeln gesehen wird und un-
terschiedliche Sichten und Methoden in diesem Band auch nicht nivelliert
wurden, scheint uns kein Nachteil, sondern eher ein Vorteil solcher interdis-
ziplinärer Arbeit zu sein. Die Erforschung der klassischen gnostischen Texte
und der spektakulären Neufunde unseres Jahrhunderts setzt einen weiten hi-
storischen Horizont bei den Forscherinnen und Forschern voraus, um Einsei-
tigkeiten und Befangenheiten weitestmöglich zu reduzieren. Wenn Philologie
und Kirchengeschichte, Religionsgeschichte und Theologie so ins Gespräch
gebracht werden, kann das für die Sache, die Erforschung und Kommentie-
rung der Texte, die nun weitgehend in brauchbaren Editionen vorliegen, nur
von Nutzen sein. Die komplexe Materie erfordert solche gemeinschaftlichen
Unternehmungen zu ihrer Erschließung; nichts weniger als eine Revision un-
serer vertrauten alten Bilder von "der Gnosis" bzw. "der alten Kirche" könnte
die Folge sein; in diesem Band sind fünf Beiträge gesammelt, die dazu helfen
wollen.
Dazu wird zunächst von Christoph Markschies bei der valentinianischen
Gnosis und dem ägyptischen und römischen Theologen Valentin (Mitte zweites
Jahrhundert n.Chr.) eingesetzt, der seit den Kirchenvätern als Inaugurator des
nach ihm benannten Zweiges der Gnosis bzw. des Gnostizismus gilt. In einem
ersten Beitrag versucht der Kirchenhistoriker, grundsätzlicher über sein Ver-
ständnis der historischen und theologischen Entwicklung von Valentin zur so-
genannten 'valentinianischen Gnosis' Rechenschaft zu geben. Diese Überle-
gungen ergänzt dann ein Forschungsbericht zum selben Thema1. Bereits an ei-
1 Dieser Bericht ist im Vorwort seiner Tübinger Dissertation (Valentinus Gnosticus? Untersu-
chungen zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins,
WUNT 65, Tübingen 1992, VD) angekündigt worden.
VI Vorwort
nem solchen vergleichsweise partikulären Sektor der Gnosisforschung zeigt
sich, auf wie schwachen Beinen scheinbar unerschütterliche Wissenschaftskon-
sense stehen. Außerdem ist dieser zweite Beitrag in seinen Nachweisen zu den
jeweiligen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern so ausführlich angelegt,
daß er gleichzeitig als Beleg der These dienen kann, daß die entsprechenden
Gesamtbilder der Erscheinung Gnosis/Gnostizismus stets weit mehr von den
hermeneutischen resp. religionshistorischen oder theologischen Vorentschei-
dungen der Autoren geprägt waren (und sind), als jenen (und uns) meist be-
wußt ist. Mit den beiden Untersuchungen von Markschies liegen zugleich erste
Beiträge zu einer Gesamtdeutung der valentinianischen Gnosis vor.
Die folgende Einleitung von Alexander Böhlig in die Bibliotheken von Nag
Hammadi und Medinet Madi, der dritte Beitrag, ist allgemeiner gehalten und
kann als erste Vorstufe einer künftigen "Geschichte der gnostischen Tradition"
gelesen werden. Ursprünglich als Rahmenbericht in einem größeren Sammel-
werk gedacht, informiert er über Bestand und religionsgeschichtliche Einord-
nung der wichtigsten koptischen gnostischen bzw. manichäischen Textfunde
dieses Jahrhunderts, an deren editorischer und inhaltlicher Erschließung der
Autor von Anfang an beteiligt war. Er verbindet die Betrachtung des Gnosti-
zismus mit der des Manichäismus, weil bei aller Besonderheit der letztere
doch die Krönung der gnostischen Wirksamkeit in der Zeit der Alten Kirche
und der Spätantike darstellt. Auch diese Untersuchung enthält Überlegungen
zu einer Gesamtdeutung des Phänomens Gnosis/Gnostizismus. Der vierte
Beitrag, ebenfalls von Alexander Böhlig, über den griechischen Hintergrund
der νοΟς-Metaphysik wendet sich gegen die Trennung von Mythos und Philo-
sophie in der Gnosisforschung und versucht mit einem Rückblick auf die zeit-
genössische, aber auch die ältere griechische Philosophie der besonderen Be-
tonung des νους in manichäischer Theologie gerecht zu werden. Ist im vierten
Beitrag die Beziehung des Manichäismus zur Philosophie behandelt, so folgt
im fünften seine Stellung zum Christentum: Hat doch für Mani und seine
Schüler christlicher Glaube und christliche Kirche Möglichkeiten der Ausein-
andersetzung, aber auch vielfacher positiver Anregung gegeben.
Beide Autoren des Buches sind sich darin einig, daß die gnostische Kom-
bination von (Kunst-) Mythos, Mythenallegorie und philosophischer Prinzi-
pientheorie nicht nur im spätantiken Gnostizismus, sondern etwa auch in Aus-
läufern des spätantiken Piatonismus (zu nennen wären z.B. Plutarch, Apuleius,
Vorwort νπ
Numenius und die Chaldδischen Orakel) zu finden ist2. Es kommt jetzt in der
Forschung darauf an, prδzise die Unterschiede, Abhδngigkeiten und reinen
Koinzidenzen zu bestimmen. Dabei muί zunδchst der religiφse Charakter von
Gnostizismus und hellenistischer Philosophie beachtet werden. Darüber hin-
aus ist wahrzunehmen, daί die gnostische 'systematische Theologie' hδufig be-
ansprucht, auf direkter gφttlicher Offenbarung, nicht auf autonomem Schluί-
verfahren über Sachverhalte zu beruhen. Christoph Markschies kennzeichnet
die Durchführung dieser Methode - verglichen mit dem Denken z.B. eines
Plotin oder Gregor von Nyssa - in einigen der Texte als 'Halbbildungsphδno-
men'3. Daneben stehen solche Werke, deren Gestalt eher mit dem in vielen
Punkten "experimentellen Charakter" der Theologie der Kirchenvδter des
zweiten Jahrhunderts zu vergleichen wδre. Dem entspricht die Beobachtung
von Alexander Bφhlig, daί im Gegensatz zu den groίen Philosophen die Gno-
stiker nicht vom dialektisch-mathematischen Denken ausgingen, sondern des-
sen Ergebnisse verarbeiteten. Der Gnostizismus ist ohne die griechische Schu-
le nicht denkbar, zeigt aber auch deren bekannte Mδngel in der rφmischen
Kaiserzeit4.
Für die zuverlδssige Anfertigung der Druckvorlage und Hilfe bei den
Registerarbeiten haben wir ganz herzlich Frau stud. theo!. Johanna Braner zu
danken; die Beitrδge wurden zu diesem Zweck geringfügig formal vereinheit-
licht5. Drei Beitrδge dieses Bandes sind bereits im Druck erschienen6, wurden
2 Für grundsätzlichere Voten der Autoren vgl z.B.: A. BÖHLIG, Zur Struktur des gnostischen
Denkens, in: DERS., Gnosis und Synkretismus, GA zur spätantiken Religionsgeschichte,
WUNT 47, Tübingen 1989, 3 - 24; CH. MARKSCHIES, Art. Gnosis/Gnostizismus, Neues Bi-
bel-Lexikon I, Zürich 1991,868 - 871.
3 Ahnlich schon im Art. Gnosis/Gnostizismus, NBL I, 870 zur Klientel, die durch die Texte an-
gesprochen wurde.
* A. BÖHLIG, Die griechische Schule und die Bibliothek von Nag Hammadi, in: DERS., Gnosis
und Synkretismus 1,251 - 288.
s Die antiken Autoren werden weitestgehend nach den Verzeichnissen in den Lexika von
G.W.H. LAMPE, PGL, Oxford 1987 (= 1961) und H.G. LIDDELL/R. SCOIT/H.St. JONES,
A Greek-English Lexicon, Oxford 1983 (= 1968) bzw. A. BLAISE, Dictionnaire Latin-Français
des Auteurs Chrétiens, revu spécialement pour le vocabulaire théologique par H. CHIRAT,
Turnhout 1954 und Oxford Latin Dictionary von P.G.W.GLARE, Oxford 1982 zitiert bzw. abge-
kürzt. Für Texte TertuUians wurde allerdings den Vorschlägen von J.-C. FREDOUILLE (SC
280, Paris 1980,65) gefolgt. Ansonsten wird nach dem Abkürzungsverzeichnis der TRE (zusam-
mengestellt von S. SCHWERTNER, Berlin/New York 21992) verfahren. 'DPAC' bezieht sich
auf das 'Dizionario Patristico e di Antichità Cristiane' (3 Bde., Casale Monferrata 1983-1988).
6 A. BÖHLIG, Zum griechischen Hintergrund der manichäischen ΝΟΥΣ-Metaphysik, in: The
Manichaean ΝΟΥΣ. Proceedings of the International Symposium of the IAMS organized at the
Katholieke Universiteit Leuven from the 31st July to the 3rd of August 1991, ed. by A. VAN
TONGERLOO, Leuven 1993, 23 - 43; DERS., Der Manichäismus und das Christentum, in:
Gnosis und Philosophie. Miscellanea, mit einem Vorwort von A. BÖHLIG, Elementa 59, hg. v.
R. BERLINGER und W. SCHRÄDER, Atlanta, Amsterdam 1994,5 - 22; CH. MARKSCHIES,
Die Krise einer philosophischen Bibel-Theologie in der Alten Kirche, oder: Valentin und die va-
Vili Vorwort
aber für diesen Rahmen aktualisiert und geringfügig erweitert - wir danken
den Herren Professoren R. Berlinger und A. von Tongerloo für die Freigabe.
Herrn Professor Erich Gräßer gilt unser herzlicher Dank für die Aufnahme
dieser Studien in seine Reihe, Herrn Dr. Hasko von Bassi für die Anregung
dazu und dem Verlag für die Unterstützung dabei.
Tübingen, im Januar 1994 Alexander Böhlig/Christoph Markschies
lentinianische Gnosis zwischen philosophischer Bibelinterpretation und mythologischer Häresie,
in: Gnosis und Philosophie. Miscellanea, 227 - 269.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort V
Christoph Markschies,
Die Krise einer philosophischen Bibeltheologie in der Alten Kirche
oder: Valentin und die valentinianische Gnosis zwischen philosophischer
Bibelinterpretation und mythologischer Häresie 1
1. Vorbemerkung 1
2. Vermittlung zwischen Bibel und Philosophie - Valentin als
'apologetischer Vermittlungstheologe' 6
3. Valentins Schüler und ihr Mißverständnis - von der philosophi-
schen Bibelauslegung zum häretischen Kunstmythos 26
Christoph Markschies,
Alte und neue Texte und Forschungen zu Valentin und den Anfängen
der 'valentinianischen' Gnosis - Von J.E. Grabe und F.C. Baur
bis B.Aland 39
1. Die Quellen zu Valentin 44
2. Die bisherige Erforschung der Quellen zu Valentin 59
3. Eine neue Hypothese - neueste Forschungen zu Valentinus
Gnosticus 97
4. Schluß - Aufgaben für die künftige Forschung am Valen-
tinianismus 106
Arthang: Synopse von (Ps.-?) Didymus, Trin. III 42
und (Ps.-?) Cyrill, Catech. 6,17-19 109
χ Inhaltsverzeichnis
Alexander Böhlig,
Die Bedeutung der Funde von Medinet Madi und
Nag Hammadi für die Erforschung des Gnostizismus 113
1. Voraussetzungen und Fundgeschichte 113
2. Bestand
2.1 Die Bibliothek von Nag Hammadi 122
2.2 Die Bibliothek von Medinet Madi 133
3. Der "Sitz im Leben" der koptischen Schriften 135
4. Der "Sitz im Leben" der Vorlagen der koptischen Schriften.... 145
4.1 Die Literaturgattungen der Schriften
von Nag Hammadi 149
4.2 Die Traditionen 156
Exkurs: Das Problem aramäischer Elemente in den Schriften von Nag
Hammadi und ihre Bedeutung für den "Sitz im Leben" 158
5. Die religionsgeschichtliche Verankerung des Gnostizismus 163
6. Die Schriften von Nag Hammadi als Zeugen für die geistigen
Grundlagen der Gnosis 172
7. Die koptisch - manichäischen Texte in ihrer Bedeutung für die
Kenntnis und die religionsgeschichtliche Einordnung des Mani-
chäismus 203
8. Das religionsgeschichtliche Ergebnis 213
Bibliographie 225
Alexander Böhlig,
Zum griechischen Hintergrund der manichäischen Nus-Metaphysik.... 243
1. Einleitung 243
2. Nus bei den Manichäern 245
3. Nus in Ägypten 248
4. Nus bei den Vorsokratikern 249
5. Nus bei Piaton 252
6. Nus bei Aristoteles 255
7. Nus bei Xenokrates 257
8. Nus im Mittelplatonismus 258
9. Nus in der Stoa 261
10. Schluί und Ergebnis 262