Table Of ContentHelga Theunert
Gewalt in den Medien - Gewalt in der Realität
Schriftenreihe des
Institut Jugend Film Fernsehen, München
Band 9
Helga Theunert
Gewalt in den Medien -
Gewalt in der Realität
Gesellschaftliche Zusammenhänge
und pädagogisches Handeln
+
Leske Verlag Budrich, Opladen 1987
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Theunert, Helga:
Gewalt in den Medien - Gewalt in der Realitiit:
gesellschaftl. Zusammenhiinge und piidag. Handeln /
Helga Theunert. - Opladen: Leske und Budrich, 1987.
(Schriftenreihe des Institut Jugend Film Fernsehen,
Munchen; Bd. 9)
ISBN 978-3-8100-0594-6 ISBN 978-3-322-85651-7 (eBook)
DOl 10.1007/978-3-322-85651-7
NE: Institut Jugend Film Fernsehen: Schriftenreihe des Institut ...
© 1987 by Leske Verlag + Budrich GmbH, Leverkusen.
Gesamtherstellung: Druckerei Beltz, Hemsbach/Bergstra6e.
VORWORT
Das Phänomen 'Gewalt' als Gegenstand sozialwissenschaftlicher Diskussion
hat eine durchaus facettenreiche Tradition in unterschiedlichen Diszipli
nen: Nach den gesellschaftlichen Funktionen fragen Philosophie, Soziolo
gie und Politische Wissenschaft; als eine Komponente zwischenmenschlicher
Beziehungen betrachtet es die Psychologie; mit Möglichkeiten, ihm auf in
dividueller und gesellschaftlicher Ebene entgegenzuwirken, befaßt sich
die Pädagogik, insbesondere friedens- und konfliktpädagogische Ansätze.
Die Vielfalt daraus resultierender Blickrichtungen reduziert sich be
trächtlich, wird das allgemeine Phänomen auf das spezifische von 'Gewalt
in den Medien' konzentriert. Hier dominiert weitgehend ungebrochen eine
Forschungstradition, der es v.a. darum zu tun ist, individuelles Gewalt
handeln vorherzusagen, indem sie einzelne Wirkfaktoren isoliert und be
schreibt. Als ein bedeutender Wirkfaktor gelten die audiovisuellen Me
dien, hat die hier präsentierte Gewalt doch im Wortsinne "Vor-Bild"
Charakter. Eine klare Antwort auf die Frage, ob mediale Gewaltdarstel
lungen Wirkungen auf reales Handeln von Menschen haben, und wenn ja,
welche dies sind, gibt es bis heute nicht und wird es auch in Zukunft
nicht geben. Die Crux dieser Forschungen liegt in dem Versuch, die kom
plexe soziale Wirklichkeit, das Lernfeld des Menschen, in isolierte Ein
flußgrößen zu zerteilen .. Im konkreten Fall bedeutet dies, mediale Ge
waltdarstellungen aus ihrem gesellschaftlichen Entstehungszusammenhang,
real existenten Gewaltphänomenen und -verhältnissen, und aus ihrem Wir
kungskontext, den realen Gewalterfahrungen der Individuen, zu lösen. Die
Folge sind widersprüchliche Ergebnisse, die komplexe Zusammenhänge sim
plifizieren. Deren Einfachheit mag bestechen, suggerieren sie doch bün
dige Erklärungen und Lösungsmuster für reale Gewalt. Als Grundlage päd
agogischen Handelns sind sie jedoch durchweg ungeeignet. Komplexe soziale
Phänomene sind pädagogisch nur adäquat zu behandeln, wenn eben diese Kom
plexität zum Gegenstand gemacht wird, das Verstehen von Zusammenhängen
und Ursachen im Zentrum steht und pädagogisches Handeln sich hieran orien
tiert.
Einen solchen Ansatz sucht das vorliegende Buch zu skizzieren: 'Gewalt
in den Medien' wird unter einem explizit pädagogischen Blickwinkel be
trachtet, mit dem Ziel, pädagogisches Handeln theoretisch zu fundieren
und die Grundzüge pädagogischer Modelle zu umreissen. Dies verbietet es,
das Thema auf 'Gewalt in den Medien' zu begrenzen; vielmehr ist die Aus
einandersetzung mit realen Gewaltphänomenen und -verhältnissen in den
Mittelpunkt zu stellen. Gewalt läßt sich nicht in eine reale und eine
mediale Dimension trennen. Medien existieren nicht unabhängig von der
Gesellschaft, sie sind vielmehr deren Bestandteil. Mediale Gewaltprä
sentation ist deshalb nur im Zusammenhang mit realer Gewalt zu verste
hen und zu erklären.
Der Ausgangspunkt des hier zur Diskussion gestellten Ansatzes ist die
Frage nach der pädagogischen Brauchbarkeit der Prämissen und Ergebnisse
der 'Gewaltwirkungsforschung' . Aus der kritischen Abgrenzung zu dieser
Forschungsrichtung werden Kriterien für einen pädagogisch orientierten
Zugang entwickelt (Kapitell), die in 4 Kapiteln präzisiert werden:
Unter Einbezug der Gewaltdiskussion in unterschiedlichen Disziplinen
wird ein umfassender Gewaltbegriff entwickelt, der neben der personalen
auch die strukturelle Dimension integriert, die gesellschaftlichen Grund
lagen von Gewalt bestimmt und einen analytischen Zugang zu den unter
schiedlichen Erscheinungsformen über ihre Folgen vorschlägt (Kapitel 2).
Dieser Gewaltbegriff wird auch auf den Bereich der Medien übertragen.
Die Ergebnisse einer qualitativen Inhaltsanalyse der Programme des Fern-
sehens belegen exemplarisch die Bandbreite medialer Gewaltpräsentationen.
Insbesondere wird deutlich, daß die Dimension der strukturellen Gewalt,
die bisher aus der Betrachtung medialer Gewalt ganz ausgeklammert war,
im Medium Fernsehen nicht nur als reproduzierte auftaucht, sondern daß
das Medium selbst Produzent gesellschaftlich wirksamer Gewalt ist (Ka
pitel 3).
Die Fragen, inwieweit die theoretischen Bestimmungen im Gewaltverständ
nis Jugendlicher präsent sind, welche Bedeutung Jugendliche ihren alltäg
lichen Gewalterfahrungen und medialen Gewaltdarstellungen beimessen, und
welche Umgangsformen sie gegenüber Gewalt haben, werden anhand der Ergeb
nisse eines qualitativen Forschungsprozesses beantwortet, in dessen Ver
lauf mit ca. 200 Jugendlichen unterschiedlicher sozio-kultureller Her
kunft pädagogisch gearbeitet wurde (Kapitel 4).
Die in den vorangegangenen Kapiteln extrapolierten Bezugslinien für eine
pädagogisch verantwortbare Auseinandersetzung mit dem Problemkomplex Ge
walt werden im letzten Teil zu inhaltlichen und methodischen Prämissen
und Prinzipien pädagogischer Modelle verdichtet, die es erlauben, sich
mit Gewalt in der persönlichen und gesellschaftlichen Realität aktiv aus
einanderzusetzen und Handlungsalternativen zu reflektieren und praktisch
umzusetzen (Kapitel 5).
Den Bezugsrahmen für diesen Ansatz stellt das Projekt "Entwicklung von
Modyllen zur pädagogischen Auseinandersetzung mit 'Gewalt im Fernsehen'"
dar . Das Projekt - im folgenden entsprechend des internen Arbeitstitels
der Projektgruppe kurz 'MOPAD' genannt - hat sich zur Aufgabe gestellt,
das Problem Gewalt in den Medien, speziell im Fernsehen, unter praktisch
pädagogischen Aspekten anzugehen. Das zentrale Ziel lautet: Die Erarbei
tung und Bereitstellung praxisorientierter pädagogischer Modelle, die Ju
gendlichen und Mitarbeitern in der Jugendarbeit inhaltlich fundierte An
regungen und Hilfestellungen anbieten, um die vielfältigen Problemebenen
von Gewalt in den Medien kritisch zu reflektieren und sich aktiv handelnd
mit ihnen auseinanderzusetzen.
Für anregende Diskussionen und konstruktive Kritik während der Entstehung
dieses Buches möchte ich vor allem Hans Schiefele, Bernd Schorb, Fred
Schell und Verena Escherich danken; darüber hinaus allen, die neben der
Autorin und Bernd Schorb am Projekt 'MOPÄD' beteiligt waren: Erich Mohn,
Ingrid Breckner, Fred Wimmer, Klaus Schmidt, Günther Anfang und Erika
Pichler.
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INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort 5
Kapitell: Die pädagogische Folgenlosigkeit der Gewaltwirkungs-
forschung 9
1.1 Exemplarische Diskussion einer Untersuchung zur Wir-
kung medialer Gewalt: Die Lernexperimente Banduras 14
1.2 Die Defizite der Gewaltwirkungsforschung und ihre Fol-
gen für pädagogische Zusammenhänge 21
1. 2.1 Unzulängliche Bestimmung des Gewaltbegriffes 22
1.2.2 Reduktionistisches Gewaltverständnis 23
1.2.3 Methodenproblematik 29
Exkurs: Versuche, die Defizite zu überwinden - Neuere
Ansätze in der Gewaltwirkungsforschung 32
1.3 Kriterien für einen pädagogischen Zugang zu dem Pro-
blem 'Gewalt in den Medien' 34
Kapitel 2: Zur Entwicklung und Begründung eines umfassenden Ge-
waltverständnisses 40
2.1 Die Definition von Gewalt und ihre zentralen Bestim-
mungen 40
2.2 Der Zusammenhang von Gewalt, Macht und Herrschaft 42
2.2.1 Situative Machtverhältnisse und ihr Gewaltpotential 45
2.2.2 Generelle Machtverhältnisse und ihr Gewaltpotential 46
2.2.3 Herrschaft als Besonderung genereller Machtverhält-
nisse 49
2.2.4 Die historische Dimension von Gewalt 52
2.3 'Schädigung' und 'Leiden' als Ansatzpunkte für die
Wahrnehmung und Analyse von Gewalt 57
2.3.1 Die Problematik des 'aktionistischen' Gewaltverständ-
nisses 58
2.3.2 Die zentralen Bestimmungen des opferorientierten Zu-
gangs zu Gewalt 62
2.3.3 Die Behinderung der Erkenntnis des Gewalterleidens 64
2.4 Die Dimensionen von Gewalt 68
2.4.1 Personale Gewalt 70
2.4.1.1 Physische Gewalt 71
2.4.1.2 Psychische Gewalt 74
2.4.2 Strukturelle Gewalt 77
2.4.2.1 Kritische Einschätzung von Galtungs Konzeption der
strukturellen Gewalt 77
2.4.2.2 Die formalen Bestimmungen struktureller Gewalt 81
2.4.2.3 Die Schädigungsformen struktureller Gewalt 83
2.4.2.4 Versuch einer exemplarischen Differenzierung der Aus-
prägungsformen struktureller Gewalt 86
2.5 Gewalt als zu bewertendes Phänomen 91
Kapitel 3: Gewalt in den und durch die Medien 94
3.1 Gesellschaftliche Zusammenhänge und Funktionen von
Massenmedien 94
3.2 Medienspezifische Umgangsweisen mit Gewalt am Bei-
spiel des Fernsehens 100
3.3 Gewalt im Fernsehen - Eine qualitative Programmana-
lyse 105
3.3.1 Ausgangspunkt und Zielsetzung der Programmanalyse 105
3.3.2 Der inhaltliche Zugriff - Fragestellungen und Kate-
gorien der Programmanalyse 107
3.3.3 Der methodische Zugriff - Das Vorgehen bei der Pro
grammanalyse 113
3.4 Darstellung und Vermittlung von Gewalt im Fern
sehen - Die Ergebnisse der Programmanalyse 116
3.5 Zusammenfassende Einschätzung der Ergebnisse der
Programmanalyse - Pädagogische Folgerungen 127
Kapitel 4: Gewalt in der Sicht von Jugendlichen 131
4.1 Wissenschaftliches versus alltägliches Gewaltver
ständnis 133
4.2 Das Gewaltverständnis Jugendlicher als Gegenstand
eines qualitativen Forschungsprozesses 137
4.2.1 Die Prinzipien qualitativer Sozi al forschung als Rah
menbedingungen für den ForschungsprozeB 139
4.2.2 Die Prämissen für den ForschungsprozeB mit Jugend
lichen 146
4.3 Der forschungspraktische Ansatz des Projektes
'MOPÄD': Die Arbeit mit Jugendlichen 150
4.3.1 Zielsetzungen und Fragestellungen für die Arbeit
mit Jugendlichen 150
4.3.2 Forschungssubjekte: soziokulturell unterschiedliche
Gruppen Jugendlicher, und die Forschungssituation:
auBerschulische Jugendarbeit 152
4.3.3 Die Konzeption des Forschungsprozesses als Lernpro
zeB für die Jugendlichen: Das praktische Vorgehen 156
4.3.3.1 Die inhaltlichen Schwerpunkte in der Arbeit mit
Jugendlichen 158
4.3.3.2 Die Materialien für die Arbeit mit Jugendlichen 159
4.3.3.3 Die Methoden in der Arbeit mit Jugendlichen 163
4.3.3.4 Ein Seminarbeispiel 173
4.3.4 Teilnehmende Beobachtung als forschungsbegleitende
Methode 176
4.4 Das Gewaltverständnis Jugendlicher und ihre Ausein
andersetzungsformen mit Gewalt in medialen und rea
len Zusammenhängen - Die Ergebnisse des Projektes 178
4.5 Zusammenfassende Einschätzung der Ergebnisse der
Arbeit mit Jugendlichen - Pädagogische Folgerungen 191
Kapitel 5: Der Gegenstand Gewalt in Lernprozessen - Schlußfol
gerungen für pädagogische Konzeptionen 197
5.1 Die pädagogischen Prämissen für Lernprozesse zum
Gegenstandsbereich Gewalt 198
5.2 Die Zieldimensionen pädagogischer Prozesse 204
5.3 Die Vermittlungsprinzipien in pädagogischen Pro
zessen 208
5.3.1 Exemplarisches Lernen 209
5.3.2 Handelndes Lernen 212
Zusammenfassung und Ausblick 222
Anmerkungen 226
Literatur 229
Anhang
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Kapitell: DIE PÄDAGOGISCHE FOLGENLOSIGKEIT DER GEWALTWIR
KUNGSFORSCHUNG
Die Frage, ob die Betrachtung von Gewalt beim Zuschauer psychische Effek
te zeitigt, und wenn ja, welcher Art diese sind, wird nicht erst gestellt,
seit es Kino und Fernsehen gibt. Bereits Aristote1es schrieb den griechi
schen Tragödien und den dort gezeigten Gewalttätigkeiten eine die Seele
'reinigende' Wirkung zu; er vertrat damit die 'Katharsisthese' . Seneca
war dagegen überzeugt, daß die Gladiatorenkämpfe den Charakter der Zu
schauer und langfristig deren Persönlichkeit verderben; er hing damit
der bis heute vertretenen 'Stimulationsthese' an. Ähnliche Vermutungen
über die Wirkung von Gewaltdarstellungen in Theaterstücken, Opern, Wett
kämpfen und sonstigen dem Amusement dienenden Veranstaltungen gab es wohl
zu allen Zeiten (vgl. Kunczik 1982a, Haase 1984).
Virulent und in breiter Öffentlichkeit diskutiert wurde diese Frage je
doch erst mit dem Aufkommen der Massenmedien: Zunächst in bezug auf Druck
erzeugnisse, wobei die Gefahr insbesondere in den 'Groschenheftchen' ge
sehen wurde. Sie gerieten jedoch bald - mit Ausnahme der Ende der 4Der
Jahre in den USA aufflammenden Empörung gegen 'Comic-Strips' - wieder aus
der Schußlinie. Die Verbreitung des Kinofilms rief die Warner vor den
schädlichen Wirkungen des sogenannten 'Schundfilms' auf den Plan: Aus
einer Mischung von Kulturpessimismus und konservativ-christlichen Wert
vorstellungen heraus, wurde eine besondere Gefährdung von Kindern und Ju
gendlichen durch solche Filme postuliert. Dieses Thema bestimmte fortan
die Diskussion und legte den Grundstein für eine eigene medienpädagogische
Richtung, die 'Bewahrpädagogik', der es im Kern darum ging, die Heranwach
senden vom 'schlechten' Film weg und zum 'guten' Film hinzuführen.
Der eigentliche Aufschwung der Gewaltwirkungsforschung ist mit der Ein
führung des Fernsehens anzusetzen. Zuvor gab es bereits - vor allem in
den USA - Untersuchungen über die Medienwirkung allgemein, die primär
"von zwei Institutionen mit ähnlichen Interessen ausgelöst und angeregt
wurden, dem Militär und der Werbeindustrie" (Schorb/Mohn/Theunert
1980, S. 606). Für erstere war insbesondere di e Untersuchung der
Persuasi onskraft von t·1edi en, spezi ell des Ki nofilms, unter kri egspsycho
logischen Aspekten von Interesse, letztere interessierte daneben vor al
lem die Untersuchung von Nutzungsquantitäten unterschiedlicher Medien
durch verschiedene Adressatengruppen (vg1. Schorb/MohnlTheunert.
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1980, S. 606). Mit der massenhaften Verbreitung des Fernsehens wurde
der Blick "auf eine denkbare Erziehungsinstanz gerichtet ••• , die neben
den klassischen Erziehungsinstitutionen, -personen, und -mitteln (Eltern
haus, Schule, Arbeitsumwelt, Bücher usw.) sogleich nach ihrem positiven
und negativen Einfluß auf Kinder und Jugendliche kritisch diskutiert wur
de" (Haase 1984, S. 17). Eine Reihe überwiegend quantitativ ausgerich
teter Untersuchungen über die allgemeine Sozialisationswirkung des Fern
sehens wurde angestrengt, und um der weithin postulierten 'Vermassung und
Verdummung' durch das Fernsehen entgegenzuwirken, wurden Versuche unter
nommen, das Fernsehen durch lern- und persuasionstheoretische Idealpro
gramme als kompensatorischen Bildungsfaktor nutzbar zu machen (vgl.
Schorb/Mohn/Theunert 1980).
Mit der in den 50er Jahren in den USA und der BRD gleichermaßen breit
diskutierten These von der 'Verrohung durch die Massenmedien', insbeson
dere durch das Fernsehen, spezialisierte sich die allgemeine Frage nach
der Sozialisationswirkung des Fernsehens auf die Frage nach den psychi
schen und sozialen Auswirkungen medialer Gewaltdarstellungen. Eine Flut
von Untersuchungen - Haase schätzt die derzeitige Zahl auf ca. 3000 (vgl.
Ha ase 1984, S. 19) - über den Zusammenhang der Rezepti on medi al er Ge
waltdarstellungen und realer Aggressionsbereitschaft, realem aggressiven
Verhalten und realer Kriminalität war die Folge. Die unterschiedlichsten
Hypothesen zu diesem Zusammenhang - deren Spektrum sich jedoch bis heute
durch die Katharsis- und Stimulationshypothese begrenzen läßt - wurden in
Labor- und Feldexperimenten und in Befragungen überprüft, belegt, wider
legt, variiert, erneut belegt und widerlegt (vgl. Kunczi k 1975, 1982a
und b, 1984). Was von all diesen Untersuchungen bis heute bleibt, ist
eine Vielzahl von Behauptungen und Gegenbehauptungen, von Belegen und Ge
genbelegen. Keine einzige Hypothese kann gesicherte Gültigkeit beanspru
chen. Kaum zwei Untersuchungen kommen zu demselben Ergebnis. Kurz, die
Gewaltwirkungsforschung zeichnet sich trotz der Vielzahl vorliegender Un
tersuchungen bis heute vor allem durch Widersprüchlichkeit aus.
Diese Widersprüchlichkeit spiegelt sich in der öffentlichen, politischen
und nicht zuletzt in der pädagogischen Diskussion: Der Versuch, aus den
Ergebnissen der Gewaltwirkungsforschung Forderungen und praktische Maß
nahmen abzuleiten, ist gekennzeichnet von Verwirrung. Je nachdem, auf
welche Wirkungsthese Bezug genommen wird, werden konträre Argumente und
daraus abgeleitete Konsequenzen vorgebracht. Dabei bietet ein und die-
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