Table Of ContentNOVALIS
GESAMMELTE WERKE
MitcinemLebensbericht
herausgegebcn
von
CARL SEELIG
Bt)HL"VERLAG/HERRLIBERG-Zt)RICH
SchutzamschlagvonWalterMch
AUeKecbtevorlacWten
Copyright 1946 byBiild^VcrliigAG.,Hertlibcrg-Zillricb
0mck!BuchdrndkerelB^ichtlzaus Zurich
PrintedinSwitzerland
DRITTER BAND
FRAGMENTE
II
Fragmente desJahres ijp8
Freiherger Studim
Das allgemeine Bromllon (I)
Fragmmte des Jahres 1798
Ah Novalh Ende J797die beruflichen Siudien ander
angesehenen Bergakademte Freiberg begann, lagen die
schwersten Seelenprufungen seines Lebens bereits hinUr
ihm, DerFruhlinghattethm kurznacheinander d%e ver^
trmtesten Begleiter: die Braut und den altesten Bruder,
geraubt, Ihr Tod drangle thn vollends zur Philosophies
die dem empfindsamen Dichter das Fundament fur dn
sinnvoUes, wUrdtgesLebenHelensolUe.Denmuhsamsien
WeghatteerdurchdiegewissenhafteAuseinandersetzung
mitdenformalenundgedanklichen Problemen vonKant
undFichte damals schon hinter sich. Nun konnten sick
auch tn seinenphilosophischen BemUhungen d%eFlugel
der etgenen Schopferkraft zu entfalten beginnen. Erst
jetzt wagte er es, die ersten Bausieinezu einem selhstan-
digen Gedankengebdude herbeizutragen,
Unfajibar vieles hat Novahs von X7g4 Us 1799 - in
der Epochcs in der die meisten Fragmente entstanden
sind - gelesen, kritisch gesiebt und oft orig^nell var%iert
Gelegentlich undernahm erin den sysiemadischausgefUlh
tenFreistunden auchAnlaufe, umindietropischeFuUe
derManushripteOrdnungzubringen.Dieaphoristischen
Sammlungen ^^BlMenstauh^"^ und ^filauben und Liebe^^
U
(Band unsrer Ausgabe) gehoren zu diesen JStversu-
chen, ebensQ die Anfang xyg8 entsiandenen ^JLogolo^
gischmFragmente*^ Uber das vernimftige Denken some
Me AhsSize Uberdie Poesie unddie Poetizism. Aberder
HaupUeil seiner HandschrifteUs die oft intuitiv in
myMsche Ddmmerreiche zUnden^ ist chaoUschrbunt und
weglos wie der Urwalddes Lebensgeblieben. Sie chrono-
logischeingeteiUzuhaben, bleibtdas Verdienstvon Prof,
PaulKluckkofm.Seiner Vorarbeitfolgend,versmhiauch
9
unsereAusgabediemenscMicheundgeistigeEnlwicMtmg
des iungm Genies zetUich abzustecken Die Zusammen-
iassung derFragmeniezu themaiisckenGruppen, wie sie
unternommm imrde, mangt hingegen No-
gelegenUich
valis ms RUcksicU auf die Bequemlichkeit der Leser %n
eine Pedanierie, die seiner undogmatischen Naiur ganz-
UcDhifereFmrdagwmaer.nts des Jahres 1798„ f,al„len sowo,M, djurch7
und FarUgkeit des Aus-
die sidrkere Btldhafitgkeit
drucks als auck durck das allmaklicke Abrucken von
den absirakten Gedankengdngen auf. Der lebkafte^ Fer-
kehrwitdenGrUndernundMitarbeiterndes,yAtkendums^
macMen Novalis Mut, sick immer mekr der apkoristi-
scken Kurze und AnUtketik zu bedienen, in der er bald
der uniiberiroffene Meister der Romantik werden sollie.
Sekrbaldmachtesickauckder BesuckderBergakademie
vorteilkaftbemerkbar.Durckdiematkematisckenundna-
turwissensckafUicken Studien erweiterte^ sick der ikema-
tiscke Ring zusekends. Novalis blieb sick zwar bewu0t,
dafi wir „immer nur das Vorletzi^‘ wissen, aber seinem
vorwSrtssturmenden Geist dffneten sick in begnadeten
Augenblicken TUren. die sick Usker keinem Denker er-
scfdossen katten.
NichtvergebUckwarereinstlernbegi.eri.gd,urck, Ficktes
Sckidegt^angen. TFfls erinderEinleiiungrnr„TFtss^-
sckaftslehr^* gelesen koMe, begann er nun in aUer Stills
m erfatten: Jierke auf dicksdbstt Kekredeinen BUck
von diem, was dick umgibt, ab undin dein Inneres, ist
die erste Fordermg, welcke die PMhsophie an ihren
UhrUng tut. Es ist von nickts, was aufier dir ist, die
Rede, sondem lediglick von dir selbst.'‘*
LOGOLOGISCHE FRAGMENTS
Die bishetige Geschichte der PMosophieistnichts 780
als eine Geschichte der Entdeckungsversuche des
Philosophierens, Sobaldphilosophiertwird,entstehn
Philosopheme, und die echte Naturlehre der Philo-
sophemeistdie Philosophie.
Diese mannigfachen Ansichten aus meinen philo- 78*
sophischen Bildungsjahren konnen vielleicht den-
jenigen unterhalten, der sich aus der Beobachtung
derwerdendenNatur eine Freude macht, xind dem-
jenigen nicht unniitz sein, der selbst noch in diesen
Stu^en begtiffenist.
Der Buchstabe ist nur eine Hilfe der philosophi- 782
schen Mitteilung, deren eigentliches Wesen in Er-
regung eines bestimmten Gedankengangs besteht.
Der Redende denkt - produziert; der Horende
denktnach-reproduziert. Die Worte sindeintrug-
lichesMediumdesVordenkens-unzuverlassigeVe-
hikel eines bestimmten, spezifischen Reizes. Der
echteLehreristeinWegweiser.IstderSchulerinder
Tat wahrheitslustig, so bedarf es nur eines Winks^
um ihn finden zu lassen, was er sucht. Die Darstel-
lung der Philosophie besteht demnach aus lauter
Themas - aus AnfangssStzen - Prinzipien. Sic ist
nur fiir selbsttStige Wahrheits&eunde. Die analy-
tischeAusfiihrung desThemasistnurfurTtageoder
Ungeiibte. - Letztere mussen dadurch fliegen und
sich in einer bestitnmten Direktion erhalten lernen.
Aufinerksamkeitisteinezentrierende Kraft. Mit der
gegebenenRichtungbeginnt das wirksameVerhalt-
nis zwischen demGerichtetenund demObjekte der
Richtung. Haltenwir diese Richtung f«t, so gekn-
gen wir apodiktisch sicher zu dem gesteckten Ziel.
II
Echtes GesamtpUlosophknn ist also ein gemein-
schafitlicher Zug nach einer geliebten Welt, bei wel-
chem man sich wechselseitig im votdetsten Posten,
welchet die meiste Anstrengung gegen das wider-
strebende Element, worin man fliegt, nodg macht,
ablest.
Em
78} Problemisteinefeste, syntbetischeMasse, die
mittelst der durchdringenden Denkkraft zersetzt
wird. So istumgekehrt das Feuer die Denkkraft der
Natur und jederKSrper ein Problem.
784 ManmuB beijeder Philosophie das ZufMligevon
dem Wesentlichenzu unterscheiden wissen. Zu die-
semZufSlligengehortihrepolemische Seite. Insp^i-
ternZeitenerscheintdieanWiderlegungundBesei-
tigtmgvorhergegangenerMeinungenverschwendete
Muhe seltsamgenug Eigentlichist diese Polemik
noch eine Selbstbekampfung, indem der seiner Zeit
entwadiseneDenkerdochnochvondenVoturteilen
seiner akademischen jahre beunruhigt wird - cine
Beunruhigung, von der man sich in hellem Zeiten
keinen Bsgtiff mehr machen kann, weil man kein
Bcdxirfiois fiihlt,sichdagegeninSicherheitzusetzen.
785 Jedes Wort ist ein Wort der Beschwdrung, Wel-
cherGeistruft -dn solchererscheint.
786 Wenn man anfktgt fiberPhilosophie imchzuden>
ken-sodfinktunsPhilosophie,vdeGottundliebe,
alleszusein. Sieisteinemystische,hBchstwirksame,
Idee, die uns unaufhaltsam nach alien
Bichamgen hineintreibt. Der EntsthluB zu philp-
sqfhierea, Philosophie zu suchen, ist der Akt der
Mhnumission ~ der StoB aufuns selbst zu.
iz