Table Of ContentGerechtigkeitserleben 
im wiedervereinigten Deutschland
Manfred SchmittJLeo Montada (Hrsg.) 
Gerechtigkeitserleben 
im wiedervereinigten 
Deutschland 
Leske + B udrich, Opladen 1999
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme 
Gerechtigkeitserleben im wiedervereinigten Deutschland / Hrsg.: Manfred Schmitt ; 
Leo Montada. - Opladen : Leske und Budrich, 1999 
NE: Montada, Leo [Hrsg.]; 
ISBN 978-3-8100-2144-1  ISBN 978-3-322-95080-2 (eBook) 
DOI 10.1007/978-3-322-95080-2 
© 1999 Leske + Budrich, Opladen 
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung 
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages 
unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikro 
verfllmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Inhalt 
Man/red Schmitt und Leo Montada 
Psychologische, soziologische und arbeitswissenschaftliche 
Analysen der Transfonnation nach der deutschen 
Wiedervereinigung ........................................................................................... 7 
Leo Montada und Anne Dieter 
Gewinn-und Verlusterfahrungen in den neuen Bundesländern: 
Nicht die Kaufkraft der Einkommen, sondern politische 
Bewertungen sind entscheidend ..................................................................... 19 
Hans W Bierhoff 
Zufriedenheit, Leistungsbereitschaft und Unfaimeß in Ost-und 
Westdeutschland: Zur psychosozialen Befmdlichkeit nach der 
Wiedervereinigung ......................................................................................... 45 
Toni Hahn 
Differenzierte Arbeitslosigkeitsverläufe Ostdeutscher -
differenzierte Befmdlichkeiten ....................................................................... 67 
Martin Diewald 
Aufbruch oder Entmutigung? 
Kompetenzentfaltung, Kompetenzentwertung und 
subjektive Kontrolle in den neuen Bundesländern ......................................... 99 
Gunnar Winkler 
Leben in den neuen Bundesländern. 
Ergebnisse der empirischen Untersuchung "Leben '97" .............................. 133 
5
Claudia Stromberg und Klaus Boehnke 
Werte und Lebenszufriedenheit: Gleiche Konsequenzen des 
soziokulturellen Wandels in Ost-und Westdeutschland? ............................ 149 
Manfred Schmitt, Jürgen Maes und Andreas Schmal 
Ungerechtigkeitserleben im Vereinigungsprozeß: 
Folgen für das emotionale Befmden und die seelische Gesundheit ............. 169 
Thomas Kessler, Amelie Mummendey und Andreas Klink 
Soziale Identität und relative Deprivation. 
Determinanten individuellen und kollektiven Verhaltens 
in Ostdeutschland nach der Vereinigung ...................................................... 213 
Stefan Liebig und Bernd Wegen er 
Protest und Verweigerung -
Die Folgen sozialer Ungerechtigkeit in Deutschland ................................... 263 
Matthias Jerusalem 
Sozialer Wandel, Veränderungserfahrungen und Streßprozesse .................. 299 
Gisela Trommsdorff 
Eine Dekade nach der Vereinigung: 
Auf dem Weg zur inneren Einheit? .............................................................. 313 
Dieter Frey und Eva Jonas 
Anmerkungen zur Gerechtigkeit anläßlich der deutschen 
Wiedervereinigung - Theorie und Empirie ................................................. 331 
Autorinnen und Autoren .............................................................................. 351 
6
Manfred Schmitt und Leo Montada 
Psychologische, soziologische und 
arbeitswissenschaftliche Analysen der Transformation 
nach der deutschen Wiedervereinigung 
Im November 1996 wurde von den Herausgebern dieser Edition am Zentrum 
für Gerechtigkeitsforschung (ZfG) der Universität Potsdam ein Symposium 
zum Thema "Gerechtigkeitserleben und Befindlichkeiten im wiedervereinig 
ten Deutschland" ausgerichtet. Eingeladen waren Psychologen,  Soziologen 
und ArbeitswissenschaftIer, die soziologische und psychologische Folgen der 
Wiedervereinigung sowie Begleiterscheinungen der sozialen und wirtschaftli 
chen Transformation Deutschlands untersuchen. Im vorliegenden Band sind 
die ausgearbeiteten und um weitere Befunde ergänzten Beiträge zusammenge 
stellt. Von Gisela Trommsdorff, Matthias Jerusalem, Dieter Frey und Eva 
Jonas werden die Ergebnisse der berichteten Studien in drei Diskussionskapi 
teln kommentiert und um eigene theoretische Interpretationen und Analysen 
bereichert. 
Leo Montada (Direktor des ZfG) und Anne Dieter (Geschäftsführerin des 
ZfG) berichten aus einem Forschungsprojekt des ZfG zum Erleben von Ge 
winn- und Verlusterfahrung in den neuen Bundesländern nach der Wiederver 
einigung.  Eine annähernd repräsentative Stichprobe  von  Bürgerinnen und 
Bürgern aus Brandenburg wurde differenziert zu ihren Wahrnehmungen und 
Bewertungen der Lebensverhältnisse vor und nach der Wende befragt. Die 
Probanden wurden gebeten, den materiellen Wohlstand früher (vor der Wen 
de) und heute einzuschätzen, die gesellschaftliche Ordnung und gesellschaftli 
che Institutionen früher und heute zu bewerten, die Beachtung gesellschaftli 
cher Werte früher und heute einzustufen sowie die Gerechtigkeit der sozialen 
Verhältnisse früher und heute zu beurteilen. Ferner sollten die Probanden ihre 
persönliche Situation einschätzen. Sie wurden aufgefordert, eine Gewinn-Ver 
lust-Bilanz vorzunehmen, die persönliche Lebenssituation heute im Vergleich 
zu früher zu beurteilen und ihre Lebenssituation mit jener der durchschnittli 
chen Bevölkerung in den neuen Bundesländern zu vergleichen. Außerdem 
wurden Indikatoren der emotionalen Belastung erhoben. Schließlich wurden 
politische Einstellungen, antiwestdeutsche Ressentiments und die Sensibilität 
für  widerfahrene Ungerechtigkeit gemessen. Es fand  sich, daß im Bereich 
7
Wohnen und Freizeitmöglichkeiten die heutige Situation positiver gesehen 
wird als die Situation vor der Wende. Verluste werden hingegen vor allem in 
den Bereichen der sozialen Sicherheit, der Arbeitsplatzsicherheit und der Si 
cherheit vor Kriminalität wahrgenommen. Im Vergleich zu DDR-Zeiten wird 
die heutige Situation überwiegend als weniger gerecht eingeschätzt, wobei 
nach Auffassung der Probanden die größten Verluste an Gerechtigkeit in der 
Lebenslage von Frauen, der Verteilung sozialer Leistungen und der Vertei 
lung von Arbeit zu verzeichnen sind. Eine substantiell positive Gerechtig 
keitsbilanz wird nur bei Möglichkeiten zur selbständigen Arbeit gezogen. Das 
aggregierte Gerechtigkeitsurteil korreliert deutlich mit der persönlichen Ge 
winn-Verlust-Bilanz seit der Wende, der Beurteilung des allgemeinen Wohl 
standes früher und heute, der Bewertung der gesellschaftlichen Ordnung frü 
her und heute, der Realisierung von Werten früher und heute sowie politi 
schen Einstellungen. Konkret fcillt die Gerechtigkeitsbilanz um so negativer 
aus, je schlechter die persönliche Lebenssituation und der allgemeine Wohl 
stand im Vergleich zu früher eingeschätzt werden, je negativer die neue sozia 
le Ordnung im Vergleich zur früheren beurteilt wird, je mehr ein Verlust von 
Werten beklagt wird, je positiver die Einstellung zur PDS und je negativer die 
Einstellung zur CDU ausgeprägt sind. Die emotionale Belastung hängt in ähn 
licher Weise mit den genannten Variablen zusammen wie das aggregierte Un 
gerechtigkeitsurteil und korreliert mit diesem zu .55. Dabei erweist sich die 
Sensibilität für widerfahrene Ungerechtigkeit als zusätzlicher Risikofaktor der 
emotionalen Belastung. Diese Befunde verweisen ebenso wie jene der Unter 
suchung von Schmitt, Maes und Schmal (siehe unten) auf eine zentrale Be 
deutung des Gerechtigkeitserlebens für das Wohlbefinden. 
Hans Wemer Bierhojjvergleicht in seiner Untersuchung Ost- und West 
deutsche hinsichtlich Bewertungen der Gratifikation, der Zufriedenheit, des 
Leistungsstrebens und der erlebten Unfairness in den Lebensbereichen Beruf, 
Einkommen, Wohnen und Bildungsbedingungen für die eigenen Kinder. Sei 
ne Daten, die bereits Anfang 1991 erhoben wurden, zeigen, wie optimistisch 
Ostdeutsche kurz nach der Wiedervereinigung waren. Trotz einer objektiven 
Schlechterstellung beurteilten Ostdeutsche ihre Einkommensverhältnisse als 
gleich gut wie Westdeutsche. Selbst von arbeitslosen Ostdeutschen wurden 
die Einkommensverhältnisse positiver beurteilt als in der Retrospektive auf 
die Vorwendezeit. Verbesserungen wurden von den Ostdeutschen auch in den 
Bereichen Wohnen und Bildungsbedingungen für die eignen Kinder gesehen. 
Bierhoff interpretiert dieses Muster als Zeichen einer aktiven Bewältigung der 
Umbruchsituation  durch  Umdeutung.  Die  objektive  Schlechterstellung  im 
Vergleich mit Westdeutschen tritt in der Bewertung der eigenen Lebenslage 
hinter optimistische Erwartungen und die Akzentuierung positiver Verände 
rungen gegenüber früher zurück. Bierhoffs Daten zeigen, daß temporale Ver 
gleiche zur Bewertung der eigenen Situation nach der Wende bei Ostdeut 
schen wirkungsvoller waren als soziale Vergleiche mit Westdeutschen. Bier-
8
hoffs Befunde unterstreichen aber auch die Bedeutung einer längsschnittli 
chen Betrachtung der deutsch-deutschen Transformation. Ein Vergleich sei 
ner Ergebnisse mit jenen von Montada und Dieter läßt vermuten, daß die op 
timistische Grundstimmung der Ostdeutschen nach der Wiedervereinigung 
nur von kurzer Dauer war. Bestätigt wird dies durch Befunde der Studie von 
Schmitt, Maes und Schmal (siehe unten), die anhand eines retrospektiven 
Glücksbarometers einen deutlichen Abfall des allgemeinen Wohlbefindens 
Ostdeutscher ab dem Wendejahr bis 1992 feststellen konnten. 
Toni Hahn untersucht in ihrem Beitrag Zusammenhänge zwischen Ar 
beitslosigkeitsverläufen und der Verarbeitung von Arbeitslosigkeit. Ihr Daten 
material  wurde  am Brandenburgischen Institut für  Arbeitsmarkt- und  Be 
schäftigungsentwicklung (biab) im Zuge einer für Berlin (Ost) und das Land 
Brandenburg repräsentativen, jährlichen Panelbefragung von erstmals, wie 
derholt oder dauerhaft arbeitslosen Personen und deren PartnerInnen gewon 
nen. Bis zum Jahr 1996 wurden fünf Erhebungswellen abgeschlossen. Die 
Stichprobe umfaßte zu diesem Zeitpunkt etwa 1200 Personen. Die Situation 
ostdeutscher Arbeitsloser unterschied sich in den Jahren nach der Wiederver 
einigung von der Situation arbeitsloser Westdeutscher in einem entscheiden 
den Punkt: Ostdeutsche hatten im Umgang mit Arbeitslosigkeit in der DDR 
keine Erfahrungen sammeln können. Diese Besonderheit verleiht der Studie 
einen erheblichen grundlagenwissenschaftlichen Wert, da die Auswirkungen 
eines schwerwiegenden kritischen Lebensereignisses beobachtet werden kön 
nen, dem die Betroffenen ohne Möglichkeiten der Vorbereitung und antizipa 
torischen Bewältigung auf dem Wege des Modellernens ausgesetzt waren. 
Hahn unterscheidet insgesamt neun Verlaufstypen der Arbeitslosigkeit und 
ordnet diese vier Valenzstufen zu. Typ 1 (stabile Wiederbeschäftigung nach 
einmaliger Arbeitslosigkeit) wird beispielsweise als positiver Verlaufstyp ka 
tegorisiert, Typ 3 (perforiert wiederbeschäftigt) als eher positiv, Typ 6 (perfo 
riert arbeitslos) als eher negativ und Typ 7 (dauerarbeitslos) als negativ. Ver 
laufstypen und Bewertungskategorien hängen systematisch und psychologisch 
schlüssig mit der wahrgenommenen sozialen Integration und dem Erleben von 
Kontrolle zusammen. Interpretiert man die Zusammenhangsstruktur rekursiv, 
wird ein fataler Kreislauf sichtbar, in dem Arbeitslosigkeit den Bewältigungs 
stil ungünstig beeinflußt und dieser wiederum die Chancen beeinträchtigt, ins 
Erwerbsleben zurückzufinden. 
Martin Diewald berichtet Befunde zur Wechselwirkung zwischen der be 
ruflichen Mobilität, dem Kontrollierbarkeitserleben und dem Wohlbefinden 
in den neuen Bundesländern. Die Daten (aus Projekten des Max-Planck-Insti 
tuts für Bildungsforschung und dem Sozioökonomischen Panel) machen deut 
lich, daß der wirtschaftliche Umbruch im Zuge der Wiedervereinigung den 
Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern nur scheinbar geöffnet hat. Verti 
kale berufliche Wechsel nach der Wende sind überwiegend gleichbedeutend 
mit beruflichen Abstiegen, horizontale Wechsel geschehen meistens unfrei-
9
willig. Auf- und Abstiege finden vor allem am oberen und unteren Ende der 
Stellenhierarchie statt, also im Bereich von Leitungspositionen einerseits und 
bei ungelernten oder angelernten Arbeitskräften andererseits. Von objektiven 
Verschlechterungen im Berufsleben ist lediglich die Gruppe mittelständischer 
Selbständiger  ausgenommen,  deren  berufliche  und  wirtschaftliche  Entfal 
tungsmöglichkeiten nach der Wende beträchtlich gestiegen sind. Diewald for 
muliert Hypothesen über Faktoren des beruflichen Erfolgs und Mißerfolgs 
Ostdeutscher in der marktwirtschaftlichen Arbeitswelt. Anpassungsschwierig 
keiten erwartet er bei Personen mit überwiegend nichtmeritokratischen, ledig 
lich für das alte System funktionalen Qualifikationen (z. B. politische Loyali 
tät in der DDR), bei Personen mit starken Betriebsbindungen im alten System 
und bei älteren Menschen mit einer längeren Prägung durch die sozialistische 
Planwirtschaft. Eine günstige Prognose stellt er Personen, die bereits im alten 
System Erfahrungen mit beruflichen Wechseln sammeln konnten und berufli 
che Initiative zeigten. Ferner schreibt er den Persönlichkeitseigenschaften der 
internalen Kontrollierbarkeitsüberzeugung und der Beharrlichkeit protektive 
Wirkungen im beruflichen Umbruch zu. Diese und weitere Thesen werden 
anhand von Daten aus der Untersuchung "Lebensverläufe und historischer 
Wandel in der ehemaligen DDR" des Max-Planck-Instituts für Bildungsfor 
schung in Berlin überprüft.  Die Stichprobe urnfaßt über 2300 Probanden. 
Wichtige Prädiktoren des beruflichen Erfolgs in den Transformationsjahren 
sind das Geschlecht und das Lebensalter. Frauen und Personen über 50 sind 
deutlich überproportional von beruflichen Abstiegen und Arbeitslosigkeit be 
troffen. Während sich eine frühere Mitgliedschaft in der SED ungünstig auf 
den beruflichen Erfolg auswirkt, erweist sich eine Beschäftigung im Staats 
dienst der DDR als beschäftigungs- und statussichernd. Berufliche Auf- und 
Abstiege vor 1989 korrelieren negativ mit solchen nach der Wende. Dieses 
Muster wird vor allem durch Facharbeiter erklärt, die in der DDR in die bes 
ser entlohnten Un- und Angelerntenberufe drängten und nach der Wende wie 
der in ihre alten, jetzt besser bezahlten Berufe zurückkehrten. Berufliche Zer 
tifikate erweisen sich trotz mancher Unterschiede im Bildungs- und Beschäf 
tigungssystem von DDR und BRD als Garant der beruflichen Stabilität. Be 
rufliche Diskontinuität vor der Wende setzt sich nach der Wende fort, wobei 
nach den Motiven für einen Arbeitsplatzwechsel (z. B. Familienorientierung 
versus Karriereorientierung) differenziert werden muß. Entgegen den Erwar 
tungen stellt eine starke Betriebszentrierung vor  1989 keinen Risikofaktor 
nach der Wende dar. Ebenfalls nicht bestätigen ließ sich die Hypothese, daß 
Erfahrungen beruflicher Wechsel in der DDR und eine ausgeprägte Eigenini 
tiative vor der Wende das Arbeitslosigkeitsrisiko mindern.  Die genannten 
strukturellen Merkmale können den beruflichen Erfolg besser erklären als die 
bei den untersuchten Persönlichkeitsmerkmale der Kontrollierbarkeitsüberzeu 
gung und Beharrlichkeit. Gleichwohl entspricht die Richtung der Zusammen 
hänge den theoretischen Erwartungen. Anhand von Daten des Sozioökonomi-
10
schen Panels geht Diewald möglichen Gründen für die schwachen Zusam 
menhänge zwischen Kontrollierbarkeitsüberzeugungen und beruflichem Er 
folg  nach.  Im Ost-West-Vergleich finden  sich bei Westdeutschen deutlich 
stärkere Zusammenhänge zwischen der Selbstbestimmtheit und der Kalkulier 
barkeit der Situation als zwei Facetten internaler Kontrolle einerseits und der 
Beschäftigungskontinuität andererseits als bei Ostdeutschen. Dies könnte be 
deuten, daß in Ostdeutschland die berufliche Situation objektiv stärker als im 
Westen von äußeren Faktoren abhängt als von personalen Faktoren wie der 
Selbstwirksarnkeit, aus deren Erfahrung sich zumindest teilweise die Selbst 
wirksarnkeitsüberzeugung entwickelt. Gleichzeitig kann das Ergebnis so gele 
sen werden, daß Ostdeutsche ihre berufliche Situation stärker external attribu 
ieren, und dies durchaus zurecht, da Arbeitslosigkeit im Osten überwiegend 
eine Folge von Betriebsschließungen, betrieblichen Kündigungen oder ande 
ren strukturellen Faktoren ist, auf die der einzelne Arbeitnehmer kaum Ein 
fluß hat und die er durch Leistungswillen und Leistungsfähigkeit nicht kom 
pensieren kann. In diesem Widerfahrnischarakter der Arbeitslosigkeit und ih 
rem großen Ausmaß sieht Diewald ein schwerwiegendes Gerechtigkeitspro 
blem, das durch die vergleichsweise hohe Beschäftigungsquote in Ostdeutsch 
land kaum gelindert wird. 
Gunnar Winkler berichtet aus der Studie "Leben '97" des Sozialwissen 
schaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg (SFZ), einer sechsjäh 
rigen  Längsschnittuntersuchung zur Wahrnehmung  der  Lebensverhältnisse 
nach der Wende. Eine repräsentative Stichprobe von knapp 2000 Bürgerinnen 
und Bürgern der neuen Bundesländer wurde im jährlichen Abstand nach Ver 
besserungen  und  Verschlechterungen  in  verschiedenen  Lebensbereichen 
(Freizeit,  Arbeit,  Umwelt,  persönliche  Sicherheit,  Partnerschaft,  Bildung, 
Kinder,  soziale Sicherheit,  Demokratie,  Gesundheit, Wohnen, Lohn-Preis 
Verhältnis) sowie nach Hoffnungen und Befürchtungen befragt. Die ungün 
stigste Entwicklung (abnehmende Hoffnungen, zunehmende Befürchtungen) 
wird in den Bereichen Arbeit, persönliche Sicherheit, Kinder und soziale Si 
cherheit gesehen. In diesen Bereichen überwiegen erlebte Verschlechterungen 
die erlebten Verbesserungen, und dieser Trend ist progressiv. Auch in jenen 
Bereichen, in denen wahrgenommene Verbesserungen deutlich überwiegen 
(Freizeit, Umwelt, Bildung, Gesundheit), läßt sich ein negativer Trend über 
die letzten 6 Jahre feststellen (abnehmende Distanz zwischen Verbesserungen 
und Verschlechterungen). Daten zu Hoffnungen und Befürchtungen weisen 
allerdings auf erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen hin. 
Die schlechteste Bilanz findet sich bei Arbeitslosen und Vorruheständlern, 
bei denen seit 1995 ein drastischer Anstieg der Befürchtungen beobachtet 
werden kann. Winkler lehnt eine Interpretation der Befunde als Ausdruck ei 
ner zunehmenden Verklärung der DDR ("Ostalgie") ab, sondern billigt den 
ostdeutschen Bürgerinnen und Bürgern die Fähigkeit zu einem differenzierten 
und erfahrungsgeleiteten Systemvergleich zu. Für diese Annahme spricht, daß 
II